Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 U 373/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 B 1015/08 U
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Ablehnung des ärztlichen Sachverständigen ist unbegründet, wenn nur Mängel des Gutachtens gerügt werden und im Übrigen die Wortwahl des um Stellungnahme gebetenen Sachverständigen auf einer Reaktion zu heftigen Angriffen beruht
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom
16.10.2008 wird zurückgewiesen.
II. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Sozialgerichts München (SG) vom 18.10.2008, mit dem sein Gesuch auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. L. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde.
Im Hauptsacheverfahren begehrt der Kläger - jetzt Beschwerdeführer - Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung über den 08.02.2007 hinaus.
Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 06.03.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2007 zwar das Ereignis vom 17.01.2007 als Arbeitsunfall anerkannt, aber Leistungen nur bis 08.02.2007 zugestanden. Die nachfolgende Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit sei nicht wegen Unfallfolgen, sondern wegen einer anlagebedingten Rotatorenmanschettenruptur der rechten Schulter entstanden.
Am 16.10.2007 beauftragte das SG den Unfallchirurgen Dr. L., ein Gutachten zur Frage zu erstatten, welche Gesundheitsstörungen durch den Unfall verursacht wurden und wie lange unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestanden habe. Im Gutachten vom 04.03.2008 führte der Sachverständige aus, durch das Ereignis vom 17.01.2007 sei es nur zu einer Prellung der rechten Schulter gekommen. Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit habe nur für einen Zeitraum von maximal vier Wochen nach dem Unfall bestanden.
Das Gutachten gab das SG dem Kläger am 18.03.2008 bekannt mit Frist zur Stellungnahme bis 24.04.2008, die auf Antrag schließlich bis 04.07.2008 verlängert wurde.
Mit Schreiben vom 04.07.2008 rügte der Kläger Mängel des Gutachtens. Die Vielzahl offensichtlicher Mängel deute darauf, dass der Sachverständige die Angelegenheit sehr oberflächlich und ohne entweder die Akten zu lesen oder zu verstehen, behandelt habe oder von vornherein nicht unvoreingenommen gewesen sei. Insbesondere sei dem Sachverständigen entgangen, dass über einen Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung einer Asbestose als Berufskrankheit von der Beklagten entschieden worden sei, der Beschwerdeführer in den letzten 22 Jahren keine Beschwerden im Schulterbereich gehabt habe und bei ihm auch keine degenerativen Veränderungen im Schulterbereich bestanden hatten. Soweit der Sachverständige auf Seite 5 des Gutachtens vortrage, der Beschwerdeführer sei als Chauffeur seiner Ehefrau in der ärztlichen Praxis der Dres. S. und E. in Bad A. gewesen, werde unterschwellig zum Ausdruck gebracht, der Beschwerdeführer habe seine Ehefrau in der Gegend herumgefahren, was nicht der Fall gewesen sei. Dies verdeutliche eine Voreingenommenheit und unterschwellige Polemik. Einen Arztbericht des Arztes Dr. K. habe Dr. L. zur Grundlage seines Gutachtens gemacht, diesen Bericht jedoch unrichtig dargestellt. Die behandelnden Ärzte des Beschwerdeführers seien zu einem anderen Ergebnis als der Sachverständige gekommen. Offensichtlich könne dieser die vorhandenen Röntgenaufnahmen nicht richtig beurteilen, so dass er beantrage, ihn zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden. Er wolle Dr. L. dann nach seiner Ausbildung und Sachkunde fragen. Für den Fall, dass der Gutachter dann wider Erwarten die Bilder richtig interpretiere, so sei erwiesen, dass er zuvor ein falsches Gutachten erstellt habe oder dass zu seinen Gunsten anzunehmen sei, dass ihm die notwendige Sachkunde fehle. Insgesamt ergebe sich, dass dem Sachverständigen entweder die notwendige Qualifikation fehle oder er bewusst zum Nachteil des Klägers vorhandene Arztberichte und Bilder übersehen habe.
Das SG forderte den Kläger auf, klärungsbedürftige Fragen, die an den Sachverständigen gerichtet werden sollten, zu formulieren. Im Schreiben vom 26.08.2008 fasste der Beschwerdeführer seinen bisherigen Vortrag in Frageform.
Der um eine ergänzende Stellungnahme gebetene Sachverständige führte am 14.09.2008 aus, im Ergebnis bleibe es bei seiner bisherigen Beurteilung. Den Ausführungen stellte er voran, er wolle die Fragen beantworten, ohne auf die "ungehörige und sich somit selbst disqualifizierende Diktion im Schreiben der Klägerseite vom 04.07.2008 einzugehen, die wohl einen substantiierten Sachvortrag ersetzen solle". Unter anderem erklärte er, degenerative Erscheinungen wie er sie beim Beschwerdeführer feststelle, seien "bei einem männlichen Individuum im Alter des Klägers, "der viele Jahrzehnte körperlich schwer gearbeitet habe, durchaus als altersnormal einzustufen". Fragen zu seiner Qualifikation als medizinischer Sachverständiger wolle er dem Bevollmächtigten des Klägers gerne beantworten, nachdem dieser seine Qualifikation als Anwalt dargelegt habe.
Am 25.09.2008 lehnte der Beschwerdeführer den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab und beantragte, eine neue Begutachtung durchzuführen. Dr. L. habe, ohne dazu veranlasst worden zu sein, seinen Bevollmächtigten unqualifiziert angegriffen. Er habe dessen Vortrag als ungehörig und selbst disqualifizierend bezeichnet. Er habe geantwortet, Fragen zu seiner Qualifikation erst dann zu beantworten, wenn sein Bevollmächtigter seine Qualifikation als Anwalt dargelegt habe. Zudem habe er ihn, den Beschwerdeführer, als "männliches Individuum" bezeichnet, was nur als abfällige Bemerkung verstanden werden könne. Insgesamt rechtfertigten die Äußerungen des Dr. L. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.09.2008 dessen Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit.
Mit Beschluss vom 16.10.2008 wies das SG den Befangenheitsantrag zurück. Das Gesuch sei zwar rechtzeitig gestellt worden, weil sich die geltend gemachten Ablehnungsgründe erst aus der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 14.09.2008 ergeben hätten und der Antrag vom 25.09.2008 fristwahrend eingegangen sei. Das Ablehnungsgesuch sei jedoch unbegründet, weil nicht die Unbefangenheit des Sachverständigen sondern Fehler des Gutachtens gerügt würden. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gutachten könne nicht Gegenstand des Ablehnungsverfahrens sein. Dies gelte auch für die Frage der fachlichen Qualifikation. Auch die Passage, in der Dr. L. die Diktion des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers als ungehörig und selbst disqualifizierend bezeichnet habe, rechtfertige nicht die Annahme der Befangenheit. Denn insoweit handle es sich um eine verständliche Reaktion des Sachverständigen auf die scharfen Angriffe durch den Bevollmächtigten des Beschwerdeführers.
Gegen den ihm am 22.10.2008 zugestellten Beschluss legte der Beschwerdeführer am 11.11.2008 Beschwerde ein. Das SG sei zu Unrecht davon ausgegangen, der Sachverständige habe auf heftige Angriffe seiner Seite reagiert. Richtig sei, dass das Gutachten an offensichtlichen Mängeln leide. Der Sachverständige habe die Diagnosen der behandelnden Ärzte nicht beachtet, die Röntgenaufnahmen anders bewertet, woraus sich die Frage nach seiner Qualifikation gestellt habe. Es habe sich daher um sachliche und gerechtfertigte Einwendungen gehandelt und nicht um durch nichts gerechtfertigte unsachliche Angriffe auf die Qualifikation des Sachverständigen.
Die Beklagte teilte mit, dass sie inzwischen mit der Verwaltungsberufsgenossenschaft fusioniert habe und unter deren Namen weitergeführt werde. Im Übrigen halte sie die Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss für überzeugend.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 16.10.2008 aufzuheben und seinem Gesuch auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. L. wegen Besorgnis der Befangenheit stattzugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 SGG), aber nicht begründet.
Zutreffend prüfte das SG den Antrag des Beschwerdeführers auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. L. wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 406 Abs. 2 Satz 1, 411 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Dass das Gesuch rechtzeitig ist, weil die angeführten Gründe sich auf die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 14.09.2008 stützen, hat das SG bereits so gesehen; der Senat teilt diese Auffassung.
Ein wesentlicher Teil der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe betreffen seiner Auffassung nach vorliegende Mängel des Gutachtens sowie die Qualifikation des Sachverständigen. Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeiten mögen zwar ein Gutachten entwerten, rechtfertigen für sich allein aber nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit (BGH, Beschluss vom 15.03.2005 - VI ZB 74/04). Derartige Mängel der Gutachtenserstattung reichen nicht aus, um Unparteilichkeit des Sachverständigen anzunehmen. Denn der mangelnden Sorgfalt und Fehlerhaftigkeit eines Gutachtens bzw. der mangelnden Qualifikation des Sachverständigen sind beide Parteien in gleicher Weise ausgesetzt. Ein unzureichendes Gutachten ist nicht geeignet, den Sachverhalt hinreichend aufzuklären. In einem solchen Fall sind jedoch andere prozessuale Möglichkeiten gegeben, um diesem Fehler zu begegnen. Die Tatsache, dass ein Gutachten nicht den Standpunkt eines Beteiligten belegt, ist nicht Ausdruck der Voreingenommenheit zu dessen Lasten. Träfe dies zu, so müsste ein Sachverständiger nahezu immer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn er ein Gutachten abgibt. Denn in aller Regel ist die Beweisfrage so gestaltet, dass sie entweder den Standpunkt der Kläger- oder den Standpunkt der Beklagtenseite bestätigt. Dass dies nicht zutreffen kann, erschließt sich ohne weitere Klärung.
Es bleibt daher lediglich zu beurteilen, ob die Ausführungen des Sachverständigen in dessen ergänzender Stellungnahme vom 14.09.2008, die der Beschwerdeführer als sehr verletzend bezeichnet hat, dessen Ablehnung rechtfertigen. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen des SG an, das sich bereits mit diesen Vorwürfen auseinandergesetzt hat und zum Ergebnis gekommen ist, insoweit handle es sich um eine Reaktion auf heftige Angriffe der Klägerseite (OLG B-Stadt, Beschluss vom 20.02.2007 - 1 W 885/07). Diesbezüglich merkt der Senat an, dass der Sachverständige sich durch das Schreiben des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers vom 04.07.2008 angegriffen fühlte und nicht auf die später im Schreiben vom 26.08.2008 sachlich formulierten Fragen, die er dann auch mit der erforderlichen Sachlichkeit beantwortete. Im Übrigen kann der Senat nicht nachvollziehen, dass die Bezeichnung des Klägers als männliches Individuum aus dem Zusammenhang des Gutachtens heraus, verächtlich gemeint sein sollte.
Insgesamt kommt der Senat zum Ergebnis, dass die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Gründe die Ablehnung des Sachverständigen Dr. L. wegen Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigen. Er weist die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 16.10.2008 zurück und nimmt zur Ergänzung gemäß §§ 142 Abs. 2 Satz 2, 136 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss Bezug.
Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
16.10.2008 wird zurückgewiesen.
II. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Sozialgerichts München (SG) vom 18.10.2008, mit dem sein Gesuch auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. L. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde.
Im Hauptsacheverfahren begehrt der Kläger - jetzt Beschwerdeführer - Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung über den 08.02.2007 hinaus.
Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 06.03.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2007 zwar das Ereignis vom 17.01.2007 als Arbeitsunfall anerkannt, aber Leistungen nur bis 08.02.2007 zugestanden. Die nachfolgende Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit sei nicht wegen Unfallfolgen, sondern wegen einer anlagebedingten Rotatorenmanschettenruptur der rechten Schulter entstanden.
Am 16.10.2007 beauftragte das SG den Unfallchirurgen Dr. L., ein Gutachten zur Frage zu erstatten, welche Gesundheitsstörungen durch den Unfall verursacht wurden und wie lange unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestanden habe. Im Gutachten vom 04.03.2008 führte der Sachverständige aus, durch das Ereignis vom 17.01.2007 sei es nur zu einer Prellung der rechten Schulter gekommen. Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit habe nur für einen Zeitraum von maximal vier Wochen nach dem Unfall bestanden.
Das Gutachten gab das SG dem Kläger am 18.03.2008 bekannt mit Frist zur Stellungnahme bis 24.04.2008, die auf Antrag schließlich bis 04.07.2008 verlängert wurde.
Mit Schreiben vom 04.07.2008 rügte der Kläger Mängel des Gutachtens. Die Vielzahl offensichtlicher Mängel deute darauf, dass der Sachverständige die Angelegenheit sehr oberflächlich und ohne entweder die Akten zu lesen oder zu verstehen, behandelt habe oder von vornherein nicht unvoreingenommen gewesen sei. Insbesondere sei dem Sachverständigen entgangen, dass über einen Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung einer Asbestose als Berufskrankheit von der Beklagten entschieden worden sei, der Beschwerdeführer in den letzten 22 Jahren keine Beschwerden im Schulterbereich gehabt habe und bei ihm auch keine degenerativen Veränderungen im Schulterbereich bestanden hatten. Soweit der Sachverständige auf Seite 5 des Gutachtens vortrage, der Beschwerdeführer sei als Chauffeur seiner Ehefrau in der ärztlichen Praxis der Dres. S. und E. in Bad A. gewesen, werde unterschwellig zum Ausdruck gebracht, der Beschwerdeführer habe seine Ehefrau in der Gegend herumgefahren, was nicht der Fall gewesen sei. Dies verdeutliche eine Voreingenommenheit und unterschwellige Polemik. Einen Arztbericht des Arztes Dr. K. habe Dr. L. zur Grundlage seines Gutachtens gemacht, diesen Bericht jedoch unrichtig dargestellt. Die behandelnden Ärzte des Beschwerdeführers seien zu einem anderen Ergebnis als der Sachverständige gekommen. Offensichtlich könne dieser die vorhandenen Röntgenaufnahmen nicht richtig beurteilen, so dass er beantrage, ihn zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden. Er wolle Dr. L. dann nach seiner Ausbildung und Sachkunde fragen. Für den Fall, dass der Gutachter dann wider Erwarten die Bilder richtig interpretiere, so sei erwiesen, dass er zuvor ein falsches Gutachten erstellt habe oder dass zu seinen Gunsten anzunehmen sei, dass ihm die notwendige Sachkunde fehle. Insgesamt ergebe sich, dass dem Sachverständigen entweder die notwendige Qualifikation fehle oder er bewusst zum Nachteil des Klägers vorhandene Arztberichte und Bilder übersehen habe.
Das SG forderte den Kläger auf, klärungsbedürftige Fragen, die an den Sachverständigen gerichtet werden sollten, zu formulieren. Im Schreiben vom 26.08.2008 fasste der Beschwerdeführer seinen bisherigen Vortrag in Frageform.
Der um eine ergänzende Stellungnahme gebetene Sachverständige führte am 14.09.2008 aus, im Ergebnis bleibe es bei seiner bisherigen Beurteilung. Den Ausführungen stellte er voran, er wolle die Fragen beantworten, ohne auf die "ungehörige und sich somit selbst disqualifizierende Diktion im Schreiben der Klägerseite vom 04.07.2008 einzugehen, die wohl einen substantiierten Sachvortrag ersetzen solle". Unter anderem erklärte er, degenerative Erscheinungen wie er sie beim Beschwerdeführer feststelle, seien "bei einem männlichen Individuum im Alter des Klägers, "der viele Jahrzehnte körperlich schwer gearbeitet habe, durchaus als altersnormal einzustufen". Fragen zu seiner Qualifikation als medizinischer Sachverständiger wolle er dem Bevollmächtigten des Klägers gerne beantworten, nachdem dieser seine Qualifikation als Anwalt dargelegt habe.
Am 25.09.2008 lehnte der Beschwerdeführer den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab und beantragte, eine neue Begutachtung durchzuführen. Dr. L. habe, ohne dazu veranlasst worden zu sein, seinen Bevollmächtigten unqualifiziert angegriffen. Er habe dessen Vortrag als ungehörig und selbst disqualifizierend bezeichnet. Er habe geantwortet, Fragen zu seiner Qualifikation erst dann zu beantworten, wenn sein Bevollmächtigter seine Qualifikation als Anwalt dargelegt habe. Zudem habe er ihn, den Beschwerdeführer, als "männliches Individuum" bezeichnet, was nur als abfällige Bemerkung verstanden werden könne. Insgesamt rechtfertigten die Äußerungen des Dr. L. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.09.2008 dessen Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit.
Mit Beschluss vom 16.10.2008 wies das SG den Befangenheitsantrag zurück. Das Gesuch sei zwar rechtzeitig gestellt worden, weil sich die geltend gemachten Ablehnungsgründe erst aus der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 14.09.2008 ergeben hätten und der Antrag vom 25.09.2008 fristwahrend eingegangen sei. Das Ablehnungsgesuch sei jedoch unbegründet, weil nicht die Unbefangenheit des Sachverständigen sondern Fehler des Gutachtens gerügt würden. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gutachten könne nicht Gegenstand des Ablehnungsverfahrens sein. Dies gelte auch für die Frage der fachlichen Qualifikation. Auch die Passage, in der Dr. L. die Diktion des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers als ungehörig und selbst disqualifizierend bezeichnet habe, rechtfertige nicht die Annahme der Befangenheit. Denn insoweit handle es sich um eine verständliche Reaktion des Sachverständigen auf die scharfen Angriffe durch den Bevollmächtigten des Beschwerdeführers.
Gegen den ihm am 22.10.2008 zugestellten Beschluss legte der Beschwerdeführer am 11.11.2008 Beschwerde ein. Das SG sei zu Unrecht davon ausgegangen, der Sachverständige habe auf heftige Angriffe seiner Seite reagiert. Richtig sei, dass das Gutachten an offensichtlichen Mängeln leide. Der Sachverständige habe die Diagnosen der behandelnden Ärzte nicht beachtet, die Röntgenaufnahmen anders bewertet, woraus sich die Frage nach seiner Qualifikation gestellt habe. Es habe sich daher um sachliche und gerechtfertigte Einwendungen gehandelt und nicht um durch nichts gerechtfertigte unsachliche Angriffe auf die Qualifikation des Sachverständigen.
Die Beklagte teilte mit, dass sie inzwischen mit der Verwaltungsberufsgenossenschaft fusioniert habe und unter deren Namen weitergeführt werde. Im Übrigen halte sie die Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss für überzeugend.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 16.10.2008 aufzuheben und seinem Gesuch auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. L. wegen Besorgnis der Befangenheit stattzugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 SGG), aber nicht begründet.
Zutreffend prüfte das SG den Antrag des Beschwerdeführers auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. L. wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 406 Abs. 2 Satz 1, 411 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Dass das Gesuch rechtzeitig ist, weil die angeführten Gründe sich auf die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 14.09.2008 stützen, hat das SG bereits so gesehen; der Senat teilt diese Auffassung.
Ein wesentlicher Teil der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe betreffen seiner Auffassung nach vorliegende Mängel des Gutachtens sowie die Qualifikation des Sachverständigen. Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeiten mögen zwar ein Gutachten entwerten, rechtfertigen für sich allein aber nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit (BGH, Beschluss vom 15.03.2005 - VI ZB 74/04). Derartige Mängel der Gutachtenserstattung reichen nicht aus, um Unparteilichkeit des Sachverständigen anzunehmen. Denn der mangelnden Sorgfalt und Fehlerhaftigkeit eines Gutachtens bzw. der mangelnden Qualifikation des Sachverständigen sind beide Parteien in gleicher Weise ausgesetzt. Ein unzureichendes Gutachten ist nicht geeignet, den Sachverhalt hinreichend aufzuklären. In einem solchen Fall sind jedoch andere prozessuale Möglichkeiten gegeben, um diesem Fehler zu begegnen. Die Tatsache, dass ein Gutachten nicht den Standpunkt eines Beteiligten belegt, ist nicht Ausdruck der Voreingenommenheit zu dessen Lasten. Träfe dies zu, so müsste ein Sachverständiger nahezu immer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn er ein Gutachten abgibt. Denn in aller Regel ist die Beweisfrage so gestaltet, dass sie entweder den Standpunkt der Kläger- oder den Standpunkt der Beklagtenseite bestätigt. Dass dies nicht zutreffen kann, erschließt sich ohne weitere Klärung.
Es bleibt daher lediglich zu beurteilen, ob die Ausführungen des Sachverständigen in dessen ergänzender Stellungnahme vom 14.09.2008, die der Beschwerdeführer als sehr verletzend bezeichnet hat, dessen Ablehnung rechtfertigen. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen des SG an, das sich bereits mit diesen Vorwürfen auseinandergesetzt hat und zum Ergebnis gekommen ist, insoweit handle es sich um eine Reaktion auf heftige Angriffe der Klägerseite (OLG B-Stadt, Beschluss vom 20.02.2007 - 1 W 885/07). Diesbezüglich merkt der Senat an, dass der Sachverständige sich durch das Schreiben des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers vom 04.07.2008 angegriffen fühlte und nicht auf die später im Schreiben vom 26.08.2008 sachlich formulierten Fragen, die er dann auch mit der erforderlichen Sachlichkeit beantwortete. Im Übrigen kann der Senat nicht nachvollziehen, dass die Bezeichnung des Klägers als männliches Individuum aus dem Zusammenhang des Gutachtens heraus, verächtlich gemeint sein sollte.
Insgesamt kommt der Senat zum Ergebnis, dass die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Gründe die Ablehnung des Sachverständigen Dr. L. wegen Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigen. Er weist die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 16.10.2008 zurück und nimmt zur Ergänzung gemäß §§ 142 Abs. 2 Satz 2, 136 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss Bezug.
Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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