Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 86/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 49/10 B ER
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 20.11.2009 gegen Bescheid des Antragsgegners vom 06.11.2009 wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin. Der Streitwert wird auf 1.250.- Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Bescheid, mit dem sie zur Auskunft über ihre EInkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert worden ist.
Die Antragstellerin ist die Tochter des am 02.03.1927 geborenen K.E. (i.F.: Hilfeempfänger), der seit dem 01.11.2009 Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Hilfe zur Pflege in einer stationären Einrichtung i.H.v. derzeit 997,12 Euro monatlich erhält.
Mit Bescheid vom 06.11.2009 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, sowohl der mögliche bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsanspruch des Hilfeempfängers ihr gegenüber als auch der unterhaltsrechtliche Auskunftsanspruch sei infolge der Hilfegewährung auf ihn übergegangen; er forderte die Antragstellerin zu bestimmten Auskünften über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse auf. In der anschließenden "Rechtsmittelbelehrung" heißt es, gegen die Aufforderung zur Auskunftserteilung könne Widerspruch erhoben werden; schließlich ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung "dieses Bescheides" an. Die Antragstellerin hat hiergegen (mit Schreiben vom 20.11.2009) am 23.11.2009 Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist.
Am 03.12.2009 hat die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
Sie führt aus, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, an der Bedürftigkeit des Hilfeempfängers, an einem Unterhaltsanspruch ihr gegenüber und an einem Auskunftsanspruch des Antragsgegners. Dem Hilfeempfänger stünden vorrangig Leistungen der Grundsicherung und der Hilfe zur Pflege zur Verfügung, sodass bereits an der Bedürftigkeit erhebliche Zweifel gegeben seien. Einem Auskunftsanspruch stehe auch die Vermutung in § 43 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) entgegen. Überdies sei sie nach Bürgerlichem Recht nicht zum Unterhalt verpflichtet. Angesichts all dessen fehle es an einem überwiegenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung; die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei ermessensfehler-haft, es sei überhaupt keine Interessenabwägung vorgenommen worden.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 20.11.2009 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 06.11.2009 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er bleibt bei seiner Auffassung.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Antragsgegner hat die sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 06.11.2009 rechtmäßig angeordnet.
Die von der Antragstellerin geäußerten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 06.11.2009 greifen nicht durch. Der Übergang von Unterhaltsansprüchen eines Hilfeempfängers auf den Sozialhilfeträger wird für die Zeit der Leistungserbringung kraft Gesetzes bewirkt; das bestimmt § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Die Mitteilung über die Erbringung von Sozialhilfe hat lediglich Bedeutung für die Wahrung von Rechten des Sozialhilfeträgers (vgl. § 94 Abs. 4 SGB XII). Ob und ggf. in welcher Höhe ein Unterhaltsanspruch des Hilfeempfängers gegenüber der Antragstellerin besteht, ist erforderlichenfalls in einem zivilgerichtlichen Prozess zu klären. Da die Mitteilung/Rechtswahrungsanzeige gem. § 94 Abs. 4 SGB XII noch nicht unmittelbar in die Rechtsposition des Unterhaltspflichtigen eingreift, ist sie kein Verwaltungsakt, es handelt sich um schlichtes Verwaltungshandeln (Münder in: LPK-SGB XII, 8. Auflg. 2008, § 94 Rn. 82). Das Auskunftsverlangen des Antragsgegners ist offensichtlich rechtmäßig.
Nach § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB XII haben alle potenziell Unterhaltspflichtigen, also insbesondere Verwandte in gerader Linie (vgl. nur Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl., 2008, § 117, Rn. 7) dem Träger der Sozialhilfe über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben, soweit die Durchführung des SGB XII es erfordert. Die Verpflichtung von potenziell Unterhaltspflichtigen zur Auskunft ist ebenso wenig wie bei der Überleitung von Ansprüchen gem. § 93 SGB XII davon abhängig, ob im konkreten Fall ein Unterhaltsanspruch besteht. Erst nach erfolgter Auskunft kann sich der Sozialhilfeträger einen Überblick verschaffen, ob und in welchem Umfang er dem Nachranggrundsatz des Sozialhilferechts durch die Inanspruchnahme eines Dritten wiederherstellen kann. Der Zweck der Vorschrift ermöglicht es, alle Personen als Unterhaltspflichtige im Sinne der sozialhilferechtlichen Vorschriften anzusehen, die als Unterhaltsschuldner in Betracht kommen und nicht offensichtlich (sog. Negativevidenz) ausscheiden. Die vom potenziell Unterhaltspflichtigen erhobenen Einwände gegen die Unterhaltsverpflichtung betreffen die einzelfallbezogene Entscheidung des maßgeblichen Unterhalts. Sie bleiben einer Klärung der Zivilgerichte vorbehalten (Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl., 2008, § 117, Rn. 9 m.w.N. der Rspr. des BVerwG).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Der (mögliche) Unterhaltsanspruch des Hilfebedürftige als Vater der Antragstellerin gegen diese ist infolge der seit 01.11.2009 gewährten Hilfe zur Pflege gem. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII - zugleich mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch - auf den Hilfe leistenden Antragsgegner übergegangen. Ein Fall von Negativevidenz liegt nicht vor.
Insbesondere kann sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg darauf berufen, ein solcher Anspruch sei von vornherein ausgeschlossen, weil Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII nach bestimmten Maßgaben den bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsansprüchen vorgehen (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2006, XII ZR 84/04). Hierauf kommt es im vorliegenden Fall schon deswegen nicht an, weil der Hilfebedürftige keine Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII bezieht und er keinen Anspruch auf diese Leistungen hat. Die - anwaltlich vertretene - Antragstellerin geht in diesem Zusammenhang rechtsirrig davon aus, das Vierte Kapitel des SGB XII und speziell der § 43 Abs. 2 SGB XII enthalte ein Art umfassenden Privilegierungstatbestand für sämtliche denkbaren Leistungen der Sozialhilfe und somit auch für die Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII. Hiergegen spricht indes nicht nur die Systematik des Gesetzes, sondern insbesondere der Umstand, dass § 42 SGB XII eine abschließende Aufzählung derjenigen Leistungen enthält, die im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung "unter erleichter-ten Bedingungen" beansprucht werden können. Die stattdessen an anderer Stelle (§ 61 Abs. 2 SGB XII) normierten Leistungen der Hilfe zur Pflege gehören nicht zum Katalog des § 42 SGB XII. Mit anderen Worten: Ein pflegebedürftiger Sozialhilfeempfänger fällt hin-sichtlich der Hilfe zur Pflege ungeachtet von Alter oder Erwerbsminderung nicht unter die §§ 41 ff. SGB XII. Aus Sicht (potenzieller) Unterhaltsschuldner bedeutet dies, dass sie sich bei der Tragung der Pflegekosten des Unterhaltsgläubigers gerade nicht auf die Privile-gierung in § 43 Abs. 2 SGB XII berufen können (SG Aachen, Beschluss vom 10.12.2009 - S 19 SO 132/09 - unter Hinweis auf Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl., 2008, vor § 41, Rn. 5). Aus diesen Gründe geht auch der Hinweis der Antragstellerin auf die Vermutung in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB XII ins Leere.
Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, sie schulde nach Bürgerlichem Recht keinen Unterhalt, da sie nicht leistungsfähig sei, ist dies gerade Gegenstand der Prüfung durch den Antragsgegner. Es bedarf keiner näheren Darlegungen, dass der Antragsgegner an diesem Punkt - schon aus Gründen der bestimmungsgemäßen Verwendung von Steuermitteln - nicht allein auf eine (nicht näher unsubstantiierte Behauptung) der Antragstellerin abstellen darf.
Der Widerspruch vom 20.11.2009 gegen das Auskunftsverlangen vom 06.11.2009 hat gem. § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG keine aufschiebende Wirkung, weil der Antragsgegner die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet hat. Diese Anordnung ist nicht zu beanstanden. Denn bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Auskunftsverlangens nach § 117 SGB XII kann im Rahmen der gerichtlichen Prüfung bereits der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) ein ausreichendes Vollziehungsinteresse begründen. Ein besonderes Vollziehungsinteresse ist vorliegend schon deshalb zu bejahen, weil allein eine zeitnahe Geltendmachung ggf. übergegangener Unterhaltsansprüche den Nachrang der dem Vater der Antragstellerin erbrachten Sozialhilfeleistungen sicherstellt. Die fiskalischen Interessen des Leistungsträgers sind bei der gebotenen Abwägung zu berücksichtigen (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., § 86a Rn. 20 m.w.N.). Dabei reicht vorliegend die bloße Verwirklichung des Nachranggrundsatzes ohne weitere Anhaltspunkte für eine spätere Vereitelung der Durchsetzung eines Unterhaltsanspruchs schon aus, weil dem Antragsteller aufgrund der gerichtlich festgestellten Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens kein Nachteil droht, der sein Aussetzungsinteresse zu rechtfertigen vermag (Hessisches LSG, Beschluss vom 29.12.2008, L 7 SO 62/08 B ER). Dies gilt umso mehr, als dem Auskunftspflichtigen kein irreversibler Nachteil droht, wenn er seiner Auskunftspflicht nachkommt, denn eine Leistungspflicht gegenüber dem Sozialhilfeträger ist hiermit naheliegenderweise noch nicht verbunden und erhobene Daten lassen sich wieder löschen.
Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung von § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Antragstellerin kommt nicht in den Genuss der Kostenprivilegierung nach § 193 SGG, da sie am Verfahren nicht als Leistungsempfängerin i.S.d. § 183 Satz 1 SGG beteiligt ist.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Gericht erachtet es als angemessen, den für Auskunftsstreitigkeiten nach § 117 SGB XII regelmäßig anzusetzenden Streiwert in Höhe der Hälfte des Auffangstreitwertes von 5.000,00 EUR, also 2.500,00 EUR angesichts des beschränkten Streitgegenstandes im Verfahren nach § 86b SGG wiederum auf 1.250,00 EUR zu halbieren.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Bescheid, mit dem sie zur Auskunft über ihre EInkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert worden ist.
Die Antragstellerin ist die Tochter des am 02.03.1927 geborenen K.E. (i.F.: Hilfeempfänger), der seit dem 01.11.2009 Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Hilfe zur Pflege in einer stationären Einrichtung i.H.v. derzeit 997,12 Euro monatlich erhält.
Mit Bescheid vom 06.11.2009 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, sowohl der mögliche bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsanspruch des Hilfeempfängers ihr gegenüber als auch der unterhaltsrechtliche Auskunftsanspruch sei infolge der Hilfegewährung auf ihn übergegangen; er forderte die Antragstellerin zu bestimmten Auskünften über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse auf. In der anschließenden "Rechtsmittelbelehrung" heißt es, gegen die Aufforderung zur Auskunftserteilung könne Widerspruch erhoben werden; schließlich ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung "dieses Bescheides" an. Die Antragstellerin hat hiergegen (mit Schreiben vom 20.11.2009) am 23.11.2009 Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist.
Am 03.12.2009 hat die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
Sie führt aus, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, an der Bedürftigkeit des Hilfeempfängers, an einem Unterhaltsanspruch ihr gegenüber und an einem Auskunftsanspruch des Antragsgegners. Dem Hilfeempfänger stünden vorrangig Leistungen der Grundsicherung und der Hilfe zur Pflege zur Verfügung, sodass bereits an der Bedürftigkeit erhebliche Zweifel gegeben seien. Einem Auskunftsanspruch stehe auch die Vermutung in § 43 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) entgegen. Überdies sei sie nach Bürgerlichem Recht nicht zum Unterhalt verpflichtet. Angesichts all dessen fehle es an einem überwiegenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung; die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei ermessensfehler-haft, es sei überhaupt keine Interessenabwägung vorgenommen worden.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 20.11.2009 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 06.11.2009 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er bleibt bei seiner Auffassung.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Antragsgegner hat die sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 06.11.2009 rechtmäßig angeordnet.
Die von der Antragstellerin geäußerten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 06.11.2009 greifen nicht durch. Der Übergang von Unterhaltsansprüchen eines Hilfeempfängers auf den Sozialhilfeträger wird für die Zeit der Leistungserbringung kraft Gesetzes bewirkt; das bestimmt § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Die Mitteilung über die Erbringung von Sozialhilfe hat lediglich Bedeutung für die Wahrung von Rechten des Sozialhilfeträgers (vgl. § 94 Abs. 4 SGB XII). Ob und ggf. in welcher Höhe ein Unterhaltsanspruch des Hilfeempfängers gegenüber der Antragstellerin besteht, ist erforderlichenfalls in einem zivilgerichtlichen Prozess zu klären. Da die Mitteilung/Rechtswahrungsanzeige gem. § 94 Abs. 4 SGB XII noch nicht unmittelbar in die Rechtsposition des Unterhaltspflichtigen eingreift, ist sie kein Verwaltungsakt, es handelt sich um schlichtes Verwaltungshandeln (Münder in: LPK-SGB XII, 8. Auflg. 2008, § 94 Rn. 82). Das Auskunftsverlangen des Antragsgegners ist offensichtlich rechtmäßig.
Nach § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB XII haben alle potenziell Unterhaltspflichtigen, also insbesondere Verwandte in gerader Linie (vgl. nur Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl., 2008, § 117, Rn. 7) dem Träger der Sozialhilfe über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben, soweit die Durchführung des SGB XII es erfordert. Die Verpflichtung von potenziell Unterhaltspflichtigen zur Auskunft ist ebenso wenig wie bei der Überleitung von Ansprüchen gem. § 93 SGB XII davon abhängig, ob im konkreten Fall ein Unterhaltsanspruch besteht. Erst nach erfolgter Auskunft kann sich der Sozialhilfeträger einen Überblick verschaffen, ob und in welchem Umfang er dem Nachranggrundsatz des Sozialhilferechts durch die Inanspruchnahme eines Dritten wiederherstellen kann. Der Zweck der Vorschrift ermöglicht es, alle Personen als Unterhaltspflichtige im Sinne der sozialhilferechtlichen Vorschriften anzusehen, die als Unterhaltsschuldner in Betracht kommen und nicht offensichtlich (sog. Negativevidenz) ausscheiden. Die vom potenziell Unterhaltspflichtigen erhobenen Einwände gegen die Unterhaltsverpflichtung betreffen die einzelfallbezogene Entscheidung des maßgeblichen Unterhalts. Sie bleiben einer Klärung der Zivilgerichte vorbehalten (Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl., 2008, § 117, Rn. 9 m.w.N. der Rspr. des BVerwG).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Der (mögliche) Unterhaltsanspruch des Hilfebedürftige als Vater der Antragstellerin gegen diese ist infolge der seit 01.11.2009 gewährten Hilfe zur Pflege gem. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII - zugleich mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch - auf den Hilfe leistenden Antragsgegner übergegangen. Ein Fall von Negativevidenz liegt nicht vor.
Insbesondere kann sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg darauf berufen, ein solcher Anspruch sei von vornherein ausgeschlossen, weil Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII nach bestimmten Maßgaben den bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsansprüchen vorgehen (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2006, XII ZR 84/04). Hierauf kommt es im vorliegenden Fall schon deswegen nicht an, weil der Hilfebedürftige keine Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII bezieht und er keinen Anspruch auf diese Leistungen hat. Die - anwaltlich vertretene - Antragstellerin geht in diesem Zusammenhang rechtsirrig davon aus, das Vierte Kapitel des SGB XII und speziell der § 43 Abs. 2 SGB XII enthalte ein Art umfassenden Privilegierungstatbestand für sämtliche denkbaren Leistungen der Sozialhilfe und somit auch für die Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII. Hiergegen spricht indes nicht nur die Systematik des Gesetzes, sondern insbesondere der Umstand, dass § 42 SGB XII eine abschließende Aufzählung derjenigen Leistungen enthält, die im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung "unter erleichter-ten Bedingungen" beansprucht werden können. Die stattdessen an anderer Stelle (§ 61 Abs. 2 SGB XII) normierten Leistungen der Hilfe zur Pflege gehören nicht zum Katalog des § 42 SGB XII. Mit anderen Worten: Ein pflegebedürftiger Sozialhilfeempfänger fällt hin-sichtlich der Hilfe zur Pflege ungeachtet von Alter oder Erwerbsminderung nicht unter die §§ 41 ff. SGB XII. Aus Sicht (potenzieller) Unterhaltsschuldner bedeutet dies, dass sie sich bei der Tragung der Pflegekosten des Unterhaltsgläubigers gerade nicht auf die Privile-gierung in § 43 Abs. 2 SGB XII berufen können (SG Aachen, Beschluss vom 10.12.2009 - S 19 SO 132/09 - unter Hinweis auf Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl., 2008, vor § 41, Rn. 5). Aus diesen Gründe geht auch der Hinweis der Antragstellerin auf die Vermutung in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB XII ins Leere.
Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, sie schulde nach Bürgerlichem Recht keinen Unterhalt, da sie nicht leistungsfähig sei, ist dies gerade Gegenstand der Prüfung durch den Antragsgegner. Es bedarf keiner näheren Darlegungen, dass der Antragsgegner an diesem Punkt - schon aus Gründen der bestimmungsgemäßen Verwendung von Steuermitteln - nicht allein auf eine (nicht näher unsubstantiierte Behauptung) der Antragstellerin abstellen darf.
Der Widerspruch vom 20.11.2009 gegen das Auskunftsverlangen vom 06.11.2009 hat gem. § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG keine aufschiebende Wirkung, weil der Antragsgegner die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet hat. Diese Anordnung ist nicht zu beanstanden. Denn bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Auskunftsverlangens nach § 117 SGB XII kann im Rahmen der gerichtlichen Prüfung bereits der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) ein ausreichendes Vollziehungsinteresse begründen. Ein besonderes Vollziehungsinteresse ist vorliegend schon deshalb zu bejahen, weil allein eine zeitnahe Geltendmachung ggf. übergegangener Unterhaltsansprüche den Nachrang der dem Vater der Antragstellerin erbrachten Sozialhilfeleistungen sicherstellt. Die fiskalischen Interessen des Leistungsträgers sind bei der gebotenen Abwägung zu berücksichtigen (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., § 86a Rn. 20 m.w.N.). Dabei reicht vorliegend die bloße Verwirklichung des Nachranggrundsatzes ohne weitere Anhaltspunkte für eine spätere Vereitelung der Durchsetzung eines Unterhaltsanspruchs schon aus, weil dem Antragsteller aufgrund der gerichtlich festgestellten Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens kein Nachteil droht, der sein Aussetzungsinteresse zu rechtfertigen vermag (Hessisches LSG, Beschluss vom 29.12.2008, L 7 SO 62/08 B ER). Dies gilt umso mehr, als dem Auskunftspflichtigen kein irreversibler Nachteil droht, wenn er seiner Auskunftspflicht nachkommt, denn eine Leistungspflicht gegenüber dem Sozialhilfeträger ist hiermit naheliegenderweise noch nicht verbunden und erhobene Daten lassen sich wieder löschen.
Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung von § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Antragstellerin kommt nicht in den Genuss der Kostenprivilegierung nach § 193 SGG, da sie am Verfahren nicht als Leistungsempfängerin i.S.d. § 183 Satz 1 SGG beteiligt ist.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Gericht erachtet es als angemessen, den für Auskunftsstreitigkeiten nach § 117 SGB XII regelmäßig anzusetzenden Streiwert in Höhe der Hälfte des Auffangstreitwertes von 5.000,00 EUR, also 2.500,00 EUR angesichts des beschränkten Streitgegenstandes im Verfahren nach § 86b SGG wiederum auf 1.250,00 EUR zu halbieren.
Rechtskraft
Aus
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