Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AS 108/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AS 24/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 28.01.2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerinnen einen Anspruch gegen die Beklagte auf Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 01.12.2006 haben.
Die leibliche Mutter der Klägerinnen, Frau D H-S, ist seit dem 07.06.2001 mit Herrn C H verheiratet, der nicht der Kindsvater der Klägerinnen ist. Im Haushalt der Eheleute leben auch die am 00.00.1990 und 00.00.1994 geborenen Klägerinnen. Der Aufenthalt des leiblichen Vaters ist unbekannt. Unterhalt leistet er nicht.
Die Klägerinnen, ihre Mutter und Herr H leben seit dem 01.06.2005 in einem 130 m² großen Einfamilienhaus mit Garage zur Miete. Die monatliche Netto-Kaltmiete beträgt 730,00 EUR, die monatliche Nebenkostenpauschale ohne Heizkosten 100,00 EUR und die monatlichen Heizkosten seit Mitte 2006 151,00 EUR. Die Mutter bezog für die Klägerinnen Kindergeld in Höhe von zunächst 308,00 EUR, seit dem 01.01.2009 bezieht sie diese Leistung in Höhe von 328,00 EUR monatlich. Sie geht außerdem einer geringfügigen Beschäftigung bei der D nach, für die sie zwischen Dezember 2006 und Juli 2009 ein monatliches Gehalt zwischen 81,20 EUR und 280,44 EUR bezogen hat. Herr H ist bei der U GmbH beschäftigt. Einkommensnachweise hat er für die Monate Dezember 2006 bis Juli 2008 vorgelegt. Hiernach lag sein monatliches Nettoeinkommen zwischen 3.063,36 EUR und 1.935,40 EUR.
Die Mutter der Klägerinnen beantragte bereits 2003 mangels Unterhaltsleistungen des leiblichen Vaters für die Klägerinnen Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), die auch gewährt wurden. Im Rahmen der erstmaligen Beantragung von Leistungen nach dem SGB II legte die Mutter der Klägerinnen eine auf den 09.04.2001 datierte und unterschriebene Erklärung des Herrn H mit folgendem Inhalt vor:
"Unsere beabsichtige Eheschließung erfolgt unter der Voraussetzung, dass ich den Kindern meiner künftigen Ehefrau aus erster Ehe nicht zu Unterhaltsleistungen verpflichtet bin. Ich werde auch keine erbringen."
Nachdem die Beklagte zunächst Leistungen für die Klägerinnen mit Verweis auf das Einkommen des Herrn H abgelehnt hatte, gewährte sie ihnen nach einem entsprechenden rechtlichen Hinweis im Verfahren vor dem Sozialgericht Aachen zu Az.: S 15 AS 37/05 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung des Einkommens des Herrn H nur im Rahmen einer Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs. 5 SGB II.
Zum 01.06.2005 zogen die Klägerinnen und die Eheleute in das derzeit bewohnte Haus. Mit Schreiben vom 21.12.2005 wies die Beklagte darauf hin, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft unangemessen seien. Für einen 4-Personen-Haushalt sei lediglich eine 90 m² große Wohnung zu einem Preis von 455,00 EUR angemessen. Soweit die Unterkunftskosten nicht bis zum 01.07.2006 verringert würden, könnten nur noch die angemessenen Unterkunftskosten übernommen werden.
Bis November 2006 gewährte die Beklagte den Klägerinnnen weiter Leistungen. Auf ihren Fortzahlungsantrag vom 18.12.2006 hin forderte die Beklagte mit Hinweis auf eine Gesetzesänderung zum 01.08.2006 aktuelle Einkommensbelege des Herrn H an. Die Mutter der Klägerinnen erklärte unter dem 15.12.2006, ihr Ehemann zahle keinen Unterhalt für die Klägerinnen, da es nicht seine Kinder seien.
Mangels Vorlage der angeforderten Unterlagen versagte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 02.01.2007 Leistungen ab Dezember 2006 nach den §§ 60, 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) wegen mangelnder Mitwirkung. Auf den Widerspruch der Klägerinnen hiergegen vom 09.01.2007 und Vorlage der angeforderten Einkommensbescheinigungen des Herrn H lehnte die Beklagte den Fortzahlungsantrag ab dem 01.12.2006 mit Bescheid vom 02.02.2007 ab. Unter Berücksichtigung des Einkommens des Herrn H bestehe keine Hilfebedürftigkeit. Bei der zugrunde liegenden Leistungsberechnung berücksichtigte die Beklagte Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe von 721,72 EUR.
Am 15.02.2007 legten die Klägerinnen hiergegen Widerspruch ein. Das Einkommen des Herrn H sei nicht auf ihren Bedarf anzurechnen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2007 zurück. Gem. § 9 Abs. 2 SGB II in seiner ab dem 01.08.2006 gültigen Fassung sei auf den Bedarf minderjähriger Kinder nicht nur das Einkommen ihrer Eltern, sondern auch das Einkommen des mit einem Elternteil in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners anzurechnen. Als Kosten der Unterkunft könnten sogar nur 543,20 EUR (Netto-Kaltmiete zzgl. Nebenkosten = 455,00 EUR + Heizkosten in Höhe von 88,20 EUR) übernommen werden. Es ergebe sich sodann ein Gesamtbedarf von 1.648,20 EUR, während Herr Gelissen 2006 im Durchschnitt 2.270,41 EUR verdient habe. Unter Berücksichtigung von Freibeträgen einerseits und dem hinzuzurechnenden Kindergeld andererseits ergebe sich ein Einkommen von 2.268,41 EUR monatlich, das den Bedarf deutlich übersteige.
Hiergegen haben die Klägerinnen am 03.05.2007 Klage erhoben und vorgetragen, eine Anrechnung des Einkommens des Herrn H auf ihren Bedarf könne schon deshalb nicht erfolgen, weil Herr H ihnen gegenüber nicht unterhaltspflichtig sei. Die fehlende Unterhaltspflicht dürfe nicht über den Umweg des SGB II unterlaufen werden. Herr H habe sie nicht adoptiert. Im Wesentlichen würden sie, die Klägerinnen, auch durch ihre Mutter erzogen. Gelegentlich kümmere sich aber auch Herr H um sie. Das Verhältnis zwischen ihnen sei gut. Der gemeinsame Lebensunterhalt der Klägerinnen und der Eheleute werde aus einem Topf bezahlt. Das gelte auch für Nahrungsmittel und Kleidung der Klägerinnen.
Die Klägerinnen haben beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2007 zu verurteilen, ihnen ab dem 01.12.2006 SGB II-Leistungen ohne Anrechnung des Einkommens des Herrn H zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft sowie ergänzend vorgetragen, zivilrechtliche Vereinbarungen zwischen den Eheleuten seien für die Frage, ob SGB II-Leistungen zu gewähren seien, unbeachtlich.
Im Klageverfahren haben die Klägerinnen einen Kontoauszug vorgelegt, der eine Mietzahlung für April 2008 (einschließlich Nebenkostenvorauszahlung) von 850,00 EUR ausweist. Ferner haben sie ein Schreiben des Energieversorgers West Energie vorgelegt, nach dem der ab Mai 2005 zu zahlende monatliche Abschlag für Strom und Gas 218,00 EUR beträgt. Zudem haben sie eine für das Jahr 2006 1.688,34 EUR ausweisende Nebenkostenabrechnung vorgelegt.
Mit Urteil vom 28.01.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Eheleute und die Klägerinnen bildeten nach § 7 Abs. 3 Nrn. 3 a und 4 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft, in der wegen § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II in seiner seit dem 01.08.2006 geltenden und verfassungsgemäßen Fassung auf den Bedarf der Klägerinnen auch das Einkommen des Stiefvaters anzurechnen sei. Dessen Einkommen führe aber selbst unter Zugrundelegung der wohl unangemessenen hohen Unterkunftskosten dazu, dass eine Hilfebedürftigkeit der Klägerinnen nicht bestehe.
Gegen dieses am 12.03.2008 zugestellte Urteil richtet sich die von den Klägerinnen am 11.04.2008 eingelegte Berufung. De facto würde die Familie zwar von Herrn H unterhalten, eine Verpflichtung hierzu habe er aber vor der Eheschließung ausgeschlossen. Dies dürfe durch die Verweigerung von Leistungen nach dem SGB II wegen einer Anrechnung des Einkommens des Herrn H nicht unterlaufen werden. Soweit § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II Gegenteiliges gebieten solle, stelle dies einen Eingriff in Artikel 6 Grundgesetz (GG) dar.
Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 28.01.2008 zu ändern und die Beklagte unter entsprechende Aufhebung des Bescheides vom 02.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2007 zu verurteilen, ihnen ab dem 01.12.2006 Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Einkommens des Stiefvaters zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig. Nach den vom Senat angeforderten Berechnungen der Beklagten sei bei einer Anrechnung des Einkommens des Herrn H niemand in der aus den Eheleuten und den Klägerinnen bestehende Bedarfsgemeinschaft bedürftig. Dessen Einkommen sei, so die Beklagte, gem. dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.11.2008, Az.: B 14 AS 2/08 R, anrechenbar.
In der nicht öffentlichen Sitzung des Senats vom 25.06.2009 sind die Klägerinnen darauf hingewiesen worden, dass aufgrund des soeben zitierten Urteils des BSG das Einkommen des Stiefvaters auf ihren Bedarf anzurechnen sein dürfe. Die Klägerinnen sind in diesem Termin ferner aufgefordert worden, Unterlagen zwecks Berechnung der Unterkunftskosten und des anrechenbaren Einkommens für die Zeit ab dem 01.12.2006 vollständig vorzulegen.
In der öffentlichen Sitzung des 9. Senats vom 06.08.2009 ist für die Klägerinnen niemand erschienen, was zur Vertagung geführt hat. Im Anschluss daran sind die Klägerinnen aufgefordert worden, folgende Unterlagen vorzulegen:
1.Einkommensnachweise Herrn Gellissens ab August 2008 bis aktuell 2.Einkommensnachweise Frau H-S ab Juli 2008 bis aktuell 3.Etwaige Einkommensnachweise (z. B. aus Ferien- und/oder Nebenjobs) der Klägerinnen aus der Zeit ab dem 01.12.2006 bis aktuell 4.Nachweise darüber, an wen in welchen Zeiträumen und welcher Höhe für die Klägerinnen Kindergeld gezahlt worden ist, ab Dezember 2006 bis aktuell 5.Nachweise zur Länge und Häufigkeit der zurückgelegten Wege zur Arbeitsstätte für jeden Tag der tatsächlichen Arbeitserbringung ab dem 01.12.2006 bis aktuell durch Herrn H und Frau H-S sowie - eventuell - der Klägerinnen sowie eine Erklärung dazu, ob die Wegstrecken mit Pkw, Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln (Ticketpreise?) zurückgelegt worden sind 6.Nachweise über die monatlichen Energiekosten und Abschläge (aufgeführt nach Gas, Wasser und Strom) ab dem 01.12.2006 bis aktuell 7.Nachweise über Nachforderungen bzw. Guthabenauszahlungen betreffend die Energiekosten durch den/die Energieversorger ab dem 01.12.2006 bis aktuell 8.Nachweise über Nebenkostennachforderungen bzw. - erstattungen des Vermieters einschließlich Nachweise über deren tatsächliche Auszahlung bzw. Nachzahlung 9.Zwecks Überprüfung etwaiger Steuernachzahlungen bzw. Steuererstattungen alle Einkommensteuerbescheide betreffend Herrn H und Frau H-S sowie - eventuell - der Klägerinnen ab 2006 bis aktuell.
Es ist ferner darauf hingewiesen worden, dass die Vorlage sämtlicher Unterlagen der genannten Personen für sämtliche Monate ab Dezember 2006 aufgrund des Zuflussprinzips gem. § 2 Abs. 2 S. 1 der Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-V), aufgrund des § 30 SGB II sowie aufgrund von § 11 SGB II i.V.m. Alg II-V erforderlich ist.
Hierauf hat der Bevollmächtigte der Klägerinnen mitgeteilt, Einkommensnachweise des Herrn H ab August 2008 könnten nicht vorgelegt werden, da sich dieser weigere, seine Einkommensunterlagen auszuhändigen. Weitere Einkommensabrechungen der Frau H-S sind vorgelegt worden, wobei allerdings die Abrechnungen für die Zeit von November 2008 - Januar 2009 nicht vorgelegt werden konnten. Ferner hätten die Klägerinnen in der Zeit ab dem 01.12.2006 keine Einkünfte aus Ferien- und/oder Nebenjobs erzielt. Das Kindergeld hätte bis Dezember 2008 monatlich 308,00 EUR betragen und betrage ab Januar 2009 monatlich 328,00 EUR. Empfänger der Kindergeldzahlungen sei Frau H-S. Nachweise zur Länge und Häufigkeit der zurückgelegten Wege zur Arbeitsstätte könnten durch Herrn H aufgrund dessen Weigerung nicht vorgelegt werden. Frau H-S fahre mit dem Fahrrad zur Arbeit. Die Arbeitsstelle befinde sich in Wegberg. Abschlagszahlungsanforderungen des Energieversorgers West Energie und Verkehr vom 04.05.2006 und vom 05.05.2008 sowie die Jahresrechnungen der Firma West Energie und Verkehr vom 05.05.2008 und 05.05.2009 sind vorgelegt worden. Eine Nebenkostenabrechnung wurde nur für das Jahr 2007 vorgelegt. Herr H sei nicht bereit gewesen, seine Einkommensteuerbescheide vorzulegen, so dass diese nicht übersandt werden könnten. Frau H-S stehe nach wie vor in einem Aushilfs-Arbeitsverhältnis. Die Besteuerung erfolge pauschal durch den Arbeitgeber.
In der öffentlichen Sitzung des Senats vom 29.10.2009 hat die Mutter der Klägerinnen mitgeteilt, sie könne Einkommensteuerbescheide weder vorlegen, noch habe sie Kenntnis von deren Inhalt. Die Eheleute lebten zwar inm Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Zu den Einkommensverhältnissen könne sie nicht mehr mitteilen, als das, was bis jetzt bei den Akten sei. Kenntnis vom Einkommenssteuerbescheid habe sie nicht. Der als Zeuge geladene C H hat von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in der Zeit ab dem 01.12.2006.
Streitbefangen ist ein Anspruch der Klägerinnen auf Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.12.2006 bis zum Tag der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, also dem 29.10.2009. Dies folgt daraus, dass die Beklagte mit Bescheid vom 02.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2007 eine Leistungsgewährung für die Zeit ab dem 01.12.2006 ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt hat. Im Rahmen der hiergegen erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage hat daher der Senat einen Leistungsanspruch der Klägerinnen für die Zeit ab dem 01.12.2006 bis zum Tag der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, also dem 29.10.2009, zu prüfen (vgl. dazu auch Urteil des erkennenden Senats vom 08.11.2007, Az.: L 9 AS 36/06).
Ein solcher Anspruch besteht für den gesamten streitbefangenen Zeitraum nicht.
Auszugehen ist davon, dass die Klägerinnen, die weiterhin mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater in einem gemeinsamen Haushalt wohnen, gem. § 7 Abs. 3 Nr. 3 a und 4 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft bilden. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass auch die mit Ablauf des 21.04.2008 volljährig gewordene Klägerin zu 2), O S, mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und der Klägerin zu 1) - ihrer Schwester - über diesen Zeitraum hinaus weiterhin in Bedarfsgemeinschaft lebt. Denn gem. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II zu seiner ab dem 01.07.2006 geltenden Fassung (BGBl. I 2006, S. 558) sind die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder - beide Klägerinnen sind unverheiratet - vor Vollendung des 25. Lebensjahres Mitglied der Bedarfsgemeinschaft.
Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind das Einkommen und das Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist der Bedarf dieser Bedarfsgemeinschaft nicht aus eigenen Mitteln und Kräften (vollständig) gedeckt, ist jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf hilfebedürftig, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann und die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen erhält (vgl. § 9 Abs. 1 und 2 SGB II). Da die Klägerinnen selbst über kein eigenes Einkommen und /oder Vermögen verfügen, ist unter Berücksichtigung sowohl des Einkommens ihrer leiblichen Mutter als auch des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden Stiefvaters zu prüfen, ob die Klägerinnen hilfebedürftig sind. Insbesondere ist nach § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II auch das Einkommen des Stiefvaters C H auf den Hilfebedarf der Klägerinnen anzurechnen. Diese Regelung ist auch verfassungsgemäß, wie das Bundessozialgericht mit Urteil vom 13.11.2008 (Az.: B 14 AS 2/08 R Rn. 33 ff.) festgestellt hat. Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung an.
Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II sind in der Person des Stiefvaters der Klägerinnen erfüllt. Denn die Norm setzt lediglich das Zusammenleben der Kinder mit dem Partner einer über den leiblichen Elternteil (hier: der Mutter) vermittelten Bedarfsgemeinschaft voraus (BSG, a. a. O., Rn. 29). Ein solches Zusammenleben liegt hier vor.
Ein Einstandswille, wie ihn der Stiefvater C H mit Schriftstück vom 09.04.2001 jedenfalls seiner Auffassung nach wirksam abbedungen haben will, spielt dem gegenüber keine Rolle. Denn ein Einstandswille des Stiefvaters im Verhältnis zum Stiefkind ist bei § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II gerade nicht zu prüfen. Auf ihn kommt es vielmehr nicht an (BSG, a. a. O., Rn. 30). Ebenso unerheblich sind die tatsächliche Verteilung des Einkommens innerhalb der Bedarfsgemeinschaft sowie die Frage, ob und wie etwaige Unterhaltsansprüche realisiert werden. Vielmehr ist es innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft, in der die Kinder gegenüber dem Stiefvater keine Unterhaltsansprüche zivilrechtlicher Natur haben, Aufgabe des leiblichen Elternteils gem. Artikel 6 Abs. 2 S. 1 GG, dem Kind ausreichende Mittel zukommen zu lassen (BSG a. a. O., Rn. 31).
Somit ist die Hilfebedürftigkeit der Klägerinnen (§ 7 Abs. 1 S. 1 Rn. 3 SGB II) unter Berücksichtigung sowohl des Einkommens ihrer Mutter als auch des Einkommens ihres Stiefvaters zu überprüfen. Hierbei sind aufgrund des in § 2 Abs. 2 S. 1 Alg II-V niedergelegten Zufluss-Prinzips die monatlich zufließenden Einnahmen dem monatlichen Bedarf der Bedarfsgemeinschaft Monat für Monat von Dezember 2006 bis zum 29.10.2009 gegenüber zu stellen. Hingegen ist die Bildung eines Jahresdurchschnittsverdienstes entgegen dem Vorgehen der Beklagten in dem angefochtenem Bescheid gerade nicht zulässig.
Für die Zeit vom 01.08.2008 - 29.10.2009 scheitert ein Anspruch der Klägerinnen bereits daran, dass eine Hilfebedürftigkeit mangels Vorliegens der vollständigen Unterlagen zur Bedarfsberechnung nicht im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II positiv festgestellt werden kann. Ist es nämlich endgültig unmöglich, Hilfebedürftigkeit festzustellen, weil die Vorlage von Unterlagen zur Bedarfsberechnung endgültig verweigert wird, ist ein Leistungsanspruch für den Zeitraum, für den Unterlagen fehlen abzulehnen. Dies ist deshalb, weil sich Herr H für die Zeit ab dem 01.08.2008 geweigert hat, Einkommensunterlagen ab August 2008 vorzulegen, für die Zeit vom 01.08.2008 bis zum 29.10.2009 der Fall. Von einer Ernsthaftigkeit und Endgültigkeit dieser Weigerung geht der Senat aus. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass Herr H auch in seiner Vernehmung vor dem Senat am 29.10.2009 zum Beweisthema "Einkommens- und Vermögensverhältnisse" die Aussage unter Berufung auf sein Aussageverweigerungsrecht verweigert hat. Auch seine Ehefrau konnte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine Angaben hierzu machen. Sie lebt zwar mit ihrem Ehemann im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, gibt offensichtlich auch eine gemeinsame Steuererklärung ab, hat aber vor dem Senat versichert, nähere Einzelheiten nicht beitragen zu können. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten sieht der Senat nicht.
Für die Zeit vom 01.12.2006 - 31.07.2008 besteht ebenfalls kein Anspruch der Klägerinnen auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II, weil in der aus ihnen, ihrer Mutter und ihrem Stiefvater bestehenden Bedarfsgemeinschaft der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln, nämlich aus dem Einkommen der Mutter und des Stiefvaters, gedeckt war, sodass die Klägerinnen auch nicht im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig anzusehen sind (vgl. § 9 Abs. 2 S. 3 SGB II).
Bei der monatlichen Einkommensberechnung (§ 2 Abs. 2 S. 1 Alg II-V, s. o.) ist wie folgt vorzugehen: Einkommen ist zunächst das von der Mutter und vom Stiefvater erzielte Netto-Erwerbseinkommen (§ 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nrn. 1 und 2 SGB II). Ferner ist das Kindergeld als Einkommen der Eltern (hier: der sorgeberechtigten Mutter, an die es ausgezahlt wird) zu berücksichtigen (Mecke in Eicher/Spellbrink, 2. Auflage, 2008, Rn. 53 zu § 11 SGB II). Dieses wurde bis Dezember 2008 in Höhe von 308,00 EUR und wird ab Januar 2009 in Höhe von 328,00 EUR gezahlt.
Von diesem Einkommen sind mangels Nachweises höherer Ausgaben gem. § 11 Abs. 2 S. 2 und 3 SGB II zunächst 100,00 EUR pro Erwerbstätigen abzusetzen. Ferner sind gem. §§ 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 6, 30 S. 1 Nrn. 1 und 2, S. 2 SGB II vom Einkommen zwischen 101,01 EUR und 800,00 EUR 20 % (140,00 EUR) und vom Einkommen zwischen 801,01 EUR und 1.500,00 EUR 10 % (70,00 EUR) pro Einkommen erzielendem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft abzusetzen.
Ferner abzusetzen vom Einkommen ist pauschal 1/60 der steuerrechtlichen Werbungskostenpauschale (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 a bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 2 a Alg II-V in der jeweils anwendbaren Fassung), also 15,33 EUR (Mecke a. a. O., Rn. 19 zu § 13 SGB II).
Weiterhin abzusetzen sind 0,20 EUR je mit dem Pkw zurückgelegte Entfernungskilometer zur Arbeitsstätte unter der Voraussetzung, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar und wesentlich billiger war (§ 3 S. 1 Nr. 3 b Abs. 2 bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 2 Alg II-V in der jeweils anwendbaren Fassung).
Diesem Einkommen ist der Regelleistungsbedarf der Bedarfsgemeinschaft gegenüber zu stellen. Als Regelleistungsbedarf standen dem zunächst jeweils 311,00 EUR für Mutter und Stiefvater, 276,00 EUR für die Klägerin zu 2) und 207,00 EUR Sozialgeld für die Klägerin zu 1) (§§ 20 Abs. 2 S. 2, Abs. 3, 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 Abs. 1 SGB II), insgesamt also 1.105,00 EUR gegenüber. Dieser Bedarf hat sich mit Anhebung der anteiligen Regelleistung (gerechnet von 347,00 EUR bzw. 351,00 EUR) auf zunächst 2 x 312,00 EUR, 278,00 EUR für die Klägerin zu 2) und 208,00 EUR für die Klägerin zu 1) (1.111,00 EUR), dann auf 2 x 316,00 EUR, 281,00 EUR für die Klägerin zu 2) und 211,00 EUR für die Klägerin zu 1) (1.125,00 EUR) und ab Beginn des 15. Lebensjahres der Klägerin zu 1) mit Ablauf des 15.04.2009 auf 278,00 EUR statt 211,00 EUR (§§ 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 Abs. 2, 20 Abs. 2 SGB II) und damit auf insgesamt 1.192,00 EUR erhöht.
Ferner gehören zum Bedarf die angemessenen KdU im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II. Insoweit ist die Anmietung eines Hauses mit einer Wohnfläche von 130 m² zu einer Nettokaltmiete von 730,00 EUR (5,62 EUR pro m²) unangemessen. Angemessen ist vielmehr, wie das Sozialgericht richtig erkannt hat, für eine aus vier Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft die Anmietung einer 90 m² großen Wohnung (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, a. a. O., Rn. 43 zu § 23 SGB II n.w.N.). Betreffend den Mietpreis ist ausgehend von dieser Quadratmeterzahl nicht auf den örtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfesuchenden marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen (Lang/Link, a. a. O., Rn. 45 zu § 22 SGB II n.w.N.). Angemessen ist somit die Anmietung einer 90 m² großen Wohnung der Baujahre von 1981 - 1990 in einfacher Wohnlage. Für diese Wohnungen weist der Mietspiegel der Stadt Wegberg für den Zeitraum vom 16.01.2006 - 15.01.2008 eine Preisspanne von 4,30 EUR - 5,00 EUR und für die Zeit ab dem 16.01.2008 eine Preisspanne von 4,40 EUR - 5,10 EUR aus. Somit ergibt sich, wenn man die letztgenannte Preisspanne zugrunde legt, ein Mittelwert von 4,75 EUR, der als angemessene Nettokaltmiete pro m² anzusehen ist. Dieser Wert multipliziert mit 90 m² ergibt eine angemessene Nettokaltmiete von 427,50 EUR.
Unterlagen, die belegen würden, dass sich die ursprünglich mit 151,00 EUR angegebenen Heizkosten und die ursprünglich mit 100,00 EUR angegebene Nebenkosten geändert hätten, liegen nicht vor. Von diesen Werten ist daher für den gesamten hier zu prüfenden Zeitraum vom 01.12.2006 - 31.07.2008 auszugehen. Damit sind als angemessene KdU neben einer Nettokaltmiete von 427,50 EUR auch die anteilig auf einen Wohnraum von 90 m² gerechneten Heizkosten von 104,54 EUR und die - durch die Größe der Wohnung nicht zu beeinflussenden - Nebenkosten von 100,00 EUR anzusehen. Die angemessenen KdU betragen somit 632,04 EUR. Selbst ohne Abzug der Warmwasserkosten-Pauschale ergibt sich folglich auch unter Zugrundelegung des ab dem 16.04.2008 bestehenden Regelleistungsbedarf von 1.192,00 EUR ein Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft von 1.824,04 EUR.
Diesem Gesamtbedarf stand in jedem Monat der Zeit vom 01.12.2006 - 31.07.2008 diesen Bedarf übersteigendes Einkommen gegenüber. Dies ergibt sich bereits daraus, dass selbst in dem Monat, in dem das Netto-Einkommen des Stiefvaters mit 1.935,40 EUR am niedrigsten lag, nämlich im April 2007, das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft ausreichte, um den Bedarf zu decken. Für diesen Monat nämlich ergibt sich folgendes Bild:
Das Einkommen des Stiefvaters betrug 1.935,40 EUR. Hiervon sind gem. § 11 Abs. 2 S. 2 und 3 SGB II 100,00 EUR pauschal sowie gem. § 30 SGB II weitere 210,00 EUR abzuziehen. Ferner ist abzuziehen der pauschalierte Werbungskostenanteil mit 15,33 EUR. Hinsichtlich der Wegstrecke zur Arbeit verweigert der Stiefvater endgültig Angaben, sodass insoweit ein Abzug nicht vorzunehmen ist. Als Einkommen des Stiefvaters sind deshalb 1.610,07 EUR berücksichtigungsfähig. Ferner zu berücksichtigen ist das an die Mutter der Klägerinnen gezahlte Kindergeld in Höhe von 308,00 EUR. Zudem hatte sie in diesem Monat ein - ebenfalls ungewöhnlich niedriges - Erwerbseinkommen von 111,56 EUR erzielt. Ein Wegstreckenabzug ist nicht vorzunehmen, da die Mutter hierzu ebenfalls keine ausreichenden Angaben macht (Tage der Arbeitsleistung seit dem 01.12.2006 bis zum 29.10.2009, Entfernung Wohnung-Arbeitsstätte). Somit ergibt sich ein Gesamteinkommen der Mutter im April 2007 in Höhe von 419,56 EUR. Hiervon bleiben 100,00 EUR anrechnungsfrei, während weitere 63,81 EUR nach § 30 SGB II in Abzug zu bringen sind. Zum anrechenbaren Einkommen des Stiefvaters in Höhe von 1.610,07 EUR sind also noch 255,75 EUR anrechenbares Einkommen der Mutter hinzuzurechnen, sodass sich für den Monat April 2008 ein Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft von 1.865,82 EUR ergibt.
Dem gegenüber stehen für den Monat April 2008 ein Regelleistungs- und Sozialgeldbedarf von 1.105,00 EUR sowie die angemessenen KdU in Höhe von 632,04 EUR, insgesamt also - selbst ohne Abzug der Warmwasserkosten-Pauschale - ein Bedarf von 1.737,04 EUR.
Selbst in dem Monat, in dem insbesondere der Stiefvater, aber auch die Mutter der Klägerinnen ungewöhnlich wenig Einkommen erzielt haben, übersteigt demnach das Einkommen den Bedarf, so dass Hilfebedürftigkeit der Klägerinnen und damit ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II gerade nicht besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerinnen einen Anspruch gegen die Beklagte auf Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 01.12.2006 haben.
Die leibliche Mutter der Klägerinnen, Frau D H-S, ist seit dem 07.06.2001 mit Herrn C H verheiratet, der nicht der Kindsvater der Klägerinnen ist. Im Haushalt der Eheleute leben auch die am 00.00.1990 und 00.00.1994 geborenen Klägerinnen. Der Aufenthalt des leiblichen Vaters ist unbekannt. Unterhalt leistet er nicht.
Die Klägerinnen, ihre Mutter und Herr H leben seit dem 01.06.2005 in einem 130 m² großen Einfamilienhaus mit Garage zur Miete. Die monatliche Netto-Kaltmiete beträgt 730,00 EUR, die monatliche Nebenkostenpauschale ohne Heizkosten 100,00 EUR und die monatlichen Heizkosten seit Mitte 2006 151,00 EUR. Die Mutter bezog für die Klägerinnen Kindergeld in Höhe von zunächst 308,00 EUR, seit dem 01.01.2009 bezieht sie diese Leistung in Höhe von 328,00 EUR monatlich. Sie geht außerdem einer geringfügigen Beschäftigung bei der D nach, für die sie zwischen Dezember 2006 und Juli 2009 ein monatliches Gehalt zwischen 81,20 EUR und 280,44 EUR bezogen hat. Herr H ist bei der U GmbH beschäftigt. Einkommensnachweise hat er für die Monate Dezember 2006 bis Juli 2008 vorgelegt. Hiernach lag sein monatliches Nettoeinkommen zwischen 3.063,36 EUR und 1.935,40 EUR.
Die Mutter der Klägerinnen beantragte bereits 2003 mangels Unterhaltsleistungen des leiblichen Vaters für die Klägerinnen Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), die auch gewährt wurden. Im Rahmen der erstmaligen Beantragung von Leistungen nach dem SGB II legte die Mutter der Klägerinnen eine auf den 09.04.2001 datierte und unterschriebene Erklärung des Herrn H mit folgendem Inhalt vor:
"Unsere beabsichtige Eheschließung erfolgt unter der Voraussetzung, dass ich den Kindern meiner künftigen Ehefrau aus erster Ehe nicht zu Unterhaltsleistungen verpflichtet bin. Ich werde auch keine erbringen."
Nachdem die Beklagte zunächst Leistungen für die Klägerinnen mit Verweis auf das Einkommen des Herrn H abgelehnt hatte, gewährte sie ihnen nach einem entsprechenden rechtlichen Hinweis im Verfahren vor dem Sozialgericht Aachen zu Az.: S 15 AS 37/05 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung des Einkommens des Herrn H nur im Rahmen einer Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs. 5 SGB II.
Zum 01.06.2005 zogen die Klägerinnen und die Eheleute in das derzeit bewohnte Haus. Mit Schreiben vom 21.12.2005 wies die Beklagte darauf hin, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft unangemessen seien. Für einen 4-Personen-Haushalt sei lediglich eine 90 m² große Wohnung zu einem Preis von 455,00 EUR angemessen. Soweit die Unterkunftskosten nicht bis zum 01.07.2006 verringert würden, könnten nur noch die angemessenen Unterkunftskosten übernommen werden.
Bis November 2006 gewährte die Beklagte den Klägerinnnen weiter Leistungen. Auf ihren Fortzahlungsantrag vom 18.12.2006 hin forderte die Beklagte mit Hinweis auf eine Gesetzesänderung zum 01.08.2006 aktuelle Einkommensbelege des Herrn H an. Die Mutter der Klägerinnen erklärte unter dem 15.12.2006, ihr Ehemann zahle keinen Unterhalt für die Klägerinnen, da es nicht seine Kinder seien.
Mangels Vorlage der angeforderten Unterlagen versagte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 02.01.2007 Leistungen ab Dezember 2006 nach den §§ 60, 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) wegen mangelnder Mitwirkung. Auf den Widerspruch der Klägerinnen hiergegen vom 09.01.2007 und Vorlage der angeforderten Einkommensbescheinigungen des Herrn H lehnte die Beklagte den Fortzahlungsantrag ab dem 01.12.2006 mit Bescheid vom 02.02.2007 ab. Unter Berücksichtigung des Einkommens des Herrn H bestehe keine Hilfebedürftigkeit. Bei der zugrunde liegenden Leistungsberechnung berücksichtigte die Beklagte Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe von 721,72 EUR.
Am 15.02.2007 legten die Klägerinnen hiergegen Widerspruch ein. Das Einkommen des Herrn H sei nicht auf ihren Bedarf anzurechnen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2007 zurück. Gem. § 9 Abs. 2 SGB II in seiner ab dem 01.08.2006 gültigen Fassung sei auf den Bedarf minderjähriger Kinder nicht nur das Einkommen ihrer Eltern, sondern auch das Einkommen des mit einem Elternteil in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners anzurechnen. Als Kosten der Unterkunft könnten sogar nur 543,20 EUR (Netto-Kaltmiete zzgl. Nebenkosten = 455,00 EUR + Heizkosten in Höhe von 88,20 EUR) übernommen werden. Es ergebe sich sodann ein Gesamtbedarf von 1.648,20 EUR, während Herr Gelissen 2006 im Durchschnitt 2.270,41 EUR verdient habe. Unter Berücksichtigung von Freibeträgen einerseits und dem hinzuzurechnenden Kindergeld andererseits ergebe sich ein Einkommen von 2.268,41 EUR monatlich, das den Bedarf deutlich übersteige.
Hiergegen haben die Klägerinnen am 03.05.2007 Klage erhoben und vorgetragen, eine Anrechnung des Einkommens des Herrn H auf ihren Bedarf könne schon deshalb nicht erfolgen, weil Herr H ihnen gegenüber nicht unterhaltspflichtig sei. Die fehlende Unterhaltspflicht dürfe nicht über den Umweg des SGB II unterlaufen werden. Herr H habe sie nicht adoptiert. Im Wesentlichen würden sie, die Klägerinnen, auch durch ihre Mutter erzogen. Gelegentlich kümmere sich aber auch Herr H um sie. Das Verhältnis zwischen ihnen sei gut. Der gemeinsame Lebensunterhalt der Klägerinnen und der Eheleute werde aus einem Topf bezahlt. Das gelte auch für Nahrungsmittel und Kleidung der Klägerinnen.
Die Klägerinnen haben beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2007 zu verurteilen, ihnen ab dem 01.12.2006 SGB II-Leistungen ohne Anrechnung des Einkommens des Herrn H zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft sowie ergänzend vorgetragen, zivilrechtliche Vereinbarungen zwischen den Eheleuten seien für die Frage, ob SGB II-Leistungen zu gewähren seien, unbeachtlich.
Im Klageverfahren haben die Klägerinnen einen Kontoauszug vorgelegt, der eine Mietzahlung für April 2008 (einschließlich Nebenkostenvorauszahlung) von 850,00 EUR ausweist. Ferner haben sie ein Schreiben des Energieversorgers West Energie vorgelegt, nach dem der ab Mai 2005 zu zahlende monatliche Abschlag für Strom und Gas 218,00 EUR beträgt. Zudem haben sie eine für das Jahr 2006 1.688,34 EUR ausweisende Nebenkostenabrechnung vorgelegt.
Mit Urteil vom 28.01.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Eheleute und die Klägerinnen bildeten nach § 7 Abs. 3 Nrn. 3 a und 4 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft, in der wegen § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II in seiner seit dem 01.08.2006 geltenden und verfassungsgemäßen Fassung auf den Bedarf der Klägerinnen auch das Einkommen des Stiefvaters anzurechnen sei. Dessen Einkommen führe aber selbst unter Zugrundelegung der wohl unangemessenen hohen Unterkunftskosten dazu, dass eine Hilfebedürftigkeit der Klägerinnen nicht bestehe.
Gegen dieses am 12.03.2008 zugestellte Urteil richtet sich die von den Klägerinnen am 11.04.2008 eingelegte Berufung. De facto würde die Familie zwar von Herrn H unterhalten, eine Verpflichtung hierzu habe er aber vor der Eheschließung ausgeschlossen. Dies dürfe durch die Verweigerung von Leistungen nach dem SGB II wegen einer Anrechnung des Einkommens des Herrn H nicht unterlaufen werden. Soweit § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II Gegenteiliges gebieten solle, stelle dies einen Eingriff in Artikel 6 Grundgesetz (GG) dar.
Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 28.01.2008 zu ändern und die Beklagte unter entsprechende Aufhebung des Bescheides vom 02.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2007 zu verurteilen, ihnen ab dem 01.12.2006 Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Einkommens des Stiefvaters zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig. Nach den vom Senat angeforderten Berechnungen der Beklagten sei bei einer Anrechnung des Einkommens des Herrn H niemand in der aus den Eheleuten und den Klägerinnen bestehende Bedarfsgemeinschaft bedürftig. Dessen Einkommen sei, so die Beklagte, gem. dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.11.2008, Az.: B 14 AS 2/08 R, anrechenbar.
In der nicht öffentlichen Sitzung des Senats vom 25.06.2009 sind die Klägerinnen darauf hingewiesen worden, dass aufgrund des soeben zitierten Urteils des BSG das Einkommen des Stiefvaters auf ihren Bedarf anzurechnen sein dürfe. Die Klägerinnen sind in diesem Termin ferner aufgefordert worden, Unterlagen zwecks Berechnung der Unterkunftskosten und des anrechenbaren Einkommens für die Zeit ab dem 01.12.2006 vollständig vorzulegen.
In der öffentlichen Sitzung des 9. Senats vom 06.08.2009 ist für die Klägerinnen niemand erschienen, was zur Vertagung geführt hat. Im Anschluss daran sind die Klägerinnen aufgefordert worden, folgende Unterlagen vorzulegen:
1.Einkommensnachweise Herrn Gellissens ab August 2008 bis aktuell 2.Einkommensnachweise Frau H-S ab Juli 2008 bis aktuell 3.Etwaige Einkommensnachweise (z. B. aus Ferien- und/oder Nebenjobs) der Klägerinnen aus der Zeit ab dem 01.12.2006 bis aktuell 4.Nachweise darüber, an wen in welchen Zeiträumen und welcher Höhe für die Klägerinnen Kindergeld gezahlt worden ist, ab Dezember 2006 bis aktuell 5.Nachweise zur Länge und Häufigkeit der zurückgelegten Wege zur Arbeitsstätte für jeden Tag der tatsächlichen Arbeitserbringung ab dem 01.12.2006 bis aktuell durch Herrn H und Frau H-S sowie - eventuell - der Klägerinnen sowie eine Erklärung dazu, ob die Wegstrecken mit Pkw, Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln (Ticketpreise?) zurückgelegt worden sind 6.Nachweise über die monatlichen Energiekosten und Abschläge (aufgeführt nach Gas, Wasser und Strom) ab dem 01.12.2006 bis aktuell 7.Nachweise über Nachforderungen bzw. Guthabenauszahlungen betreffend die Energiekosten durch den/die Energieversorger ab dem 01.12.2006 bis aktuell 8.Nachweise über Nebenkostennachforderungen bzw. - erstattungen des Vermieters einschließlich Nachweise über deren tatsächliche Auszahlung bzw. Nachzahlung 9.Zwecks Überprüfung etwaiger Steuernachzahlungen bzw. Steuererstattungen alle Einkommensteuerbescheide betreffend Herrn H und Frau H-S sowie - eventuell - der Klägerinnen ab 2006 bis aktuell.
Es ist ferner darauf hingewiesen worden, dass die Vorlage sämtlicher Unterlagen der genannten Personen für sämtliche Monate ab Dezember 2006 aufgrund des Zuflussprinzips gem. § 2 Abs. 2 S. 1 der Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-V), aufgrund des § 30 SGB II sowie aufgrund von § 11 SGB II i.V.m. Alg II-V erforderlich ist.
Hierauf hat der Bevollmächtigte der Klägerinnen mitgeteilt, Einkommensnachweise des Herrn H ab August 2008 könnten nicht vorgelegt werden, da sich dieser weigere, seine Einkommensunterlagen auszuhändigen. Weitere Einkommensabrechungen der Frau H-S sind vorgelegt worden, wobei allerdings die Abrechnungen für die Zeit von November 2008 - Januar 2009 nicht vorgelegt werden konnten. Ferner hätten die Klägerinnen in der Zeit ab dem 01.12.2006 keine Einkünfte aus Ferien- und/oder Nebenjobs erzielt. Das Kindergeld hätte bis Dezember 2008 monatlich 308,00 EUR betragen und betrage ab Januar 2009 monatlich 328,00 EUR. Empfänger der Kindergeldzahlungen sei Frau H-S. Nachweise zur Länge und Häufigkeit der zurückgelegten Wege zur Arbeitsstätte könnten durch Herrn H aufgrund dessen Weigerung nicht vorgelegt werden. Frau H-S fahre mit dem Fahrrad zur Arbeit. Die Arbeitsstelle befinde sich in Wegberg. Abschlagszahlungsanforderungen des Energieversorgers West Energie und Verkehr vom 04.05.2006 und vom 05.05.2008 sowie die Jahresrechnungen der Firma West Energie und Verkehr vom 05.05.2008 und 05.05.2009 sind vorgelegt worden. Eine Nebenkostenabrechnung wurde nur für das Jahr 2007 vorgelegt. Herr H sei nicht bereit gewesen, seine Einkommensteuerbescheide vorzulegen, so dass diese nicht übersandt werden könnten. Frau H-S stehe nach wie vor in einem Aushilfs-Arbeitsverhältnis. Die Besteuerung erfolge pauschal durch den Arbeitgeber.
In der öffentlichen Sitzung des Senats vom 29.10.2009 hat die Mutter der Klägerinnen mitgeteilt, sie könne Einkommensteuerbescheide weder vorlegen, noch habe sie Kenntnis von deren Inhalt. Die Eheleute lebten zwar inm Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Zu den Einkommensverhältnissen könne sie nicht mehr mitteilen, als das, was bis jetzt bei den Akten sei. Kenntnis vom Einkommenssteuerbescheid habe sie nicht. Der als Zeuge geladene C H hat von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in der Zeit ab dem 01.12.2006.
Streitbefangen ist ein Anspruch der Klägerinnen auf Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.12.2006 bis zum Tag der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, also dem 29.10.2009. Dies folgt daraus, dass die Beklagte mit Bescheid vom 02.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2007 eine Leistungsgewährung für die Zeit ab dem 01.12.2006 ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt hat. Im Rahmen der hiergegen erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage hat daher der Senat einen Leistungsanspruch der Klägerinnen für die Zeit ab dem 01.12.2006 bis zum Tag der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, also dem 29.10.2009, zu prüfen (vgl. dazu auch Urteil des erkennenden Senats vom 08.11.2007, Az.: L 9 AS 36/06).
Ein solcher Anspruch besteht für den gesamten streitbefangenen Zeitraum nicht.
Auszugehen ist davon, dass die Klägerinnen, die weiterhin mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater in einem gemeinsamen Haushalt wohnen, gem. § 7 Abs. 3 Nr. 3 a und 4 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft bilden. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass auch die mit Ablauf des 21.04.2008 volljährig gewordene Klägerin zu 2), O S, mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und der Klägerin zu 1) - ihrer Schwester - über diesen Zeitraum hinaus weiterhin in Bedarfsgemeinschaft lebt. Denn gem. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II zu seiner ab dem 01.07.2006 geltenden Fassung (BGBl. I 2006, S. 558) sind die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder - beide Klägerinnen sind unverheiratet - vor Vollendung des 25. Lebensjahres Mitglied der Bedarfsgemeinschaft.
Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind das Einkommen und das Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist der Bedarf dieser Bedarfsgemeinschaft nicht aus eigenen Mitteln und Kräften (vollständig) gedeckt, ist jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf hilfebedürftig, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann und die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen erhält (vgl. § 9 Abs. 1 und 2 SGB II). Da die Klägerinnen selbst über kein eigenes Einkommen und /oder Vermögen verfügen, ist unter Berücksichtigung sowohl des Einkommens ihrer leiblichen Mutter als auch des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden Stiefvaters zu prüfen, ob die Klägerinnen hilfebedürftig sind. Insbesondere ist nach § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II auch das Einkommen des Stiefvaters C H auf den Hilfebedarf der Klägerinnen anzurechnen. Diese Regelung ist auch verfassungsgemäß, wie das Bundessozialgericht mit Urteil vom 13.11.2008 (Az.: B 14 AS 2/08 R Rn. 33 ff.) festgestellt hat. Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung an.
Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II sind in der Person des Stiefvaters der Klägerinnen erfüllt. Denn die Norm setzt lediglich das Zusammenleben der Kinder mit dem Partner einer über den leiblichen Elternteil (hier: der Mutter) vermittelten Bedarfsgemeinschaft voraus (BSG, a. a. O., Rn. 29). Ein solches Zusammenleben liegt hier vor.
Ein Einstandswille, wie ihn der Stiefvater C H mit Schriftstück vom 09.04.2001 jedenfalls seiner Auffassung nach wirksam abbedungen haben will, spielt dem gegenüber keine Rolle. Denn ein Einstandswille des Stiefvaters im Verhältnis zum Stiefkind ist bei § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II gerade nicht zu prüfen. Auf ihn kommt es vielmehr nicht an (BSG, a. a. O., Rn. 30). Ebenso unerheblich sind die tatsächliche Verteilung des Einkommens innerhalb der Bedarfsgemeinschaft sowie die Frage, ob und wie etwaige Unterhaltsansprüche realisiert werden. Vielmehr ist es innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft, in der die Kinder gegenüber dem Stiefvater keine Unterhaltsansprüche zivilrechtlicher Natur haben, Aufgabe des leiblichen Elternteils gem. Artikel 6 Abs. 2 S. 1 GG, dem Kind ausreichende Mittel zukommen zu lassen (BSG a. a. O., Rn. 31).
Somit ist die Hilfebedürftigkeit der Klägerinnen (§ 7 Abs. 1 S. 1 Rn. 3 SGB II) unter Berücksichtigung sowohl des Einkommens ihrer Mutter als auch des Einkommens ihres Stiefvaters zu überprüfen. Hierbei sind aufgrund des in § 2 Abs. 2 S. 1 Alg II-V niedergelegten Zufluss-Prinzips die monatlich zufließenden Einnahmen dem monatlichen Bedarf der Bedarfsgemeinschaft Monat für Monat von Dezember 2006 bis zum 29.10.2009 gegenüber zu stellen. Hingegen ist die Bildung eines Jahresdurchschnittsverdienstes entgegen dem Vorgehen der Beklagten in dem angefochtenem Bescheid gerade nicht zulässig.
Für die Zeit vom 01.08.2008 - 29.10.2009 scheitert ein Anspruch der Klägerinnen bereits daran, dass eine Hilfebedürftigkeit mangels Vorliegens der vollständigen Unterlagen zur Bedarfsberechnung nicht im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II positiv festgestellt werden kann. Ist es nämlich endgültig unmöglich, Hilfebedürftigkeit festzustellen, weil die Vorlage von Unterlagen zur Bedarfsberechnung endgültig verweigert wird, ist ein Leistungsanspruch für den Zeitraum, für den Unterlagen fehlen abzulehnen. Dies ist deshalb, weil sich Herr H für die Zeit ab dem 01.08.2008 geweigert hat, Einkommensunterlagen ab August 2008 vorzulegen, für die Zeit vom 01.08.2008 bis zum 29.10.2009 der Fall. Von einer Ernsthaftigkeit und Endgültigkeit dieser Weigerung geht der Senat aus. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass Herr H auch in seiner Vernehmung vor dem Senat am 29.10.2009 zum Beweisthema "Einkommens- und Vermögensverhältnisse" die Aussage unter Berufung auf sein Aussageverweigerungsrecht verweigert hat. Auch seine Ehefrau konnte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine Angaben hierzu machen. Sie lebt zwar mit ihrem Ehemann im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, gibt offensichtlich auch eine gemeinsame Steuererklärung ab, hat aber vor dem Senat versichert, nähere Einzelheiten nicht beitragen zu können. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten sieht der Senat nicht.
Für die Zeit vom 01.12.2006 - 31.07.2008 besteht ebenfalls kein Anspruch der Klägerinnen auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II, weil in der aus ihnen, ihrer Mutter und ihrem Stiefvater bestehenden Bedarfsgemeinschaft der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln, nämlich aus dem Einkommen der Mutter und des Stiefvaters, gedeckt war, sodass die Klägerinnen auch nicht im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig anzusehen sind (vgl. § 9 Abs. 2 S. 3 SGB II).
Bei der monatlichen Einkommensberechnung (§ 2 Abs. 2 S. 1 Alg II-V, s. o.) ist wie folgt vorzugehen: Einkommen ist zunächst das von der Mutter und vom Stiefvater erzielte Netto-Erwerbseinkommen (§ 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nrn. 1 und 2 SGB II). Ferner ist das Kindergeld als Einkommen der Eltern (hier: der sorgeberechtigten Mutter, an die es ausgezahlt wird) zu berücksichtigen (Mecke in Eicher/Spellbrink, 2. Auflage, 2008, Rn. 53 zu § 11 SGB II). Dieses wurde bis Dezember 2008 in Höhe von 308,00 EUR und wird ab Januar 2009 in Höhe von 328,00 EUR gezahlt.
Von diesem Einkommen sind mangels Nachweises höherer Ausgaben gem. § 11 Abs. 2 S. 2 und 3 SGB II zunächst 100,00 EUR pro Erwerbstätigen abzusetzen. Ferner sind gem. §§ 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 6, 30 S. 1 Nrn. 1 und 2, S. 2 SGB II vom Einkommen zwischen 101,01 EUR und 800,00 EUR 20 % (140,00 EUR) und vom Einkommen zwischen 801,01 EUR und 1.500,00 EUR 10 % (70,00 EUR) pro Einkommen erzielendem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft abzusetzen.
Ferner abzusetzen vom Einkommen ist pauschal 1/60 der steuerrechtlichen Werbungskostenpauschale (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 a bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 2 a Alg II-V in der jeweils anwendbaren Fassung), also 15,33 EUR (Mecke a. a. O., Rn. 19 zu § 13 SGB II).
Weiterhin abzusetzen sind 0,20 EUR je mit dem Pkw zurückgelegte Entfernungskilometer zur Arbeitsstätte unter der Voraussetzung, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar und wesentlich billiger war (§ 3 S. 1 Nr. 3 b Abs. 2 bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 2 Alg II-V in der jeweils anwendbaren Fassung).
Diesem Einkommen ist der Regelleistungsbedarf der Bedarfsgemeinschaft gegenüber zu stellen. Als Regelleistungsbedarf standen dem zunächst jeweils 311,00 EUR für Mutter und Stiefvater, 276,00 EUR für die Klägerin zu 2) und 207,00 EUR Sozialgeld für die Klägerin zu 1) (§§ 20 Abs. 2 S. 2, Abs. 3, 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 Abs. 1 SGB II), insgesamt also 1.105,00 EUR gegenüber. Dieser Bedarf hat sich mit Anhebung der anteiligen Regelleistung (gerechnet von 347,00 EUR bzw. 351,00 EUR) auf zunächst 2 x 312,00 EUR, 278,00 EUR für die Klägerin zu 2) und 208,00 EUR für die Klägerin zu 1) (1.111,00 EUR), dann auf 2 x 316,00 EUR, 281,00 EUR für die Klägerin zu 2) und 211,00 EUR für die Klägerin zu 1) (1.125,00 EUR) und ab Beginn des 15. Lebensjahres der Klägerin zu 1) mit Ablauf des 15.04.2009 auf 278,00 EUR statt 211,00 EUR (§§ 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 Abs. 2, 20 Abs. 2 SGB II) und damit auf insgesamt 1.192,00 EUR erhöht.
Ferner gehören zum Bedarf die angemessenen KdU im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II. Insoweit ist die Anmietung eines Hauses mit einer Wohnfläche von 130 m² zu einer Nettokaltmiete von 730,00 EUR (5,62 EUR pro m²) unangemessen. Angemessen ist vielmehr, wie das Sozialgericht richtig erkannt hat, für eine aus vier Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft die Anmietung einer 90 m² großen Wohnung (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, a. a. O., Rn. 43 zu § 23 SGB II n.w.N.). Betreffend den Mietpreis ist ausgehend von dieser Quadratmeterzahl nicht auf den örtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfesuchenden marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen (Lang/Link, a. a. O., Rn. 45 zu § 22 SGB II n.w.N.). Angemessen ist somit die Anmietung einer 90 m² großen Wohnung der Baujahre von 1981 - 1990 in einfacher Wohnlage. Für diese Wohnungen weist der Mietspiegel der Stadt Wegberg für den Zeitraum vom 16.01.2006 - 15.01.2008 eine Preisspanne von 4,30 EUR - 5,00 EUR und für die Zeit ab dem 16.01.2008 eine Preisspanne von 4,40 EUR - 5,10 EUR aus. Somit ergibt sich, wenn man die letztgenannte Preisspanne zugrunde legt, ein Mittelwert von 4,75 EUR, der als angemessene Nettokaltmiete pro m² anzusehen ist. Dieser Wert multipliziert mit 90 m² ergibt eine angemessene Nettokaltmiete von 427,50 EUR.
Unterlagen, die belegen würden, dass sich die ursprünglich mit 151,00 EUR angegebenen Heizkosten und die ursprünglich mit 100,00 EUR angegebene Nebenkosten geändert hätten, liegen nicht vor. Von diesen Werten ist daher für den gesamten hier zu prüfenden Zeitraum vom 01.12.2006 - 31.07.2008 auszugehen. Damit sind als angemessene KdU neben einer Nettokaltmiete von 427,50 EUR auch die anteilig auf einen Wohnraum von 90 m² gerechneten Heizkosten von 104,54 EUR und die - durch die Größe der Wohnung nicht zu beeinflussenden - Nebenkosten von 100,00 EUR anzusehen. Die angemessenen KdU betragen somit 632,04 EUR. Selbst ohne Abzug der Warmwasserkosten-Pauschale ergibt sich folglich auch unter Zugrundelegung des ab dem 16.04.2008 bestehenden Regelleistungsbedarf von 1.192,00 EUR ein Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft von 1.824,04 EUR.
Diesem Gesamtbedarf stand in jedem Monat der Zeit vom 01.12.2006 - 31.07.2008 diesen Bedarf übersteigendes Einkommen gegenüber. Dies ergibt sich bereits daraus, dass selbst in dem Monat, in dem das Netto-Einkommen des Stiefvaters mit 1.935,40 EUR am niedrigsten lag, nämlich im April 2007, das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft ausreichte, um den Bedarf zu decken. Für diesen Monat nämlich ergibt sich folgendes Bild:
Das Einkommen des Stiefvaters betrug 1.935,40 EUR. Hiervon sind gem. § 11 Abs. 2 S. 2 und 3 SGB II 100,00 EUR pauschal sowie gem. § 30 SGB II weitere 210,00 EUR abzuziehen. Ferner ist abzuziehen der pauschalierte Werbungskostenanteil mit 15,33 EUR. Hinsichtlich der Wegstrecke zur Arbeit verweigert der Stiefvater endgültig Angaben, sodass insoweit ein Abzug nicht vorzunehmen ist. Als Einkommen des Stiefvaters sind deshalb 1.610,07 EUR berücksichtigungsfähig. Ferner zu berücksichtigen ist das an die Mutter der Klägerinnen gezahlte Kindergeld in Höhe von 308,00 EUR. Zudem hatte sie in diesem Monat ein - ebenfalls ungewöhnlich niedriges - Erwerbseinkommen von 111,56 EUR erzielt. Ein Wegstreckenabzug ist nicht vorzunehmen, da die Mutter hierzu ebenfalls keine ausreichenden Angaben macht (Tage der Arbeitsleistung seit dem 01.12.2006 bis zum 29.10.2009, Entfernung Wohnung-Arbeitsstätte). Somit ergibt sich ein Gesamteinkommen der Mutter im April 2007 in Höhe von 419,56 EUR. Hiervon bleiben 100,00 EUR anrechnungsfrei, während weitere 63,81 EUR nach § 30 SGB II in Abzug zu bringen sind. Zum anrechenbaren Einkommen des Stiefvaters in Höhe von 1.610,07 EUR sind also noch 255,75 EUR anrechenbares Einkommen der Mutter hinzuzurechnen, sodass sich für den Monat April 2008 ein Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft von 1.865,82 EUR ergibt.
Dem gegenüber stehen für den Monat April 2008 ein Regelleistungs- und Sozialgeldbedarf von 1.105,00 EUR sowie die angemessenen KdU in Höhe von 632,04 EUR, insgesamt also - selbst ohne Abzug der Warmwasserkosten-Pauschale - ein Bedarf von 1.737,04 EUR.
Selbst in dem Monat, in dem insbesondere der Stiefvater, aber auch die Mutter der Klägerinnen ungewöhnlich wenig Einkommen erzielt haben, übersteigt demnach das Einkommen den Bedarf, so dass Hilfebedürftigkeit der Klägerinnen und damit ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II gerade nicht besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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NRW
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