L 13 AL 2425/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AL 1839/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 2425/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. März 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten (noch) über die Zurücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) und die Erstattung für den Zeitraum 1. April 2004 bis 26. Dezember 2004 bereits erbrachter Leistungen.

Der 1974 geborene Kläger beantragte, nachdem er zuvor Anschlussunterhaltsgeld bezogen hatte, am 12. September 2002 die Gewährung von Alhi. Mit Bescheid vom 20. September 2002 bewilligte das damalige Arbeitsamt H., Geschäftsstelle W. (jetzt: Agentur für Arbeit; AA) Alhi in Höhe von 204,96 EUR wöchentlich ab 3. September 2002 (Bemessungsentgelt 473,69 EUR; Leistungsgruppe C; Kindermerkmal 1; Ende des Bewilligungsabschnitts: 2. September 2003). Ausweislich der im Rahmen des Antrags auf Überbrückungsgeld beim AA vorgelegten Gewerbe-Anmeldung meldete der Kläger die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ab 17. März 2003 an. Die Art der Tätigkeit war als "Bausparen, Versicherungen" bezeichnet; die Tätigkeit werde nicht im Nebenerwerb betrieben. Mit Bescheiden vom 28. März und 10. April 2003 hob das AA die Bewilligung von Alhi mit Wirkung ab 17. März 2003 auf und forderte vom Kläger die Erstattung der für die Zeit vom 17. bis 31. März 2003 zu Unrecht gezahlten Alhi. Diese Bescheide wurden seitens des Klägers nicht mit dem Widerspruch angefochten. Mit Bescheid vom 28. Mai 2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Überbrückungsgeld ab 17. März 2003 (insgesamt 7.458,78 EUR).

Am 12. September 2003 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alhi. Er gab an, in der Zeit vom 7. April 2003 bis zum 31. August 2003 selbstständig für die Bausparkasse B. als Finanzmanager im Außendienst tätig gewesen zu sein. Er wolle seine Gewerbeanmeldung weiterhin aufrechterhalten. Sofern er wieder Einkünfte erziele, werde er diese dem AA unverzüglich melden. Mit Bescheid vom 1. Oktober 2003 bewilligte das AA dem Kläger ab 12. September 2003 Alhi unter Beibehaltung der bisherigen Berechnungsgrundlagen in Höhe von 201,88 EUR wöchentlich (Ende des Bewilligungsabschnitts: 2. September 2004). Nach einem Meldeversäumnis meldete sich der Kläger am 20. Februar 2004 erneut arbeitslos und beantragte die Weiterzahlung von Alhi, woraufhin ihm die AA mit Bescheid vom 1. März 2004 Alhi ab dem 10. März 2004 weiterbewilligte (Ende des Bewilligungsabschnitts nun: 31. Dezember 2004).

Am 10. September 2004 ging bei der AA eine den Kläger betreffende anonyme Anzeige ein. Diesem wurde in der Anzeige vorgeworfen, seit November 2003 auf selbstständiger Basis bei der F. Finanz AG in H. im Außendienst beschäftigt zu sein. Außerdem beziehe er Gehalt bzw. Vermittlungsprovisionen von der F. Direkt AG in W., der A. Lebensversicherungs AG in H. und dem R. Finanz-Management. Vor November 2003 sei der Kläger für die B. tätig gewesen und habe auch von dieser Provisionen bezogen. Darüber hinaus mache er seit Jahren nebenbei Steuererklärungen gegen Schwarzgeld. Wenn der Kläger Termine beim Arbeitsamt verpasst habe, beruhe dies auf voller Absicht. Er habe zu Hause auf der Couch gelegen und sich eventuell Tage später ein zurückdatiertes Attest vom Arzt geholt. Außerdem habe sich seit 1. Juli 2004 seine Steuerklasse geändert; dies habe der Kläger nicht angegeben. Er sei weiterhin berufstätig. Nach der vorläufigen Zahlungseinstellung durch die AA teilte der Kläger telefonisch mit, seit 1. September 2004 lebe er von seiner Ehefrau getrennt. Am 4. Oktober 2004 ging ein weiteres anonymes Schreiben bei der AA ein, ausweislich dessen der Kläger in den Jahren 2003 und 2004 während des Bezuges von Alhi auf selbstständiger Basis als Finanzberater beschäftigt gewesen sei und Provisionen bezogen habe. Vom 1. März 2003 bis 31. Dezember 2003 sei er bei der B. beschäftigt gewesen; seit 1. November 2003 sei er für die F. Finanz tätig, deren Provisionen von F. und A. gezahlt würden. Dem Schreiben waren diverse Provisionsabrechnungen beigefügt. Wegen des Inhalts dieser Abrechnungen wird auf Bl. 288 bis 309 der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Mit Schreiben vom 22. November 2004 forderte die AA den Kläger auf, eine Aufstellung über die Gewinne und Verluste aus seiner selbstständigen Tätigkeit für die Zeit vom 1. November 2003 bis 30. November 2004 vorzulegen und die Angaben zu belegen. Hierfür setzte die AA dem Kläger eine Frist bis 16. Dezember 2004. Für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs kündigte sie die Einstellung der Leistungszahlung an. Nachdem eine Reaktion des Klägers auf dieses Schreiben nicht erfolgt war, entzog die AA mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 23. Dezember 2004 die Gewährung von Alhi mit Wirkung ab 27. Dezember 2004.

Mit Schreiben vom 23. November 2004 teilte die F. Direkt AG in W. gegenüber der AA mit, der Kläger sei in der Zeit vom 1. November 2003 bis 30. November 2004 nicht bei ihr beschäftigt gewesen. Gleichwohl teilte die AA dem Kläger mit, sie beabsichtige die Bewilligung von Alhi rückwirkend ab 1. November 2003 aufzuheben. Dem Kläger werde Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu äußern. Nachdem eine Äußerung des Klägers hierauf wiederum nicht erfolgte, hob die AA mit Bescheid vom 7. März 2005 die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 1. November 2003 bis 26. Dezember 2004 auf und forderte vom Kläger die Erstattung der für diesen Zeitraum gewährten Alhi in Höhe von 11.513,62 EUR nebst Beiträgen zur Krankenversicherung in Höhe von 1.588,80 EUR und Beiträgen zur Pflegeversicherung in Höhe von 195,74 EUR (insgesamt 13.298,24 EUR). Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 8. April 2005 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, er werde in der nächsten Woche persönlich bei der AA vorsprechen und den Sachverhalt aufklären; er sei nicht während der gesamten Zeit selbstständig tätig gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2005 wies die Widerspruchsstelle der AA den Widerspruch zurück.

Der Kläger hat am 29. Juni 2005 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben. Er hat vorgetragen, der Widerspruchsbescheid sei bei ihm am 30. Mai 2005 eingegangen. Eine inhaltliche Begründung seiner Klage hat der Kläger nicht vorgelegt, in der mündlichen Verhandlung am 28. März 2006 ist er nicht erschienen. Auf Anfrage des SG hat die B. Bausparkasse AG in H. mit Schreiben vom 6. Dezember 2005 mitgeteilt, der Kläger habe ab November 2003 keine Provisionen mehr bezogen. Mit Urteil vom 28. März 2006 hat das SG den Bescheid vom 7. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. März 2005 insoweit aufgehoben, als die angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung den Zeitraum vom 1. bis zum 30. November 2003 betraf. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, für den November 2003 sei der Wegfall von Arbeitslosigkeit nicht belegt. Die Zeit ab 1. Dezember 2003 betreffend stehe zur Überzeugung der Kammer aber fest, dass der Kläger in mehr als geringfügigem Umfang selbstständig tätig und damit nicht mehr arbeitslos gewesen sei.

Gegen das ihm am 4. April 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4. Mai 2006 schriftlich beim SG Berufung eingelegt. Er trägt vor, er habe lediglich bis Februar 2004 gearbeitet. Im März und April dieses Jahres zugeflossene Provisionen beruhten auf der zuvor verrichteten Tätigkeit. In der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2009 hat der Kläger die Anfechtung des Rücknahmebescheids auf den Zeitraum vom 1. April 2004 bis zum 26. Dezember 2004 beschränkt; in diesem Zeitraum sei er arbeitslos gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. März 2006 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 7. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Mai 2005 für die Zeit vom 1. April 2004 bis 26. Dezember 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ihren Bescheid - jedenfalls soweit das SG die Klage abgewiesen hat - für rechtmäßig und die Berufung des Klägers deshalb für unbegründet.

Der Berichterstatter hat am 31. Januar 2008 und am 28. Juli 2009 die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Diesbezüglich wird auf den Inhalt der Niederschriften verwiesen.

Der Senat hat die Strafakten des Amtsgerichts W. beigezogen und eine schriftliche Auskunft der HDI-G. Leben Vertriebsservice AG in K. vom 11. August 2009 eingeholt. Für diese hat Frau M. mitgeteilt, der Kläger sei in der Zeit vom 1. November 2003 bis 29. August 2005 als Untervermittler tätig gewesen und habe in dieser Zeit insgesamt 13 Verträge eingereicht. Im November 2003 habe er eine Provision in Höhe von 795,97 EUR und im Dezember eine Provision in Höhe von 489,60 EUR erhalten.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (Kundennummer), die Klageakten des SG (S 12 AL 1839/05) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 2425/06), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2009 wurden sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 500,00 EUR übersteigt (vgl. dazu §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in der hier noch anzuwendenden bis 31. März 2008 geltenden Fassung) und auch im Übrigen zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt wurde. Die Berufung ist jedoch nicht begründet, das SG hat die Klage, soweit sie die noch streitige Rücknahme der Bewilligung von Alhi auch für den Zeitraum 1. April 2004 bis zum 26. Dezember 2004 sowie die Erstattung der für diesen Zeitraum gewährten Leistungen betrifft, zu Recht abgewiesen. Gegenstand der isolierten Anfechtungsklage ist insoweit der die Rücknahme und Erstattung von Alhi für diesen Zeitraum verfügende Bescheid vom 7. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Mai 2005. Soweit das SG die Klage abgewiesen hat - nur hierüber hat der Senat zu entscheiden, nachdem die Beklagte das Urteil des SG nicht mit der Berufung angefochten und der Kläger die Anfechtung auf den Zeitraum vom 1. April 2004 bis zum 26. Dezember 2004 beschränkt hat - erweist sich dieser Bescheid als rechtmäßig und den Kläger nicht in subjektiven Rechten verletzend.

Die Entscheidung, die Bewilligung von Alhi für den noch streitigen Zeitraum zurückzunehmen findet ihre Rechtsgrundlage in § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 der Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Im System der Korrekturvorschriften der §§ 44 ff SGB X werden von der Regelung des § 45 SGB X fehlerhafte Verwaltungsakte erfasst, die zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig waren. Der dem Kläger Alhi bewilligende Bescheid vom 1. März 2004 (Bewilligungszeitraum vom 10. März bis zum 31. Dezember 2004) war bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses (1. März 2004) rechtswidrig. Der Kläger hatte weder ab dem 10. März 2004, noch ab dem 1. April 2004 - nur insoweit ist der angefochtene Bescheid noch zur Überprüfung durch den Senat gestellt- einen Anspruch auf Alhi. Gemäß § 190 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 (vgl. § 190 Abs. 3 Satz 1 SGB III) geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I 2848) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alhi, die arbeitslos sind (Nr. 1), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben (Nr. 2), einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben (Nr. 3), in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen haben, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 24 Wochen erloschen ist (Nr. 4) und bedürftig sind (Nr. 5). Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III i.V.m. § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III setzt die Arbeitslosigkeit u.a. voraus, dass der Arbeitnehmer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit). Die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung schließt Beschäftigungslosigkeit nicht aus; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt (§ 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Nach § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB III stehen eine selbstständige Tätigkeit und eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger einer Beschäftigung gleich. Der Kläger war bereits seit dem 1. Dezember 2003 und somit auch ab dem 1. April 2004 bzw. 10. März 2004 nicht mehr arbeitslos im Sinne dieser Vorschriften. Auch zur vollen Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger jedenfalls seit diesem Zeitpunkt in einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich als selbstständiger Gewerbetreibender tätig gewesen ist. Der Senat schließt sich hierbei zunächst den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Urteils vom 28. März 2006, insbesondere der dort vorgenommenen Beweiswürdigung an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung eigener Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Dieser Zustand hat jedenfalls bis zum 26. Dezember 2004 fortbestanden.

Ergänzend zum Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger ausweislich der Auskunft der HDI-G. Leben Vertriebsservice AG noch bis 29. August 2005 als Untervermittler tätig gewesen ist. Danach steht zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass sich der Vortrag des Klägers, er habe seine selbstständige Tätigkeit bereits im März 2004 aufgegeben, als reine Schutzbehauptung erweist. Auf den Umstand, er habe Provisionen nur in lediglich geringem Umfang erhalten, vermag sich der Kläger nicht mit Erfolg zu berufen. Der Senat hat zunächst erhebliche Zweifel, dass sämtliche Provisionszahlungen, die der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum erhalten hat, bekannt geworden sind. Letztlich kann dies aber offenbleiben, denn der wirtschaftliche Erfolg einer selbstständigen Tätigkeit ist für die Frage, ob diese das Vorliegen von Arbeitslosigkeit ausschließt, nicht von entscheidender Bedeutung. Die Tätigkeit eines Selbstständigen ist naturgemäß nicht auf die Kerntätigkeit - hier das Vermitteln bzw. der Abschluss von Versicherungs- und Bausparverträgen - beschränkt. Hinzu kommen zahlreiche weitere Betätigungen wie z.B. die Akquisition neuer Kunden, die Kundenpflege, Verwaltung, die Ausarbeitung und Gestaltung von Betriebsabläufen, Verwaltung und Buchhaltung (vgl. dazu BSG SozR 4100 § 102 Nr. 7; Urteil des erkennenden Senats vom 14. Juli 2000 - L 13 AL 3645/98 - veröffentlicht in Juris). Im Besonderen bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen lässt deshalb die Anzahl der tatsächlich vermittelten Vertragsabschlüsse keinen zuverlässigen Schluss auf den Umfang der hierfür erforderlichen Tätigkeit des Vermittlers zu. Nach dem Gesamtbild, das sich nach der durchgeführten Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der im Rahmen der anonymen Anzeigen vorgelegten Unterlagen ergibt, besteht für den Senat kein Zweifel, dass der Kläger durchgängig bemüht gewesen ist, für verschiedene Versicherungs- und Bausparunternehmen Verträge zu vermitteln und seinen Lebensunterhalt hiermit zu bestreiten. Damit steht im Ergebnis fest, dass der Kläger durch sämtliche mit der Ausübung seines Gewerbes verbundenen Tätigkeiten jedenfalls in einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich und damit mehr als geringfügig in Anspruch genommen worden ist, so dass der Kläger nicht arbeitslos i.S.d. § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III war. Er hatte keinen Anspruch auf Alhi, der Bewilligungsbescheid vom 1. März 2004 war rechtswidrig.

Die Zurücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes, wie der Bewilligung von Alhi, ist gemäß § 45 Abs. 1 SGB X nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 möglich. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht hat oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Der Kläger kann sich auf schutzwürdiges Vertrauen nicht berufen. Im Rahmen seiner Antragstellung am 12. September 2003 hat er bereits angegeben, die selbstständige Tätigkeit nur bis zum 31. August 2003 ausgeübt zu haben. Danach hat er es vorsätzlich unterlassen, entgegen der Verpflichtung aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), wonach Bezieher von Sozialleistungen, zu denen auch die Alhi gehört, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen haben, die Weiterführung der selbständigen Tätigkeit über den 31. August 2003 hinaus anzuzeigen. Dementsprechend unterblieben auch vorsätzlich Angaben zu seiner selbständigen Tätigkeit bei der Antragstellung am 20. Februar 2004. Damit steht zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger seinen Mitteilungspflichten und der Pflicht zu wahrheitsgemäßen Angaben bei Antragstellung vorsätzlich nicht nachgekommen ist, um auf diesem Weg Alhi (ohne Anrechnung) neben seinen Einkünften aus der selbständigen Tätigkeit beziehen zu können. Die Zurücknahme des Bewilligungsbescheides vom 1. März 2004 ist hiernach insgesamt von der Regelung des § 45 SGB X gedeckt. Der Bewilligungsbescheid war von der Beklagten gemäß § 330 Abs. 2 SGB III zwingend mit Wirkung auch für die Vergangenheit zurückzunehmen; die hierbei gemäß § 45 Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 Satz 2 SGB X einzuhaltenden Fristen sind gewahrt. Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid wurde dem Kläger innerhalb der Jahresfrist § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X bekanntgegeben, die hier frühestens mit Eingang der anonymen Anzeige im September 2004 begann. Die Frist von zehn Jahren ab Bekanntgabe des Bewilligungsbescheids ist ebenfalls gewahrt (§ 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X).

Die Rechtmäßigkeit der Erstattung der Alhi beruht auf § 50 Abs. 1 SGB X, diejenige der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Der Senat gibt insoweit seine Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III, bei nach dem 1. Januar 2005 verfügter Aufhebung oder Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe auf und schließt sich der Rechtsprechung des BSG (vgl. insoweit Urteile vom 7. Oktober 2009 - B 11 AL 31/08 R und B 11 AL 32/08 R) an. Für den Erstattungszeitraum hat kein weiteres Krankenverhältnis bestanden; die Höhe der Erstattungsforderung ist zutreffend berechnet. Der Senat macht sich ausgehend von den nach den Zahlungsnachweisen erbrachten Leistungen sowie der dort ausgewiesenen richtigen Beitragssätze zur Kranken- und Pflegeversicherung die Berechnung auf S. 332 f. der Verwaltungsakte zu eigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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