L 18 SO 52/09 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 SO 39/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 SO 52/09 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Im Fall des Bezuges einer Arbeitsmarktrente, dh bei einem quantitativen Leistungsvermögen von 3 bis 6 Stunden und nicht möglicher Vermittlung eines geeigneten (Teilzeit-)Arbeitsplatzes, ist die zeitliche Grenze des § 8 Abs 1 SGB II überschritten,
.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 31.03.2009 wird zurückgewiesen.
II. Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.
Der 1953 geborene Beschwerdeführer (Bf) bezog neben Leistungen zum Unterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) auch eine Rente auf Zeit wegen voller Erwerbsminderung. Zuletzt gewährte die Beschwerdegegnerin (Bg) Hilfe für den Monat Januar 2007 (Bescheid vom 09.01.2007). Ferner zahlte sie die Leistungen für den Folgemonat im Februar aus.

Die Bg holte eine Auskunft der DRV Bund vom 15.02.2009 ein, nach dem der Bf die Erwerbsminderungsrente erhalte, weil der Teilzeitarbeitsmarkt für ihn verschlossen sei (sog. Arbeitsmarktrente). Daraufhin teilte sie dem Bf mit Bescheid vom 22.02.2009 mit, Bezieher einer Arbeitsmarktrente seien als erwerbsfähig im Sinne des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) anzusehen und hätten Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Da es sich beim Arbeitslosengeld II um eine der Sozialhilfe vorrangige Leistung handele, werde die Sozialhilfegewährung zum 28.02.2007 eingestellt. Der Widerspruch des Bf blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 08.04.2008).

Mit Bescheid vom 27.03.2007 bewilligte die ARGE Stadt A-Stadt dem Bf ab 01.03.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Gegen den Bescheid vom 22.02.2007 idF des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2008 hat der Bf Klage zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben. Die Bg habe über den 28.02.2007 hinaus Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zu erbringen. Gleichzeit hat er beantragt, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und den bevollmächtigten Rechtsanwalt beizuordnen.

Die Bg hat vorgetragen, dass der Bescheid vom 22.02.2007 als Rücknahme nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) des letzten Bewilligungsbescheides vom 29.01.2007 (gemeint: 09.01.2007) zu verstehen sei.

Mit Beschluss vom 31.03.2009 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung des bevollmächtigten Rechtsanwaltes abgelehnt. Erfolgsaussichten für das Klagebegehren seien nicht zu erkennen. Nach § 8 SGB II sei bei Bezug einer Arbeitsmarktrente, also bei einem Leistungsvermögen von drei Stunden und mehr, von der Leistungsberechtigung nach dem SGB II auszugehen. Die Bg sei nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 3 und 4 SGB X befugt gewesen, die SGB XII-Leistungen einzustellen und deren Bewilligung aufzuheben.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Bf. Der Klage komme eine hinreichende Erfolgsaussicht zu. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig. Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII könnten weiter beansprucht werden. Der Bescheid enthalte keine wirksame Rücknahmeentscheidung.

Zur Ergänzung wird auf die beigezogene Akte der Bg und die Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung des bevollmächtigten Rechtsanwaltes abgelehnt.

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten für die Gewährung von PKH im sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (vgl. § 114 ZPO).

Das PKH-Verfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Dem genügt das Gesetz in § 114 ZPO, indem es die Gewährung von PKH bereits dann vorsieht, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss. Dies bedeutet zugleich, dass PKH verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber fernliegend ist (BVerfG Beschluss vom 07.04.2000 - 1 BvR 81/00 = NJW 2000,1936).

So ist es hier. Die Erfolgsaussichten der Klage sind als fernliegend zu beurteilen, da die Bg zutreffend die Leistungen mit Bescheid vom 22.02.2007 eingestellt hat. Diese Frage beurteilt sich nach § 19 Abs 1 SGB XII iVm §§ 27 ff SGB XII. Nach diesen Vorschriften erhalten Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, beschaffen können, Hilfe zum Lebensunterhalt, soweit sie nicht schon nach dem SGB II dem Grunde nach leistungsberechtigt sind (§ 21 SGB XII). Leistungsberechtigt nach dem SGB II sind Erwerbsfähige, also Personen, die nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs 1 SGB II). Dabei ist § 8 Abs 1 SGB II so zu verstehen, dass erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Demnach sind diejenigen Personen erwerbsfähig, die nicht im Sinne der Rentenversicherung voll erwerbsgemindert sind. Indes ist auch im Fall des Bezuges einer Arbeitsmarktrente nach § 43 Abs 2 Satz 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), dh bei einem quantitativen Leistungsvermögen von 3 bis 6 Stunden und nicht möglicher Vermittlung eines geeigneten (Teilzeit-)Arbeitsplatzes, die zeitliche Grenze des § 8 Abs 1 SGB II überschritten, so dass von einer Leistungsberechtigung im Sinne des § 8 Abs 1 SGB II auszugehen ist. Mithin stehen dem Bf keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu.

Einer Befugnis der Bg zur Aufhebung oder Rücknahme einer vorhergehenden Bewilligung von Leistungen nach dem dritten Kapitel des SGB XII bedurfte es nicht. Insoweit ist der Bescheid vom 22.02.2007 nicht zu beanstanden, der lediglich die Einstellung der Leistungen zum 28.02.2007 regelt. Den nachträglichen Ausführungen der Bg, Rechtsgrundlage des Bescheides sei § 45 SGB X, kommt keine Bedeutung zu. Denn der vorhergehende Bewilligungsbescheid vom 09.01.2007 bezog sich nach seinem Wortlaut auf den Bewilligungszeitraum Januar 2007, während die Bewilligung für den Folgemonat Februar nicht schriftlich, sondern nach § 33 Abs 2 Satz 1 SGB X auf andere Weise konkludent durch Auszahlung erfolgte (vgl. hierzu BSG Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R = SozR 4-3520 § 2 Nr 2).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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