S 19 AS 834/09 WA

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 19 AS 834/09 WA
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid vom 18.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2007 wird insoweit aufgehoben, als die darin verfügte Leistungsaufhebung auch die dem Kläger unter Anrechnung seines Erwerbseinkommens gesetzmäßig zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II betrifft.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Streit.

Der am 15.05.1952 geborene Kläger ist griechischer Staatsangehöriger. Am 22.12.2006 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Rahmen der Antragstellung gab er u.a. an, in der Zeit vom 01.11.2006 bis 21.12.2006 bei der Firma K. Abbruchunternehmen beschäftigt gewesen zu sein. Ausweislich der vorgelegten Einkommensbescheinigungen erzielte er aus dieser Beschäftigung im November 2006 ein Einkommen in Höhe von 603,- EUR brutto (= 506,57 EUR netto) sowie im Dezember 2006 ein Einkommen in Höhe von 566,- EUR brutto (= 483,24 EUR netto). Das Beschäftigungsverhältnis endete durch arbeitgeberseitige Kündigung wegen Auftragsmangels.

Am 09.01.2007 nahm der Kläger erneut eine Beschäftigung bei der Firma K. Abbruchunternehmen auf, aus der er im Januar 2007 ein Einkommen in Höhe von 124,- EUR, im Februar 2007 in Höhe von 154,- EUR, im März 2007 in Höhe von 395,- EUR und im April 2007 in Höhe von 340,- EUR erzielte.

Mit Bescheid vom 15.01.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.05.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 670,- EUR monatlich. Mit Bescheid vom 18.04.2007 hob die Beklagte diese Leistungsbewilligung mit Wirkung vom 28.02.2007 auf. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.05.2007 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe, da EU-Ausländer, die sich ausschließlich zur Arbeitssuche nach Deutschland begeben hätten, von dem Bezug von Sozialleistungen ausgeschlossen seien.

Mit seiner am 16.05.2007 zum Sozialgericht Nürnberg erhobenen Klage beantragt der Kläger,

den Bescheid vom 18.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 18.12.2007 hat das Gericht das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 EG folgende Fragen vorgelegt:

1. Ist Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004 mit Art. 12 EG i.V.m. Art. 39 EG vereinbar?

2. Für den Fall, dass Frage 1 verneinend beantwortet wird, stehen Art. 12 i.V.m. Art. 39 EG einer nationalen Regelung entgegen, die Unionsbürger vom Sozialhilfebezug ausschließt, sofern die nach Art. 6 der Richtlinie 2004/38 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004 zulässige Höchstdauer des Aufenthalts überschritten ist und auch nach anderen Vorschriften kein Aufenthaltsrecht besteht?

3. Für den Fall, dass Frage 1 bejahend beantwortet wird, steht Art. 12 EG einer nationalen Regelung entgegen, die Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates der EU selbst von den Sozialhilfeleistungen ausschließt, die illegalen Migranten gewährt werden?

Mit Urteil vom 04.06.2009 (Az.: C-23/08) hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Tenor:

1. In Bezug auf das Recht der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die auf Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat sind, hat die Prüfung der ersten Frage nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG berühren könnte

2. Art. 12 EG steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten von Sozialhilfeleistungen ausschließt, die Drittstaatsangehörigen gewährt werden.

Im Rahmen seiner Vorbemerkungen zu den Vorlagefragen hat der Gerichtshof ausgeführt:

"Zwar ist es im Rahmen der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Gemeinschafts- und den nationalen Gerichten grundsätzlich Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob in der bei ihm anhängigen Rechtssache die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung einer Gemeinschaftsrechtsnorm erfüllt sind, doch kann der Gerichtshof in seiner Entscheidung auf ein Vorabentscheidungsersuchen gegebenenfalls Klarstellungen vornehmen, um dem nationalen Gericht eine Richtschnur für seine Auslegung zu geben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juli 2000, Haim, C-424/97, Slg. 2000, I-5123, Randnr. 58).

Wie der Vorlageentscheidung zu entnehmen ist, sind die vorgelegten Fragen auf die Annahme gestützt, dass die Herren V. und K. zur Zeit der in den Ausgangsverfahren maßgebenden Ereignisse nicht die "Arbeitnehmereigenschaft" im Sinne von Art. 39 EG hatten.

Das vorlegende Gericht hat bei Herrn V. eine "kurze und nicht existenzsichernde geringfügige" Beschäftigung und bei Herrn K. eine "wenig mehr als einen Monat dauernde" Beschäftigung festgestellt.

Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Begriff "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 39 EG nach ständiger Rechtsprechung ein Begriff des Gemeinschaftsrechts ist, der nicht eng auszulegen ist. Als "Arbeitnehmer" ist jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach dieser Rechtsprechung darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. u. a. Urteile vom 3. Juli 1986, Lawrie-Blum, 66/85, Slg. 1986, 2121, Randnrn. 16 und 17, sowie vom 11. September 2008, Petersen, C-228/07, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 45).

Weder die begrenzte Höhe der Vergütung noch die Herkunft der Mittel für diese Vergütung kann irgendeine Auswirkung auf die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Gemeinschaftsrechts haben (vgl. Urteile vom 31. Mai 1989, Bettray, 344/87, Slg. 1989, 1621, Randnr. 15, sowie vom 30. März 2006, Mattern und Cikotic, C-10/05, Slg. 2006, I-3145, Randnr. 22).

Dass die Bezahlung einer unselbständigen Tätigkeit unter dem Existenzminimum liegt, hindert nicht, die Person, die diese Tätigkeit ausübt, als Arbeitnehmer im Sinne des Art. 39 EG anzusehen (vgl. Urteile vom 23. März 1982, Levin, 53/81, Slg. 1982, 1035, Randnrn. 15 und 16, sowie vom 14. Dezember 1995, Nolte, C-317/93, Slg. 1995, I-4625, Randnr. 19), selbst wenn der Betroffene die Vergütung durch andere Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts wie eine aus öffentlichen Mitteln des Wohnortmitgliedstaats gezahlte finanzielle Unterstützung zu ergänzen sucht (vgl. Urteil vom 3. Juni 1986, Kempf, 139/85, Slg. 1986, 1741, Randnr. 14).

Zudem führt hinsichtlich der Dauer der ausgeübten Tätigkeit der bloße Umstand, dass eine unselbständige Tätigkeit von kurzer Dauer ist, als solcher nicht dazu, dass diese Tätigkeit vom Anwendungsbereich des Art. 39 EG ausgeschlossen ist (vgl. Urteile vom 26. Februar 1992, Bernini, C-3/90, Slg. 1992, I-1071, Randnr. 16, und vom 6. November 2003, Ninni-Orasche, C-413/01, Slg. 2003, I-13187, Randnr. 25).

Folglich lässt sich unabhängig von der begrenzten Höhe der Vergütung und der kurzen Dauer der Berufstätigkeit nicht ausschließen, dass diese aufgrund einer Gesamtbewertung des betreffenden Arbeitsverhältnisses von den nationalen Stellen als tatsächlich und echt angesehen werden kann und somit erlaubt, dem Beschäftigten die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von Art. 39 EG zuzuerkennen.

Sollte das vorlegende Gericht hinsichtlich der von Herrn V. und Herrn K. ausgeübten Tätigkeiten zu einem solchen Ergebnis gelangen, wäre deren Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten geblieben, sofern die in Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Solche Tatsachenwürdigungen fallen jedoch allein in den Verantwortungsbereich des innerstaatlichen Gerichts.

Sollten Herr V. und Herr K. die Erwerbstätigeneigenschaft behalten haben, hätten sie während des genannten Sechsmonatszeitraums nach Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 Anspruch auf Leistungen wie die nach dem SGB II gehabt."

Der weiteren Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten. Insbesondere wird verwiesen auf folgende Erklärung des Klägers zu den Umständen seines Arbeitsverhältnisses im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung am 09.10.2009:

"Meine wöchentliche Arbeitszeit betrug zwischen 40 und 45 Stunden wöchentlich. Ich war für den Abriss eines Gebäudes sowie den Transport und das Sortieren des hierbei anfallenden Materials zuständig. Es gab lediglich eine mündliche Vereinbarung mit der Firma. Danach sollte je nach Arbeitsanfall ein Stundenlohn in Höhe von 9,50 EUR brutto gezahlt werden. Eine bestimmte Mindestarbeitszeit bzw. ein Mindesteinkommen war nicht vereinbart."

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat im tenorierten Umfang Erfolg.

Der Bescheid vom 18.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2007 ist insoweit rechtswidrig, als die darin verfügte Leistungsaufhebung auch die dem Kläger unter Anrechnung seines Erwerbseinkommens gesetzmäßig zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II betrifft.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Dabei soll nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (Nr. 1), der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2), nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr. 3) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4). Ein Ermessensspielraum ist der Beklagten in diesen Fällen nicht eingeräumt (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III).

Vorliegend ist entgegen der Auffassung der Beklagten zu keinem Zeitpunkt eine Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X dahingehend eingetreten, dass der Kläger dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II unterfallen wäre.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Ausgenommen sind Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, ihre Familienangehörigen sowie Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II).

Nach der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales hat der Gesetzgeber mit dieser Regelung Art. 24 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG umgesetzt. Nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/38/EG genießt vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrages die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen des Mitgliedstaates. Abweichend von Absatz 1 ist nach Absatz 2 dieser Norm der Aufnahmestaat jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthaltes oder gegebenenfalls während des längeren Aufenthaltes nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b einen Anspruch u.a. auf Sozialhilfe zu gewähren. Art. 7 Abs. 3 Buchstabe c der Richtlinie bemerkt zur Arbeitnehmereigenschaft, dass die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger nicht mehr ausübt während sechs Monaten aufrechterhalten bleibt, wenn er sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt.

Dies zugrunde gelegt, ist dem Kläger unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 04.06.2009 (Az.: C-23/08) der Arbeitnehmerstatus zuzubilligen. Das Gericht hat keinerlei Zweifel daran, dass der Kläger in der Zeit vom 01.11.2006 bis 21.12.2006 für die Firma K. Abbruchunternehmen nach deren Weisung Leistungen erbracht und für diese als Gegenleistung eine Vergütung erhalten hat. Das Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrages steht dem Bestehen eines tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen. Die Tätigkeit des Klägers ist weder in wirtschaftlicher (Monatslohn im November 2006 in Höhe von 603,- EUR brutto sowie im Dezember 2006 in Höhe von 566,- EUR brutto) noch in zeitlicher Hinsicht (ca. 40 bis 45 Wochenstunden) als völlig untergeordnet und unwesentlich einzustufen. Insbesondere ist es unerheblich, dass der Kläger weniger verdient hat, als zur Sicherung seines Lebensunterhalts im Sinne der Existenzsicherung erforderlich gewesen wäre. Zum einen fällt unter die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer auch, wer eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausübt, mit der er weniger verdient, als in dem Mitgliedsstaat, in dem er sich aufhält, als Existenzminimum angesehen wird (vgl. EuGH, Urteil vom 23.03.1982, Levin, 53/81, Slg. 1982, 1035, Rdnr. 17). Zum anderen geht der EuGH in gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass auch geringfügig Beschäftigte im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch Arbeitnehmer im Sinne des Art. 39 EG sein können (vgl. EuGH, Urteil vom 18.07.2007, Geven, C-213/05). Die geringe Dauer der Beschäftigung steht dem Arbeitnehmerstatus des Klägers ebenfalls nicht entgegen, da der bloße Umstand, dass eine unselbständige Tätigkeit von kurzer Dauer ist, als solcher nicht dazu führt, dass diese Tätigkeit vom Anwendungsbereich des Art. 39 EG ausgeschlossen ist (vgl. Urteil des EuGH vom 04.06.2009, a.a.O). Vorliegend ist die geringe Dauer der Beschäftigung allein darauf zurückzuführen, dass dem Kläger wegen Auftragsmangels gekündigt wurde. Anders als bei jemandem, der einreist, eine Beschäftigung aufnimmt und diese nach sehr kurzer Zeit wieder aufgibt, um in den Genuss der mit dem Arbeitnehmerstatus verbundenen sozialen Vergünstigungen im Aufnahmemitgliedstaat zu kommen, darf dem Kläger deswegen die Berufung auf den Arbeitnehmerstatus nicht verwehrt werden.

Die Fortgeltung des Arbeitnehmerstatus des Klägers für mindestens sechs Monate – und damit für den streitgegenständlichen Zeitraum – folgt aus Art. 7 Abs. 3 Buchstabe c der Richtlinie 2004/38/EG. Der Kläger hat sich bereits am ersten Tag seiner Arbeitslosigkeit bei der Beklagten gemeldet und Leistungen nach dem SGB II beantragt. Damit hat er sich zugleich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt und dem Regime des SGB II ("Fördern und Fordern") unterworfen. Auf die Frage, ob die ab dem 09.01.2007 ausgeübte Beschäftigung des Klägers – für sich allein betrachtet – ebenfalls zur Begründung des Arbeitnehmerstatus geführt hätte, kommt es daher nicht an.

Nach alledem ist festzustellen, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vorliegend nicht eingreift. Die Beklagte war nicht berechtigt, die dem Kläger mit Bescheid vom 15.01.2007 für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.05.2007 bewilligten Leistungen in Höhe von 670,- EUR monatlich vollumfänglich aufzuheben. Sie war nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X lediglich berechtigt, das dem Kläger zugeflossene Erwerbseinkommen auf die ihm gesetzmäßig zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II anzurechnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved