L 2 P 33/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 P 62/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 33/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Anfechtung der Berufungsrücknahme
I. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch die Berufungsrücknahme des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 30.04.2008 beendet ist.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten,

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:

Im Streit zwischen den Beteiligten stand, ob der vom Kläger am 24.08.2007 gegen den Bescheid vom 19.03.2007 eingelegte Widerspruch rechtzeitig war. Mit Bescheid vom 19.03.2007 hatte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 31.01.2007, ihm höhere Leistungen der Pflegeversicherung als nach der Stufe I zu gewähren, abgelehnt. Den Widerspruch hatte sie mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2007 als unzulässig, da verfristet, zurückgewiesen.

Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Regensburg mit Gerichtsbescheid vom 16.01.2008 ab, weil, wie von der Beklagten bereits festgestellt, der Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.03.2007 verspätet, das heißt nicht innerhalb der Monatsfrist eingelegt worden war. Auf die hiergegen eingelegte Berufung beraumte der Senat Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 30.04.2008 an. Der persönlich anwesende Kläger erklärte nach Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses, er nehme die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16.01.2008 zurück. Im Protokoll ist festgehalten, dass diese Erklärung dem Kläger vorgelesen und von ihm genehmigt wurde.

Mit beim Bayerischen Landessozialgericht am 09.06.2008 eingegangenen Schreiben rügte der Kläger, entgegen des Wortlauts im Protokoll vom 30.04.2008 sei der Sachverhalt nicht vorgetragen und nicht erörtert worden. Es sei kein Wort darüber gefallen, um was es sich eigentlich handle, nämlich um höhere Leistungen der Pflegeversicherung. Es sei nur um die Einlegung des Widerspruchs gegangen. Er könne nicht verstehen, warum er nach München geladen worden war, wenn er sowieso nicht gehört wurde. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 16.01.2008 habe er nicht zurückgenommen. Auf das Hinweisschreiben des Senats vom 11.06.2008, er möge sich erklären, ob er die Fortsetzung des Berufungsverfahrens anstrebe, welche nur unter den engen Voraussetzungen eines Restitutions- oder Wiederaufnahmeverfahrens erfolgen könne, teilte der Kläger mit, er habe keine Berufung gegen den Gerichtsbescheid eingelegt und brauche sie daher nicht zurückzunehmen. In seinem Fall sei ein Sachverständigengutachten von der Beklagten zu Grunde gelegt worden, das nicht der Wahrheit entsprochen habe. Die ihm vom Senat erläuterten Gründe für ein Wiederaufnahmeverfahren lägen vor, weil in diesem Gutachten Pflegezeiten "ausgelassen" worden seien. Richtigerweise hätten weitere 82 Minuten Pflegezeit hinzugerechnet werden müssen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
auf seine Berufung den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16.01.2008 sowie den Bescheid vom 19.03.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2007 aufzuheben und ihm auf seinen Antrag vom 31.01.2007 Leistungen nach Pflegestufe II zu gewähren.

Die Beklagte beantragt
festzustellen, dass der Rechtsstreit durch die Berufungsrücknahme des Klägers vom 30.04.2008 erledigt ist.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und der beigezogenen Akten des Sozialgerichts Regensburg zu den Aktenzeichen S 2 P 8/08 und S 2 P 19/08 Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Der Rechtsstreit ist durch die Berufungsrücknahme des Klägers erledigt. Dies war durch Urteil festzustellen.

Die Rücknahme der Berufung kann als Prozesshandlung nicht angefochten werden. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Nichtigkeit und Anfechtung, insbesondere auch wegen Irrtums, sind auf Prozesshandlungen nicht anwendbar (Meyer-Ladewig, SGG,
9. Auflage, vor § 60 Rdnr.12 und 12a).

In Betracht käme danach nur ein Widerruf, wenn Restitutionsgründe gemäß § 580 Zivilprozessordnung (ZPO) vorlägen. Nach dieser Vorschrift findet die Restitutionsklage statt, wenn
1. der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2. eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3. bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4. das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5. ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6. das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7. die Partei ein in derselben Sache erlassenes früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die ihr eine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Dies gilt vor allem auch für die oben unter Ziffer 3 angeführten Gründe, auf die sich der Kläger zu stützen scheint. Wenn er meint, das der ablehnenden Entscheidung höherer Pflegeversicherungsleistungen von der Beklagten zu Grunde gelegte Gutachten des MDK sei unrichtig, so reicht das für die genannten Restitutionsgründe nicht aus. Es muss sich nämlich um ein Gutachten handeln, auf welches das Urteil gegründet ist und weswegen der Sachverständige wegen Verletzung der Wahrheitspflicht von einem Strafgericht verurteilt worden ist. Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor und werden auch so vom Kläger nicht vorgetragen. Die Tatsache, dass ein Gutachten von den Vorstellungen einer Partei abweicht, stellt in keiner Weise eine strafbare Verletzung der Wahrheitspflicht dar. In keiner Weise findet der Vorwurf des Klägers, der Sachverständige habe bewusst Pflegezeiten "ausgelassen", eine Stütze. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass auch eine solche vermeintlich bewusste Falschbegutachtung noch nicht den Tatbestand einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht entsprechen würde. Im Übrigen stützt sich der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16.01.2008 nicht auf ein Gutachten, sondern auf die versäumte Widerspruchsfrist.

Auf andere Gründe beruft sich der Kläger nicht; solche sind auch nicht zu erkennen. Es war daher festzustellen, dass der Rechtsstreit durch die Berufungsrücknahme am 30.04.2008 erledigt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision liegt keiner der in § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG genannten Gründe vor.
Rechtskraft
Aus
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