L 2 AL 59/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 8 AL 242/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 59/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Rückforderung nach § 48 SGB X
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt 5% der außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch über die Aufhebung und Rückforderung von Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum 1. September 2002 bis 31. Januar 2003 in einer Gesamthöhe von 3.136,50 EUR.

Die am ... 1943 geborene Klägerin hat den Beruf der Verkäuferin gelernt. Sie war von 1983 bis 1996 als Bürokraft im Speditionsunternehmen ihres Ehemannes beschäftigt. Hierbei erledigte sie den Schrift- und Zahlungsverkehrs sowie die Vorbereitung der Buchführung. Sie verdiente damals 3.000,00 DM monatlich. Vom 16. Oktober 1996 bis zum 30. April 1998 war sie arbeitslos und ab dem 1. Mai 1998 wiederum als Bürokraft im Betrieb ihres Ehemannes tätig. Die Klägerin war seit dem 8. November 1999 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Ihr 78-wöchiger Krankengeldanspruch endete am 30. April 2000. Am 19. Mai 2000 beantragte die Klägerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Sie stellte einen Antrag auf Arbeitslosengeld nach § 125 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III).

Die Klägerin bezog ab dem 3. Mai 2000 bis zur Erschöpfung ihres Anspruches am 21. Juni 2002 Arbeitslosengeld von der Beklagten. Mit Bescheid vom 22. August 2001 lehnte der Rentenversicherungsträger eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit ab, wogegen die Klägerin Widerspruch erhob.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2002 bewilligte die Beklagte der damals verheirateten Klägerin ab dem 22. Juni 2002 bis 21. Juni 2003 Arbeitslosenhilfe nach einem gerundeten Bemessungsentgelt von 360,00 EUR wöchentlich in der Leistungsgruppe C/allgemeiner Leistungssatz in Höhe von 151,76 EUR wöchentlich bzw. 21,68 EUR täglich.

Am 17. Juli 2002 teilte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte der Beklagten mit, dass der Klägerin rückwirkend ab dem 1. Dezember 2000 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuerkannt wurde und ab dem 1. September 2002 laufend gezahlt werde. Die laufende Rente ab dem 1. September 2002 betrug 640,95 EUR monatlich. Auf Seite 2 der Mitteilung für die Beklagte findet sich die Erläuterung, dass für die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Leistungsvermögen von halbschichtig und mehr bestehe. Die Nachzahlung für den Zeitraum 1. Dezember 2000 bis zum 31. August 2002 behielt der Rentenversicherungsträger vorläufig ein, da die Ansprüche anderer Stellen, die im Nachzahlungszeitraum bereits Zahlungen geleistet hätten, abschließend zu klären seien.

Die Beklagte sandte der Klägerin ihren Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis) zurück und stellte am 4. Oktober 2002 die Zahlung der Arbeitslosenhilfe ab dem 1. Oktober 2002 vorläufig ein.

Die Beklagte ging zunächst davon aus, dass der Klägerin lediglich eine Berufsunfähigkeitsrente bzw. Teilerwerbsminderungsrente gewährt worden sei und gab intern bei der Abteilung Arbeitsverwaltung und Arbeitsberatung eine Prüfung des erzielbaren Arbeitsentgeltes unter Berücksichtigung der Einschränkung des Leistungsvermögens in Auftrag. Mit Bescheid vom 21. Oktober 2002 bewilligte sie der Klägerin (erneut) Arbeitslosenhilfe in gleicher Höhe mit dem gleichen Leistungszeitraum wie im Bescheid vom 17. Juli 2002. Zunächst verblieb es bei der Zahlungseinstellung. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Zahlungen der Arbeitslosenhilfe wieder aufgenommen würden. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: "Die Zahlungen des/der ihnen bewilligten Arbeitslosenhilfe wurden am 4. Oktober 2002 vorläufig eingestellt, weil mir Tatsachen bekannt geworden sind, die zum Ruhen bzw. Wegfall des Anspruchs auf diese Leistung führen.

Da aber der Bewilligungsbescheid nicht innerhalb von zwei Monaten nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben worden ist, muss ich nach § 331 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch die vorläufig eingestellte Leistung nachzahlen. Dies habe ich veranlasst.

Ich weise jedoch ausdrücklich darauf hin, dass aus dieser Nachzahlung und eventuellen weiteren Zahlungen nicht geschlossen werden kann, dass auch die Voraussetzungen dafür vorgelegen haben. Sollte danach festgestellt werden, dass der Leistungsanspruch zum Ruhen gekommen oder weggefallen ist, ergeht noch ein Aufhebungsbescheid. Die davon erfassten Leistungen sind dann von Ihnen zu erstatten."

Am 15. Dezember 2002 wies die Beklagte die Arbeitslosenhilfe der Klägerin aus dem Zeitraum 1. Oktober 2002 bis 30. November 2002 zur Zahlung an. Am 14. Januar 2003 fand ein Gespräch über die Vermittelbarkeit der Klägerin bei der Beklagten statt. Mit Änderungsbescheid vom 18. Januar 2003 änderte die Beklagte die Leistungshöhe in Anwendung der Leistungsentgeltverordnung 2003 ab. Der wöchentliche Leistungsbetrag betrug nunmehr 150,99 EUR (täglich 21,57 EUR).

Ab dem 1. Februar 2003 stellte die Beklagte die Zahlung an die Klägerin erneut vorläufig ein. Mit Schreiben vom 5. Februar 2003 hörte sie die Klägerin dazu an, dass sie in der Zeit vom 1. September 2002 bis 31. Januar 2003 Arbeitslosenhilfe in Höhe von 3.313,63 EUR zu Unrecht bezogen habe. Dies begründete sie wie folgt: Mit Zuerkennung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit habe kein Anspruch mehr auf Arbeitslosenhilfe bestanden, sodass eine Überzahlung eingetreten sei. Die Klägerin hätte erkennen können, dass die Voraussetzungen für die Leistungen nicht mehr vorgelegen hätten. Über die Tatbestände, unter denen die Anspruchsvoraussetzungen wegfielen, sei sie durch das Merkblatt für Arbeitslose unterrichtet worden.

Die Klägerin wies darauf hin, dass sie ihres Erachtens Arbeitslosenhilfe zu Recht bezogen habe. Sie habe davon ausgehen dürfen, dass die Zahlung ihre Richtigkeit habe, wenn die Beklagte die Zahlungen anweise und auszahle. In ihrem Falle habe die Beklagte zunächst die Zahlungen eingestellt und die Rechtmäßigkeit der Zahlung überprüft und nach der Überprüfung ihr mitgeteilt, dass ihr die Arbeitslosenhilfe zustehe und sie die Zahlungen angewiesen habe.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 30. April 2003 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 1. September 2002 auf und forderte die Klägerin zur Erstattung der von ihr zu Unrecht bezogenen Arbeitslosenhilfe in Höhe von 3.313,63 EUR sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 713,95 EUR auf. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung wiederholte sie die bisherige Argumentation und fügt zum Beleg den Kurzbrief zur Übersendung des SV-Ausweises vom 26. September 2002, das Schreiben vom 5. Dezember 2002 zur Wiederaufnahme der Zahlung von Arbeitslosenhilfe, die Einladung der Beklagten über ihr Bewerberangebot bzw. ihre berufliche Situation zu sprechen vom 10. Januar 2003 und den Änderungsbescheid vom 18. Januar 2003 bei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die Klägerin habe bei Beachtung ihrer Sorgfaltspflicht zumindest wissen müssen, dass der Leistungsanspruch ruhe oder ganz oder teilweise weggefallen sei. Sie hätte durch Anstellen einfachster Überlegungen erkennen können, dass nach Zuerkennung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit kein weiterer Anspruch auf Leistungen des Arbeitsamtes bestanden habe.

Hiergegen hat die Klägerin am 23. April 2004 Klage beim Sozialgericht Dessau (nunmehr Sozialgericht Dessau-Roßlau; künftig: SG) erhoben. Zur Begründung hat die Klägerin den Sachverhalt, wie er sich ihr dargestellt hat, noch einmal geschildert: Die Versicherungskarte sei ihr zurückgeschickt worden mit dem Vermerk "Bezug von Rente". Das Geld (Alhi) sei zunächst eingestellt worden. Zwei Monate später sei ihr mitgeteilt worden, dass es überprüft worden sei und das Geld ihr zustehe. Es sei ihr das Geld dann nachgezahlt und laufend weiter überwiesen worden. Bei ihrer Meldung auf dem Arbeitsamt sei ihr mitgeteilt worden, dass sie nur noch für 20 Stunden in der Woche vermittelbar sei. Danach sei dann ein neuer Bewilligungsbescheid gekommen.

Mit Urteil vom 28. April 2006 hat das SG der Klage teilweise stattgegeben, soweit es die Rückforderung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung betraf. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Durch die Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeitsrente sei eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, da bei Bewilligung der Arbeitslosenhilfe vom 17. Juni 2002 die Rente noch nicht zuerkannt worden war. Durch den Rentenversicherungsträger sei festgestellt, dass die Klägerin nicht arbeitsfähig sei. Zudem ruhe der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe während des Bezugs einer Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Klägerin könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Ihr hätte mit Deutlichkeit einleuchten müssen, dass die ihr zuerkannte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit den Bezug von Arbeitslosenhilfe hindere. Aus der Sicht eines verständigen Laien hätte sich der Klägerin der Schluss aufdrängen müssen, dass sie aufgrund der Rentenbewilligung nicht mehr zum Kreis der von der Arbeitsverwaltung zu betreuenden Hilfeempfänger gehöre und dementsprechend von dort auch keine Leistungen mehr beziehen könne. Auch aus dem Umstand, dass die Nachzahlung aus der Rentenbewilligung ihr nicht ausgezahlt worden sei, hätte sie schließen müssen, dass sich Arbeitslosenhilfe und Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gegenseitig ausschlössen. Zudem hätte ab Aufnahme der Zahlungen durch den Rentenversicherungsträger der Klägerin klar sein müssen, dass die unveränderte parallele Leistung der Beklagten nicht rechtmäßig sein könne. Die Aufhebung der Bewilligung ab dem 21. Oktober 2002 könne sich auf § 45 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) stützen. Die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe mit diesem Bescheid sei rechtswidrig gewesen. Auf Vertrauen könne sich die Klägerin nicht berufen. Auch aufgrund der Einstellung der Zahlungen seit dem 1. Oktober 2002 sei der Klägerin bekannt gewesen, dass die weitere Leistungsgewährung von der Rente gehindert werden könne. Nicht rechtmäßig sei die Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die betreffende gesetzliche Regelung sei dahingehend einschränkend auszulegen, dass nur bei einem aktiv pflichtwidrigen Verhalten des Leistungsempfängers, das für den Bezug ursächlich geworden sei, eine Erstattung verlangt werden könne.

Gegen das ihr am 9. Mai 2006 zugestellte Urteil haben die Rechtsanwälte der Anwaltskanzlei R. Berufung für die Klägerin eingelegt. Die Klägerin erklärte später, sie habe der Anwaltskanzlei R zwar kein Mandat erteilt, sie genehmige jedoch die Berufungseinlegung. Ihre Berufung begründet die Klägerin wie folgt: Die erstinstanzliche Entscheidung sei schon deshalb aufzuheben, weil das erstinstanzliche Gericht ganz offensichtlich im Sinne einer Wahlfeststellung davon ausgegangen sei, dass die Rücknahme der Leistungen sowohl gemäß § 45 SGB X als auch gemäß 48 SGB X gerechtfertigt seien. Dies sei rechtsfehlerhaft. Die Rückforderung nach § 48 SGB X sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil nach Erlass des Bescheides der Beklagten vom 21. Oktober 2002 keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen rechtlichen Verhältnissen eingetreten sei. Es sei lediglich zu beurteilen, ob die Klägerin dafür haftbar gemacht werden könne, dass die Beklagte den Sachverhalt schlicht und ergreifend falsch bearbeitet habe. Die Beklagte habe zwar zunächst die Klägerin davon in Kenntnis gesetzt, dass Bedenken in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Leistungsbezuges vorgelegen hätten und die Zahlung der Arbeitslosenhilfe deshalb eingestellt. Nach Überprüfung der Rechtslage habe die Beklagte der Klägerin sodann jedoch mitgeteilt, dass der Leistungsanspruch weiterhin bestehe und die Zahlung wieder aufgenommen werde. Letztlich habe die Klägerin darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte die Rechtslage ordnungsgemäß beurteilt habe.

Die Beklagte hat im Termin am 27. Oktober 2009 die Rückforderung im Wege eines Teilanerkenntnisses auf 3.136,50 EUR reduziert. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 28. April 2006 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 30. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2004 in der Gestalt des Teilanerkenntnisses vom 27. Oktober 2009 vollständig aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils.

Auf Anforderung des Berichterstatters hat die Klägerin den Rentenbescheid vom 10. Juli 2002 in Kopie zu den Gerichtsakten gereicht. Darin heißt es: "Auf ihren Antrag vom 19.05. 2000 erhalten Sie von uns Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Ab 1. September 2002 werden monatlich 640,95 EUR gezahlt." Unter der Rubrik Rentenart heißt es: "Sie haben Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Für die Anerkennung des Rentenanspruchs sind die Verhältnisse des Arbeitsmarktes ausschlaggebend gewesen. Die Anspruchsvoraussetzungen sind ab dem 17. November 2000 erfüllt."

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere gem. §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Es ist unbeachtlich, dass die Rechtsanwältin W. gen. R. zunächst nur im Auftrag des Ehemannes der Klägerin und noch ohne Auftrag und ohne Vollmacht der Klägerin Berufung eingelegt hat. Die Klägerin hat die Prozesshandlung später genehmigt und will sie "für sich" gelten lassen. Damit werden die Prozesshandlungen mit rückwirkender Kraft wirksam.

Die Berufung ist nach der Berücksichtigung des angenommenen Teilanerkenntnisses in der Sitzung vom 27. Oktober 2009 nicht mehr begründet.

Der Rückforderungsbescheid vom 30. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2004 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 27. Oktober 2009 ist rechtmäßig. Die Klägerin ist verpflichtet der Beklagten Arbeitslosenhilfe in Höhe von 3.136,50 EUR zurück zu zahlen.

Die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für den betreffenden Zeitraum und die Rückforderung richtet sich nach §§ 48, 50 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und Nr. 4 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Nach § 330 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderungsrecht (SGB III) entfällt in einem solchen Fall die Ermessensentscheidung der Verwaltung und der Verwaltungsakt ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben.

Entgegen der Auffassung der Klägerin und der Vorinstanz ist für den gesamten Zeitraum der Aufhebung und Rückforderung § 48 SGB X und nicht § 45 SGB X anzuwenden. Die Leistungsüberzahlung beruhte darauf, dass sich leistungserhebliche Umstände nach dem Zeitpunkt des Zugangs des Bewilligungsbescheides geändert haben. Hingegen ist kein Anwendungsfall einer anfänglichen Unrichtigkeit einer Leistungsbewilligung gegeben. Maßgebend für die Leistungsbewilligung ist der Bewilligungsbescheid vom 17. Juni 2002. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte der Klägerin Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum 22. Juni 2002 bis 21. Juni 2003 bewilligt. Bei den nachfolgenden Bescheiden vom 21. Oktober 2002 und vom 18. Januar 2003 handelt es sich nur um eine wiederholende Verfügung bzw. einen Dynamisierungsbescheid als Folgebescheid, der auf dem Ausgangsbescheid aufbaut und nur einen eingeschränkten Regelungsgehalt hat.

Im Einzelnen gilt Folgendes: Der Klägerin wurde die Rente am 10. Juli 2002 und damit nach Zugang des Bewilligungsbescheides vom 17. Juni 2002 bewilligt. Diese Rentenbewilligung hat dazu geführt, dass sich die leistungserheblichen Umstände nachträglich geändert haben. Der Bescheid vom 21. Oktober 2002 enthält demgegenüber keinen eigenständigen neuen Regelungsgehalt, jedenfalls keinen neuen Regelungsgehalt in Bezug auf die Bewilligung der Leistung. Ein Verwaltungsakt setzt gem. § 31 Satz 1 SGB X eine Regelung eines Einzelfalles voraus. Es muss eine neue auf eine Wirkung nach außen gerichtete Entscheidung getroffen werden. Der betreffende Bescheid wiederholt hinsichtlich der Leistungsbewilligung jedoch lediglich die Verfügungssätze des Bescheides vom 17. Juni 2002. Er hebt nicht einmal die vorläufige Einstellung der Zahlung auf, diese bestand bis Dezember 2002 bis zum Ablauf der Zweimonatsfrist nach § 331 SGB III fort. Die Wiederholung eines für die Verwaltungsbehörde bindenden Verwaltungsaktes ist selbst dann kein Verwaltungsakt, wenn sie in Form eines Bescheides mit Rechtsbehelfsbelehrung und Gründen erfolgt (vgl. Bundessozialgericht [BSG] Urteil vom 17. April 1991 – 1 RR 2/89SozR 3-2200 § 248 Nr. 1 m. w. N.). Es liegt auch kein sog. Zweitbescheid vor, der den Rechtsweg neu eröffnet. Ein Zweitbescheid setzt voraus, dass eine erneute sachliche Prüfung einer noch nicht entschiedenen Frage durchgeführt wird. Dies ist insbesondere bei einer erneuten Ablehnung auf einen neuerlichen Antrag nach einem bestandskräftig abgelehnten Verwaltungsverfahren der Fall. Besteht jedoch bereits eine positive Bewilligungsentscheidung ist für einen Zweitbescheid kein Raum. Selbst wenn man aus der Sicht eines objektiven Empfängerhorizonts diesem Formalbescheid eine weitergehende Bedeutung beimessen wollte, so könnte diese nur darin liegen, dass die vorläufige Einstellung der Zahlungen nicht aufrecht erhalten bleiben sollte bzw. eine Aufhebung der bereits bewilligten Leistung nicht zu befürchten sei. Der Regelungsgehalt würde sich auch bei einer solchen Auslegung nicht auf die Bewilligung der Leistung selbst beziehen. Ein solcher Bescheid könnte nur für einen Vertrauensschutz der Klägerin im Rahmen der Rückforderung eine Bedeutung haben.

Auch der Änderungsbescheid vom 18. Januar 2003 hat nur einen auf die Anpassung der Leistungshöhe beschränkten Regelungsinhalt. Denn Dynamisierungsbescheide, die lediglich auf dem Ausgangsbescheid aufbauen und die Leistungshöhe anpassen, haben nach der Rechtsprechung keinen weitergehenden Regelungsgehalt (BSG, Urteil vom 2. Juni 2004 – B 7 AL 58/03 R und vom 28. Juli 2007 – B 7/7a AL 10/06 R). Eine Korrektur eines solchen Bescheides bemisst sich ebenfalls nach § 48 SGB X, soweit nicht die Anpassung selbst betroffen ist.

Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X liegen vor. Nach dem Erlass des Verwaltungsaktes haben sich die tatsächlichen Verhältnisse wesentlich geändert. Einerseits erhält die Klägerin tatsächlich eine Rentenzahlung als Einkommen, welches bei der Entscheidung über den Arbeitslosenhilfeantrag im Juni 2002 noch nicht bestand, andererseits sind die Leistungsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosenhilfe durch den Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente entfallen. Es kann dahin gestellt bleiben, ob die Arbeitsfähigkeit während der Zeit, in der eine Erwerbsunfähigkeitsrente als Arbeitsmarktrente gezahlt wird, entfallen ist. Jedenfalls ruht während der Zeit, für die eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt wird, der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (vgl. §§ 198, 142 Abs. 1 SGB III in der damaligen Fassung). Es handelt sich um eine Erwerbsunfähigkeitsrente nach § 44 Abs. 1 SGB VI in der Fassung bis zum 31. Dezember 2000, denn nach § 302b SGB VI ist auf Renten u.a. wegen Erwerbsunfähigkeit auf die am 31. Dezember 2000 ein Anspruch bestand, das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Recht weiter anzuwenden. Es ist dabei unbeachtlich, dass die Klägerin noch ein halbschichtiges Leistungsvermögen hat. Bei einem drei- bis sechsstündigen Leistungsvermögen ist von einem verschlossenen Teilzeitarbeitsmarkt auszugehen, wenn der Rentenempfänger arbeitslos ist bzw. keine Tätigkeit ausübt und weder der Rentenversicherungsträger noch das Arbeitsamt dem Betreffenden binnen einen Jahres seit der Rentenantragstellung einen entsprechenden Teilzeitarbeitsplatz anbieten können (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 10. Dezember 1976 – GS 2/75 u.a. – BSGE 45, 75 ff.). Es besteht in diesen Fällen ein Anspruch auf (volle) Erwerbsunfähigkeitsrente.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X ist ohne jegliche Prüfung von Vertrauensschutz bei einem Zufluss von Einkommen, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt hätte, der Verwaltungsakt insoweit aufzuheben. Für den Fall der nachträglichen Bewilligung einer niedrigeren weiteren Sozialleistung, die die bisher gewährte höhere Leistung voll zum Wegfall oder zum Ruhen bringt, bedeutet dies, dass das Aufhebungsrecht auf die Höhe der nachträglich bewilligten niedrigeren Sozialleistung beschränkt ist (vgl. Steinwedel in KassKomm § 48 SGB X Rn. 50). Der Betroffene soll nur in dem Umfang in dem er eine "doppelte" Zahlung erhalten hat der Aufhebung der Bewilligung und der Erstattungspflicht ausgesetzt sein (BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 – B 11 AL 57/99 RSozR 3-4100 § 138 Nr. 14). Eine solche "doppelte" Leistung ist der Klägerin tatsächlich zugeflossen. Die Klägerin hat neben der bewilligten Arbeitslosenhilfe seit 1. September 2002 laufend monatlich 640,95 EUR Rente nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen ausgezahlt bekommen. Hierbei handelt es sich um Einkommen der Klägerin, welches den Arbeitslosenhilfeanspruch nach §§ 190 Abs. 1 Nr. 5, 193, 194 SGB III mindern würde, wenn er nicht ohnehin schon nach § 142 SGB III zum Ruhen gekommen wäre. Es besteht ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nur soweit das zu berücksichtigende Einkommen des Arbeitslosen die Arbeitslosenhilfe nicht erreicht.

Die Arbeitslosenhilfe betrug bei Arbeitslosen ohne berücksichtigungsfähige Kinder 53 % des Leistungsentgeltes. Das Leistungsentgelt ist das pauschalierte Nettoentgelt, das sich aus dem Bemessungsentgelt ergibt. Nach der Leistungsentgeltverordnung 2002 betrug die bewilligte Arbeitslosenhilfe 151,76 EUR wöchentlich bei einem Bemessungsentgelt von 360 EUR wöchentlich. Das Einkommen der Klägerin betrug 640, 95 EUR monatlich. Von dem Einkommen sind gem. § 194 Abs. 2 SGB III Absetzungen zu machen. Bei einem Renteneinkommen, bei dem Werbungskosten nicht in Betracht kommen, sind dies die Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind (Nr. 2). Die Klägerin hat hier keine höheren tatsächlichen Beiträge als 19,72 EUR (3 % des Einkommens) monatlich geltend gemacht. Danach ergibt sich ein berücksichtigungsfähiges Einkommen in Höhe von 621,72 EUR pro Monat = 143,47 EUR die Woche. Der Leistungsanspruch der Klägerin betrug damit für 2002 8,29 EUR (151,76 EUR minus 143,47 EUR) wöchentlich bzw. 1,18 EUR pro Tag. Für 122 Tage errechnet sich damit ein Anspruch von 143,96 EUR. Im Jahr 2003 betrug der Leistungsanspruch 7,52 EUR wöchentlich (150,99 EUR minus 143,47 EUR) bzw. 1,07 EUR pro Tag. Für 31 Tage errechnet sich damit ein Anspruch von 33,17 EUR. Der Klägerin hätten also 177,13 EUR Arbeitslosenhilfe für den betreffenden Zeitabschnitt zugestanden. Die Erstattungsforderung verringert sich um diesen Betrag auf 3.136,50 EUR. Dem ist die Beklagte bereits durch ihr Teilanerkenntnis im Termin nachgekommen.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen. Es bestehen keine Zulassungsgründe i. S. des § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved