Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 28 RA 1819/03
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 941/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die VEB IBAUPRO Jena und Erfurt waren keine volkseigenen Produktionsbetriebe des Bauwesens, weil ihr Hauptzweck nicht auf der Massenproduktion von Bauwerken bestand.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 3. November 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 26 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) nach § 8 AAÜG weitere Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Mai 1964 bis zum 30. April 1968 und vom 27. April 1971 bis zum 30. April 1978 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG (Zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz) und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.
Der 1937 geborene Kläger erwarb mit dem erfolgreichen Besuch der Hochschule für Bauwesen L. das Recht, die Berufsbezeichnung Diplom-Ingenieur zu führen (Urkunde vom 15. Januar 1963). Der Kläger war seit dem 1. Mai 1964 bis zum 30. April 1968 bei dem VEB Industriebauprojektierung J. (Im Folgenden: VEB IBAUPRO J.), ab dem 1. Mai 1968 bis zum 26. April 1971 beim VE Bau- und Montagekombinat E. (im Folgenden: VEB BMK E.) Betriebsteil Industriebauprojektierung, im Anschluss daran bis zum 30. April 1978 beim VEB BMK E. Kombinatsbetrieb Industriebauprojektierung E. tätig (im Folgenden: VEB IBAUPRO E.). Vom 1. Mai 1978 bis zum 20. Juli 1988 arbeitete er als Gruppenleiter bei dem VEB Carl Zeiss J. und vom 3. April 1989 bis zum 30. Juni 1990 bei dem VEB Gelenkwellenwerk S. Betrieb des IFA-Kombinates Nutzkraftwagen.
Der VEB IBAUPRO J. wurde am 16. Mai 1959 in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen. Am 11. November 1969 wurde in der Spalte 5 "Auflösung des volkseigenen Betriebes am 30. April 1968" und als Rechtsnachfolger das VE BMK E. eingetragen.
Der VEB BMK E. wurde am 1. Januar 1964 in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen. Laut Eintragungsantrag vom 20. April 1971 und dem Statut des VEB BMK E. vom 26. Januar 1971 wurde der VEB IBAUPRO E. am 27. April 1971 in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen.
Eine Versorgungszusage erhielt der Kläger vor Schließung der Versorgungssysteme nicht. Seit dem 1. Juli 1989 bis zum 30. Juni 1990 zahlte er Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR).
Im Februar 2001 beantragte er bei der Beklagten die Feststellung seiner Beschäftigungszeiten von Mai 1963 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Mit Feststellungsbescheid vom 25. Januar 2002 stellte diese die Zeiten vom 1. Mai 1963 bis zum 30. April 1964 sowie die Zeit vom 3. April 1989 bis zum 30. Juni 1990 als nachgewiesene Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz fest. Die Feststellung der Zeiten vom 1. Mai 1964 bis zum 30. April 1978 sowie vom 1. Mai 1978 bis zum 20. Juli 1988 lehnte sie ab. Gegen die Nichtanerkennung der Zeiten vom 1. Mai 1964 bis zum 30. April 1978 erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2003 zurückwies.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 3. November 2005 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger in dem streitigen Zeitraum nicht in einem volkseigenen Produktions-, sondern in einem Projektierungsbetrieb beschäftigt gewesen sei. Dieser habe die zu erstellenden Bauwerke geplant, ihre Statik berechnet und gegebenenfalls die Bauausführung überwacht.
Im Berufungsverfahren führt der Kläger aus, das Sozialgericht habe verkannt, dass es sich bei der Bauplanung, der Erstellung der Statik und der Bauüberwachung (Bauausführung) um einen grundlegenden Teil der Produktion, insbesondere der Massenfertigung von Bauwerken gehandelt habe. Als Produktionsbetrieb habe der Hauptzweck des VEB IBAUPRO J. bzw. E. in der Rationalisierung und damit in der Steigerung der Massenproduktion bzw. der Lösung des Wohnungsproblems bestanden.
Am 7. Mai 2009 hat die Beklagte mitgeteilt, sie werde für die Zeit vom 1. Mai 1968 bis zum 26. April 1971 die Entgelte nach § 6 Abs. 1 AAÜG feststellen. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis am 20. Mai 2009 angenommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 3. November 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 25. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2003, abgeändert durch Teilanerkenntnis vom 7. Mai 2009 zu verpflichten, die Zeit vom 1. Mai 1964 bis zum 30. April 1968 und vom 27. April 1971 bis zum 30. April 1978 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils. Sie überreicht die ihr vorliegenden Unterlagen bezüglich des VEB BMK E. bzw. der VEB IBAUPRO J. und E.
Der Senat hat verschiedene Unterlagen, die bei der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben bzw. bei der Rhenus Logistics GmbH archiviert sind, beigezogen und den Beteiligten übersandt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Beschäftigungszeiten vom 1. Mai 1964 bis zum 30. April 1968 und vom 27. April 1971 bis zum 30. April 1978 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einschließlich der in diesem Zeitraum nachgewiesenen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte nach § 8 Abs. 2 und 3 AAÜG feststellt.
Der Senat unterstellt, dass der Kläger dem persönlichen Geltungs- und Anwendungsbereich des AAÜG unterfällt (erste Prüfungsstufe, vgl. Bundessozialgericht (BSG) vom 6. Mai 2004 - Az.: B 4 RA 49/03 R).
Dies wäre der Fall, wenn er zum (also: vor dem Beginn des) 1. August 1991 gegen den Versorgungsträger ein Recht auf Zahlung von Versorgungsrente oder eine Anwartschaft hierauf wirklich erworben hätte (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht, weil er in kein Versorgungssystem einbezogen war. Ihm war auch ab dem 3. Oktober 1990 weder durch einen bindenden Verwaltungsakt noch durch rechtskräftiges Urteil eine Versorgungsberechtigung i. S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG zuerkannt worden. Damit gehört er auch nicht zum Kernbereich der nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG fiktiv Versorgungsberechtigten, weil dies voraussetzt, dass er einmal in der DDR wirklich in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und die Zugehörigkeit nach den Regelungen des Versorgungssystems wieder ("rechtmäßig") verloren hatte. Ferner hat der beklagte Versorgungsträger in dem Bescheid vom 25. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2003 keine Erklärung darüber abgegeben, er erkenne dem Kläger zum 1. August 1991 eine wirkliche oder fiktive Versorgungsberechtigung zu. Die bloße Anwendung der §§ 5 bis 8 AAÜG verlautbart keine Bewilligung einer Versorgungsberechtigung zum 1. August 1991; das Schweigen eines Datenfeststellungen nach § 8 AAÜG treffenden Bescheides ist keine Zuerkennung einer Versorgungsberechtigung.
Daher kann das AAÜG nur dann auf den Kläger anwendbar sein, wenn er durch das AAÜG ab dem 1. August 1991 eine fiktive Versorgungsanwartschaft erlangt hätte, weil er am 30. Juni 1990 als Ingenieur in entsprechend qualifizierter Ingenieursbeschäftigung für einen Arbeitgeber tätig war, der ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens war oder diesen durch § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (ZAVO-techInt, im Folgenden: 2. DB z. ZAVO-techInt) gleichgestellt worden war.
Der Kläger war aufgrund der Urkunde vom 15. Januar 1963 berechtigt, den Titel des Diplom- Ingenieurs zu führen. Zu seinen Gunsten wird unterstellt, dass er als Bauingenieur für Investrealisierung im VEB Gelenkwellenwerk S. eine Ingenieurstätigkeit verrichtet hat. Des Weiteren wird unterstellt, dass dieser VEB zum maßgeblichen Zeitpunkt im Juni 1990 nach dem von ihm tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben durch industrielle Produktion geprägt war (vgl. BSG, a.a.O).
Der Senat hat nunmehr auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 bis 4 des AAÜG sowie des § 5 Abs. 1 AAÜG zu prüfen, ob für den streitigen Zeitraum "Zugehörigkeitszeiten" und Arbeitsentgelte festzustellen sind (vgl. BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - Az.: B 4 RS 28/07 R, nach juris). Dies ist nicht der Fall.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gelten als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung. Im streitigen Zeitraum hat der Kläger in der DDR keine Beschäftigung ausgeübt, die ihrer Art nach vom abstrakt-generell geregelten fachlichen Geltungsbereich der ZAVO-techInt erfasst worden ist. Voraussetzung hierfür ist (vgl. BSG, a.a.O), dass: - der Werktätige (= Arbeitnehmer im Sinne des Bundesrechts) u.a. berechtigt war, die Berufsbezeichnung "Ingenieur", "Konstrukteur", "Architekt", "Techniker" oder "Werkdirektor" zu führen (persönliche Voraussetzung), - die Beschäftigung ihrem qualitativen Anforderungsprofil nach den Kriterien des entsprechenden Berufsbildes entsprach (sachliche Voraussetzung) und - sie für einen Arbeitgeber ausgeführt wurde, der ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens war. Bei der im Rahmen des § 5 Abs. 1 AAÜG vorzunehmenden "Subsumtion" ergibt sich nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) die Besonderheit, dass die abstrakt-generellen Regelungen der anzuwendenden Versorgungsordnung nicht mehr - wie bei der Rechtsprüfung im Rahmen des § 1 Abs. 1 AAÜG - i. S. v. (sekundären) bundesrechtlichen Normen anzuwenden sind, sondern als "generelle Anknüpfungstatsachen" zur Tatsachenfeststellung beitragen. Der Kläger hat in dem streitigen Zeitraum seine Tätigkeit nicht für einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ausgeübt, weil der Hauptzweck des VEB IBAUPRO J. bzw. seit dem 27. April 1971 des VEB IBAUPRO E. nicht in der industriellen Fertigung von Sachgütern oder Bauwerken bestand.
Die Zuordnung eines VEB zur industriellen Produktion oder zu dem hier nur in Betracht kommenden Bauwesen hängt entscheidend davon ab, welche Aufgabe ihm das Gepräge gegeben hat. Der verfolgte Hauptzweck (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – Az.: B 4 RA 18/03 R, nach juris) des VEB muss auf die industrielle, massenhafte und standardisierte Fertigung, Fabrikation, Herstellung beziehungsweise Produktion (sog. fordistisches Produktionsmodell) von Sachgütern oder die Errichtung (Massenproduktion) von baulichen Anlagen ausgerichtet gewesen sein (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2002 - Az.: B 4 RA 41/01, nach juris). Im Hinblick auf die in der Präambel zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17.8.1950 (GBl. Seite 844) zum Ausdruck gekommene Zielsetzung des Versorgungssystems war allein die Beschäftigung in einem Betrieb, der die Massenproduktion im Bereich des Bauwesens zum Gegenstand hatte, von Bedeutung für die Einbeziehung in die Versorgung. Dem lag das so genannte fordistische Produktionsmodell zu Grunde, das auf stark standardisierter Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mit Hilfe hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen basierte. Der Massenausstoß standardisierter Produkte sollte hohe Produktionsgewinne nach den Bedingungen der Planwirtschaft ermöglichen. Nur eine derartige Massenproduktion im Bereich des Bauwesens und nicht das Erbringen von Bauleistungen jeglicher Art war für die Einbeziehung in das Versorgungssystem der ZAVO-techInt von maßgeblicher Bedeutung. Dieses Ergebnis wird auch durch den Beschluss über die Anwendung der Grundsätze des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft im Bauwesen vom 14.6.1963 (GBl. II Seite 437) gestützt, denn danach wurde u.a. zwischen der von Bau- und Montagekombinaten durchzuführenden Erstellung von Bauwerken in Massenproduktion und anderen Baubetrieben unterschieden (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 - Az.: B 4 RS 3/06 R, nach juris). Die Auslegung der Versorgungsordnung durch die Staatsorgane und deren Verwaltungspraxis in der DDR spielt dagegen bei der heutigen Auslegung keine Rolle (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2002 - Az.: B 4 RA 41/01, nach juris). Unter Berücksichtigung dieser vom BSG aufgestellten Grundsätze hat dem VEB IBAUPRO J. bzw. dem VEB IBAUPRO E. nicht die Massenproduktion von Bauwerken das Gepräge gegeben.
Hauptzweck der VEB IBAUPRO J. bzw. des VEB IBAUPRO E. war nach dem Vortrag des Klägers die Architekturplanung, die Tragwerksplanung (Statik) und, soweit dies angefordert wurde, die Bauüberwachung für den VEB BMK E. Ein Betrieb, dessen Betriebszweck in der Projektierung von Bauinvestitionen liegt, ist kein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne der Rechtsprechung des BSG, weil es sich dabei nicht um eine Tätigkeit handelt, deren Schwerpunkt auf der industriellen Fertigung, Fabrikation, Herstellung oder Produktion von Sachgütern oder Bauwerken liegt (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007, m.w.N., nach juris). Die Planung von Bauwerken und die Überwachung der Bauausführung ist nicht selbst Teil der Massenproduktion.
Der VEB IBAUPRO J. bzw. der VEB IBAUPRO E. waren auch kein Betriebe, die einem volkseigenen Produktionsbetrieb nach § 1 Abs. 2 der 2. DB z. ZAVO-techInt gleichgestellt waren. Dort sind Betriebe oder Einrichtungen der Projektierung nicht aufgeführt (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2006 - Az.: B 4 RA 39/05 R, nach juris).
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) liegt gegenüber denjenigen, die in das Zusatzversorgungssystem einbezogen wurden, nicht vor. Denn der Einigungsvertragsgesetzgeber war nicht gehalten, bereits in den Versorgungsordnungen angelegte Ungleichbehandlungen nachträglich zu korrigieren (vgl. BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 – Az.: B 4 RA 21/02 R, nach juris). Er durfte an die am 2. Oktober 1990 vorliegenden Versorgungsordnungen im Rahmen der Rentenüberleitung anknüpfen (vgl. BVerfG in BVerfGE 100, S. 138, 193 f.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 26 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) nach § 8 AAÜG weitere Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Mai 1964 bis zum 30. April 1968 und vom 27. April 1971 bis zum 30. April 1978 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG (Zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz) und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.
Der 1937 geborene Kläger erwarb mit dem erfolgreichen Besuch der Hochschule für Bauwesen L. das Recht, die Berufsbezeichnung Diplom-Ingenieur zu führen (Urkunde vom 15. Januar 1963). Der Kläger war seit dem 1. Mai 1964 bis zum 30. April 1968 bei dem VEB Industriebauprojektierung J. (Im Folgenden: VEB IBAUPRO J.), ab dem 1. Mai 1968 bis zum 26. April 1971 beim VE Bau- und Montagekombinat E. (im Folgenden: VEB BMK E.) Betriebsteil Industriebauprojektierung, im Anschluss daran bis zum 30. April 1978 beim VEB BMK E. Kombinatsbetrieb Industriebauprojektierung E. tätig (im Folgenden: VEB IBAUPRO E.). Vom 1. Mai 1978 bis zum 20. Juli 1988 arbeitete er als Gruppenleiter bei dem VEB Carl Zeiss J. und vom 3. April 1989 bis zum 30. Juni 1990 bei dem VEB Gelenkwellenwerk S. Betrieb des IFA-Kombinates Nutzkraftwagen.
Der VEB IBAUPRO J. wurde am 16. Mai 1959 in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen. Am 11. November 1969 wurde in der Spalte 5 "Auflösung des volkseigenen Betriebes am 30. April 1968" und als Rechtsnachfolger das VE BMK E. eingetragen.
Der VEB BMK E. wurde am 1. Januar 1964 in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen. Laut Eintragungsantrag vom 20. April 1971 und dem Statut des VEB BMK E. vom 26. Januar 1971 wurde der VEB IBAUPRO E. am 27. April 1971 in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen.
Eine Versorgungszusage erhielt der Kläger vor Schließung der Versorgungssysteme nicht. Seit dem 1. Juli 1989 bis zum 30. Juni 1990 zahlte er Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR).
Im Februar 2001 beantragte er bei der Beklagten die Feststellung seiner Beschäftigungszeiten von Mai 1963 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Mit Feststellungsbescheid vom 25. Januar 2002 stellte diese die Zeiten vom 1. Mai 1963 bis zum 30. April 1964 sowie die Zeit vom 3. April 1989 bis zum 30. Juni 1990 als nachgewiesene Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz fest. Die Feststellung der Zeiten vom 1. Mai 1964 bis zum 30. April 1978 sowie vom 1. Mai 1978 bis zum 20. Juli 1988 lehnte sie ab. Gegen die Nichtanerkennung der Zeiten vom 1. Mai 1964 bis zum 30. April 1978 erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2003 zurückwies.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 3. November 2005 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger in dem streitigen Zeitraum nicht in einem volkseigenen Produktions-, sondern in einem Projektierungsbetrieb beschäftigt gewesen sei. Dieser habe die zu erstellenden Bauwerke geplant, ihre Statik berechnet und gegebenenfalls die Bauausführung überwacht.
Im Berufungsverfahren führt der Kläger aus, das Sozialgericht habe verkannt, dass es sich bei der Bauplanung, der Erstellung der Statik und der Bauüberwachung (Bauausführung) um einen grundlegenden Teil der Produktion, insbesondere der Massenfertigung von Bauwerken gehandelt habe. Als Produktionsbetrieb habe der Hauptzweck des VEB IBAUPRO J. bzw. E. in der Rationalisierung und damit in der Steigerung der Massenproduktion bzw. der Lösung des Wohnungsproblems bestanden.
Am 7. Mai 2009 hat die Beklagte mitgeteilt, sie werde für die Zeit vom 1. Mai 1968 bis zum 26. April 1971 die Entgelte nach § 6 Abs. 1 AAÜG feststellen. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis am 20. Mai 2009 angenommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 3. November 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 25. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2003, abgeändert durch Teilanerkenntnis vom 7. Mai 2009 zu verpflichten, die Zeit vom 1. Mai 1964 bis zum 30. April 1968 und vom 27. April 1971 bis zum 30. April 1978 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils. Sie überreicht die ihr vorliegenden Unterlagen bezüglich des VEB BMK E. bzw. der VEB IBAUPRO J. und E.
Der Senat hat verschiedene Unterlagen, die bei der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben bzw. bei der Rhenus Logistics GmbH archiviert sind, beigezogen und den Beteiligten übersandt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Beschäftigungszeiten vom 1. Mai 1964 bis zum 30. April 1968 und vom 27. April 1971 bis zum 30. April 1978 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einschließlich der in diesem Zeitraum nachgewiesenen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte nach § 8 Abs. 2 und 3 AAÜG feststellt.
Der Senat unterstellt, dass der Kläger dem persönlichen Geltungs- und Anwendungsbereich des AAÜG unterfällt (erste Prüfungsstufe, vgl. Bundessozialgericht (BSG) vom 6. Mai 2004 - Az.: B 4 RA 49/03 R).
Dies wäre der Fall, wenn er zum (also: vor dem Beginn des) 1. August 1991 gegen den Versorgungsträger ein Recht auf Zahlung von Versorgungsrente oder eine Anwartschaft hierauf wirklich erworben hätte (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht, weil er in kein Versorgungssystem einbezogen war. Ihm war auch ab dem 3. Oktober 1990 weder durch einen bindenden Verwaltungsakt noch durch rechtskräftiges Urteil eine Versorgungsberechtigung i. S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG zuerkannt worden. Damit gehört er auch nicht zum Kernbereich der nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG fiktiv Versorgungsberechtigten, weil dies voraussetzt, dass er einmal in der DDR wirklich in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und die Zugehörigkeit nach den Regelungen des Versorgungssystems wieder ("rechtmäßig") verloren hatte. Ferner hat der beklagte Versorgungsträger in dem Bescheid vom 25. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2003 keine Erklärung darüber abgegeben, er erkenne dem Kläger zum 1. August 1991 eine wirkliche oder fiktive Versorgungsberechtigung zu. Die bloße Anwendung der §§ 5 bis 8 AAÜG verlautbart keine Bewilligung einer Versorgungsberechtigung zum 1. August 1991; das Schweigen eines Datenfeststellungen nach § 8 AAÜG treffenden Bescheides ist keine Zuerkennung einer Versorgungsberechtigung.
Daher kann das AAÜG nur dann auf den Kläger anwendbar sein, wenn er durch das AAÜG ab dem 1. August 1991 eine fiktive Versorgungsanwartschaft erlangt hätte, weil er am 30. Juni 1990 als Ingenieur in entsprechend qualifizierter Ingenieursbeschäftigung für einen Arbeitgeber tätig war, der ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens war oder diesen durch § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (ZAVO-techInt, im Folgenden: 2. DB z. ZAVO-techInt) gleichgestellt worden war.
Der Kläger war aufgrund der Urkunde vom 15. Januar 1963 berechtigt, den Titel des Diplom- Ingenieurs zu führen. Zu seinen Gunsten wird unterstellt, dass er als Bauingenieur für Investrealisierung im VEB Gelenkwellenwerk S. eine Ingenieurstätigkeit verrichtet hat. Des Weiteren wird unterstellt, dass dieser VEB zum maßgeblichen Zeitpunkt im Juni 1990 nach dem von ihm tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben durch industrielle Produktion geprägt war (vgl. BSG, a.a.O).
Der Senat hat nunmehr auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 bis 4 des AAÜG sowie des § 5 Abs. 1 AAÜG zu prüfen, ob für den streitigen Zeitraum "Zugehörigkeitszeiten" und Arbeitsentgelte festzustellen sind (vgl. BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - Az.: B 4 RS 28/07 R, nach juris). Dies ist nicht der Fall.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gelten als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung. Im streitigen Zeitraum hat der Kläger in der DDR keine Beschäftigung ausgeübt, die ihrer Art nach vom abstrakt-generell geregelten fachlichen Geltungsbereich der ZAVO-techInt erfasst worden ist. Voraussetzung hierfür ist (vgl. BSG, a.a.O), dass: - der Werktätige (= Arbeitnehmer im Sinne des Bundesrechts) u.a. berechtigt war, die Berufsbezeichnung "Ingenieur", "Konstrukteur", "Architekt", "Techniker" oder "Werkdirektor" zu führen (persönliche Voraussetzung), - die Beschäftigung ihrem qualitativen Anforderungsprofil nach den Kriterien des entsprechenden Berufsbildes entsprach (sachliche Voraussetzung) und - sie für einen Arbeitgeber ausgeführt wurde, der ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens war. Bei der im Rahmen des § 5 Abs. 1 AAÜG vorzunehmenden "Subsumtion" ergibt sich nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) die Besonderheit, dass die abstrakt-generellen Regelungen der anzuwendenden Versorgungsordnung nicht mehr - wie bei der Rechtsprüfung im Rahmen des § 1 Abs. 1 AAÜG - i. S. v. (sekundären) bundesrechtlichen Normen anzuwenden sind, sondern als "generelle Anknüpfungstatsachen" zur Tatsachenfeststellung beitragen. Der Kläger hat in dem streitigen Zeitraum seine Tätigkeit nicht für einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ausgeübt, weil der Hauptzweck des VEB IBAUPRO J. bzw. seit dem 27. April 1971 des VEB IBAUPRO E. nicht in der industriellen Fertigung von Sachgütern oder Bauwerken bestand.
Die Zuordnung eines VEB zur industriellen Produktion oder zu dem hier nur in Betracht kommenden Bauwesen hängt entscheidend davon ab, welche Aufgabe ihm das Gepräge gegeben hat. Der verfolgte Hauptzweck (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – Az.: B 4 RA 18/03 R, nach juris) des VEB muss auf die industrielle, massenhafte und standardisierte Fertigung, Fabrikation, Herstellung beziehungsweise Produktion (sog. fordistisches Produktionsmodell) von Sachgütern oder die Errichtung (Massenproduktion) von baulichen Anlagen ausgerichtet gewesen sein (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2002 - Az.: B 4 RA 41/01, nach juris). Im Hinblick auf die in der Präambel zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17.8.1950 (GBl. Seite 844) zum Ausdruck gekommene Zielsetzung des Versorgungssystems war allein die Beschäftigung in einem Betrieb, der die Massenproduktion im Bereich des Bauwesens zum Gegenstand hatte, von Bedeutung für die Einbeziehung in die Versorgung. Dem lag das so genannte fordistische Produktionsmodell zu Grunde, das auf stark standardisierter Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mit Hilfe hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen basierte. Der Massenausstoß standardisierter Produkte sollte hohe Produktionsgewinne nach den Bedingungen der Planwirtschaft ermöglichen. Nur eine derartige Massenproduktion im Bereich des Bauwesens und nicht das Erbringen von Bauleistungen jeglicher Art war für die Einbeziehung in das Versorgungssystem der ZAVO-techInt von maßgeblicher Bedeutung. Dieses Ergebnis wird auch durch den Beschluss über die Anwendung der Grundsätze des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft im Bauwesen vom 14.6.1963 (GBl. II Seite 437) gestützt, denn danach wurde u.a. zwischen der von Bau- und Montagekombinaten durchzuführenden Erstellung von Bauwerken in Massenproduktion und anderen Baubetrieben unterschieden (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 - Az.: B 4 RS 3/06 R, nach juris). Die Auslegung der Versorgungsordnung durch die Staatsorgane und deren Verwaltungspraxis in der DDR spielt dagegen bei der heutigen Auslegung keine Rolle (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2002 - Az.: B 4 RA 41/01, nach juris). Unter Berücksichtigung dieser vom BSG aufgestellten Grundsätze hat dem VEB IBAUPRO J. bzw. dem VEB IBAUPRO E. nicht die Massenproduktion von Bauwerken das Gepräge gegeben.
Hauptzweck der VEB IBAUPRO J. bzw. des VEB IBAUPRO E. war nach dem Vortrag des Klägers die Architekturplanung, die Tragwerksplanung (Statik) und, soweit dies angefordert wurde, die Bauüberwachung für den VEB BMK E. Ein Betrieb, dessen Betriebszweck in der Projektierung von Bauinvestitionen liegt, ist kein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne der Rechtsprechung des BSG, weil es sich dabei nicht um eine Tätigkeit handelt, deren Schwerpunkt auf der industriellen Fertigung, Fabrikation, Herstellung oder Produktion von Sachgütern oder Bauwerken liegt (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007, m.w.N., nach juris). Die Planung von Bauwerken und die Überwachung der Bauausführung ist nicht selbst Teil der Massenproduktion.
Der VEB IBAUPRO J. bzw. der VEB IBAUPRO E. waren auch kein Betriebe, die einem volkseigenen Produktionsbetrieb nach § 1 Abs. 2 der 2. DB z. ZAVO-techInt gleichgestellt waren. Dort sind Betriebe oder Einrichtungen der Projektierung nicht aufgeführt (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2006 - Az.: B 4 RA 39/05 R, nach juris).
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) liegt gegenüber denjenigen, die in das Zusatzversorgungssystem einbezogen wurden, nicht vor. Denn der Einigungsvertragsgesetzgeber war nicht gehalten, bereits in den Versorgungsordnungen angelegte Ungleichbehandlungen nachträglich zu korrigieren (vgl. BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 – Az.: B 4 RA 21/02 R, nach juris). Er durfte an die am 2. Oktober 1990 vorliegenden Versorgungsordnungen im Rahmen der Rentenüberleitung anknüpfen (vgl. BVerfG in BVerfGE 100, S. 138, 193 f.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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FST
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