L 15 SB 87/09 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 SB 750/08
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 87/09 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Auch in Feststellungsverfahren gemäß § 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) ist die Beiordnung eines rechtskundigen Bevollmächtigten erforderlich (§ 73a SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO).
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 20. März 2009 - S 15 SB 750/08 - aufgehoben und dem Kläger auf Antrag vom 8. Januar 2009 Prozesskostenhilfe (PKH) ab Klageerhebung ohne Ratenzahlung unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. G. K. gewährt.



Gründe:


I.

Der 1966 geborene Kläger und Beschwerdeführer begehrt die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne von §§ 2 Abs.2, 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX).

Der Beklagte und Beschwerdegegner hat mit dem streitgegenständlichen Änderungsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Oberpfalz vom 16.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 09.10.2008 den Grad der Behinderung (GdB) ab 28.04.2008 mit 30 festgestellt. Zu Grunde gelegt worden sind nachstehende Gesundheitsstörungen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, Bandscheibenschäden und Nervenwurzelreizerscheinungen.

In dem sich anschließenden Rechtsstreit hat das Sozialgericht Regensburg bereits einen Befundbericht von Dr. R. mit Fremdbefunden gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingeholt. - Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung vom 08.01.2009 ist mit Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 20.03.2009 abgelehnt worden. Die Beiordnung eines Rechtsanwaltes sei hier nicht erforderlich (§ 73a SGG i.V.m. § 121 Abs.2 ZPO). Dies gelte auch unter Zugrundelegung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Beschluss vom 22.06.2007 - 1 BvR 681/07.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde vom 18.05.2009 ging am selben Tag beim Sozialgericht Regensburg ein, welches den Gesamtvorgang dem BayLSG zur Entscheidung vorlegte.

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich als begründet.

Gemäß § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit weiterem Beschluss vom 06.05.2009 - 1 BvR 439/08 - seine bisherige Rechtsprechung zur Frage der Erforderlichkeit im Sinne von § 121 Abs.2 ZPO weiterentwickelt und darauf hingewiesen, dass der Ausgang eines Schwerbehindertenverfahrens nicht nur von der Beschreibung der Funktionsstörungen abhänge, sondern insbesondere auch von der Auswertung medizinischer Stellungnahmen. Auch wenn es Aufgabe des Richters sei, die Vorschriften auszulegen und anzuwenden, dürfe dadurch nicht das Recht der Beteiligten verkürzt werden, sich mit eigenen Vorstellungen über die Ermittlungen und über die zu beantwortenden Rechts- und Tatsachenfragen zu Wort zu melden. Ein Kläger habe grundsätzlich das Recht, sich in jedem Verfahrensstadium aktiv zu beteiligen. Der Gesetzgeber sei bei Einführung der Prozesskostenhilfe für die unteren Instanzen davon ausgegangen, dass das Sozialrecht eine Spezialmaterie sei, die nicht nur der rechtsunkundigen Partei, sondern selbst ausgebildeten Juristen Schwierigkeiten bereite. Zugleich hat es darauf hingewiesen, dass sich die Mitwirkung von Rechtsanwälten im Interesse der Parteien als auch im Interesse einer geordneten Rechtspflege als wertvoll erwiesen habe. Es sei nicht ersichtlich, dass dies in Schwerbehindertensachen allgemein nicht der Fall wäre. Die in Art.3 Abs.1 i.V.m. Art.20 Abs.3 des Grundgesetzes (GG) verbürgte Rechtsschutzgleichheit gebiete es vielmehr regelmäßig, auch in Feststellungsverfahren nach § 69 Abs.1 SGB IX einen rechtskundigen Bevollmächtigten beizuordnen.

Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Die zuletzt noch mit Beschluss des BayLSG vom 27.09.2007 - L 15 B 642/07 SB ZVW - vertretene Rechtsauffassung zur Frage der Erforderlichkeit der Beiordnung eines rechtskundigen Bevollmächtigten auch in Feststellungsverfahren nach § 69 Abs.1 SGB IX wird hiermit ausdrücklich aufgegeben.
Die Erfolgsaussicht der Klage ist hier gegeben, da das Sozialgericht offenbar eine Beweiserhebung für erforderlich hält.

Ausweislich des Bescheides der Arbeitsgemeinschaft Landkreis B-Stadt vom 10.10.2008 über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ist der Kläger auch bedürftig im Sinne von §§ 114, 115 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind somit erfüllt, so dass der Beschluss des SG B-Stadt vom 20.03.2009 aufzuheben und dem Antrag stattzugeben war.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist nicht anfechtbar (§§ 177, 183 SGG i.V.m. § 127 Abs.4 ZPO).
Rechtskraft
Aus
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