L 2 B 972/08 SB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 SB 236/06**
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 B 972/08 SB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Kein weiteres Ordnungsgeld gegen säumigen Sachverständigen, wenn keine eindeutige weitere Nachfrist gesetzt wurde
I. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Ordnungsgeldbeschluss
des Sozialgerichts Augsburg vom 19.08.2008 aufgehoben.

II. Der Beschwerdeführerin sind die außergerichtlichen Kosten des Beschwerde-verfahrens aus der Staatskasse zu erstatten.
III. Im Übrigen werden keine Kosten erhoben.



Gründe:


I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Ordnungsgeldbeschlusses des Sozialgerichts Augsburg (SG) vom 19.08.2008.

In dem Schwerbehindertenrechtsstreit zum Az.: S 11 SB 236/08 beauftragte das SG die Beschwerdeführerin am 15.05.2007 mit der Erstattung eines Gutachtens. Die Beschwerdeführerin war gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom Kläger im Hauptsacheverfahren als Ärztin seines Vertrauens benannt worden. Trotz Mahnungen, Fristsetzung und Nachfristsetzung legte die Beschwerdeführerin das in Auftrag gegebene Gutachten dem Gericht nicht vor. Dieses legte ihr mit Beschluss vom 17.04.2008 Ordnungsgeld in Höhe von 500,00 EUR auf. Gegen den am 25.05.2008 zugestellten Beschluss legte die Beschwerdeführerin am 02.06.2008 bzw. am 20.10.2008 Beschwerde ein. Ihre Beschwerde verwarf der erkennende Senat mit Beschluss vom 18.08.2009 wegen Versäumung der Beschwerdefrist.

Am 16.05.2008 hatte das SG der Beschwerdeführerin erneut Frist zur Vorlage des Gutachtens bis 13.06.2008 gesetzt und angekündigt, es werde Ordnungsgeld und zwar in Höhe von 750,00 EUR verhängen, falls die Beschwerdeführerin die Frist erneut ergebnislos verstreichen lassen sollte. Die Mahnung und Nachfristsetzung wurde der Beschwerdeführerin laut Postzustellungsurkunde vom 21.05.2008 direkt ausgehändigt. Diese teilte am 02.06.2008 mit, der Kläger sei von ihr für den 15.02.2008 zur Untersuchung einbestellt gewesen, aber nicht erschienen. Einen neuen Untersuchungstermin solle das SG dem Kläger für 09.06.2008 mitteilen. Nach telefonischer Mitteilung des Klägers war dieser an eine neue Adresse verzogen. Die neue Anschrift gab das SG der Beschwerdeführerin am 05.06.2008 bekannt. Diese erklärte am 09.06.2008, es sei ein neuer Untersuchungstermin für den 19.06.2008 vereinbart, das Gutachten werde bis 26.06.2008 übersandt werden. Am 09.07.2008 fragte das SG nach dem derzeitigen Sachstand. Der Bevollmächtigte des Klägers teilte am 17.07.2008 dem SG mit, der Kläger sei inzwischen untersucht worden.

Mit Beschluss vom 19.08.2008 legte das SG der Beschwerdeführerin ein weiteres Ordnungsgeld in Höhe von 750,00 EUR auf, da es bereits am 16.05.2008 weiteres Ordnungsgeld angedroht habe im Falle, dass die Nachfrist erneut verstreichen sollte. Zwar habe der Kläger seine Adresse geändert, jedoch habe die Begutachtung mittlerweile stattgefunden, das Gutachten sei aber bisher nicht eingegangen. Nach pflichtgemäßem Ermessen sei Ordnungsgeld in Höhe von 750,00 EUR bei wiederholter Säumnis angemessen.

Der Beschluss konnte der Beschwerdeführerin unter ihrer neuen Adresse erst am 22.09.2008 zugestellt werden.

Die Beschwerdeführerin erklärte am 20.10.2008, sie habe inzwischen die Kostenrechnung über das verhängte Ordnungsgeld bzw. über die verhängten Ordnungsgelder erhalten und werde diese nicht bezahlen. Sie halte dies für ungerecht.

Per Fax vom 16.10.2008 ging das erbetene Gutachten mit dem Datum vom 08.10.2008 beim SG ein.

Das SG legte die Beschwerdeschrift dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vor.

Zur Begründung ihrer Beschwerde führte die Beschwerdeführerin aus, sie habe im Juli 2007 einen Fahrradunfall erlitten und habe wegen der Verletzung erst ab November 2007 wieder wenige Stunden pro Tag arbeiten können. Deshalb und weil der Kläger von vier Terminen drei habe unentschuldigt verstreichen lassen und erst am 26.06.2008 habe untersucht werden können, sei es ihr nicht möglich gewesen, das Gutachten zu einem früheren Zeitpunkt zu erstatten.

Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 19.08.2008 aufzuheben.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akte des Sozialgerichts sowie der Beschwerdeakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 SGG) und begründet. Der Ordnungsgeldbeschluss vom 19.08.2008 war aufzuheben.

Nach § 118 SGG in Verbindung mit § 411 Abs.1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) kann gegen den Sachverständigen nach Fristsetzung und fruchtlosem Ablauf einer Nachfrist ein zuvor angedrohtes Ordnungsgeld verhängt werden, wenn der Sachverständige seiner Verpflichtung zur Erstattung eines Gutachtens bis dahin nicht nachgekommen ist. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden (§ 411 Abs.2 Satz 3 ZPO). Daraus folgt, dass auch dann, wenn bereits Ordnungsgeld gegen einen Sachverständigen wegen Fristversäumnis festgesetzt worden war, ihm nochmals eine Nachfrist einzuräumen und weiteres Ordnungsgeld anzudrohen ist.

Zwar lässt sich der Akte des SG eindeutig entnehmen, dass der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 16.05.2008 eine erneute Nachfrist bis spätestens 13.06.2008 gesetzt und ihr Ordnungsgeld in Höhe von 750,00 EUR angedroht worden war. Jedoch folgte dieser Maßnahme eine Korrespondenz zwischen SG und der Beschwerdeführerin, die erkennen lässt, dass das SG nicht auf der Einhaltung dieser Nachfrist bestanden hatte. Denn das SG nahm Kontakt mit dem Kläger auf, erfuhr, dass dieser unter einer neuen Anschrift wohnte und eine frühere Vorladung zur Untersuchung deshalb nicht erhalten hatte. Die Beschwerdeführerin informierte das SG erst am 05.06. hierüber. Sie teilte dem SG am 09.06.2008 mit, der Kläger habe wegen seines Auslandsaufenthalts erst für den 19.06.2008 einbestellt werden können. Sie kündigte den Eingang des Gutachtens für den 26.06.2008 an. Am 09.07.2008 bat das SG die Beschwerdeführerin um Sachstandsmitteilung binnen drei Wochen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Schreiben vom 09.07.2008 der Beschwerdeführerin zugegangen war, denn diese war in der Zwischenzeit umgezogen. Aufgrund des Telefongesprächs zwischen SG und der Beschwerdeführerin und dem Schreiben des SG vom 09.07.2008 war klar, dass die zum 13.06.2008 gesetzte Nachfrist obsolet war. Im Schreiben vom 09.07.2008 forderte das SG die Beschwerdeführerin lediglich auf, innerhalb drei Wochen den Sachstand mitzuteilen. Dem Schreiben ist weder eine Fristsetzung noch eine Nachfrist bzw. die Androhung weiteren Ordnungsgeldes zu entnehmen. Der dann ohne weitere Ankündigung am 19.08.2008 erlassene Ordnungsgeldbeschluss genügt damit nicht den Voraussetzungen des § 411 Abs.2 Satz 3 ZPO. Gerade im Hinblick auf den vom SG akzeptierten Ablauf der Nachfrist wäre es notwendig gewesen, der Beschwerdeführerin nochmals eine eindeutige Nachfrist mit Androhung weiteren Ordnungsgeldes zu setzen. Das Unterlassen des SG führt zur Aufhebung des Beschlusses vom 19.08.2008, ohne dass es der Prüfung bedarf, ob und inwieweit das Verschulden der Beschwerdeführerin für die Verzögerung der Gutachtenserstellung maßgeblich war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG, der hier Anwendung findet, weil die Beschwerdeführerin nicht zu dem kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehört. Da die Beschwerde zur vollständigen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führt, hat die Staatskasse der Beschwerdeführerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Der Senat folgt damit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden Württemberg (Beschluss vom 01.07.2003 - L 13 KN 2951/02 B) sowie der Auffassung des Bundesfinanzhofes (BFH/NV 1994, 733 ff.). Danach sind in entsprechender Anwendung des § 467 Abs.1 Strafprozessordnung und § 46 Abs.1 Ordnungswidrigkeitengesetz der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers für die Durchführung einer erfolgreichen Beschwerde aufzuerlegen. Von der Erhebung von Gerichtskosten war gemäß § 21 Gerichtskostengesetz abzusehen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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