Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 4898/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2802/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Mai 2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung über unbefristet geleistete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach dem bis Ende 2000 geltenden Recht für die Zeit ab 01. Mai 2005.
Der am 1954 geborene Kläger durchlief von August 1969 bis Januar 1973 eine Ausbildung zum Starkstromelektriker. Er war sodann - von Januar bis März 1973 in einem knappschaftlichen Betrieb - bis Februar 1976 in diesem Beruf beschäftigt. Es folgten mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit Beschäftigungen als Fahrer, Dachdeckerhelfer, Elektromonteur und von 1991 bis 1997 als Gerätebediener (Operator) in einem Rechenzentrum. Vom 02. Januar bis 30. Dezember 1998 wurden wieder Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezogen; daneben arbeitete der Kläger als Verkäufer im Blumengeschäft der Ehefrau mit. Seinen Angaben nach übt er diese Tätigkeit als geringfügige Tätigkeit auch jetzt noch aus. Vom 31. Dezember 1998 bis 26. Mai 1999 bezog der Kläger Krankengeld.
Nachdem der Kläger wegen Suchterkrankung bereits mehrere Heilmaßnahmen durchlaufen hatte, befand er sich vom 03. bis 11. Mai 1999 in stationärer Behandlung der Inneren Abteilung des Kreiskrankenhauses C. (Arztbrief Chefarzt Dr. P. vom 29. Juni 1999), wurde von dort zur stationären Behandlung in die Landesklinik N. (Zentrum für Psychiatrie) verlegt (Arztbrief Chefarzt Dr. D. vom 09. Juni 1999) und trat am 27. Mai 1999 eine von der Beklagten (damals noch Landesversicherungsanstalt Baden) bewilligte Heilmaßnahme in der Psychosomatischen Fachklinik M. an, wo er bis 14. Oktober 1999 verblieb. Gemäß dem Entlassungsbericht vom 08. November 1999 (Leitende Ärztin Dr. J.) lauteten die Diagnosen auf Alkoholabhängigkeit, Polytoxikomanie einschließlich des Morphintyps, selbstunsichere Persönlichkeit, neurotische Depression und äthyltoxische Polyneuropathie. Arbeiten, die besonders hohe Anforderungen an die Koordinationsfähigkeit stellten, könnten nicht ausgeführt werden; hingegen seien Arbeiten wie die letzte als "Verkäufer" weiterhin vollschichtig möglich. Ab 15. Oktober 1999 bezog der Kläger erneut Arbeitslosengeld.
Am 20. Januar 2000 beantragte der Kläger Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Eine Untersuchung wurde nicht veranlasst; Neurologe und Psychiater Dipl.-Med. G. schloss sich in der gutachtlichen Stellungnahme vom 03. Februar 2000 der Leistungsumschreibung im Entlassungsbericht vom 08. November 1999 an. Durch Bescheid vom 10. Februar 2000 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Mit dem Widerspruch hiergegen legte der Kläger ein Attest seines praktischen Arztes Dr. H. vom 07. März 2000 vor. Er (der Kläger) sei weiterhin ständig auf psychotherapeutische Begleitung angewiesen, sei extrem wenig belastbar und habe inzwischen wegen einer minimalen Belastung einen schwerwiegenden Alkoholrückfall erlitten. Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Gi. von der Ärztlichen Dienststelle K. der Beklagten erstattete das Gutachten vom 16. Juni 2000. Es bestünden weiterhin ausgeprägte vegetative Stigmata und erkennbare Alkoholfolgeschäden. Es zeigten sich deutliche Hinweise auf eine hirnorganische Beeinträchtigung in Zusammenhang mit der langjährigen Abhängigkeitserkrankung auf dem Boden einer ängstlich-abhängigen Primärpersönlichkeit. Die weitere Prognose sei äußerst ungünstig und man habe von einem Dauerzustand auszugehen. Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien nur noch zweistündig bis unter halbschichtig möglich. Die Beklagte half dem Widerspruch ab (Schreiben vom 30. Juni 2000) und bewilligte durch Bescheid vom 08. August 2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01. Februar 2000 (anfänglicher monatlicher Bruttobetrag DM 1.168,92). Unter dem 28. September 2000 erging ein Neufeststellungsbescheid, durch welchen sich wegen Berücksichtigung einer Zeit vom 01. Juni bis 29. August 1996 der anfängliche monatliche Bruttobetrag auf DM 1.181,95 erhöhte.
In einem ersten im Juli 2002 eingeleiteten Überprüfungsverfahren erstattete Facharzt für Psychiatrie Dr. Sc. von der Ärztlichen Dienststelle F. der Beklagten das Gutachten vom 03. Februar 2003. Der Gesundheitszustand habe sich dank mittlerweile fast dreijähriger Abstinenz wesentlich gebessert, jedoch sei durch die weiterhin bestehende Persönlichkeitsstörung das Leistungsvermögen weiterhin noch quantitativ vermindert und vollschichtige Erwerbstätigkeit solle noch nicht verlangt werden. Der Kläger könne Tätigkeiten als Gehilfe im Blumenladen von drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten. Dieses Leistungsvermögen solle erst ab Mai 2003 verlangt werden. Eine Besserung sei bis Februar 2005 wahrscheinlich.
Aufgrund letzteren Vermerks wurde im November 2004 das weitere Überprüfungsverfahren eingeleitet. Facharzt Dr. Sc. erstattete das Gutachten vom 19. Januar 2005. Der Gesundheitszustand habe sich dank der mittlerweile fast fünfjährigen Abstinenz wesentlich gebessert. Der Versuch einer Wiedereingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt mit begleitenden Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben sei zumutbar. Eine vollschichtige Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne unter diesen Voraussetzungen ab März 2005 mit folgenden Einschränkungen verlangt werden: Kein Umgang mit suchterzeugenden Stoffen, kein schweres Heben und Tragen, keine Arbeiten, die besonderes Feingefühl, Koordinationsvermögen oder Gleichgewichtssinn verlangten, kein Umgang mit lebertoxischen Substanzen, keine Nachtarbeit, keine Tätigkeit unter Zeitdruck oder mit erweiterter Verantwortung. Dipl.-Med. G. stimmte in Stellungnahmen vom 25. Januar und 16. Februar 2005 dem Gutachten zu. Die Beklagte hörte mit Schreiben vom 01. März 2005 den Kläger zur beabsichtigten Rentenentziehung an, was er (Schreiben vom 19. März 2005) dahingehend beantwortete, seine gesamte körperliche und geistige Verfassung erlaubten es ihm nicht mehr, geregelt zu arbeiten; er betreibe lediglich leichte Hilfstätigkeiten im Blumengeschäft der Ehefrau etwa zwei Stunden täglich.
Durch Bescheid vom 07. April 2005 hob die Beklagte den "Bescheid vom 08.08.2000" auf und entzog die Rente wegen Erwerbsminderung zum 30. April 2005. Nach dem letzten Gutachten habe sich der Gesundheitszustand mittlerweile so weit gebessert, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein über sechsstündiges Leistungsvermögen vorliege.
Mit dem Widerspruch trug der Kläger vor, er könne allenfalls zwei Arbeitsstunden täglich im Betrieb der Ehefrau überstehen. Ein anderer Arbeitgeber habe für die nur mit Unterbrechungen mögliche Arbeitsleistung wenig Verständnis. Er könne sich nicht durchgehend konzentrieren. Eine nochmalige Begutachtung werde angeregt. Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin auf ihrer Klinischen Begutachtungsstation in Karlsruhe untersuchen. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Br. legte im Gutachten vom 12. September 2005 dar, nach glaubwürdiger Abstinenz seit 2000 bestehe kein Anhalt für chronische Folgeschäden, insbesondere keine Polyneuropathie; auch unter Berücksichtigung einer Dysthymie und der vorbestehenden vielschichtigen Persönlichkeitsstörung ließen sich unter zumutbarer Willensanspannung und Inanspruchnahme unterstützender Behandlungsmöglichkeiten keine Befunde festmachen, die einer vollschichtigen Tätigkeit im Wege stünden. Arzt für Innere Medizin Dr. Mü. ergänzte im Gutachten vom 26. September 2005, im Vergleich zu den Vorgutachten liege kein hirnorganisches Psychosyndrom mehr vor, so dass es bei der Beurteilung des letzten Gutachtens Dr. Sc. vom 19. Januar 2005 verbleiben müsse. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 2. November 2005). Der Kläger sei wieder in der Lage, mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts regelmäßig vollschichtig auszuüben.
Mit der am (Montag) 05. Dezember 2005 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er legte die Stellungnahme des Allgemeinarztes Dr. H. vom 29. November 2005 vor, auch einfachste Arbeiten seien kaum länger als etwa 30 Minuten durchzuhalten und jede Konzentration gehe verloren. Der Kläger trug weiter vor, der bisherige Therapieerfolg wäre nachhaltig gefährdet, wenn er nunmehr dem normalen Arbeitsalltag ausgesetzt würde. Es bestehe auch die hochgradige Gefahr eines Rückfalls.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte im weiteren Verfahren die Stellungnahme der beratenden Ärztin für Psychiatrie Dr. Ho. vom 12. Februar 2007 vor.
Die durch Beschluss des SG vom 13. März 2007 Beigeladene schloss sich der Auffassung der Beklagten an.
Arzt Dr. H. erstattete die schriftliche Zeugenaussage vom 23. April 2006. Da dem Kläger alles große Mühe mache und er oft den Faden verliere, könne er kaum mehr als eine Stunde arbeiten. Die Abstinenz und anderweitige Stabilität habe die Leistungsfähigkeit nicht mehr gebessert. Der Kläger könne seiner Ehefrau im Blumenladen allenfalls unverbindlich zur Hand gehen.
Facharzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie/Psychoanalyse Dr. Sch. vom Zentrum für Nervenheilkunde S. M. erstattete das Gutachten vom 16. Oktober 2006 (Untersuchung am 03. August 2006). Es bestehe weiterhin der Zustand nach Polytoxikomanie, nach Alkoholabhängigkeit und bei vorbestehender vielschichtiger Persönlichkeitsstörung mit deutlich eingeschränkter emotionaler und psychosozialer Belastbarkeit, asthenischen und depressiven Zügen und Neigung zu exzessiver emotionaler Reaktionsbildung in schon geringen Belastungssituationen; hinzu kämen vorbestehende soziale Phobie und Residuen der Polyneuropathie. Zumutbar seien noch leichte Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu zehn kg in wechselnder Körperhaltung; Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, an laufenden Maschinen, Akkord- oder Fließbandarbeiten, Schicht- oder Nachtarbeiten, Tätigkeiten in Kälte, Hitze oder Nässe, mit Publikumsverkehr, mit geistiger Beanspruchung und erhöhter oder hoher Verantwortung, schließlich unter nervlicher Belastung seien nicht mehr zumutbar. Die tägliche Arbeitszeit sei auf drei bis unter sechs Stunden zu begrenzen. Eine Besserung sei nicht zu erwarten. Zu der Stellungnahme der beratenden Ärztin Dr. Ho. vom 12. Februar 2007, die bei der langjährigen Drogen- und Alkoholabstinenz von einer Besserung der vorbeschriebenen hirnorganischen Beeinträchtigung sowie der gesamten psychischen Situation ausging, erstattete der Sachverständige die ergänzende Äußerung vom 28. März 2007. Die zeitliche Leistungseinschränkung gründe sich zunächst auf die Angaben des Klägers hinsichtlich seiner ausgeprägten Beeinträchtigungen, insbesondere aber auf die sehr auffällige Persönlichkeitsstruktur mit erheblicher Beeinträchtigung der emotionalen Belastbarkeit und der Fähigkeit, mit emotional belastenden Situationen adäquat umzugehen. Solche Belastungen wären aber bei einem mehr als sechsstündigen Arbeitstag sehr häufig zu erwarten und wären nicht mehr zu bewältigen. Eine vollschichtige Tätigkeit sei allenfalls im Rahmen einer beschützenden Einrichtung vorstellbar, nicht aber auf dem freien Arbeitsmarkt. Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2008 - mit Erklärungen des Klägers zur Niederschrift - führte Dr. Sch. unter dem 28. Februar 2008 weiter aus, es sei glaubhaft, dass bereits die Hilfe im Blumenladen der Ehefrau nicht adäquat geleistet werden könne. Der Kläger gehe sozialen Kontakten weitestgehend aus dem Wege. Auch intensive therapeutische Bemühungen würden die emotionale Belastbarkeit nicht noch wesentlich verbessern können. Demgemäß sei eine Belastung von mehr als vier Stunden täglich nicht mehr zumutbar.
Durch Urteil vom 21. Mai 2008 hob das SG den Bescheid vom 07. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. November 2005 auf. Zur Begründung legte es dar, eine wesentliche Besserung habe nicht festgestellt werden können. Den Schlussfolgerungen des Sachverständigen Dr. Sch. könne gefolgt werden. Die Einwände der Beklagten seien widerlegt. Allein auf den Wegfall des hirnorganischen Psychosyndroms komme es nicht an. Nach der langen Abhängigkeit stünden Rückfallgefahr und die erhebliche Belastung durch soziale Kontakte im Vordergrund. Hinzu komme, dass der behandelnde Arzt Dr. H. diese Auffassung bestätige und bereits der Gutachter Dr. Gi. eine Besserung für unwahrscheinlich gehalten habe. Auch das Gutachten des Dr. Sc. (vom 19. Januar 2005) habe ein - wieder - vollschichtiges Leistungsvermögen bei dem Kläger erst nach einer Wiedereingliederungsmaßnahme mit ergänzenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben angenommen. Solche Maßnahmen habe die Beklagte nicht durchgeführt. Auch treffe nicht zu, dass die Persönlichkeitsstörung bereits das ganze Berufsleben bestanden hätte.
Gegen das ihr am 02. Juni 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12. Juni 2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie die weitere Stellungnahme der beratenden Ärztin Dr. Ho. vom 09. Juni 2008 vorgelegt. Gewisse Verdeutlichungstendenzen seien bei der Begutachtung durch Dr. Sch. nicht auszuschließen. Im Übrigen habe der Kläger wiederum die Fahrerlaubnis erwerben können. Die Begründung der arbeitstäglichen Einschränkung sei hypothetisch. Eine zwar mögliche, jedoch nicht wahrscheinliche Verschlechterung der psychischen Situation sei für die aktuelle Leistungsbeurteilung nicht maßgeblich. Die persönlichkeitsimmanenten Verhaltensweisen hätten den Kläger viele Jahre in der Leistungsfähigkeit nicht schwerwiegend beeinträchtigt. Demgemäß müssten die im Wesentlichen unstreitigen qualitativen Einschränkungen ausreichen. Auch aus der Fachklinik M. sei der Kläger 1999 arbeitsfähig entlassen worden. Die vom Gutachter Dr. Gi. im Juni 2000 genannten und für die Rentenbewilligung herangezogenen massiven Defizite im Sinne einer hirnorganischen Symptomatik hätten sich im weiteren Verlauf weitgehend zurückgebildet. Demgemäß sei zum Zeitpunkt der Entziehung der Rente mit Ende April 2005 ein deutlich gebessertes Zustandsbild beschrieben worden, das die Annahme einer wesentlichen Besserung im Rechtssinne rechtfertige.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Mai 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht sich die ihm günstigen gutachterlichen Äußerungen zu eigen.
Die Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Prof. Dr. A., Facharzt für Neurologie, Klinische Geriatrie/Rehabilitationswesen, Chefarzt der Neurologie/Neuropsychiatrie der Fachkliniken H. hat - unter Beiziehung eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens der Dipl. Psych. Ba. vom 28. Februar 2009 - das neurologisch-neuropsychologische Gutachten vom 04. März 2009 erstattet. Untersuchungen und Exploration deuteten auf eine gravierende Verlangsamung der kognitiven Reaktionsgeschwindigkeit hin. Es habe sich eine hohe emotionale Unsicherheit mit der Folge deutlich erhöhter körperlicher Anspannung und starker interner Abgelenktheit insbesondere bei länger dauernden Aufgabenstellungen gezeigt. Selbst einfache konzentrative Arbeiten könnten nur dann fehlerfrei und von wirtschaftlichem Wert durchgeführt werden, wenn sie in einem therapeutischen Rahmen erfolgten oder arbeitsunübliche Pausen zugestanden würden. Eine leichte Polyneuropathie der Beine bestehe weiter. Hinzu kämen Rückenbeschwerden und Symptome einer einfachen Migräne. Den Schlussfolgerungen im erstinstanzlichen Gutachten Dr. Sch. sei voll zuzustimmen, insbesondere darin, dass eine Belastung von mehr als vier Stunden täglich nicht mehr zumutbar sei.
Für die Beklagte hat sich Ärztin Dr. Ho. in der Stellungnahme vom 06. Mai 2009 nochmals insbesondere dahingehend geäußert, der private Alltag lasse auf keine schwerwiegende Beeinträchtigung schließen. Es spreche nichts gegen eine vollschichtige Ausführung von leichten, konzentrativ wenig anstrengenden Tätigkeiten. Auch sei nicht auszuschließen, dass im Zusatzgutachten neuropsychologische Störungen aggraviert oder vorgetäuscht seien. Die Ärztin hat hierzu den Beitrag von Merten in "Der medizinische Sachverständige" Februar 2006 S. 58 ff. beigefügt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist in der Sache unbegründet. Das SG hat auch nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens im angefochtenen Urteil vom 21. Mai 2008 zutreffend entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 07. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. November 2005 aufzuheben ist. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Bewilligung von unbefristeter Rente wegen Erwerbsunfähigkeit durch Bescheid vom 08. August 2000, neu festgestellt durch Bescheid vom 28. September 2000 und gezahlt seit 01. Februar 2000, wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse mit Ablauf des 30. April 2005 aufzuheben und die Rente zu entziehen.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (vgl. Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-4300 § 119 Nr. 4). Als solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist ein Bescheid über die Bewilligung einer Rente anzusehen. Maßgeblicher Bewilligungsbescheid war zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheids vom 07. April 2005 nicht mehr der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 08. August 2000, sondern der Neufeststellungsbescheid vom 28. September 2000. Dieser hatte den ursprünglichen Bewilligungsbescheid ersetzt, sodass dieser gegenstandlos wurde (§ 39 Abs. 2 SGB X). Die im Bescheid vom 07. April 2005 verfügte Aufhebung des Bescheids vom 08. August 2000 geht mithin ins Leere. Die Beklagte hätte an sich den Bescheid vom 28. September 2000 aufheben müssen. Unabhängig davon ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen hier nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht eingetreten, weil eine Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers mit der Folge des Wegfalls der der Rentenbewilligung zugrundeliegenden Tatsachen nicht eingetreten ist.
Rechtsgrundlage der Rentenbewilligung war hier noch § 44 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) in der zuletzt durch die Gesetze vom 15. Dezember 1995, BGBl. I S. 1824, und vom 02. Mai 1996, BGBl. I S. 659, geänderten Fassung, aufgehoben mit Wirkung vom 01. Januar 2001. Hiernach waren erwerbsunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt (Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz der Vorschrift); erwerbsunfähig war nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 der Vorschrift). Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 08. August 2000 enthält zwar, anders als der Neufeststellungsbescheid vom 28. September 2000, den Ausspruch, für die Anerkennung des Rentenanspruchs seien die Verhältnisse des Arbeitsmarkts ausschlaggebend gewesen. Von der in diesen Fällen eröffneten Möglichkeit der Befristung (vgl. § 102 Abs. 2 SGB VI in der jeweils geltenden Fassung) hat die Beklagte jedoch keinen Gebrauch gemacht. Demgemäß wäre unter Berücksichtigung der weiter angewandten Rechtsprechung des Großen Senats des BSG zur "Arbeitsmarktrente" (BSGE 30, 167; 43, 75) eine Rentenentziehung nur möglich, wenn der Kläger wieder vollschichtig erwerbstätig sein könnte, da gemäß § 302 b Abs. 1 Satz 1 SGB VI bei am 31. Dezember 2000 bestehendem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit dieser bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze weiterbesteht, solange die Voraussetzungen vorliegen, die für die Bewilligung der Leistung maßgebend waren. Der Kläger war aus den im Folgenden darzulegenden Gründen zum Zeitpunkt der von der Beklagten verfügten Rentenentziehung mit April 2005 nicht wieder vollschichtig erwerbsfähig.
Der Senat sieht aufgrund der Begutachtung des Klägers im Berufungsverfahren das Ergebnis des erstinstanzlichen Verfahrens bestätigt. Das SG ist hiernach im angefochtenen Urteil vom 21. Mai 2008 schlüssig dem Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. vom 16. Oktober 2006 - mit Ergänzungen vom 28. März 2007 und 28. Februar 2008 - gefolgt. Danach bestand aufgrund des Zustands nach Polytoxikomanie mit im Vordergrund stehender Alkoholabhängigkeit, einer vorbestehenden vielschichtigen Persönlichkeitsstörung mit deutlich eingeschränkter emotionaler und psychosozialer Belastbarkeit, mit asthenischen und depressiven Zügen mit Neigung zu exzessiver emotionaler Reaktionsbildung in schon geringen Belastungssituationen, sozialer Phobie sowie Residuen einer toxisch bedingten Polyneuropathie eine Erwerbsfähigkeit für leichte Arbeiten allenfalls für drei bis unter sechs Stunden täglich. Zuletzt hat dies der Sachverständige auf unter vier Stunden täglich präzisiert. Der im Berufungsverfahren gehörte Sachverständige Prof. Dr. A. hat dies im Gutachten vom 04. März 2009 unter Berücksichtigung des neuropsychologischen Zusatzgutachtens der Dipl. Psych. Ba. vom 28. Februar 2009 ohne wesentliche Abweichung bestätigt ... Dipl. Psych. Ba. hatte den Eindruck gewonnen, dass der Kläger in dem ihm möglichen Umfang sehr kooperativ mitgearbeitet habe und ausreichend anstrengungsbereit gewesen sei. Hohe emotionale Unsicherheit habe dennoch während der Untersuchungszeit zu einer deutlich erhöhten körperlichen Anspannung und zu starker interner Abgelenktheit, insbesondere bei einfachen und länger andauernden Reaktionsaufgaben geführt. Bei komplexeren Aufgaben folgten Auslassungen und Fehler. Durch die vorgegebenen Testverfahren zog sich eine schwerwiegende Verlangsamung der kognitiven Reaktionsgeschwindigkeit. Es war nicht möglich, einfache konzentrative Arbeiten im vorgegebenen zeitlichen Rahmen fehlerfrei und angemessen schnell, nämlich von wirtschaftlichem Wert zu bearbeiten. Hieraus wurde der Schluss gezogen, dass der Kläger entweder ein therapeutisches Setting oder arbeitsunübliche Pausen benötigt, um nicht psychisch zu dekompensieren. Diese Aussagen hat der Sachverständige Prof. Dr. A. - nach eigener Untersuchung ohne Zuziehung weiterer ärztlicher Hilfskräfte - ausgewertet und bestätigt. Der Schlussfolgerung des erstinstanzlichen Sachverständigen Dr. Sch. wurde zugestimmt, dass unter diesen Voraussetzungen eine Belastung mit leichten Tätigkeiten von mehr als vier Stunden täglich nicht zumutbar ist.
Gegenüber diesen Schlussfolgerungen vermag sich der Senat den Einwänden der beratenden Ärztin der Beklagten Dr. Ho. vom 06. Mai 2009 nicht anzuschließen. Die allgemeine Erfahrung, dass neuropsychologische Begutachtungen Fehlerquellen zugänglich seien, kann die überzeugende Darlegung der Dipl. Psych. Ba. für den Einzelfall nicht entkräften. Dass der Kläger anamnestisch angegeben hat, er sorge im Laden für Ordnung und Sauberkeit, schaffe die Abfälle weg, könne neu angelieferte Blumen anschneiden und führe auch die Buchhaltung, ist unter dem Blickwinkel zu sehen, dass es sich - wie vom Kläger und auch dessen behandelnden Arzt Dr. H. während des gesamten Verfahrens betont - um unverbindliche, nicht den Anforderungen des normalen Arbeitslebens ausgesetzte und nur gering entlohnte Betätigungen im Blumengeschäft der Ehefrau handelt. Auch gewisse Betätigungen in der Instandhaltung des eigenen Hauses und die Pflege von Hobbys entkräften und widerlegen nicht das Fehlen der Einsatzfähigkeit für einen vollen Arbeitstag unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts. Die Sachverständigen Dr. Sch. und Prof. Dr. A. haben dies übereinstimmend so dargelegt. Anlass, hiervon abzuweichen oder in neue Ermittlungen einzutreten, besteht nicht. Den Schlussfolgerungen der im Widerspruchsverfahren gehörten Gutachter Dr. Br. (vom 12. September 2005) und Dr. Mü. (vom 26. September 2005) ist mithin nachvollziehbar der Boden entzogen. Im Übrigen hat auch Dr. Sc. im Gutachten vom 19. Januar 2005 eine behutsame berufliche Wiedereingliederung empfohlen. Hiermit haben sich weder Dr. Ho. noch die im Widerspruchsverfahren gehörten Dres. Br. und Mü. auseinandergesetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung über unbefristet geleistete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach dem bis Ende 2000 geltenden Recht für die Zeit ab 01. Mai 2005.
Der am 1954 geborene Kläger durchlief von August 1969 bis Januar 1973 eine Ausbildung zum Starkstromelektriker. Er war sodann - von Januar bis März 1973 in einem knappschaftlichen Betrieb - bis Februar 1976 in diesem Beruf beschäftigt. Es folgten mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit Beschäftigungen als Fahrer, Dachdeckerhelfer, Elektromonteur und von 1991 bis 1997 als Gerätebediener (Operator) in einem Rechenzentrum. Vom 02. Januar bis 30. Dezember 1998 wurden wieder Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezogen; daneben arbeitete der Kläger als Verkäufer im Blumengeschäft der Ehefrau mit. Seinen Angaben nach übt er diese Tätigkeit als geringfügige Tätigkeit auch jetzt noch aus. Vom 31. Dezember 1998 bis 26. Mai 1999 bezog der Kläger Krankengeld.
Nachdem der Kläger wegen Suchterkrankung bereits mehrere Heilmaßnahmen durchlaufen hatte, befand er sich vom 03. bis 11. Mai 1999 in stationärer Behandlung der Inneren Abteilung des Kreiskrankenhauses C. (Arztbrief Chefarzt Dr. P. vom 29. Juni 1999), wurde von dort zur stationären Behandlung in die Landesklinik N. (Zentrum für Psychiatrie) verlegt (Arztbrief Chefarzt Dr. D. vom 09. Juni 1999) und trat am 27. Mai 1999 eine von der Beklagten (damals noch Landesversicherungsanstalt Baden) bewilligte Heilmaßnahme in der Psychosomatischen Fachklinik M. an, wo er bis 14. Oktober 1999 verblieb. Gemäß dem Entlassungsbericht vom 08. November 1999 (Leitende Ärztin Dr. J.) lauteten die Diagnosen auf Alkoholabhängigkeit, Polytoxikomanie einschließlich des Morphintyps, selbstunsichere Persönlichkeit, neurotische Depression und äthyltoxische Polyneuropathie. Arbeiten, die besonders hohe Anforderungen an die Koordinationsfähigkeit stellten, könnten nicht ausgeführt werden; hingegen seien Arbeiten wie die letzte als "Verkäufer" weiterhin vollschichtig möglich. Ab 15. Oktober 1999 bezog der Kläger erneut Arbeitslosengeld.
Am 20. Januar 2000 beantragte der Kläger Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Eine Untersuchung wurde nicht veranlasst; Neurologe und Psychiater Dipl.-Med. G. schloss sich in der gutachtlichen Stellungnahme vom 03. Februar 2000 der Leistungsumschreibung im Entlassungsbericht vom 08. November 1999 an. Durch Bescheid vom 10. Februar 2000 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Mit dem Widerspruch hiergegen legte der Kläger ein Attest seines praktischen Arztes Dr. H. vom 07. März 2000 vor. Er (der Kläger) sei weiterhin ständig auf psychotherapeutische Begleitung angewiesen, sei extrem wenig belastbar und habe inzwischen wegen einer minimalen Belastung einen schwerwiegenden Alkoholrückfall erlitten. Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Gi. von der Ärztlichen Dienststelle K. der Beklagten erstattete das Gutachten vom 16. Juni 2000. Es bestünden weiterhin ausgeprägte vegetative Stigmata und erkennbare Alkoholfolgeschäden. Es zeigten sich deutliche Hinweise auf eine hirnorganische Beeinträchtigung in Zusammenhang mit der langjährigen Abhängigkeitserkrankung auf dem Boden einer ängstlich-abhängigen Primärpersönlichkeit. Die weitere Prognose sei äußerst ungünstig und man habe von einem Dauerzustand auszugehen. Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien nur noch zweistündig bis unter halbschichtig möglich. Die Beklagte half dem Widerspruch ab (Schreiben vom 30. Juni 2000) und bewilligte durch Bescheid vom 08. August 2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01. Februar 2000 (anfänglicher monatlicher Bruttobetrag DM 1.168,92). Unter dem 28. September 2000 erging ein Neufeststellungsbescheid, durch welchen sich wegen Berücksichtigung einer Zeit vom 01. Juni bis 29. August 1996 der anfängliche monatliche Bruttobetrag auf DM 1.181,95 erhöhte.
In einem ersten im Juli 2002 eingeleiteten Überprüfungsverfahren erstattete Facharzt für Psychiatrie Dr. Sc. von der Ärztlichen Dienststelle F. der Beklagten das Gutachten vom 03. Februar 2003. Der Gesundheitszustand habe sich dank mittlerweile fast dreijähriger Abstinenz wesentlich gebessert, jedoch sei durch die weiterhin bestehende Persönlichkeitsstörung das Leistungsvermögen weiterhin noch quantitativ vermindert und vollschichtige Erwerbstätigkeit solle noch nicht verlangt werden. Der Kläger könne Tätigkeiten als Gehilfe im Blumenladen von drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten. Dieses Leistungsvermögen solle erst ab Mai 2003 verlangt werden. Eine Besserung sei bis Februar 2005 wahrscheinlich.
Aufgrund letzteren Vermerks wurde im November 2004 das weitere Überprüfungsverfahren eingeleitet. Facharzt Dr. Sc. erstattete das Gutachten vom 19. Januar 2005. Der Gesundheitszustand habe sich dank der mittlerweile fast fünfjährigen Abstinenz wesentlich gebessert. Der Versuch einer Wiedereingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt mit begleitenden Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben sei zumutbar. Eine vollschichtige Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne unter diesen Voraussetzungen ab März 2005 mit folgenden Einschränkungen verlangt werden: Kein Umgang mit suchterzeugenden Stoffen, kein schweres Heben und Tragen, keine Arbeiten, die besonderes Feingefühl, Koordinationsvermögen oder Gleichgewichtssinn verlangten, kein Umgang mit lebertoxischen Substanzen, keine Nachtarbeit, keine Tätigkeit unter Zeitdruck oder mit erweiterter Verantwortung. Dipl.-Med. G. stimmte in Stellungnahmen vom 25. Januar und 16. Februar 2005 dem Gutachten zu. Die Beklagte hörte mit Schreiben vom 01. März 2005 den Kläger zur beabsichtigten Rentenentziehung an, was er (Schreiben vom 19. März 2005) dahingehend beantwortete, seine gesamte körperliche und geistige Verfassung erlaubten es ihm nicht mehr, geregelt zu arbeiten; er betreibe lediglich leichte Hilfstätigkeiten im Blumengeschäft der Ehefrau etwa zwei Stunden täglich.
Durch Bescheid vom 07. April 2005 hob die Beklagte den "Bescheid vom 08.08.2000" auf und entzog die Rente wegen Erwerbsminderung zum 30. April 2005. Nach dem letzten Gutachten habe sich der Gesundheitszustand mittlerweile so weit gebessert, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein über sechsstündiges Leistungsvermögen vorliege.
Mit dem Widerspruch trug der Kläger vor, er könne allenfalls zwei Arbeitsstunden täglich im Betrieb der Ehefrau überstehen. Ein anderer Arbeitgeber habe für die nur mit Unterbrechungen mögliche Arbeitsleistung wenig Verständnis. Er könne sich nicht durchgehend konzentrieren. Eine nochmalige Begutachtung werde angeregt. Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin auf ihrer Klinischen Begutachtungsstation in Karlsruhe untersuchen. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Br. legte im Gutachten vom 12. September 2005 dar, nach glaubwürdiger Abstinenz seit 2000 bestehe kein Anhalt für chronische Folgeschäden, insbesondere keine Polyneuropathie; auch unter Berücksichtigung einer Dysthymie und der vorbestehenden vielschichtigen Persönlichkeitsstörung ließen sich unter zumutbarer Willensanspannung und Inanspruchnahme unterstützender Behandlungsmöglichkeiten keine Befunde festmachen, die einer vollschichtigen Tätigkeit im Wege stünden. Arzt für Innere Medizin Dr. Mü. ergänzte im Gutachten vom 26. September 2005, im Vergleich zu den Vorgutachten liege kein hirnorganisches Psychosyndrom mehr vor, so dass es bei der Beurteilung des letzten Gutachtens Dr. Sc. vom 19. Januar 2005 verbleiben müsse. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 2. November 2005). Der Kläger sei wieder in der Lage, mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts regelmäßig vollschichtig auszuüben.
Mit der am (Montag) 05. Dezember 2005 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er legte die Stellungnahme des Allgemeinarztes Dr. H. vom 29. November 2005 vor, auch einfachste Arbeiten seien kaum länger als etwa 30 Minuten durchzuhalten und jede Konzentration gehe verloren. Der Kläger trug weiter vor, der bisherige Therapieerfolg wäre nachhaltig gefährdet, wenn er nunmehr dem normalen Arbeitsalltag ausgesetzt würde. Es bestehe auch die hochgradige Gefahr eines Rückfalls.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte im weiteren Verfahren die Stellungnahme der beratenden Ärztin für Psychiatrie Dr. Ho. vom 12. Februar 2007 vor.
Die durch Beschluss des SG vom 13. März 2007 Beigeladene schloss sich der Auffassung der Beklagten an.
Arzt Dr. H. erstattete die schriftliche Zeugenaussage vom 23. April 2006. Da dem Kläger alles große Mühe mache und er oft den Faden verliere, könne er kaum mehr als eine Stunde arbeiten. Die Abstinenz und anderweitige Stabilität habe die Leistungsfähigkeit nicht mehr gebessert. Der Kläger könne seiner Ehefrau im Blumenladen allenfalls unverbindlich zur Hand gehen.
Facharzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie/Psychoanalyse Dr. Sch. vom Zentrum für Nervenheilkunde S. M. erstattete das Gutachten vom 16. Oktober 2006 (Untersuchung am 03. August 2006). Es bestehe weiterhin der Zustand nach Polytoxikomanie, nach Alkoholabhängigkeit und bei vorbestehender vielschichtiger Persönlichkeitsstörung mit deutlich eingeschränkter emotionaler und psychosozialer Belastbarkeit, asthenischen und depressiven Zügen und Neigung zu exzessiver emotionaler Reaktionsbildung in schon geringen Belastungssituationen; hinzu kämen vorbestehende soziale Phobie und Residuen der Polyneuropathie. Zumutbar seien noch leichte Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu zehn kg in wechselnder Körperhaltung; Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, an laufenden Maschinen, Akkord- oder Fließbandarbeiten, Schicht- oder Nachtarbeiten, Tätigkeiten in Kälte, Hitze oder Nässe, mit Publikumsverkehr, mit geistiger Beanspruchung und erhöhter oder hoher Verantwortung, schließlich unter nervlicher Belastung seien nicht mehr zumutbar. Die tägliche Arbeitszeit sei auf drei bis unter sechs Stunden zu begrenzen. Eine Besserung sei nicht zu erwarten. Zu der Stellungnahme der beratenden Ärztin Dr. Ho. vom 12. Februar 2007, die bei der langjährigen Drogen- und Alkoholabstinenz von einer Besserung der vorbeschriebenen hirnorganischen Beeinträchtigung sowie der gesamten psychischen Situation ausging, erstattete der Sachverständige die ergänzende Äußerung vom 28. März 2007. Die zeitliche Leistungseinschränkung gründe sich zunächst auf die Angaben des Klägers hinsichtlich seiner ausgeprägten Beeinträchtigungen, insbesondere aber auf die sehr auffällige Persönlichkeitsstruktur mit erheblicher Beeinträchtigung der emotionalen Belastbarkeit und der Fähigkeit, mit emotional belastenden Situationen adäquat umzugehen. Solche Belastungen wären aber bei einem mehr als sechsstündigen Arbeitstag sehr häufig zu erwarten und wären nicht mehr zu bewältigen. Eine vollschichtige Tätigkeit sei allenfalls im Rahmen einer beschützenden Einrichtung vorstellbar, nicht aber auf dem freien Arbeitsmarkt. Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2008 - mit Erklärungen des Klägers zur Niederschrift - führte Dr. Sch. unter dem 28. Februar 2008 weiter aus, es sei glaubhaft, dass bereits die Hilfe im Blumenladen der Ehefrau nicht adäquat geleistet werden könne. Der Kläger gehe sozialen Kontakten weitestgehend aus dem Wege. Auch intensive therapeutische Bemühungen würden die emotionale Belastbarkeit nicht noch wesentlich verbessern können. Demgemäß sei eine Belastung von mehr als vier Stunden täglich nicht mehr zumutbar.
Durch Urteil vom 21. Mai 2008 hob das SG den Bescheid vom 07. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. November 2005 auf. Zur Begründung legte es dar, eine wesentliche Besserung habe nicht festgestellt werden können. Den Schlussfolgerungen des Sachverständigen Dr. Sch. könne gefolgt werden. Die Einwände der Beklagten seien widerlegt. Allein auf den Wegfall des hirnorganischen Psychosyndroms komme es nicht an. Nach der langen Abhängigkeit stünden Rückfallgefahr und die erhebliche Belastung durch soziale Kontakte im Vordergrund. Hinzu komme, dass der behandelnde Arzt Dr. H. diese Auffassung bestätige und bereits der Gutachter Dr. Gi. eine Besserung für unwahrscheinlich gehalten habe. Auch das Gutachten des Dr. Sc. (vom 19. Januar 2005) habe ein - wieder - vollschichtiges Leistungsvermögen bei dem Kläger erst nach einer Wiedereingliederungsmaßnahme mit ergänzenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben angenommen. Solche Maßnahmen habe die Beklagte nicht durchgeführt. Auch treffe nicht zu, dass die Persönlichkeitsstörung bereits das ganze Berufsleben bestanden hätte.
Gegen das ihr am 02. Juni 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12. Juni 2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie die weitere Stellungnahme der beratenden Ärztin Dr. Ho. vom 09. Juni 2008 vorgelegt. Gewisse Verdeutlichungstendenzen seien bei der Begutachtung durch Dr. Sch. nicht auszuschließen. Im Übrigen habe der Kläger wiederum die Fahrerlaubnis erwerben können. Die Begründung der arbeitstäglichen Einschränkung sei hypothetisch. Eine zwar mögliche, jedoch nicht wahrscheinliche Verschlechterung der psychischen Situation sei für die aktuelle Leistungsbeurteilung nicht maßgeblich. Die persönlichkeitsimmanenten Verhaltensweisen hätten den Kläger viele Jahre in der Leistungsfähigkeit nicht schwerwiegend beeinträchtigt. Demgemäß müssten die im Wesentlichen unstreitigen qualitativen Einschränkungen ausreichen. Auch aus der Fachklinik M. sei der Kläger 1999 arbeitsfähig entlassen worden. Die vom Gutachter Dr. Gi. im Juni 2000 genannten und für die Rentenbewilligung herangezogenen massiven Defizite im Sinne einer hirnorganischen Symptomatik hätten sich im weiteren Verlauf weitgehend zurückgebildet. Demgemäß sei zum Zeitpunkt der Entziehung der Rente mit Ende April 2005 ein deutlich gebessertes Zustandsbild beschrieben worden, das die Annahme einer wesentlichen Besserung im Rechtssinne rechtfertige.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Mai 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht sich die ihm günstigen gutachterlichen Äußerungen zu eigen.
Die Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Prof. Dr. A., Facharzt für Neurologie, Klinische Geriatrie/Rehabilitationswesen, Chefarzt der Neurologie/Neuropsychiatrie der Fachkliniken H. hat - unter Beiziehung eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens der Dipl. Psych. Ba. vom 28. Februar 2009 - das neurologisch-neuropsychologische Gutachten vom 04. März 2009 erstattet. Untersuchungen und Exploration deuteten auf eine gravierende Verlangsamung der kognitiven Reaktionsgeschwindigkeit hin. Es habe sich eine hohe emotionale Unsicherheit mit der Folge deutlich erhöhter körperlicher Anspannung und starker interner Abgelenktheit insbesondere bei länger dauernden Aufgabenstellungen gezeigt. Selbst einfache konzentrative Arbeiten könnten nur dann fehlerfrei und von wirtschaftlichem Wert durchgeführt werden, wenn sie in einem therapeutischen Rahmen erfolgten oder arbeitsunübliche Pausen zugestanden würden. Eine leichte Polyneuropathie der Beine bestehe weiter. Hinzu kämen Rückenbeschwerden und Symptome einer einfachen Migräne. Den Schlussfolgerungen im erstinstanzlichen Gutachten Dr. Sch. sei voll zuzustimmen, insbesondere darin, dass eine Belastung von mehr als vier Stunden täglich nicht mehr zumutbar sei.
Für die Beklagte hat sich Ärztin Dr. Ho. in der Stellungnahme vom 06. Mai 2009 nochmals insbesondere dahingehend geäußert, der private Alltag lasse auf keine schwerwiegende Beeinträchtigung schließen. Es spreche nichts gegen eine vollschichtige Ausführung von leichten, konzentrativ wenig anstrengenden Tätigkeiten. Auch sei nicht auszuschließen, dass im Zusatzgutachten neuropsychologische Störungen aggraviert oder vorgetäuscht seien. Die Ärztin hat hierzu den Beitrag von Merten in "Der medizinische Sachverständige" Februar 2006 S. 58 ff. beigefügt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist in der Sache unbegründet. Das SG hat auch nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens im angefochtenen Urteil vom 21. Mai 2008 zutreffend entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 07. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. November 2005 aufzuheben ist. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Bewilligung von unbefristeter Rente wegen Erwerbsunfähigkeit durch Bescheid vom 08. August 2000, neu festgestellt durch Bescheid vom 28. September 2000 und gezahlt seit 01. Februar 2000, wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse mit Ablauf des 30. April 2005 aufzuheben und die Rente zu entziehen.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (vgl. Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-4300 § 119 Nr. 4). Als solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist ein Bescheid über die Bewilligung einer Rente anzusehen. Maßgeblicher Bewilligungsbescheid war zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheids vom 07. April 2005 nicht mehr der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 08. August 2000, sondern der Neufeststellungsbescheid vom 28. September 2000. Dieser hatte den ursprünglichen Bewilligungsbescheid ersetzt, sodass dieser gegenstandlos wurde (§ 39 Abs. 2 SGB X). Die im Bescheid vom 07. April 2005 verfügte Aufhebung des Bescheids vom 08. August 2000 geht mithin ins Leere. Die Beklagte hätte an sich den Bescheid vom 28. September 2000 aufheben müssen. Unabhängig davon ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen hier nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht eingetreten, weil eine Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers mit der Folge des Wegfalls der der Rentenbewilligung zugrundeliegenden Tatsachen nicht eingetreten ist.
Rechtsgrundlage der Rentenbewilligung war hier noch § 44 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) in der zuletzt durch die Gesetze vom 15. Dezember 1995, BGBl. I S. 1824, und vom 02. Mai 1996, BGBl. I S. 659, geänderten Fassung, aufgehoben mit Wirkung vom 01. Januar 2001. Hiernach waren erwerbsunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt (Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz der Vorschrift); erwerbsunfähig war nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 der Vorschrift). Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 08. August 2000 enthält zwar, anders als der Neufeststellungsbescheid vom 28. September 2000, den Ausspruch, für die Anerkennung des Rentenanspruchs seien die Verhältnisse des Arbeitsmarkts ausschlaggebend gewesen. Von der in diesen Fällen eröffneten Möglichkeit der Befristung (vgl. § 102 Abs. 2 SGB VI in der jeweils geltenden Fassung) hat die Beklagte jedoch keinen Gebrauch gemacht. Demgemäß wäre unter Berücksichtigung der weiter angewandten Rechtsprechung des Großen Senats des BSG zur "Arbeitsmarktrente" (BSGE 30, 167; 43, 75) eine Rentenentziehung nur möglich, wenn der Kläger wieder vollschichtig erwerbstätig sein könnte, da gemäß § 302 b Abs. 1 Satz 1 SGB VI bei am 31. Dezember 2000 bestehendem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit dieser bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze weiterbesteht, solange die Voraussetzungen vorliegen, die für die Bewilligung der Leistung maßgebend waren. Der Kläger war aus den im Folgenden darzulegenden Gründen zum Zeitpunkt der von der Beklagten verfügten Rentenentziehung mit April 2005 nicht wieder vollschichtig erwerbsfähig.
Der Senat sieht aufgrund der Begutachtung des Klägers im Berufungsverfahren das Ergebnis des erstinstanzlichen Verfahrens bestätigt. Das SG ist hiernach im angefochtenen Urteil vom 21. Mai 2008 schlüssig dem Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. vom 16. Oktober 2006 - mit Ergänzungen vom 28. März 2007 und 28. Februar 2008 - gefolgt. Danach bestand aufgrund des Zustands nach Polytoxikomanie mit im Vordergrund stehender Alkoholabhängigkeit, einer vorbestehenden vielschichtigen Persönlichkeitsstörung mit deutlich eingeschränkter emotionaler und psychosozialer Belastbarkeit, mit asthenischen und depressiven Zügen mit Neigung zu exzessiver emotionaler Reaktionsbildung in schon geringen Belastungssituationen, sozialer Phobie sowie Residuen einer toxisch bedingten Polyneuropathie eine Erwerbsfähigkeit für leichte Arbeiten allenfalls für drei bis unter sechs Stunden täglich. Zuletzt hat dies der Sachverständige auf unter vier Stunden täglich präzisiert. Der im Berufungsverfahren gehörte Sachverständige Prof. Dr. A. hat dies im Gutachten vom 04. März 2009 unter Berücksichtigung des neuropsychologischen Zusatzgutachtens der Dipl. Psych. Ba. vom 28. Februar 2009 ohne wesentliche Abweichung bestätigt ... Dipl. Psych. Ba. hatte den Eindruck gewonnen, dass der Kläger in dem ihm möglichen Umfang sehr kooperativ mitgearbeitet habe und ausreichend anstrengungsbereit gewesen sei. Hohe emotionale Unsicherheit habe dennoch während der Untersuchungszeit zu einer deutlich erhöhten körperlichen Anspannung und zu starker interner Abgelenktheit, insbesondere bei einfachen und länger andauernden Reaktionsaufgaben geführt. Bei komplexeren Aufgaben folgten Auslassungen und Fehler. Durch die vorgegebenen Testverfahren zog sich eine schwerwiegende Verlangsamung der kognitiven Reaktionsgeschwindigkeit. Es war nicht möglich, einfache konzentrative Arbeiten im vorgegebenen zeitlichen Rahmen fehlerfrei und angemessen schnell, nämlich von wirtschaftlichem Wert zu bearbeiten. Hieraus wurde der Schluss gezogen, dass der Kläger entweder ein therapeutisches Setting oder arbeitsunübliche Pausen benötigt, um nicht psychisch zu dekompensieren. Diese Aussagen hat der Sachverständige Prof. Dr. A. - nach eigener Untersuchung ohne Zuziehung weiterer ärztlicher Hilfskräfte - ausgewertet und bestätigt. Der Schlussfolgerung des erstinstanzlichen Sachverständigen Dr. Sch. wurde zugestimmt, dass unter diesen Voraussetzungen eine Belastung mit leichten Tätigkeiten von mehr als vier Stunden täglich nicht zumutbar ist.
Gegenüber diesen Schlussfolgerungen vermag sich der Senat den Einwänden der beratenden Ärztin der Beklagten Dr. Ho. vom 06. Mai 2009 nicht anzuschließen. Die allgemeine Erfahrung, dass neuropsychologische Begutachtungen Fehlerquellen zugänglich seien, kann die überzeugende Darlegung der Dipl. Psych. Ba. für den Einzelfall nicht entkräften. Dass der Kläger anamnestisch angegeben hat, er sorge im Laden für Ordnung und Sauberkeit, schaffe die Abfälle weg, könne neu angelieferte Blumen anschneiden und führe auch die Buchhaltung, ist unter dem Blickwinkel zu sehen, dass es sich - wie vom Kläger und auch dessen behandelnden Arzt Dr. H. während des gesamten Verfahrens betont - um unverbindliche, nicht den Anforderungen des normalen Arbeitslebens ausgesetzte und nur gering entlohnte Betätigungen im Blumengeschäft der Ehefrau handelt. Auch gewisse Betätigungen in der Instandhaltung des eigenen Hauses und die Pflege von Hobbys entkräften und widerlegen nicht das Fehlen der Einsatzfähigkeit für einen vollen Arbeitstag unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts. Die Sachverständigen Dr. Sch. und Prof. Dr. A. haben dies übereinstimmend so dargelegt. Anlass, hiervon abzuweichen oder in neue Ermittlungen einzutreten, besteht nicht. Den Schlussfolgerungen der im Widerspruchsverfahren gehörten Gutachter Dr. Br. (vom 12. September 2005) und Dr. Mü. (vom 26. September 2005) ist mithin nachvollziehbar der Boden entzogen. Im Übrigen hat auch Dr. Sc. im Gutachten vom 19. Januar 2005 eine behutsame berufliche Wiedereingliederung empfohlen. Hiermit haben sich weder Dr. Ho. noch die im Widerspruchsverfahren gehörten Dres. Br. und Mü. auseinandergesetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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