S 6 R 32/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 R 32/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 R 248/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von Zwischenübergangsgeld.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger war als Pharmareferent im Innen- und Außendienst eines pharmazeutischen Unternehmens beschäftigt und privat kranken- und pflegeversichert. Nachdem er diese Tätigkeit wegen einer Epilepsieerkrankung nicht mehr ausüben konnte, erhielt er von seiner privaten Krankenkasse zunächst Krankentagegeld. Nachdem die Zahlung des Krankentagegeldes eingestellt worden war, erhielt er bis zur Erschöpfung seines Anspruchs am 00.00.0000 Arbeitslosengeld. Vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 nahm der Kläger zu Lasten der Beklagten Leistungen zur stationären medizinischen Rehabilitation in Bad P. in Anspruch. Während dieser Zeit erhielt er Übergangsgeld. Anschließend wurde ihm zunächst für die Zeit vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 ein Reha-Assessment im Berufsbildungswerk C. und anschließend ab 00.00.0000 als Umschulung ein Vollzeitstudium zum Heilpraktiker bewilligt, an dem der Kläger bis heute teilnimmt. Nachdem der Kläger Weiterzahlung seines Übergangsgeldes beantragt hatte, forderte die Beklagte ihn auf, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu übersenden. Daraufhin wies der Kläger Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 00.00.2000 bis 00.00.0000 nach. Mit Bescheid vom 00.00.0000 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Weiterzahlung des Übergangsgeldes ab. Der Kläger legte am 00.00.0000 Widerspruch ein. Mit Bescheinigung vom 00.00.0000 teilte die Agentur für Arbeit der Beklagten mit, der Kläger werde ab 00.00.0000 als arbeitslos geführt. Auf Nachfrage teilt die Agentur für Arbeit der Beklagten mit, der Kläger habe sich nach dem 00.00.0000 nicht wieder arbeitsfähig gemeldet (Telefonvermerk vom 00.00.0000, Bl. 102 der Verwaltungsakte). Daraufhin bewilligte die Beklagte ihm ab dem 00.00.0000 wieder Übergangsgeld. Zur Begründung führte sie aus, erst ab diesem Zeitpunkt sei der Agentur für Arbeit die Arbeitsfähigkeit des Klägers wieder bekannt gewesen. Der Kläger legte am 00.00.0000 Widerspruch ein und führte aus, er habe sich bereits ab 00.00.0000 arbeitslos gemeldet. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX sei Voraussetzung, dass zunächst ein Anspruch auf Krankengeld bestanden habe. Für Versicherte aber, die - wie der Kläger - privat krankenversichert sind, bestehe kein Anspruch auf Übergangsgeld. Auch ein Anspruch nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX scheide aus, da der Kläger bis 00.00.0000 arbeitsunfähig gewesen sei und anschließend bis zum 00.00.0000 eine Arbeitsfähigkeit nicht gegenüber der Agentur für Arbeit mitgeteilt habe.

Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 beim SG E. erhobene Klage.

Mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 00.00.0000 unter Vertiefung ihrer bisherigen Ausführungen zurück. Der Kläger hat daraufhin am 00.00.0000 seine Klage entsprechend erweitert.

Der Kläger ist der Auffassung, § 51 Abs. 1 Nr.1 SGB IX erfasse auch Fälle, in denen wegen einer privaten Krankenversicherung kein Krankengeld gezahlt werde. Jedenfalls müsse diese Vorschrift verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden. Anderenfalls komme es zu einer verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung von privat und gesetzlich Krankenversicherten. Ein Anspruch auf Zwischenübergangsgeld bestehe aber auch nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX. Denn der Kläger sei jedenfalls ab 00.00.0000 wieder arbeitsfähig und die Agentur für Arbeit hätte ihn ab diesem Datum vermitteln können. Selbst wenn es für den Anspruch auf Weiterzahlung des Übergangsgeldes auf eine Meldung bei der Agentur für Arbeit ankomme, könne ihm dies nicht zum Nachteil gereichen, weil die Beklagte ihn hierauf hätte hinweisen müssen. Da sie dies versäumt habe, sei er so zu stellen, als ob er sich nach dem Ende seiner Arbeitsunfähigkeit wieder der Agentur für Arbeit gemeldet hätte.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 00.00.0000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 00.00.0000 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 00.00.0000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 00.00.0000 zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 Übergangsgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer bisherigen Auffassung fest.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat keinen Anspruch auf Zahlung von Zwischenübergangsgeld für die Zeit vom 00.00. bis 00.00.0000.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zwischenübergangsgeld nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe Behinderter Menschen (SGB IX). Ein solcher Anspruch setzt nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift voraus, dass die Leistungsempfänger arbeitsunfähig sind und keinen Anspruch auf Krankengeld "mehr" haben. Voraussetzung ist damit also, dass zunächst ein Anspruch auf Krankengeld bestanden hat, der später weggefallen ist. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger, der gegen das Risiko "Krankheit" in der privaten und nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, nicht. Er hat zunächst eine Leistung der privaten Krankenversicherung, nämlich Krankentagegeld, nicht aber Krankengeld bezogen. Soweit der Kläger ausführt, die Vorschrift des § 51 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX sei dahingehend zu interpretieren, dass der Begriff "Krankengeld" auch Krankentagegeld umfasse, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen. Denn das Gesetz knüpft mit der Bezeichnung "Krankengeld" an einen in den §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) verwandten Begriff an. Dies läßt nur den Schluss zu, dass der gleiche Begriff in § 51 Abs. 1 Nr.1 SGB IX synonym verwendet wird und nur das Krankengeld, nicht aber das Krankentagegeld erfasst. Dies folgt weiter daraus, dass das Gesetz auch den Begriff der "Arbeitsunfähigkeit" verwendet, der ebenfalls den §§ 44 ff. SGB V entnommen ist (vgl. hierzu auch Majerski-Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 11. Auflage 2005 § 51 Rdnr. 10 m.w.N.).

Die Kammer vermag hierin entgegen den Ausführungen des Klägers auch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zu erkenne. Sie läßt offen, ob die Kategorien "Bezieher von Krankengeld" und Bezieher von Krankentagegeld" überhaupt vergleichbar sind. Denn selbst wenn man eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte darin erkennen wollte, dass Versicherte, die zunächst Krankengeld bezogen haben, bei Vorliegen der weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen Zwischenübergangsgeld erhalten, während Versicherte, die Krankentagegeld erhalten haben, hiervon ausgenommen sind, so liegt keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG vor. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsatz ist nämlich nur dann gegeben, wenn es für die Ungleichbehandlung keinen sachlichen Grund gibt (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 28.04.1999, BvL 11/94 u.a., BVerfGE 100, 138, 174; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 9. Auflage 2007, Art. 3 Rdnr. 14). Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung liegt jedoch in den völlig unterschiedlich ausgestalteten Leistungssystemen gesetzliche und private Krankenversicherung. Diese unterschiedliche Ausgestaltung rechtfertigt es auch, dass für den Anspruch auf Zwischenübergangsgeld an den Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankengeld) angeknüpft wird. Hinzu kommt, dass der Kläger sich freiwillig für das Leistungssystem der privaten Krankenversicherung entschieden hat und damit nicht den Ausschluss von Leistungen (Zwischenübergangsgeld), die an Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung anknüpfen, mit Erfolg geltend machen kann.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zwischenübergangsgeld nach § 51 Abs. 1 Nr.2 SGB IX, weil auch die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht gegeben sind. § 51 Abs. 1 Nr.2 SGB IX verlangt nämlich, dass dem Versicherten eine zumutbare Beschäftigung aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht vermittelt werden kann. Die Vorschrift setzt damit zunächst eine Arbeitslosigkeit im Sinne des Arbeitsförderungsrechts voraus, d.h. es wird auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 118 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) Bezug genommen (Jabben, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Ud-sching, Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, Stand: 01.09.2009, § 51 SGB IX Rdnr. 15). Voraussetzung ist damit u.a., dass Versicherte den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen. Dies konnte der Kläger vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 aus Sicht der Kammer allein deshalb nicht, weil er in diesem Zeitraum arbeitsunfähig war. Selbst wenn er aber danach wieder hätte arbeiten können, so hat sich der Kläger nach dem 00.00.0000 nicht wieder bei der Agentur für Arbeit als arbeitsfähig gemeldet, sondern frühestens zum 00.00.0000. Denn erst unter diesem Datum war der Agentur für Arbeit bekannt, dass der Kläger den Vermittlungsbemühungen (wieder) zur Verfügung steht.

Soweit der Kläger ausführt, die Beklagte hätte ihn darauf hinweisen müssen, dass er sich - um den Anspruch auf Zwischenübergangsgeld aufrechtzuerhalten - bei der Agentur für Arbeit hätte (wieder) arbeitsfähig bzw. arbeitsuchend melden müssen und er sei deshalb im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob bei der Agentur für Arbeit eine entsprechende Meldung erfolgt wäre, so vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Unabhängig von der Frage nämlich, ob die Beklagte eine aus dem Sozialrechtsverhältnis resultierende Nebenpflicht verletzt hat (zu den Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs allgemein: BSG, Urteil vom 05.04.2000, B 5 RJ 50/98 = juris m.w.N.; BSG, Urteil vom 14.11.2002, B 13 RJ 39/01 R = juris), kann eine Verfügbarkeit im Sinne des Arbeitsförderungsrechts nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden (vgl. BSG, Urteil vom 15.05.1985, 7 RAr 103/83 = BSGE 58, 104, 109; BSG, Urteil vom 17. Juli 1997, 7 RAr 12/96 = juris; BSG, Urteil vom 17.07.1997, 7 RAr 106/96 = juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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