L 2 B 1113/08 SB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
2
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 SB 537/06
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 B 1113/08 SB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ordnungsgeld gegen einen nicht erschienen Zeugen kann aufgehpben werden, wenn der Rechtsstreit ohne Einsatz von Ordnungsmitteln fortgesetzt werden kann
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom
24.11.2008 aufgehoben.

II. Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten zu
erstatten.

III. Im Übrigen werden keine Kosten erhoben.



Gründe:

I.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen das ihm auferlegte Ordnungsgeld in Höhe von 650,00 EUR.

Im Hauptsacheverfahren zum Aktenzeichen S 12 SB 537/06 begehrt der dortige Kläger die Feststellung eines Grades der Behinderung von 50 für die Zeit ab 10.11.2005.

Am 11.07.2008 teilte der Kläger unter anderem mit, er stehe wegen Herzrhythmusstörungen beim Beschwerdeführer in Behandlung. Am 14.07.2008 verfügte die Kammervorsitzende, einen Befundbericht ab 2005 vom Beschwerdeführer einzuholen. Ob die Verfügung ausgeführt wurde, ist der Akte selbst nicht zweifelsfrei zu entnehmen, da weder von der Befundanforderung noch von einem am 01.09.2008 verfügten Mahnschreiben eine Durchschrift in der Akte abgeheftet ist. Es findet sich lediglich ein Handzeichen eines Bearbeiters mit dem Datum des jeweils nächsten Tages, des 15.07. und des 02.09. Vermutlich handelte sich dabei um das Ausführungsdatum.

Am 18.09.2008 erinnerte das Sozialgericht Würzburg (SG) den Beschwerdeführer an die Erledigung der Schreiben vom 15.07. und 02.09. Es wies darauf hin, es werde ihn als Zeugen laden, falls er die ihm zuletzt gesetzte Nachfrist bis 06.10.2008 verstreichen lassen sollte. Ein Befundbericht ging nicht ein.

Das SG lud den Beschwerdeführer zum Termin zur Beweisaufnahme auf den 24.11.2008 als sachverständigen Zeugen. Die Ladung erhielt der Beschwerdeführer laut Postzustellungsurkunde vom 30.10.2008 durch Einlegen in seinen Briefkasten. In der nichtöffentlichen Sitzung erschien der Beschwerdeführer nicht. Die Kammervorsitzende setzte mit Beschluss vom 24.11.2008 gegen ihn 650,00 EUR Ordnungsgeld fest, weil er unentschuldigt nicht erschienen war. Der Ordnungsgeldbeschluss wurde dem Beschwerdeführer am 28.11.2008 ausgehändigt.

Danach forderte das SG den Kläger des Hauptverfahrens auf, er möge sich mit seinem Kardiologen, dem Beschwerdeführer, in Verbindung setzen wegen des noch ausstehenden Befundberichts. Es holte ein Gutachten nach Untersuchung des Klägers ein. In der nichtöffentlichen Sitzung vom 23.02.2009 schlossen die Beteiligten auf der Grundlage dieses Gutachtens einen Vergleich, mit dem der Rechtsstreit erledigt wurde.

Gegen den Ordnungsgeldbeschluss vom 24.11.2008 legte der Beschwerdeführer am 26.12.2008 Beschwerde ein. Er sei 2005 noch nicht als niedergelassener Arzt tätig gewesen, habe den Kläger im streitigen Zeitraum nicht behandelt und habe dies dem SG mehrmals mitgeteilt. Am 12., 13., 14., 19., 20. und 21.11. habe er versucht, die Kammervorsitzende telefonisch zu erreichen; die Geschäftsstelle sei nicht besetzt gewesen. Mit Schreiben vom 22.11.2008 habe er die Umstände noch vor dem Termin schriftlich mitgeteilt. Darüber hinaus habe der Kläger wegen seines, des Beschwerdeführers, Fernbleibens keinen Nachteil erfahren. Der Bevollmächtigte des Klägers regte an, die Festsetzung des Ordnungsgeldes aufzuheben, nachdem auch ohne Auskunft des Beschwerdeführers am 23.02.2009 ein Vergleich habe geschlossen werden können.

Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 24.11.2008 aufzuheben.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 SGG) und auch begründet.

Gemäß § 118 Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 380 Abs.1 Zivilprozessordnung (ZPO) können einem ordnungsmäßig geladenen Zeugen bzw., wie hier, einem sachverständigen Zeugen (§ 414 ZPO), ohne dass es eines Antrags bedarf, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt und zugleich gegen ihn ein Ordnungsgeld verhängt werden, wenn er nicht erscheint. Nach § 381 Abs.1 ZPO hat die Festsetzung eines Ordnungsmittels zu unterbleiben, wenn der Zeuge glaubhaft macht, dass ihm die Ladung nicht rechtzeitig zugegangen ist oder wenn sein Ausbleiben genügend entschuldigt ist bzw. nachträglich entschuldigt wird.

Voraussetzung ist demnach die ordnungsgemäße Ladung des Beschwerdeführers als sachverständigen Zeugen und sein Ausbleiben. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer, wie von ihm behauptet, vor dem Termin versucht hatte, sich mit dem SG telefonisch in Verbindung zu setzen. Das von ihm angeführte Schreiben vom 22.11.2008 findet sich nicht in der Akte, ebenso wenig Notizen über die von ihm angegebenen Anrufe. Es kann daher nicht festgestellt werden, ob sich der Beschwerdeführer noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme entschuldigt hat und ob seine Entschuldigung hinreichend begründet war.

Jedoch ist dem weiteren Verlauf des Verfahrens zu entnehmen, dass das SG die Einvernahme des Beschwerdeführers nicht mehr für notwendig gehalten hatte. Ansonsten hätte es nahegelegen, den Beschwerdeführer zum Termin am 23.02.2009 nochmals vorzuladen. Aus der Tatsache, dass das SG zu diesem Termin eine Begutachtung am Sitzungstag veranlasste und auf der Basis dieses Gutachtens den Rechtsstreit durch Vergleich beenden konnte, drängt sich der Schluss auf, das SG habe sich - möglicherweise auf Grund der Einlassungen des Beschwerdeführers - zu einer anderen Vorgehensweise entschlossen und auf die Einvernahme des Beschwerdeführers bewusst verzichtet. Die Vermutung liegt nahe, weil dem SG aus der Beschwerdeschrift vom 26.12.2008 bekannt geworden war, dass der Beschwerdeführer den Kläger zumindest nicht im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum behandelt hatte. Dies hätte Anlass sein müssen, die Aufhebung des Ordnungsgeldes gemäß § 381 Abs.1 Satz 3 ZPO zu überprüfen. Denn Ordnungsgeld bezweckt eine Achtung und Durchsetzbarkeit derjenigen staatsbürgerlichen Ehrenpflichten, die den Zeugen treffen, damit das sachliche Recht siegen kann (Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 67. Auflage, § 380 Rdnr.2). Zwar steht die Verhängung von Ordnungsgeld nicht im Belieben des Gerichts. § 380 ZPO verlangt die Festsetzung von Ordnungsgeld im Falle der Säumnis des Zeugen und räumt dem Gericht kein Ermessen ein. Bei einer nachträglichen Entschuldigung muss jedoch eine Abwägung stattfinden, ob diese zumindest in dem Sinne akzeptabel erscheint, dass der Rechtsstreit ohne Einsatz von Ordnungsmitteln fortgeführt werden kann.

Nach Auffassung des Senats liegen die tatsächlichen Verhältnisse hier so, dass das Festhalten an einem Ordnungsmittel ausschließlich Strafcharakter hat und nicht der Förderung des Rechtsstreits dient. In einem derartigen Ausnahmefall wie hier hält es der Senat für gerechtfertigt, den Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 24.11.2008 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG, der hier Anwendung findet, weil der Beschwerdeführer nicht zu dem kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehört. Danach sind nur Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger von Gerichtskosten befreit, wenn sie als Kläger oder Beklagte an einem Rechtsstreit vor den Sozialgerichten beteiligt sind. Der Beschwerdeführer ist nicht diesem Personenkreis zuzuordnen. Da die Beschwerde jedoch zur vollständigen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führt, hat die Staatskasse dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten, sofern solche angefallen sind, zu erstatten. Der Senat folgt damit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Beschluss vom 01.07.2003 - L 13 KN 2951/02 B). Danach ist in entsprechender Anwendung des § 467 Abs.1 Strafprozessordnung und § 46 Abs.1 Ordnungswidrigkeitengesetz für die Durchführung einer erfolgreichen Beschwerde Kostenersatz aus der Staatskasse zu leisten. Von der Erhebung von Gerichtskosten war gemäß § 22 Gerichtskostengesetz abzusehen (Kopp, VwGO, ;Kommentar, 10 Auflage,
§ 155 Rdnr.24).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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