Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 7 AS 4053/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 361/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Abänderung der Leistungshöhe bei vorläufigen Grundsicherungsleistungen
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 23. September 2009 wird aufgehoben.
Der Antragsgegner wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2009 vorläufig unter Anrechnung bereits bewilligter Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - in Höhe von monatlich 296,59 EUR zu zahlen.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt von dem Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ohne Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme in Höhe von 2.500,00 EUR.
Die am 1964 geborene Antragstellerin bezieht seit dem Jahr 2007 von dem Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II. Sie ist erwerbstätig und erzielt unterschiedlich hohes monatliches Nettoeinkommen, wobei der Antragsgegner bei der Leistungsberechnung derzeit einen Durchschnitt von 648,60 EUR im Monat zugrunde legt.
Am 19. März 2009 erwarb die Antragstellerin ein neues Auto "Opel Corsa Selection" zu einem Gesamtpreis von 12.390,90 EUR. Sie finanzierte diesen Kaufpreis durch ein zinsloses Darlehen in Höhe von 2.500,00 EUR, das ihr Herr R ... K. gewährte, wobei sie sich verpflichtete, dieses aus der von ihr in dieser Höhe erwarteten sogenannte Umweltprämie (umgangssprachlich Abwrackprämie) zurückzuführen. Sie gab Herrn K. bereits im Antrag auf die Prämie als Empfänger des Betrags an. Von ihrer Mutter erhielt sie am 19. März 2009 einen Geldbetrag in Höhe von 2.500,00 EUR als Geschenk. Die Antragstellerin zahlte einen Betrag von 5.000,00 EUR beim Kfz-Kauf in bar an. Hinsichtlich der verbleibenden 8.152,14 EUR schloss sie einen Darlehensvertrag mit einer Bank ab und zahlt – soweit ersichtlich – hierauf monatlich 91,04 EUR. Den Erhalt des Geschenks zeigte die Antragstellerin dem Antragsgegner an und legte eine Erklärung der Mutter vor, wonach diese der Antragstellerin den Geldbetrag für die Anzahlung ihres neuen Autos geschenkt habe. Der Antragsgegner vermerkte am 4. Juni 2009 in den Verwaltungsakten, der Betrag sei "bei der Vermögensanrechnung zu berücksichtigen".
Mit Bescheid vom 29. Mai 2009 bewilligte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAfA) der Antragstellerin eine Zuwendung in Höhe von 2.500,00 EUR für den Erwerb des Neufahrzeugs.
Der Antragsgegner bewilligte der Antragstellerin mit Bescheid vom 4. Juni 2009 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2009 i.H.v. monatlich 296,00 EUR. Im Bescheid wird ausgeführt: "Ihnen werden die Leistungen monatlich in Höhe von 296,59 EUR vorläufig bewilligt. Begründung: Bei der Antragstellung gaben Sie an, dass die Einkünfte aus der Erwerbstätigkeit monatlich unterschiedlich hoch sind. Bei der Ermittlung des Bedarfs ist das durchschnittliche monatliche Erwerbseinkommen der Monate 11/08 bis 4/09 berücksichtigt worden. Sie sind verpflichtet, die vollständigen Einkommensnachweise beim Eigenbetrieb für Arbeit vorzulegen."
Das BAfA zahlte die bewilligte Umweltprämie in Höhe von 2.500,00 EUR am 9. Juni 2009 unmittelbar an Herrn R ... K ... aus.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29. Juli 2009 ergänzt durch einen Änderungsbescheid vom selben Tag hob der Antragsgegner den Bewilligungsbescheid vom 4. Juni 2009 mit Wirkung vom 1. Juli 2009 auf, setzte die Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 31. Dezember 2009 in Höhe von monatlich 46,59 EUR fest und forderte von der Antragstellerin für den Monat Juli 2009 einen Betrag von 250,00 EUR zurück: Die der Antragstellerin am 9. Juni 2009 über Herrn K zugeflossene sogenannte Abwrackprämie in Höhe von 2.500,00 EUR sei als einmalige Einnahme als Einkommen ab dem Folgemonat anzurechnen und auf den Zeitraum Juli 2009 bis April 2010 in Höhe von monatlich 250,00 EUR zu verteilen. Die Leistungen würden weiterhin vorläufig bewilligt.
Gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sowie gegen den Änderungsbescheid vom 29. Juli 2009 erhob die Antragstellerin am 11. August 2009 jeweils Widerspruch; über die Widersprüche ist noch nicht entschieden. Der Antragsgegner teilte mit Schreiben vom 12. August 2009 der Antragstellerin mit, die Vollziehung des Erstattungsbescheides bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens auszusetzen.
Die Antragstellerin hat am 25. August 2009 beim Sozialgericht Halle (SG) um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und zur Begründung ausgeführt: Die Abwrackprämie sei nicht im Rahmen der Einkommensanrechnung zu berücksichtigen, da es sich um eine zweckgebundene Einnahme handele. Das Geldgeschenk ihrer Mutter sei ihr zwar zugeflossen, könne aber nicht angerechnet werden, da sie insofern Vertrauensschutz nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) genieße. Auch der Antragsgegner habe diesen Betrag im Wissen um das Geschenk nicht angerechnet. Jedenfalls könne dieser Betrag nicht auf einen Zeitraum von zehn Monaten aufgeteilt werden.
Das SG hat mit Beschluss vom 23. September 2009 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung insbesondere ausgeführt: Bei der Abwrackprämie handele es sich nicht um im Rahmen der Einkommensanrechnung zu berücksichtigendes Einkommen. Wegen der Anrechnung des Geldgeschenkes von ihrer Mutter in Höhe von 2.500,00 EUR ergebe sich indes kein höherer Leistungsanspruch als die bereits bewilligten und gewährten monatlichen Leistungen in Höhe von 46,59 EUR. Über die Leistungen sei lediglich vorläufig entschieden worden. An die vorläufige Bewilligung schließe sich nicht ohne weiteres eine Aufhebung an, sondern zunächst eine endgültige Bewilligung. Auf eine etwaige Anrechnung des Darlehensbetrags von Herrn K. komme es nicht mehr an.
Gegen den ihr am 2. Oktober 2009 zugestellten Beschluss des SG hat die Antragstellerin am 6. Oktober 2009 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Das Geldgeschenk der Mutter dürfe nicht angerechnet werden. Die Antragstellerin habe bereits im März 2009 den Zufluss des Geldgeschenks angezeigt und nachgewiesen. Gleichwohl habe der Antragsgegner die Einnahme nicht bedarfsmindernd berücksichtigt. Mit seiner Entscheidung vom 29. Juli 2009 habe er der Antragstellerin zu erkennen gegeben, dass er das geschenkte Geld nicht anrechne, da er in diesem Bescheid ausdrücklich klargestellt habe, dass die Abwrackprämie bedarfsmindernd zu berücksichtigen sei. Dies habe er im bisherigen Vortrag auch weiterhin so bestätigt. Die Anrechnung des Geldgeschenks habe der Antragsgegner überhaupt nicht in Betracht gezogen. Daher genieße die Antragstellerin insoweit Vertrauensschutz nach § 45 SGB X. Sie habe darauf vertrauen können, das Geldgeschenk für den Autokauf verwenden zu dürfen. Die Beschwerdeführerin habe im März 2009 die 2.500,00 EUR von ihrer Mutter erhalten und komplett für den Autokauf verbraucht. Auch eine Anrechnung der Zahlung von Herrn K komme nicht in Betracht, da die Antragstellerin sich das Geld von diesem zum Kauf des Autos geliehen habe und es direkt an Herrn K überwiesen wurde, also der Betrag der Antragstellerin nie zugeflossen sei.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des SG vom 23. September 2009 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihr vorläufig für die Zeit ab 1. Juli 2009 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ohne Anrechnung von monatlich sonstigem Einkommen in Höhe von 250,00 EUR zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie macht keine weiteren Ausführungen zur Anrechnung der Abwrackprämie, meint jedoch, das SG habe zutreffend das Geldgeschenk der Mutter anstelle der Abwrackprämie bedarfsmindernd berücksichtigt.
Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten des Antragsgegners haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.
Sie ist auch begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) den Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die Dringlichkeit der Entscheidung des Gerichts (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen. Bei der Entscheidung über den Antrag ist von den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auszugehen. Eine einstweilige Anordnung, mit der Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht werden, ist regelmäßig nur dann notwendig, wenn eine gegenwärtige akute Notlage zu beseitigen ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 86b Rdnr. 18).
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen können.
Aufgrund der Bewilligungsentscheidung des Antragsgegners vom 4. Juni 2009 hat die Antragstellerin einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2009 i.H.v. monatlich 296,00 EUR, wobei der Antragsgegner diesen Bescheid im Hinblick auf das wechselnde Erwerbseinkommen für vorläufig erklärt hat. Dieser Anspruch setzt sich wie folgt zusammen: Regelleistung gemäß § 20 SGB II in Höhe von 359,00 EUR sowie Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II in Höhe von 345,00 EUR, abzüglich des bereinigten Einkommens in Höhe von 407,41 EUR (Erwerbseinkommen 648,60 EUR abzüglich des Freibetrags in Höhe von 241,19 EUR). Anhaltspunkte für eine unzutreffende Bezifferung der Kosten der Unterkunft und Heizung bzw. der durchschnittsweisen Festlegung des Nettoerwerbseinkommens sind auch nicht ersichtlich.
Diese Leistungsbewilligung ist vom Antragsgegner nicht wirksam abgeändert worden.
Der Antragsgegner hat sich bisher nicht auf § 328 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) bezogen und die Bewilligungsentscheidung im Hinblick auf deren Vorläufigkeit geändert. Eine gesonderte Aufhebung ist hierfür nicht erforderlich, da sich die vorläufige Entscheidung erst durch die abschließende anderweitige Entscheidung erledigt (Niesel, in Niesel [Hrsg.], SGB III-Kommentar, 4. Aufl., § 328 Rn. 6). Eine solche abschließende anderweitige Entscheidung ist hier jedoch noch nicht getroffen worden. Aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29. Juli 2009 lässt sich keine solche anderweitige Entscheidung entnehmen. Sie kommt nach dem Bewilligungsbescheid vom 4. Juni 2009 erst dann in Betracht, wenn das tatsächliche Erwerbseinkommen im Bewilligungszeitraum, der noch bis Dezember 2009 geht, von der Antragstellerin nachgewiesen wird. Es kann offen bleiben, ob diejenigen Leistungsvoraussetzungen, die bereits als sicher gelten können, inzident als endgültig festgestellte Bestandteile der Regelung gelten und nur nach den §§ 44 ff. SGB X zurückgenommen werden können (Niesel a.a.O.).
Eine vorläufige Leistungsbewilligung kann allerdings nach § 48 SGB X abgeändert werden, wenn sich die Verhältnisse seit dem Erlass geändert haben und eine abschließende Entscheidung noch nicht getroffen werden kann (Niesel, a.a.O.).
Der Antragsgegner hat die Bewilligung im Hinblick auf den Zufluss der Abwrackprämie aufgehoben. Der auf § 48 SGB X gestützte Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29. Juli 2009 ist jedoch rechtswidrig. Denn die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X liegen nicht vor. Hiernach soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Dies ist nicht der Fall. Der Zufluss der Abwrackprämie führt nicht zur Minderung des Anspruchs der Antragstellerin. Denn – abweichend von der Auffassung des Antragsgegners – ist die Abwrackprämie vorliegend nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Insoweit verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 22. September 2009 (L 2 AS 315/09 B ER, juris). Bei der Abwrackprämie handelt es sich um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II. Es muss eine Zweckbestimmung erkennbar sein, wonach die Einnahme einem anderem Zweck dient, als die zur Sicherung des Lebensunterhalts gewährten SGB II-Leistungen. In der für die Gewährung der Umweltprämie maßgeblichen Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen vom 20. Februar 2009 wird zum "Zuwendungszweck" ausgeführt, die Bundesregierung habe sich zum Ziel gesetzt, mit Hilfe einer Umweltprämie die Verschrottung alter und den Absatz neuer Personenwagen zu fördern. Deshalb werden die nachzuweisende Verschrottung des Altfahrzeugs und der Erwerb eines Neufahrzeugs zu Voraussetzungen für die Gewährung der Zuwendung gemacht. Die Zuwendungsempfänger sollen zu solchen Handlungen motiviert werden. Diese Zwecksetzung kann im Fall einer Gewährung der Zuwendung an Hilfebedürftige nach dem SGB II nur erreicht werden, wenn diese den Zuwendungsbetrag nicht vorrangig vor den ansonsten nach dem SGB II gewährten Leistungen für die Bestreitung des Lebensunterhalts einsetzen müssen. Denn dann würde der Prämienbetrag wirtschaftlich dem Träger der Grundsicherungsleistung zugute kommen und nicht den Hilfebedürftigen, die dann in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle auch nicht zum Einsatz ihres Schonvermögens für die Verschrottung ihres Altfahrzeugs und den Ankauf eines Neuwagens motiviert werden können. Eine Berücksichtigung der Umweltprämie als Einkommen ist auch nicht deshalb geboten, weil die Leistung die Lage des Empfängers so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären (§ 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II). Denn im Ergebnis fließen dem Hilfebedürftigen keine Mittel zu, die er für seinen Unterhalt oder sonst frei verwenden kann. Bei der Erfüllung der Voraussetzungen für die Gewährung der Umweltprämie nimmt der Hilfebedürftige eine Umschichtung von Schonvermögen vor, das er nun für den Ankauf des neuen Fahrzeugs verwendet. Die staatliche Prämie fließt dabei wirtschaftlich betrachtet in die Bezahlung ein, ohne für andere Zwecke zur Verfügung zu stehen. Dies gilt jedenfalls für solche Konstellationen, bei denen – wie im hier zu entscheidenden Fall – der Betrag der Umweltprämie der Antragstellerin gar nicht zufließt. Vorliegend ist die Umweltprämie an Herrn K. ausgezahlt worden, der zuvor der Antragstellerin ein zinsloses Darlehen in dieser Höhe gewährt hatte (vgl. Beschluss des Senats vom 22. September 2009).
Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29. Juli 2009 kann – abweichend von der Auffassung des SG – auch nicht derart verstanden werden, dass hiermit die ursprüngliche Leistungsbewilligung wegen des (bereits am 19. März 2009 erfolgten) Zuflusses des Geldgeschenks der Mutter aufgehoben wird. Da die Leistungsbewilligung dann bereits von Anfang an rechtswidrig wäre, käme als Rechtsgrundlage nur § 45 SGB X anstelle von § 48 SGB X in Betracht. Hierzu müsste der Antragsgegner sich auf eine Änderung der Begründung des Verwaltungsakts berufen. Dies hat er im erstinstanzlichen Verfahren nicht getan, jedoch ist seine Erwiderung auf die Beschwerde dahingehend zu verstehen, dass er den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid dementsprechend verstanden wissen will. Denn er macht sich die dahingehende Auffassung des SG zu Eigen. Grundsätzlich haben die Sozialgerichte auch die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Das schließt die Berücksichtigung solcher Rechtsgründe ein, welche die Verwaltungsbehörde zur Begründung des angefochtenen Bescheids nicht angeführt hat. Dies gilt allerdings nur, soweit der Verwaltungsakt durch die neue Begründung nach Voraussetzungen, Inhalt und Wirkungen nicht wesentlich verändert und die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert wird (Bundessozialgericht, Urteil vom 25. April 2002, B 11 AL 69/01, juris). Eine nicht mehr von den Grundsätzen des sogenannten Nachschiebens von Gründen gedeckte Wesensänderung des Verwaltungsakts liegt vor, wenn die Regelung auf einen anderen Lebenssachverhalt gestützt wird (BSG, Urteil vom 29. Juni 2000, B 11 AL 85/99, juris).
Dies ist hier der Fall. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid bezieht sich ausschließlich auf die bedarfsmindernde Anrechnung der nachträglich zugeflossenen Abwrackprämie als einmalige Einnahme. Dieser Bescheid lässt sich nicht dahingehend verstehen, dass anstelle der Anrechnung der Abwrackprämie nunmehr die Bewilligung im Hinblick auf das bereits vor Bewilligung bekannte Geldgeschenk der Mutter aufgehoben wäre. Durch die Ersetzung des einen Sachverhaltes durch den anderen wird der Wesensgehalt des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides derart verändert, dass dies durch die Grundsätze des sogenannten Nachschiebens von Gründen eines Verwaltungsaktes, die bereits bei seinem Erlass vorgelegen haben, nicht mehr gedeckt ist. Hier liegt der Aufhebung, wie sie der Antragsgegner gestützt auf die erstinstanzliche Entscheidung verstehen will, ein insgesamt anderer Lebenssachverhalt zu Grunde. Ursprünglich bezog sich der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ausschließlich auf den Zufluss der Abwrackprämie im Juni 2009. Die Anrechnung des Geldgeschenks der Mutter war vom Antragsgegner damit nicht beabsichtigt. Im Gegenteil, aus der Bewilligungsentscheidung vom 4. Juni 2009 durfte die Antragstellerin entnehmen, dass im Hinblick auf die Schenkung eine Anrechnung nicht beabsichtigt war. Denn sie hatte die Schenkung angezeigt und der Antragsgegner hat in seinem Bewilligungsbescheid vom 4. Juni 2009 die Leistung nur im Hinblick auf das unterschiedliche monatliche Erwerbseinkommen für vorläufig erklärt.
Auch eine Umdeutung der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung vom 29. Juli 2009 in eine Aufhebung gemäß § 45 SGB X ist nicht möglich. Gem. § 43 Abs. 1 SGB X kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenen Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Ein Aufhebungsbescheid nach § 48 SGB X kann nicht in einen Rücknahmebescheid nach § 45 SGB X umgedeutet werden, wenn eine solche Aufhebung als gebundene Entscheidung ergeht, während die Rücknahme nach § 45 SGB X im Ermessen der Behörde liegt, für deren Wirksamkeit mithin anders als nach § 48 SGB X die Ausübung eines Ermessens Voraussetzung ist (Schütze in von Wulffen, SGB X - Kommentar, 6. Aufl., § 43, Rn. 8). Hier wäre vom Antragsgegner Ermessen auszuüben, da ein Fall des § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht gegeben ist. Insbesondere hat die Antragstellerin den Zufluss des Geldes bei dem Antragsgegner ordnungsgemäß angezeigt. Offen bleiben kann auch hier, ob und inwieweit eine Aufhebung noch auf § 45 SGB X gestützt werden könnte.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da sie seit Juli 2009 laufend nur Leistungen nach dem SGB II unter Anrechnung von monatlich 250,00 EUR erhält.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Dr. Peters
Der Antragsgegner wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2009 vorläufig unter Anrechnung bereits bewilligter Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - in Höhe von monatlich 296,59 EUR zu zahlen.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt von dem Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ohne Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme in Höhe von 2.500,00 EUR.
Die am 1964 geborene Antragstellerin bezieht seit dem Jahr 2007 von dem Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II. Sie ist erwerbstätig und erzielt unterschiedlich hohes monatliches Nettoeinkommen, wobei der Antragsgegner bei der Leistungsberechnung derzeit einen Durchschnitt von 648,60 EUR im Monat zugrunde legt.
Am 19. März 2009 erwarb die Antragstellerin ein neues Auto "Opel Corsa Selection" zu einem Gesamtpreis von 12.390,90 EUR. Sie finanzierte diesen Kaufpreis durch ein zinsloses Darlehen in Höhe von 2.500,00 EUR, das ihr Herr R ... K. gewährte, wobei sie sich verpflichtete, dieses aus der von ihr in dieser Höhe erwarteten sogenannte Umweltprämie (umgangssprachlich Abwrackprämie) zurückzuführen. Sie gab Herrn K. bereits im Antrag auf die Prämie als Empfänger des Betrags an. Von ihrer Mutter erhielt sie am 19. März 2009 einen Geldbetrag in Höhe von 2.500,00 EUR als Geschenk. Die Antragstellerin zahlte einen Betrag von 5.000,00 EUR beim Kfz-Kauf in bar an. Hinsichtlich der verbleibenden 8.152,14 EUR schloss sie einen Darlehensvertrag mit einer Bank ab und zahlt – soweit ersichtlich – hierauf monatlich 91,04 EUR. Den Erhalt des Geschenks zeigte die Antragstellerin dem Antragsgegner an und legte eine Erklärung der Mutter vor, wonach diese der Antragstellerin den Geldbetrag für die Anzahlung ihres neuen Autos geschenkt habe. Der Antragsgegner vermerkte am 4. Juni 2009 in den Verwaltungsakten, der Betrag sei "bei der Vermögensanrechnung zu berücksichtigen".
Mit Bescheid vom 29. Mai 2009 bewilligte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAfA) der Antragstellerin eine Zuwendung in Höhe von 2.500,00 EUR für den Erwerb des Neufahrzeugs.
Der Antragsgegner bewilligte der Antragstellerin mit Bescheid vom 4. Juni 2009 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2009 i.H.v. monatlich 296,00 EUR. Im Bescheid wird ausgeführt: "Ihnen werden die Leistungen monatlich in Höhe von 296,59 EUR vorläufig bewilligt. Begründung: Bei der Antragstellung gaben Sie an, dass die Einkünfte aus der Erwerbstätigkeit monatlich unterschiedlich hoch sind. Bei der Ermittlung des Bedarfs ist das durchschnittliche monatliche Erwerbseinkommen der Monate 11/08 bis 4/09 berücksichtigt worden. Sie sind verpflichtet, die vollständigen Einkommensnachweise beim Eigenbetrieb für Arbeit vorzulegen."
Das BAfA zahlte die bewilligte Umweltprämie in Höhe von 2.500,00 EUR am 9. Juni 2009 unmittelbar an Herrn R ... K ... aus.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29. Juli 2009 ergänzt durch einen Änderungsbescheid vom selben Tag hob der Antragsgegner den Bewilligungsbescheid vom 4. Juni 2009 mit Wirkung vom 1. Juli 2009 auf, setzte die Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 31. Dezember 2009 in Höhe von monatlich 46,59 EUR fest und forderte von der Antragstellerin für den Monat Juli 2009 einen Betrag von 250,00 EUR zurück: Die der Antragstellerin am 9. Juni 2009 über Herrn K zugeflossene sogenannte Abwrackprämie in Höhe von 2.500,00 EUR sei als einmalige Einnahme als Einkommen ab dem Folgemonat anzurechnen und auf den Zeitraum Juli 2009 bis April 2010 in Höhe von monatlich 250,00 EUR zu verteilen. Die Leistungen würden weiterhin vorläufig bewilligt.
Gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sowie gegen den Änderungsbescheid vom 29. Juli 2009 erhob die Antragstellerin am 11. August 2009 jeweils Widerspruch; über die Widersprüche ist noch nicht entschieden. Der Antragsgegner teilte mit Schreiben vom 12. August 2009 der Antragstellerin mit, die Vollziehung des Erstattungsbescheides bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens auszusetzen.
Die Antragstellerin hat am 25. August 2009 beim Sozialgericht Halle (SG) um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und zur Begründung ausgeführt: Die Abwrackprämie sei nicht im Rahmen der Einkommensanrechnung zu berücksichtigen, da es sich um eine zweckgebundene Einnahme handele. Das Geldgeschenk ihrer Mutter sei ihr zwar zugeflossen, könne aber nicht angerechnet werden, da sie insofern Vertrauensschutz nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) genieße. Auch der Antragsgegner habe diesen Betrag im Wissen um das Geschenk nicht angerechnet. Jedenfalls könne dieser Betrag nicht auf einen Zeitraum von zehn Monaten aufgeteilt werden.
Das SG hat mit Beschluss vom 23. September 2009 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung insbesondere ausgeführt: Bei der Abwrackprämie handele es sich nicht um im Rahmen der Einkommensanrechnung zu berücksichtigendes Einkommen. Wegen der Anrechnung des Geldgeschenkes von ihrer Mutter in Höhe von 2.500,00 EUR ergebe sich indes kein höherer Leistungsanspruch als die bereits bewilligten und gewährten monatlichen Leistungen in Höhe von 46,59 EUR. Über die Leistungen sei lediglich vorläufig entschieden worden. An die vorläufige Bewilligung schließe sich nicht ohne weiteres eine Aufhebung an, sondern zunächst eine endgültige Bewilligung. Auf eine etwaige Anrechnung des Darlehensbetrags von Herrn K. komme es nicht mehr an.
Gegen den ihr am 2. Oktober 2009 zugestellten Beschluss des SG hat die Antragstellerin am 6. Oktober 2009 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Das Geldgeschenk der Mutter dürfe nicht angerechnet werden. Die Antragstellerin habe bereits im März 2009 den Zufluss des Geldgeschenks angezeigt und nachgewiesen. Gleichwohl habe der Antragsgegner die Einnahme nicht bedarfsmindernd berücksichtigt. Mit seiner Entscheidung vom 29. Juli 2009 habe er der Antragstellerin zu erkennen gegeben, dass er das geschenkte Geld nicht anrechne, da er in diesem Bescheid ausdrücklich klargestellt habe, dass die Abwrackprämie bedarfsmindernd zu berücksichtigen sei. Dies habe er im bisherigen Vortrag auch weiterhin so bestätigt. Die Anrechnung des Geldgeschenks habe der Antragsgegner überhaupt nicht in Betracht gezogen. Daher genieße die Antragstellerin insoweit Vertrauensschutz nach § 45 SGB X. Sie habe darauf vertrauen können, das Geldgeschenk für den Autokauf verwenden zu dürfen. Die Beschwerdeführerin habe im März 2009 die 2.500,00 EUR von ihrer Mutter erhalten und komplett für den Autokauf verbraucht. Auch eine Anrechnung der Zahlung von Herrn K komme nicht in Betracht, da die Antragstellerin sich das Geld von diesem zum Kauf des Autos geliehen habe und es direkt an Herrn K überwiesen wurde, also der Betrag der Antragstellerin nie zugeflossen sei.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des SG vom 23. September 2009 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihr vorläufig für die Zeit ab 1. Juli 2009 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ohne Anrechnung von monatlich sonstigem Einkommen in Höhe von 250,00 EUR zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie macht keine weiteren Ausführungen zur Anrechnung der Abwrackprämie, meint jedoch, das SG habe zutreffend das Geldgeschenk der Mutter anstelle der Abwrackprämie bedarfsmindernd berücksichtigt.
Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten des Antragsgegners haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.
Sie ist auch begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) den Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die Dringlichkeit der Entscheidung des Gerichts (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen. Bei der Entscheidung über den Antrag ist von den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auszugehen. Eine einstweilige Anordnung, mit der Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht werden, ist regelmäßig nur dann notwendig, wenn eine gegenwärtige akute Notlage zu beseitigen ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 86b Rdnr. 18).
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen können.
Aufgrund der Bewilligungsentscheidung des Antragsgegners vom 4. Juni 2009 hat die Antragstellerin einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2009 i.H.v. monatlich 296,00 EUR, wobei der Antragsgegner diesen Bescheid im Hinblick auf das wechselnde Erwerbseinkommen für vorläufig erklärt hat. Dieser Anspruch setzt sich wie folgt zusammen: Regelleistung gemäß § 20 SGB II in Höhe von 359,00 EUR sowie Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II in Höhe von 345,00 EUR, abzüglich des bereinigten Einkommens in Höhe von 407,41 EUR (Erwerbseinkommen 648,60 EUR abzüglich des Freibetrags in Höhe von 241,19 EUR). Anhaltspunkte für eine unzutreffende Bezifferung der Kosten der Unterkunft und Heizung bzw. der durchschnittsweisen Festlegung des Nettoerwerbseinkommens sind auch nicht ersichtlich.
Diese Leistungsbewilligung ist vom Antragsgegner nicht wirksam abgeändert worden.
Der Antragsgegner hat sich bisher nicht auf § 328 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) bezogen und die Bewilligungsentscheidung im Hinblick auf deren Vorläufigkeit geändert. Eine gesonderte Aufhebung ist hierfür nicht erforderlich, da sich die vorläufige Entscheidung erst durch die abschließende anderweitige Entscheidung erledigt (Niesel, in Niesel [Hrsg.], SGB III-Kommentar, 4. Aufl., § 328 Rn. 6). Eine solche abschließende anderweitige Entscheidung ist hier jedoch noch nicht getroffen worden. Aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29. Juli 2009 lässt sich keine solche anderweitige Entscheidung entnehmen. Sie kommt nach dem Bewilligungsbescheid vom 4. Juni 2009 erst dann in Betracht, wenn das tatsächliche Erwerbseinkommen im Bewilligungszeitraum, der noch bis Dezember 2009 geht, von der Antragstellerin nachgewiesen wird. Es kann offen bleiben, ob diejenigen Leistungsvoraussetzungen, die bereits als sicher gelten können, inzident als endgültig festgestellte Bestandteile der Regelung gelten und nur nach den §§ 44 ff. SGB X zurückgenommen werden können (Niesel a.a.O.).
Eine vorläufige Leistungsbewilligung kann allerdings nach § 48 SGB X abgeändert werden, wenn sich die Verhältnisse seit dem Erlass geändert haben und eine abschließende Entscheidung noch nicht getroffen werden kann (Niesel, a.a.O.).
Der Antragsgegner hat die Bewilligung im Hinblick auf den Zufluss der Abwrackprämie aufgehoben. Der auf § 48 SGB X gestützte Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29. Juli 2009 ist jedoch rechtswidrig. Denn die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X liegen nicht vor. Hiernach soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Dies ist nicht der Fall. Der Zufluss der Abwrackprämie führt nicht zur Minderung des Anspruchs der Antragstellerin. Denn – abweichend von der Auffassung des Antragsgegners – ist die Abwrackprämie vorliegend nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Insoweit verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 22. September 2009 (L 2 AS 315/09 B ER, juris). Bei der Abwrackprämie handelt es sich um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II. Es muss eine Zweckbestimmung erkennbar sein, wonach die Einnahme einem anderem Zweck dient, als die zur Sicherung des Lebensunterhalts gewährten SGB II-Leistungen. In der für die Gewährung der Umweltprämie maßgeblichen Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen vom 20. Februar 2009 wird zum "Zuwendungszweck" ausgeführt, die Bundesregierung habe sich zum Ziel gesetzt, mit Hilfe einer Umweltprämie die Verschrottung alter und den Absatz neuer Personenwagen zu fördern. Deshalb werden die nachzuweisende Verschrottung des Altfahrzeugs und der Erwerb eines Neufahrzeugs zu Voraussetzungen für die Gewährung der Zuwendung gemacht. Die Zuwendungsempfänger sollen zu solchen Handlungen motiviert werden. Diese Zwecksetzung kann im Fall einer Gewährung der Zuwendung an Hilfebedürftige nach dem SGB II nur erreicht werden, wenn diese den Zuwendungsbetrag nicht vorrangig vor den ansonsten nach dem SGB II gewährten Leistungen für die Bestreitung des Lebensunterhalts einsetzen müssen. Denn dann würde der Prämienbetrag wirtschaftlich dem Träger der Grundsicherungsleistung zugute kommen und nicht den Hilfebedürftigen, die dann in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle auch nicht zum Einsatz ihres Schonvermögens für die Verschrottung ihres Altfahrzeugs und den Ankauf eines Neuwagens motiviert werden können. Eine Berücksichtigung der Umweltprämie als Einkommen ist auch nicht deshalb geboten, weil die Leistung die Lage des Empfängers so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären (§ 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II). Denn im Ergebnis fließen dem Hilfebedürftigen keine Mittel zu, die er für seinen Unterhalt oder sonst frei verwenden kann. Bei der Erfüllung der Voraussetzungen für die Gewährung der Umweltprämie nimmt der Hilfebedürftige eine Umschichtung von Schonvermögen vor, das er nun für den Ankauf des neuen Fahrzeugs verwendet. Die staatliche Prämie fließt dabei wirtschaftlich betrachtet in die Bezahlung ein, ohne für andere Zwecke zur Verfügung zu stehen. Dies gilt jedenfalls für solche Konstellationen, bei denen – wie im hier zu entscheidenden Fall – der Betrag der Umweltprämie der Antragstellerin gar nicht zufließt. Vorliegend ist die Umweltprämie an Herrn K. ausgezahlt worden, der zuvor der Antragstellerin ein zinsloses Darlehen in dieser Höhe gewährt hatte (vgl. Beschluss des Senats vom 22. September 2009).
Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29. Juli 2009 kann – abweichend von der Auffassung des SG – auch nicht derart verstanden werden, dass hiermit die ursprüngliche Leistungsbewilligung wegen des (bereits am 19. März 2009 erfolgten) Zuflusses des Geldgeschenks der Mutter aufgehoben wird. Da die Leistungsbewilligung dann bereits von Anfang an rechtswidrig wäre, käme als Rechtsgrundlage nur § 45 SGB X anstelle von § 48 SGB X in Betracht. Hierzu müsste der Antragsgegner sich auf eine Änderung der Begründung des Verwaltungsakts berufen. Dies hat er im erstinstanzlichen Verfahren nicht getan, jedoch ist seine Erwiderung auf die Beschwerde dahingehend zu verstehen, dass er den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid dementsprechend verstanden wissen will. Denn er macht sich die dahingehende Auffassung des SG zu Eigen. Grundsätzlich haben die Sozialgerichte auch die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Das schließt die Berücksichtigung solcher Rechtsgründe ein, welche die Verwaltungsbehörde zur Begründung des angefochtenen Bescheids nicht angeführt hat. Dies gilt allerdings nur, soweit der Verwaltungsakt durch die neue Begründung nach Voraussetzungen, Inhalt und Wirkungen nicht wesentlich verändert und die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert wird (Bundessozialgericht, Urteil vom 25. April 2002, B 11 AL 69/01, juris). Eine nicht mehr von den Grundsätzen des sogenannten Nachschiebens von Gründen gedeckte Wesensänderung des Verwaltungsakts liegt vor, wenn die Regelung auf einen anderen Lebenssachverhalt gestützt wird (BSG, Urteil vom 29. Juni 2000, B 11 AL 85/99, juris).
Dies ist hier der Fall. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid bezieht sich ausschließlich auf die bedarfsmindernde Anrechnung der nachträglich zugeflossenen Abwrackprämie als einmalige Einnahme. Dieser Bescheid lässt sich nicht dahingehend verstehen, dass anstelle der Anrechnung der Abwrackprämie nunmehr die Bewilligung im Hinblick auf das bereits vor Bewilligung bekannte Geldgeschenk der Mutter aufgehoben wäre. Durch die Ersetzung des einen Sachverhaltes durch den anderen wird der Wesensgehalt des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides derart verändert, dass dies durch die Grundsätze des sogenannten Nachschiebens von Gründen eines Verwaltungsaktes, die bereits bei seinem Erlass vorgelegen haben, nicht mehr gedeckt ist. Hier liegt der Aufhebung, wie sie der Antragsgegner gestützt auf die erstinstanzliche Entscheidung verstehen will, ein insgesamt anderer Lebenssachverhalt zu Grunde. Ursprünglich bezog sich der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ausschließlich auf den Zufluss der Abwrackprämie im Juni 2009. Die Anrechnung des Geldgeschenks der Mutter war vom Antragsgegner damit nicht beabsichtigt. Im Gegenteil, aus der Bewilligungsentscheidung vom 4. Juni 2009 durfte die Antragstellerin entnehmen, dass im Hinblick auf die Schenkung eine Anrechnung nicht beabsichtigt war. Denn sie hatte die Schenkung angezeigt und der Antragsgegner hat in seinem Bewilligungsbescheid vom 4. Juni 2009 die Leistung nur im Hinblick auf das unterschiedliche monatliche Erwerbseinkommen für vorläufig erklärt.
Auch eine Umdeutung der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung vom 29. Juli 2009 in eine Aufhebung gemäß § 45 SGB X ist nicht möglich. Gem. § 43 Abs. 1 SGB X kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenen Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Ein Aufhebungsbescheid nach § 48 SGB X kann nicht in einen Rücknahmebescheid nach § 45 SGB X umgedeutet werden, wenn eine solche Aufhebung als gebundene Entscheidung ergeht, während die Rücknahme nach § 45 SGB X im Ermessen der Behörde liegt, für deren Wirksamkeit mithin anders als nach § 48 SGB X die Ausübung eines Ermessens Voraussetzung ist (Schütze in von Wulffen, SGB X - Kommentar, 6. Aufl., § 43, Rn. 8). Hier wäre vom Antragsgegner Ermessen auszuüben, da ein Fall des § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht gegeben ist. Insbesondere hat die Antragstellerin den Zufluss des Geldes bei dem Antragsgegner ordnungsgemäß angezeigt. Offen bleiben kann auch hier, ob und inwieweit eine Aufhebung noch auf § 45 SGB X gestützt werden könnte.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da sie seit Juli 2009 laufend nur Leistungen nach dem SGB II unter Anrechnung von monatlich 250,00 EUR erhält.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Dr. Peters
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