L 13 AL 1975/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AL 4213/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 1975/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. März 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung streitig.

Der 1955 geborene Kläger war in der Zeit vom 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 1995 neben seiner (versicherungspflichtigen) Hauptbeschäftigung bei der Firma Z. GmbH beschäftigt. Während der gesamten Dauer der Beschäftigung wurden im Lohnabzugsverfahren Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung abgeführt.

Am 8. April 2008 beantragte der Kläger die Erstattung der entsprechenden Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von 957,08 EUR. Dem Antrag fügte er ein Schreiben der A. vom 5. April 2006 bei, wonach diese feststellte, dass die Beschäftigung des Klägers bei der Firma Z. GmbH vom 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 1995 der "1/6-Regelung (ehemals § 8 Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV])" unterliege. Dies bedeute, dass diese Beschäftigung als geringfügige Beschäftigung anzusehen sei. Diese Beschäftigung sei somit unter den damaligen rechtlichen Bestimmungen versicherungs- und betragsfrei. Ferner legte er den DRV vom 22. August 2006 vor, mit dem diese die Pflichtbeiträge in der Zeit vom 1. Januar 1989 bis 23. Januar 1995 und vom 1. April 1995 bis 31. Oktober 1995 beanstandete. Nach Darstellung des Klägers habe die DRV die beanstandeten Rentenversicherungsbeiträge erstattet.

Mit Bescheid vom 9. April 2008 lehnte die Beklagte die Erstattung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ab, weil der Erstattungsanspruch verjährt sei. Eine besondere Härte liege nicht vor, auf die Einrede der Verjährung könne daher nicht verzichtet werden. Hiergegen erhob der Kläger am 23. April 2008 Widerspruch und führte zur Begründung an, laut § 27 Abs. 2 SGB IV beginne die Verjährung erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres der Beanstandung. Vom Rentenversicherungsträger habe er die Beiträge zurückerstattet erhalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie an, sie berufe sich auf die Einrede der Verjährung. Aufgrund der langen Zeit, die seit der Beendigung der Beschäftigung verstrichen sei, sei die Berufung auf die Verjährung nicht treuwidrig, zumal das Beschäftigungsverhältnis bereits im Jahre 2006, also der erstmaligen Feststellung durch die A. und den Rentenversicherungsträger bereits mehr als zehn Jahre beendet gewesen sei.

Mit der am 17. Juni 2008 beim SG erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat er u. a. vorgetragen, der Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht entrichteten Beiträge sei zwar verjährt, die Verjährungseinrede sei jedoch ausgeschlossen, weil diese wegen unzulässiger Rechtsausübung dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspreche. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. Dezember 2007 - B 12 AL 1/06 R - sei die Beklagte verpflichtet gewesen, den Kläger umfassend zu beraten und aufzuklären, insbesondere ihn auf den Ablauf der Verjährungsfrist hinzuweisen. Da die Beiträge der Haupt- und Nebenbeschäftigung an unterschiedliche Einzugstellen abgeführt worden seien, hätten diese zwar die Geringfügigkeit der Nebenbeschäftigung nicht erkennen können, aber die Beklagte, bei der die Beiträge aus beiden Beschäftigungen zusammengeflossen seien. Nach der Entscheidung des BSG würden insoweit die gleichen Grundsätze wie bei einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gelten. Bei drohendem Fristablauf bestehe daher eine gesteigerte Beratungspflicht. Der Kläger sei also so zu stellen, als habe er rechtzeitig einen schriftlichen Erstattungsantrag gestellt und damit die Verjährung unterbrochen. Die Beklagte sei ihrer Mitwirkungspflicht hinsichtlich der Prüfung der Richtigkeit der Beitragszahlungen nach § 28p Abs. 1 SGB IV in der damals geltenden Fassung nicht ausreichend nachgekommen.

Mit Urteil vom 24. März 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es unter anderem ausgeführt, der Erstattungsanspruch sei verjährt. Die Erhebung der Verjährungseinrede stelle keinen Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben dar. Ein Fehlverhalten der Beklagten sei nicht zu erkennen. Die Beklagte habe die Tatsache, dass die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, nicht erkennen können. Die an sie abgeführten Beiträge würden nicht dem jeweiligen Versicherten zugeordnet, sodass die Beklagte selbst keine Überprüfungsmöglichkeit gehabt habe. Ein behördliches Fehlverhalten sei im Übrigen nicht erkennbar. Die vom Kläger zitierte Entscheidung des BSG sei nicht einschlägig, weil in dem dort entschiedenen Fall eine konkrete Prüfung der versicherungspflichtigen Beschäftigung aus Anlass eines Antrags auf Arbeitslosengeld zuvor durchgeführt worden sei. Die Erhebung der Einrede der Verjährung sei auch im Übrigen rechtmäßig; Ermessensfehler seien nicht ersichtlich.

Gegen das am 31. März 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 30. April 2009 eingelegte Berufung des Klägers. Der Erstattungsanspruch sei zwar gem. § 27 Abs. 2 SGB IV am 1. Januar 2001 verjährt. Die Einrede der Verjährung sei jedoch als treuwidrig einzustufen. Der Kläger habe im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum ohne Rechtsgrund Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bezahlt. Die ihn betreffende 1/6-Regelung sei ihm nicht bekannt gewesen und er sei auch von der Beklagten nicht darauf hingewiesen worden. Es sei unverständlich, warum die Beklagte laut SG keinen Anlass gehabt haben soll, sich vor dessen Antrag mit seinem Beitragskonto zu beschäftigen. Obwohl nach der damaligen Rechtslage gem. § 28p Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IV die Krankenkassen als Einzugstellen die Richtigkeit der Beitragszahlungen überprüft hätten und diese Prüfung alle vier Jahre habe stattfinden sollen, seien die Träger der Rentenversicherung gehalten gewesen, bei diesen Prüfungen mitzuwirken (§ 28p Abs. 1 Satz 4 SGB IV). Da der Kläger über sieben Jahre lang Beiträge gezahlt habe, hätten die Mitarbeiter der Beklagten bei alle vier Jahre stattfindenden Prüfungen in jedem Fall die Möglichkeit gehabt, festzustellen, dass er diese Beiträge zu Unrecht geleistet habe und hätten ihn entsprechend aufklären müssen. Entgegen der Ansicht des SG sei die Beklagte von sich aus verpflichtet gewesen die Beitragspflicht zu überprüfen und den Kläger darauf hinzuweisen. Das zitierte Urteil des BSG (a.a.O.) sei einschlägig, ansonsten würden Versicherte, die, anders als der Kläger, einen Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld gestellt hätten, besser gestellt. Dies verstoße jedoch gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgericht Stuttgart vom 24. März 2009 und den Bescheid vom 9. April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die für den Zeitraum von Januar 1989 bis Dezember 1995 entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von 957,02 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung sei rechtsfehlerfrei. Anhaltspunkte für ein der Beklagten zurechenbares, fehlerhaftes Verwaltungshandeln liege nicht vor. Eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger ohne jeden Anlass zu beraten und ihn auf die Möglichkeit des Anspruchverlustes nach Ablauf von vier Jahren hinzuweisen, sei nicht gegeben. Auch aus § 28p SGB IV ergebe sich nichts anderes. Zum Einen führe die Beklagte die Betriebsprüfungen nicht durch, zum Anderen seien diese auch nur auf Stichproben beschränkt und dienten dem Zweck, die Beitragsentrichtung zu den Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Weitergehende Rechte könne der Kläger daraus nicht ableiten. Eine Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber Betroffenen, die im Rahmen eines Leistungsverhältnisses von der Beklagten hinsichtlich des Erstattungsanspruchs beraten würden, läge nicht vor. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass das Ermessen der Beklagten bei der Einrede der Verjährung durch die Fiktion des mit Wirkung zum 1. Januar 2008 eingefügten Satzes 3 im § 26 Abs. 1 SGB IV (SGB IV - Änderungsgesetz vom 19. Dezember 2007) auf Null reduziert sein dürfte, sodass ein Verstoß gegen Treu und Glauben nicht mehr zu prüfen wäre.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat konnte nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 und 2 SGG eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstandes mehr als 750,00 EUR beträgt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 9. April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Ablehnung der Erstattung der vom 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 1995 entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung durch die Beklagte ist rechtmäßig. Der Beklagten war es nicht wegen unzulässiger Rechtsausübung (Verstoß gegen Treu und Glauben) verwehrt, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen.

Der Erstattungsanspruch des Klägers ergibt sich aus dem hier noch anzuwendenden § 185a Abs.1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der vom 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 1997 geltenden Fassung. Danach sind zu Unrecht entrichteten Beiträge zu erstatten. Die Voraussetzungen dieses Erstattungsanspruchs sind erfüllt. Die A. hat die Beitrags- und Versicherungsfreiheit, ebenso wie der Rentenversicherungsträger, festgestellt. An der Richtigkeit dieser Entscheidungen hat der Senat ungeachtet der Tatbestandswirkung dieser Feststellungen keine Zweifel. Die Beklagte macht jedoch zu Recht die Einrede der Verjährung geltend und ist daher zur Leistungsverweigerung berechtigt. Der Erstattungsanspruch ist verjährt. Nach § 185a Abs. 1 Satz 2 AFG (in der oben genannten Fassung) i.V.m § 27 Abs. 2 SGB IV verjährt der Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Die Beteiligten gehen daher zu Recht davon aus, dass auch die Erstattung des zeitlich letzten Beitrages des Jahres 1995 am 1. Januar 2001 verjährt ist. Zu Recht hat das SG die Anwendung des § 27 Abs. 2 Satz 2 SGB IV, wonach die Verjährung erst nach Ablauf des Kalenderjahres einer Beanstandung der Beiträge beginnt, für in der Arbeitslosenversicherung als nicht anwendbar erklärt (st Rspr. - vgl. u.a. BSG SozR 4-2400, § 27 Nr. 1; § 351 Abs. 1 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III] - Klarstellung). Eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung ist nicht eingetreten. Die Beklagte hat in rechtmäßiger Form die Einrede der Verjährung erhoben. Die Erhebung der Einrede der Verjährung steht im Ermessen der Beklagten. Die Beklagte hat dies beachtet und in der Begründung des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2008 die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen sie bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]). Sie hat hierbei einerseits auf das Fehlen einer besonderen Härte und auf die lange Zeit zwischen Beendigung der Beschäftigung und den Erstattungsbegehren abgestellt. Die Verjährungseinrede ist hier nicht im Sinne einer unzulässigen Rechtsausübung (Verstoß gegen Treu und Glauben) ausgeschlossen; ihre Erhebung ist auch sonst nicht ermessensfehlerhaft. Der Beklagten zurechenbare eigene Fehler oder Fehler anderer Versicherungsträger, insbesondere der Krankenkasse oder des Rentenversicherungsträgers, sind weder geltend gemacht noch sind solche ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Beklagte auch nicht zur stetigen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Beitragsabführung verpflichtet. Der vom Kläger vorgebrachte Umstand, er habe über die mangelnde Versicherungspflicht über lange Jahre keine Kenntnis gehabt, ist unerheblich. Es ist ein fundamentaler Grundsatz des Verjährungsrechts, dass eine Unkenntnis über tatsächliche, lange Zeit unangefochten gebliebene Umstände (hier über das tatsächliche Bestehen der Versicherungsfreiheit) bei der Verjährung grundsätzlich unbeachtet bleiben muss (ständige Rechtsprechung, z. B. Bayerisches Landessozialgericht, Urt. vom 20. März 2007 - L 10 AL 328/06 m. w. N, veröffentlicht in Juris). Nichts anderes ergibt sich auch aus den vom Kläger angesprochenen Betriebsprüfungen. Diese Prüfstellen sind nicht zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten verpflichtet, vielmehr sind diese auf Einzelfälle und Stichproben beschränkt (st. Rechtsprechung LSG Baden-Württemberg, vom 9. August 2007 - L 7 AL 1337/07 m. w. N.; Bayerisches Landessozialgericht, a.a.O. m. w. N.; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6. Juli 2007 - L 3 AL 64/06 m. w. N., alle veröffentlicht in Juris). Schließlich vermag der Verweis des Klägers auf das Urteil des BSG vom 12. Dezember 2007 - B 12 AL 1/06 R (veröffentlicht in Juris) zu keinem anderen Ergebnis führen. In dem dort genannten Rechtsstreit hatte die Beklagte gerade die in der Vergangenheit liegende Beschäftigung überprüft und bei der Prüfung eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld die Versicherungspflicht verneint. In einem solchen Fall hat das BSG eine Beratungspflicht bejaht und wegen der unterlassenen Beratung die Erhebung der Einrede der Verjährung als nicht zulässig bezeichnet. Auf den vorliegenden Fall kann dies jedoch nicht übertragen werden. Die Beklagte hatte zu keinem Zeitpunkt Anlass und Gelegenheit die Versicherungspflicht der Nebenbeschäftigung zu überprüfen. Erst im Jahre 2006, lange nach Ablauf der Verjährung, hat die A. und der Rentenversicherungsträger die Versicherungspflicht dieser Beschäftigung geprüft und verneint. Der Kläger selbst hat dann noch zwei Jahre zugewartet bis er einen Antrag auf Beitragserstattung bei der Beklagten gestellt hatte. Es sind daher keinerlei Gesichtspunkte zu erkennen, die die Erhebung der Einrede der Verjährung als treuwidrig erscheinen lassen könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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