Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 2927/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1173/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18.12.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Kläger begehren die Gewährung höherer Hinterbliebenenrenten unter Zugrundelegung eines höheren Jahresarbeitsverdienstes (JAV). Außerdem begehrt die Klägerin zu 1 die Gewährung einer Verletztenrente zu Lebzeiten des am 2004 verstorbenen Anton Jäckle (Versicherter).
Die Klägerin zu 1 ist die Witwe des Versicherten, die Kläger zu 2 bis 4 sind dessen Kinder. Der Versicherte absolvierte von September 1968 bis September 1971 eine Ausbildung zum Bäcker und war anschließend - unterbrochen durch den Wehrdienst (Juli 1973 bis September 1974) - bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 29.07.2004 als Bäcker beschäftigt, zuletzt seit 02.11.1988 bei der Bäckerei K. und B., M ... Mit Datum vom 26.08.2004 erstattete Dr. S., Thoraxklinik H., bei der Beklagten Anzeige über eine Berufskrankheit (BK) mit der Diagnose eines Pleuramesothelioms. Auf Anfrage der Beklagten gab Dr. S. an, der Kläger sei erstmals im August 2004 behandelt worden, die Erkrankung habe im August 2004 (erstmals Dyspnoe) begonnen und werde auf Tätigkeiten an Backöfen zurückgeführt. Die Beklagte zog einen Auszug aus der Leistungsdatei der AOK B. (Arbeitsunfähigkeitszeiten: 17.02.1994 bis 23.02.1994 grippöser Infekt, 17.10.1994 bis 21.10.1994 Tinea [Pilzerkrankung der Haut], 27.02.1999 bis 06.03.1999 Epicondylitis, 23.02.2004 bis 27.02.2004 virale Grippe und ab 29.07.2004 Pleuraerguß, Mesotheliom der Pleura) bei und lehnte nach Einholung einer Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes (Dipl. Ing. W.: ein Kontakt mit Asbest sei nicht sicher nachweisbar) mit Bescheid vom 16.12.2004 die Feststellung der Erkrankung des Versicherten als BK ab.
Hiergegen erhob die Klägerin zu 1 am 03.01.2005 Widerspruch und machte u.a. geltend, der Versicherte sei bei der Bäckerei K. und B. auch mit der Wartung der Backöfen beschäftigt gewesen. Mit ergänzender Stellungnahme führte Dipl. Ing. W. aus, die Befragung des (externen) Monteurs habe ergeben, dass der Versicherte von diesem bei Reparaturarbeiten zur Unterstützung herangezogen worden sei, weshalb davon auszugehen sei, dass der Versicherte Kontakt mit Asbest/asbesthaltigen Materialien gehabt habe. Auf Anfrage der Beklagten teilte Dr. I., Krankenhaus B., mit, der Versicherte habe sich erstmalig im Juli 2004 wegen eines hämorrhagischen Pleuraergusses in Behandlung befunden. Die Belastungsdyspnoe, die beim Versicherten zur stationären Aufnahme geführt habe, sei erst wenige Tage vor Aufnahme aufgetreten. Die Erkrankung habe sicherlich zu einem unklaren, früheren Zeitpunkt begonnen. Symptomatisch sei sie erst kurz vor der stationären Aufnahme (am 29.07.2004) geworden. Der den Versicherten behandelnde Allgemeinarzt Dr. P. gab an, der Versicherte habe ihn wegen der Erkrankung erstmals am 29.07.2004 wegen einer einige Tage zuvor begonnenen, zunehmenden Belastungsdyspnoe in Anspruch genommen. Nach Beiziehung u.a. des histologischen Befundes des Dr. N. (malignes Pleuramesotheliom) und Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Lungenarztes Dr. B. (der Versicherte habe an einer BK 4105 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung gelitten, in der Zeit vom 29.07.2004 bis zum Sterbetag am 25.12.2005 habe eine MdE um 100 v.H. bestanden, die berufsbedingte Erkrankung habe alleine den Tod zu Folge gehabt), anerkannte die Beklagte mit Bescheid vom 16.02.2006 eine BK 4105 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung und bewilligte der Klägerin zu 1 mit Bescheid vom 20.03.2006 Witwenrente und mit weiteren Bescheiden vom 20.03.2006 den Klägern zu 2 bis 4 Waisenrente, jeweils unter Zugrundelegung eines Jahresarbeitsverdienstes in Höhe von 37.202,03 EUR. Mit weiterem Bescheid vom 28.03.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente mit der Begründung ab, sie habe bis 25.12.2004 Verletztengeld gezahlt. Eine Rentenzahlung komme erst nach Ende der Verletztengeldzahlung in Betracht. Da der Versicherte am 2004 verstorben sei, bestehe kein Anspruch auf Verletztenrente.
Gegen die Bescheide vom 20.03.2006 erhoben die Kläger zu 1 bis 4 am 29.03.2006 Widerspruch und machten u.a. geltend, es sei gegebenenfalls ein günstigerer Vergleichsjahresarbeitsverdienst zu ermitteln. Die Klägerin zu 1 erhob auch gegen den Bescheid vom 28.03.2006 Widerspruch und machte geltend, der Versicherungsfall sei zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt als dem 29.07.2004 festzustellen, weshalb Verletztenrente zu Lebzeiten zu zahlen sei.
Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes (Dipl. Ing. W.: die Rücksprache mit dem externen Monteur habe ergeben, dass dieser zuletzt am 11.03.2002 eine Reparatur an einem Backofen durchgeführt habe, bei dem für den Versicherten ein letzter möglicher Kontakt mit asbesthaltigen Materialien habe bestehen können; nicht mehr nachvollziehbar sei allerdings, ob der Versicherte den Monteur tatsächlich zu diesem Zeitpunkt unterstützt habe) wies die Beklagte die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 29.06.2006 zurück und führte zur Begründung u.a. aus, eine Günstigkeitsberechnung im Rahmen des § 84 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sei nicht möglich, weil der letzte Tag einer Asbestkontaktmöglichkeit nicht mit Gewissheit habe festgestellt werden können. Der Tag des Versicherungsfalls könne nicht vor den Beginn der Behandlung und Tag des Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 29.07.2004 gelegt werden, sodass für eine so genannte Lebzeitenrente kein Raum sei.
Die Kläger haben am 01.08.2006 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben und geltend gemacht, das Mesotheliom dürfte bereits ein Jahr bestanden haben, bevor es entdeckt worden sei, mit Sicherheit wenige Tage vor der Krankschreibung, so dass dann "aus Gründen der MdE" die Verletztenvollrente geschuldet werde. Hinsichtlich des Vergleichsjahresarbeitsverdienstes solle die Beklagte eine Vergleichsberechung anstellen, ob sich eine höhere Hinterbliebenenrente ergebe.
Das Sozialgericht hat das Vorerkrankungsverzeichnis des Versicherten von der AOK B. beigezogen (keine Abweichung gegenüber dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten Auszug) und Stellungnahmen des Pathologen Dr. N. (die Tumordiagnose sei am 12.08.2004 gestellt worden, die Latenzzeit zwischen Beginn der Asbestexposition und ersten klinisch fassbaren Symptomen betrage im Mittel etwa 30 Jahre) und des Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. Bi., Thoraxklinik H. (Erstdiagnose des Pleuramesothelioms histopathologisch im August 2004, die Beschwerdesymptomatik gehe nachweislich zurück bis in den Juli 2004, insgesamt gehe man von einer Latenzzeit zwischen Asbestexposition und Auftreten eines Pleuramesothelioms von 30 Jahren aus) eingeholt.
Mit Urteil vom 18.12.2007 hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch auf Verletztenrente zu Lebzeiten bestehe nicht, denn es sei nicht im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen, dass der Versicherte vor dem 29.07.2004 an einem Pleuramesotheliom mit daraus resultierender Minderung der Erwerbsfähigkeit erkrankt gewesen sei. Auch eine Günstigkeitsberechnung im Rahmen des § 84 SGB VII sei nicht möglich, da der letzte Tag eines beruflichen Asbestkontaktes durch den Versicherten nicht mit Gewissheit festzustellen sei. Darüber hinaus fehle es an einem tauglichen Vortrag seitens der Kläger, ob überhaupt ein früherer Zeitpunkt günstiger im Hinblick auf die Berechnung wäre, Hinweise für einen Minderverdienst würden nicht vorliegen.
Gegen das am 11.02.2008 zugestellte Urteil haben die Kläger am 07.03.2008 Berufung eingelegt. Sie machen weiterhin geltend, die Berufskrankheit habe mindestens ein Jahr vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit vorgelegen und regelmäßig führe der Vergleichsjahresarbeitsverdienst zu einer höheren Rente.
Die Kläger beantragen (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18.12.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2006 zu verurteilen, der Klägerin zu 1 eine Verletztenrente zu Lebzeiten des Versicherten zu zahlen und unter Abänderung der Bescheide vom 20.03.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 29.06.2006 den Klägern zu 1 bis 4 höhere Hinterbliebenenrente unter Zugrundelegung eines höheren Jahresarbeitsverdienstes zu gewähren, hilfsweise, ein Gutachten nach § 109 SGG durch Prof. Dr. Wo., G. einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Streitgegenstand ist vorliegend zum einen die Frage, ob der Klägerin zu 1 als Sonderrechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten im Sinne des § 56 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch (SGB I) eine Verletztenrente zu Lebzeiten des Versicherten zusteht und andererseits den Klägern zu 1 bis 4 höhere Hinterbliebenenrente unter Zugrundelegung eines höheren Jahresarbeitsverdienstes zu gewähren ist. Beides verneint der Senat.
Grundlage des von der Klägerin zu 1 geltend gemachten Anspruchs auf Verletztenrente ist § 56 SGB VII. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die vom Hundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Der Versicherte litt an einer BK 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung. Dies steht bereits auf Grund des bestandskräftigen Bescheides der Beklagten vom 16.02.2006 fest und wird im Übrigen durch die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. B. (der Versicherte habe an einer BK 4105 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung gelitten) sowie die Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten, Dipl.-Ing. W. (der Versicherte habe Kontakt mit Asbest/asbesthaltigen Materialien gehabt) bestätigt.
Ein Anspruch auf Verletztenrente zu Lebzeiten des Versicherten besteht allerdings nicht. Gemäß § 72 Abs. 1 SGB VII werden Renten an Versicherte von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (Nr. 1), bzw. der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist (Nr. 2). Vorliegend hat die Beklagte auf Grund des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit infolge der Berufskrankheit am 29.07.2004 bis zum Todeszeitpunkt am 25.12.2004 Verletztengeld gezahlt. Ein Anspruch auf Verletztenrente scheidet nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI insoweit aus.
Soweit die Klägerin zu 1 geltend macht, der Versicherungsfall (im Sinne des § 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII) sei bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten, da sich die Krebserkrankung über einen längeren Zeitraum entwickelt habe, reicht dies allein nicht aus, um den Versicherungsfall zu begründen. Der nach § 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII für den Beginn der Verletztenrente maßgebliche Versicherungsfall wird nach § 9 Abs. 5 SGB VII bestimmt. Danach ist, soweit - wie vorliegend - Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden MdE abzustellen.
Arbeitsunfähigkeit infolge der Berufskrankheit ist bei dem Versicherten vorliegend am 29.07.2004 eingetreten. Dies ergibt sich aus der Leistungsdatei der AOK B., denn danach begann die Arbeitsunfähigkeit wegen des Pleuramesothelioms am 29.07.2004. Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen dieser Erkrankung zu einem früheren Zeitpunkt sind nicht dokumentiert, vielmehr sind Arbeitsunfähigkeitszeiten in der Zeit von Februar 1994 bis im Juli 2004 ansonsten nur wegen eines grippösen Infektes, einer Pilzerkrankung der Haut, einer Epicondylitis und zuletzt vom 23.02.2004 bis 27.02.2004 wegen einer viralen Grippe dokumentiert. Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass der Versicherte bis unmittelbar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 29.07.2004 in Vollzeit bei der Bäckerei Keim und Brecht, MittelB. tätig war und er nach der im Verwaltungsverfahren eingeholten Aussage des Allgemeinarztes P. diesen erstmals am 29.07.2004 wegen der Erkrankung der Pleura auf Grund einer zunehmenden Belastungsdyspnoe in Anspruch nahm.
Auch eine frühere Behandlungsbedürftigkeit wegen der Berufskrankheit ist nicht feststellbar, da die erstmalige ärztliche Inanspruchnahme deswegen nach der bereits erwähnten Auskunft des Dr. P. erst am 29.07.2004 erfolgte.
Auch ein früherer Beginn einer rentenberechtigenden MdE lässt sich nicht feststellen. Dies geht nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen - wie vorliegend - also zu Lasten der Klägerin zu 1 (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2290 § 548 Nr. 11). Der Klägerin zu 1 ist zwar zuzugestehen, dass sich die Krebserkrankung über einen längeren Zeitraum entwickelt hat. Ein genauer Zeitpunkt lässt sich insoweit hingegen nicht feststellen. Insoweit besteht - so der vom Sozialgericht gehörte sachverständige Zeuge Prof. Dr. T. - bezüglich der Latenz zwischen beruflicher Exposition und Tumorentwicklung eine breite Streuung, wobei das Mittel bei etwa 30 Jahren liegt. Dies hat der ebenfalls vom Sozialgericht schriftlich als sachverständiger Zeuge gehörte Pathologe Dr. N. bestätigt. Damit ist bereits eine genauere Eingrenzung, wann das Pleuramesotheliom bei dem Versicherten entstanden ist, nicht möglich. Allein hieraus würde sich im Übrigen keine rentenberechtigende MdE ergeben; vielmehr ist hierfür entscheidend, wann das Pleuramesotheliom klinisch in Erscheinung trat und welche funktionellen Einschränkungen die Folge waren; nur diese sind für die Beurteilung der MdE von Bedeutung (vgl. § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Beschwerden wegen des Pleuramesothelioms sind erstmalig auf Grund der Untersuchung durch den Allgemeinarzt P. am 29.07.2004 dokumentiert, bei der der Versicherte das Auftreten von Beschwerden in Form zunehmender Belastungsdyspnoe mit einigen Tagen vor dem 29.07.2004 angab. Auch Prof. Dr. T., der den Kläger in der Thoraxklinik H. wegen des Pleuramesothelioms behandelte, hat lediglich angegeben, der Beschwerdebeginn sei mit Belastungsatemnot sei Juli 2004 berichtet worden. Funktionelle Einschränkungen lassen sich damit nicht begründen. Dr. Ho., der den Versicherten in der Zeit vom 04.08.2004 bis 18.08.2004 stationär wegen des Pleuramesothelioms behandelte, hat einen Beginn der Erkrankung nicht angeben können und erste Symptome auf Ende Juli 2004 datiert. Gleiches gilt für Dr. I., Krankenhaus B., der den Versicherten erstmalig im Juli 2004 wegen eines hämorhagischen Pleuraergusses behandelte. Dieser hat ausgeführt, dass die Erkrankung (zwar) sicherlich zu einem unklaren, früheren Zeitpunkt begonnen hat, sie aber erst kurz vor der stationären Aufnahme symptomatisch wurde. Im Hinblick auf den von sämtlichen behandelnden Ärzten übereinstimmend angegebenen Beginn von Beschwerden Ende Juli 2004 und der Tatsache, dass der Versicherte bis unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 29.07.2004 in Vollzeit in seinem Beruf als Bäcker arbeitete, lässt sich ein früherer Beginn der rentenberechtigenden MdE vor Eintritt von Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nicht feststellen. Damit kommt die Gewährung einer Verletztenrente nicht in Betracht.
Zu Recht hat das Sozialgericht auch entschieden, dass den Klägern zu 1 bis 4 keine höheren Hinterbliebenenrenten unter Zugrundelegung eines höheren JAV zustehen.
Die Witwen- bzw. Waisenrente ist gemäß § 65 bzw. § 68 SGB VII nach dem JAV zu berechnen. Nach der "Einweisungsvorschrift" des § 81 SGB VII gelten für Leistungen in Geld, die nach dem JAV berechnet werden, die Vorschriften des dritten Abschnitts des dritten Kapitels des SGB VII, d.h. die §§ 82 ff. SGB VII (BSG, Urteil vom 13.12.2005, B 2 U 25/04 R in SozR4-2700 § 47 Nr. 2). Der JAV bemisst sich danach grundsätzlich nach den Arbeitsentgelten und Arbeitseinkommen des Versicherten in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist (§ 82 Abs. 1 SGB VII), vorliegend also dem Zeitraum Juli 2003 bis Juni 2004. Ausgehend hiervon hat die Beklagte den JAV mit 37.202,03 EUR in den angefochtenen Bescheiden vom 20.03.2006 rechtsfehlerfrei ermittelt, weshalb insoweit auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen wird. Diesbezüglich haben die Kläger auch keine Einwendungen erhoben. Soweit sie beantragen, die Hinterbliebenenrenten unter Zugrundelegung eines höheren Vergleichsjahresarbeitsverdienstes (nach § 84 SGB VII) zu berechnen, haben sie bereits nicht dargelegt, dass der nach § 84 SGB VII ermittelte Vergleichsjahresarbeitsverdienst tatsächlich höher wäre. Hierfür bestehen nämlich auf Grund der Tatsache, dass der Versicherte bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit durchgehend seine Beschäftigung als Bäcker bei der Firma Keim und Brecht weiter ausübte keinerlei Anhaltspunkte. Darüber hinaus kommt eine Berechnung der Hinterbliebenenrenten unter Zugrundelegung eines Vergleichsjahresarbeitsverdienstes nach § 84 SGB VII nicht in Betracht, weil auch dessen übrige Voraussetzungen nicht nachgewiesen sind. Gemäß § 84 Satz 1 SGB VII gilt bei Berufskrankheiten für die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes als Zeitpunkt des Versicherungsfalls der letzte Tag, an dem die Versicherten versicherte Tätigkeiten ausgeübt haben, die ihrer Art nach geeignet waren, die Berufskrankheit zu verursachen, wenn die Berechnung für die Versicherten günstiger als eine Berechnung auf der Grundlage des in § 9 Abs. 5 genannten Zeitpunkts - vorliegend also des 29.07.2004 - ist.
Der letzte Tag, an dem der Versicherte die gefährdende Tätigkeit ausübte, lässt sich nicht feststellen. Dies geht nach dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast - wie bereits oben dargelegt - zu Lasten der Kläger. Ein Kontakt des Versicherten mit Asbest/asbesthaltigen Materialien im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Bäcker bestand - so die zutreffende Stellungnahme des Dipl.-Ing. W. - nur bei Wartungs- und Reparaturarbeiten an den Backöfen. Mit solchen war der Versicherte nicht selbst betraut; vielmehr wurden diese Tätigkeiten durch einen externen Monteur ausgeführt. Ein Kontakt des Versicherten mit den gefährdenden Materialien ergab sich nur deswegen, weil er vom externen Monteur bei Reparaturarbeiten zur Unterstützung herangezogen wurde. Auf Grund der Befragung des externen Monteurs lässt sich - so Dipl.-Ing. W. - zwar feststellen, dass dieser nach seinen gewissenhaft geführten Aufzeichnungen (Reparaturbelegen) letztmals vor dem 29.07.2004 am 11.03.2002 eine Reparatur an einem Backofen durchführte. An diesem Tag wurde zur Reparatur eines Thermostats ein Teil der Backofenisolation demontiert. Ob der Versicherte den Monteur zu diesem Zeitpunkt oder aber auch zu einem anderen bestimmten Zeitpunkt unterstützte, ist allerdings - so Dipl.-Ing. W. - auch nach Befragung des Monteurs nicht mehr nachvollziehbar. Ein letztmaliger Kontakt des Versicherten mit asbesthaltigem Material ist somit am 11.03.2002 zwar möglich, aber nicht nachgewiesen. Damit kann der letzte Tag der Ausübung der gefährdenden Tätigkeit nicht festgestellt werden, sodass eine Berechnung des JAV nach § 84 SGB VII ausscheidet.
Den Antrag der Kläger auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG durch Prof. Dr. Wo. zum Beweis des früheren Erkrankungsbeginns lehnt der Senat ab. Wie bereits dargelegt, ist für den insoweit von der Klägerin zu 1 verfolgten Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente der Beginn der Arbeitsunfähigkeit bzw. Behandlungsbedürftigkeit bzw. der Beginn einer rentenberechtigenden MdE maßgebend. Da für die Zeit vor dem 29.07.2004 hinsichtlich der streitgegenständlichen Erkrankung keinerlei ärztliche Befunde vorliegen, ist insoweit ein Gutachten, das lediglich die aktenkundigen Dokumentationen (hier also die dargestellten Auszüge aus der Leistungsdatei der AOK ohne Befundangaben), berücksichtigen kann, nicht geeignet, zu anderen Feststellungen zu führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Kläger begehren die Gewährung höherer Hinterbliebenenrenten unter Zugrundelegung eines höheren Jahresarbeitsverdienstes (JAV). Außerdem begehrt die Klägerin zu 1 die Gewährung einer Verletztenrente zu Lebzeiten des am 2004 verstorbenen Anton Jäckle (Versicherter).
Die Klägerin zu 1 ist die Witwe des Versicherten, die Kläger zu 2 bis 4 sind dessen Kinder. Der Versicherte absolvierte von September 1968 bis September 1971 eine Ausbildung zum Bäcker und war anschließend - unterbrochen durch den Wehrdienst (Juli 1973 bis September 1974) - bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 29.07.2004 als Bäcker beschäftigt, zuletzt seit 02.11.1988 bei der Bäckerei K. und B., M ... Mit Datum vom 26.08.2004 erstattete Dr. S., Thoraxklinik H., bei der Beklagten Anzeige über eine Berufskrankheit (BK) mit der Diagnose eines Pleuramesothelioms. Auf Anfrage der Beklagten gab Dr. S. an, der Kläger sei erstmals im August 2004 behandelt worden, die Erkrankung habe im August 2004 (erstmals Dyspnoe) begonnen und werde auf Tätigkeiten an Backöfen zurückgeführt. Die Beklagte zog einen Auszug aus der Leistungsdatei der AOK B. (Arbeitsunfähigkeitszeiten: 17.02.1994 bis 23.02.1994 grippöser Infekt, 17.10.1994 bis 21.10.1994 Tinea [Pilzerkrankung der Haut], 27.02.1999 bis 06.03.1999 Epicondylitis, 23.02.2004 bis 27.02.2004 virale Grippe und ab 29.07.2004 Pleuraerguß, Mesotheliom der Pleura) bei und lehnte nach Einholung einer Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes (Dipl. Ing. W.: ein Kontakt mit Asbest sei nicht sicher nachweisbar) mit Bescheid vom 16.12.2004 die Feststellung der Erkrankung des Versicherten als BK ab.
Hiergegen erhob die Klägerin zu 1 am 03.01.2005 Widerspruch und machte u.a. geltend, der Versicherte sei bei der Bäckerei K. und B. auch mit der Wartung der Backöfen beschäftigt gewesen. Mit ergänzender Stellungnahme führte Dipl. Ing. W. aus, die Befragung des (externen) Monteurs habe ergeben, dass der Versicherte von diesem bei Reparaturarbeiten zur Unterstützung herangezogen worden sei, weshalb davon auszugehen sei, dass der Versicherte Kontakt mit Asbest/asbesthaltigen Materialien gehabt habe. Auf Anfrage der Beklagten teilte Dr. I., Krankenhaus B., mit, der Versicherte habe sich erstmalig im Juli 2004 wegen eines hämorrhagischen Pleuraergusses in Behandlung befunden. Die Belastungsdyspnoe, die beim Versicherten zur stationären Aufnahme geführt habe, sei erst wenige Tage vor Aufnahme aufgetreten. Die Erkrankung habe sicherlich zu einem unklaren, früheren Zeitpunkt begonnen. Symptomatisch sei sie erst kurz vor der stationären Aufnahme (am 29.07.2004) geworden. Der den Versicherten behandelnde Allgemeinarzt Dr. P. gab an, der Versicherte habe ihn wegen der Erkrankung erstmals am 29.07.2004 wegen einer einige Tage zuvor begonnenen, zunehmenden Belastungsdyspnoe in Anspruch genommen. Nach Beiziehung u.a. des histologischen Befundes des Dr. N. (malignes Pleuramesotheliom) und Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Lungenarztes Dr. B. (der Versicherte habe an einer BK 4105 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung gelitten, in der Zeit vom 29.07.2004 bis zum Sterbetag am 25.12.2005 habe eine MdE um 100 v.H. bestanden, die berufsbedingte Erkrankung habe alleine den Tod zu Folge gehabt), anerkannte die Beklagte mit Bescheid vom 16.02.2006 eine BK 4105 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung und bewilligte der Klägerin zu 1 mit Bescheid vom 20.03.2006 Witwenrente und mit weiteren Bescheiden vom 20.03.2006 den Klägern zu 2 bis 4 Waisenrente, jeweils unter Zugrundelegung eines Jahresarbeitsverdienstes in Höhe von 37.202,03 EUR. Mit weiterem Bescheid vom 28.03.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente mit der Begründung ab, sie habe bis 25.12.2004 Verletztengeld gezahlt. Eine Rentenzahlung komme erst nach Ende der Verletztengeldzahlung in Betracht. Da der Versicherte am 2004 verstorben sei, bestehe kein Anspruch auf Verletztenrente.
Gegen die Bescheide vom 20.03.2006 erhoben die Kläger zu 1 bis 4 am 29.03.2006 Widerspruch und machten u.a. geltend, es sei gegebenenfalls ein günstigerer Vergleichsjahresarbeitsverdienst zu ermitteln. Die Klägerin zu 1 erhob auch gegen den Bescheid vom 28.03.2006 Widerspruch und machte geltend, der Versicherungsfall sei zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt als dem 29.07.2004 festzustellen, weshalb Verletztenrente zu Lebzeiten zu zahlen sei.
Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes (Dipl. Ing. W.: die Rücksprache mit dem externen Monteur habe ergeben, dass dieser zuletzt am 11.03.2002 eine Reparatur an einem Backofen durchgeführt habe, bei dem für den Versicherten ein letzter möglicher Kontakt mit asbesthaltigen Materialien habe bestehen können; nicht mehr nachvollziehbar sei allerdings, ob der Versicherte den Monteur tatsächlich zu diesem Zeitpunkt unterstützt habe) wies die Beklagte die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 29.06.2006 zurück und führte zur Begründung u.a. aus, eine Günstigkeitsberechnung im Rahmen des § 84 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sei nicht möglich, weil der letzte Tag einer Asbestkontaktmöglichkeit nicht mit Gewissheit habe festgestellt werden können. Der Tag des Versicherungsfalls könne nicht vor den Beginn der Behandlung und Tag des Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 29.07.2004 gelegt werden, sodass für eine so genannte Lebzeitenrente kein Raum sei.
Die Kläger haben am 01.08.2006 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben und geltend gemacht, das Mesotheliom dürfte bereits ein Jahr bestanden haben, bevor es entdeckt worden sei, mit Sicherheit wenige Tage vor der Krankschreibung, so dass dann "aus Gründen der MdE" die Verletztenvollrente geschuldet werde. Hinsichtlich des Vergleichsjahresarbeitsverdienstes solle die Beklagte eine Vergleichsberechung anstellen, ob sich eine höhere Hinterbliebenenrente ergebe.
Das Sozialgericht hat das Vorerkrankungsverzeichnis des Versicherten von der AOK B. beigezogen (keine Abweichung gegenüber dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten Auszug) und Stellungnahmen des Pathologen Dr. N. (die Tumordiagnose sei am 12.08.2004 gestellt worden, die Latenzzeit zwischen Beginn der Asbestexposition und ersten klinisch fassbaren Symptomen betrage im Mittel etwa 30 Jahre) und des Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. Bi., Thoraxklinik H. (Erstdiagnose des Pleuramesothelioms histopathologisch im August 2004, die Beschwerdesymptomatik gehe nachweislich zurück bis in den Juli 2004, insgesamt gehe man von einer Latenzzeit zwischen Asbestexposition und Auftreten eines Pleuramesothelioms von 30 Jahren aus) eingeholt.
Mit Urteil vom 18.12.2007 hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch auf Verletztenrente zu Lebzeiten bestehe nicht, denn es sei nicht im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen, dass der Versicherte vor dem 29.07.2004 an einem Pleuramesotheliom mit daraus resultierender Minderung der Erwerbsfähigkeit erkrankt gewesen sei. Auch eine Günstigkeitsberechnung im Rahmen des § 84 SGB VII sei nicht möglich, da der letzte Tag eines beruflichen Asbestkontaktes durch den Versicherten nicht mit Gewissheit festzustellen sei. Darüber hinaus fehle es an einem tauglichen Vortrag seitens der Kläger, ob überhaupt ein früherer Zeitpunkt günstiger im Hinblick auf die Berechnung wäre, Hinweise für einen Minderverdienst würden nicht vorliegen.
Gegen das am 11.02.2008 zugestellte Urteil haben die Kläger am 07.03.2008 Berufung eingelegt. Sie machen weiterhin geltend, die Berufskrankheit habe mindestens ein Jahr vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit vorgelegen und regelmäßig führe der Vergleichsjahresarbeitsverdienst zu einer höheren Rente.
Die Kläger beantragen (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18.12.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2006 zu verurteilen, der Klägerin zu 1 eine Verletztenrente zu Lebzeiten des Versicherten zu zahlen und unter Abänderung der Bescheide vom 20.03.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 29.06.2006 den Klägern zu 1 bis 4 höhere Hinterbliebenenrente unter Zugrundelegung eines höheren Jahresarbeitsverdienstes zu gewähren, hilfsweise, ein Gutachten nach § 109 SGG durch Prof. Dr. Wo., G. einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Streitgegenstand ist vorliegend zum einen die Frage, ob der Klägerin zu 1 als Sonderrechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten im Sinne des § 56 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch (SGB I) eine Verletztenrente zu Lebzeiten des Versicherten zusteht und andererseits den Klägern zu 1 bis 4 höhere Hinterbliebenenrente unter Zugrundelegung eines höheren Jahresarbeitsverdienstes zu gewähren ist. Beides verneint der Senat.
Grundlage des von der Klägerin zu 1 geltend gemachten Anspruchs auf Verletztenrente ist § 56 SGB VII. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die vom Hundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Der Versicherte litt an einer BK 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung. Dies steht bereits auf Grund des bestandskräftigen Bescheides der Beklagten vom 16.02.2006 fest und wird im Übrigen durch die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. B. (der Versicherte habe an einer BK 4105 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung gelitten) sowie die Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten, Dipl.-Ing. W. (der Versicherte habe Kontakt mit Asbest/asbesthaltigen Materialien gehabt) bestätigt.
Ein Anspruch auf Verletztenrente zu Lebzeiten des Versicherten besteht allerdings nicht. Gemäß § 72 Abs. 1 SGB VII werden Renten an Versicherte von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (Nr. 1), bzw. der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist (Nr. 2). Vorliegend hat die Beklagte auf Grund des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit infolge der Berufskrankheit am 29.07.2004 bis zum Todeszeitpunkt am 25.12.2004 Verletztengeld gezahlt. Ein Anspruch auf Verletztenrente scheidet nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI insoweit aus.
Soweit die Klägerin zu 1 geltend macht, der Versicherungsfall (im Sinne des § 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII) sei bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten, da sich die Krebserkrankung über einen längeren Zeitraum entwickelt habe, reicht dies allein nicht aus, um den Versicherungsfall zu begründen. Der nach § 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII für den Beginn der Verletztenrente maßgebliche Versicherungsfall wird nach § 9 Abs. 5 SGB VII bestimmt. Danach ist, soweit - wie vorliegend - Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden MdE abzustellen.
Arbeitsunfähigkeit infolge der Berufskrankheit ist bei dem Versicherten vorliegend am 29.07.2004 eingetreten. Dies ergibt sich aus der Leistungsdatei der AOK B., denn danach begann die Arbeitsunfähigkeit wegen des Pleuramesothelioms am 29.07.2004. Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen dieser Erkrankung zu einem früheren Zeitpunkt sind nicht dokumentiert, vielmehr sind Arbeitsunfähigkeitszeiten in der Zeit von Februar 1994 bis im Juli 2004 ansonsten nur wegen eines grippösen Infektes, einer Pilzerkrankung der Haut, einer Epicondylitis und zuletzt vom 23.02.2004 bis 27.02.2004 wegen einer viralen Grippe dokumentiert. Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass der Versicherte bis unmittelbar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 29.07.2004 in Vollzeit bei der Bäckerei Keim und Brecht, MittelB. tätig war und er nach der im Verwaltungsverfahren eingeholten Aussage des Allgemeinarztes P. diesen erstmals am 29.07.2004 wegen der Erkrankung der Pleura auf Grund einer zunehmenden Belastungsdyspnoe in Anspruch nahm.
Auch eine frühere Behandlungsbedürftigkeit wegen der Berufskrankheit ist nicht feststellbar, da die erstmalige ärztliche Inanspruchnahme deswegen nach der bereits erwähnten Auskunft des Dr. P. erst am 29.07.2004 erfolgte.
Auch ein früherer Beginn einer rentenberechtigenden MdE lässt sich nicht feststellen. Dies geht nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen - wie vorliegend - also zu Lasten der Klägerin zu 1 (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2290 § 548 Nr. 11). Der Klägerin zu 1 ist zwar zuzugestehen, dass sich die Krebserkrankung über einen längeren Zeitraum entwickelt hat. Ein genauer Zeitpunkt lässt sich insoweit hingegen nicht feststellen. Insoweit besteht - so der vom Sozialgericht gehörte sachverständige Zeuge Prof. Dr. T. - bezüglich der Latenz zwischen beruflicher Exposition und Tumorentwicklung eine breite Streuung, wobei das Mittel bei etwa 30 Jahren liegt. Dies hat der ebenfalls vom Sozialgericht schriftlich als sachverständiger Zeuge gehörte Pathologe Dr. N. bestätigt. Damit ist bereits eine genauere Eingrenzung, wann das Pleuramesotheliom bei dem Versicherten entstanden ist, nicht möglich. Allein hieraus würde sich im Übrigen keine rentenberechtigende MdE ergeben; vielmehr ist hierfür entscheidend, wann das Pleuramesotheliom klinisch in Erscheinung trat und welche funktionellen Einschränkungen die Folge waren; nur diese sind für die Beurteilung der MdE von Bedeutung (vgl. § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Beschwerden wegen des Pleuramesothelioms sind erstmalig auf Grund der Untersuchung durch den Allgemeinarzt P. am 29.07.2004 dokumentiert, bei der der Versicherte das Auftreten von Beschwerden in Form zunehmender Belastungsdyspnoe mit einigen Tagen vor dem 29.07.2004 angab. Auch Prof. Dr. T., der den Kläger in der Thoraxklinik H. wegen des Pleuramesothelioms behandelte, hat lediglich angegeben, der Beschwerdebeginn sei mit Belastungsatemnot sei Juli 2004 berichtet worden. Funktionelle Einschränkungen lassen sich damit nicht begründen. Dr. Ho., der den Versicherten in der Zeit vom 04.08.2004 bis 18.08.2004 stationär wegen des Pleuramesothelioms behandelte, hat einen Beginn der Erkrankung nicht angeben können und erste Symptome auf Ende Juli 2004 datiert. Gleiches gilt für Dr. I., Krankenhaus B., der den Versicherten erstmalig im Juli 2004 wegen eines hämorhagischen Pleuraergusses behandelte. Dieser hat ausgeführt, dass die Erkrankung (zwar) sicherlich zu einem unklaren, früheren Zeitpunkt begonnen hat, sie aber erst kurz vor der stationären Aufnahme symptomatisch wurde. Im Hinblick auf den von sämtlichen behandelnden Ärzten übereinstimmend angegebenen Beginn von Beschwerden Ende Juli 2004 und der Tatsache, dass der Versicherte bis unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 29.07.2004 in Vollzeit in seinem Beruf als Bäcker arbeitete, lässt sich ein früherer Beginn der rentenberechtigenden MdE vor Eintritt von Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nicht feststellen. Damit kommt die Gewährung einer Verletztenrente nicht in Betracht.
Zu Recht hat das Sozialgericht auch entschieden, dass den Klägern zu 1 bis 4 keine höheren Hinterbliebenenrenten unter Zugrundelegung eines höheren JAV zustehen.
Die Witwen- bzw. Waisenrente ist gemäß § 65 bzw. § 68 SGB VII nach dem JAV zu berechnen. Nach der "Einweisungsvorschrift" des § 81 SGB VII gelten für Leistungen in Geld, die nach dem JAV berechnet werden, die Vorschriften des dritten Abschnitts des dritten Kapitels des SGB VII, d.h. die §§ 82 ff. SGB VII (BSG, Urteil vom 13.12.2005, B 2 U 25/04 R in SozR4-2700 § 47 Nr. 2). Der JAV bemisst sich danach grundsätzlich nach den Arbeitsentgelten und Arbeitseinkommen des Versicherten in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist (§ 82 Abs. 1 SGB VII), vorliegend also dem Zeitraum Juli 2003 bis Juni 2004. Ausgehend hiervon hat die Beklagte den JAV mit 37.202,03 EUR in den angefochtenen Bescheiden vom 20.03.2006 rechtsfehlerfrei ermittelt, weshalb insoweit auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen wird. Diesbezüglich haben die Kläger auch keine Einwendungen erhoben. Soweit sie beantragen, die Hinterbliebenenrenten unter Zugrundelegung eines höheren Vergleichsjahresarbeitsverdienstes (nach § 84 SGB VII) zu berechnen, haben sie bereits nicht dargelegt, dass der nach § 84 SGB VII ermittelte Vergleichsjahresarbeitsverdienst tatsächlich höher wäre. Hierfür bestehen nämlich auf Grund der Tatsache, dass der Versicherte bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit durchgehend seine Beschäftigung als Bäcker bei der Firma Keim und Brecht weiter ausübte keinerlei Anhaltspunkte. Darüber hinaus kommt eine Berechnung der Hinterbliebenenrenten unter Zugrundelegung eines Vergleichsjahresarbeitsverdienstes nach § 84 SGB VII nicht in Betracht, weil auch dessen übrige Voraussetzungen nicht nachgewiesen sind. Gemäß § 84 Satz 1 SGB VII gilt bei Berufskrankheiten für die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes als Zeitpunkt des Versicherungsfalls der letzte Tag, an dem die Versicherten versicherte Tätigkeiten ausgeübt haben, die ihrer Art nach geeignet waren, die Berufskrankheit zu verursachen, wenn die Berechnung für die Versicherten günstiger als eine Berechnung auf der Grundlage des in § 9 Abs. 5 genannten Zeitpunkts - vorliegend also des 29.07.2004 - ist.
Der letzte Tag, an dem der Versicherte die gefährdende Tätigkeit ausübte, lässt sich nicht feststellen. Dies geht nach dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast - wie bereits oben dargelegt - zu Lasten der Kläger. Ein Kontakt des Versicherten mit Asbest/asbesthaltigen Materialien im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Bäcker bestand - so die zutreffende Stellungnahme des Dipl.-Ing. W. - nur bei Wartungs- und Reparaturarbeiten an den Backöfen. Mit solchen war der Versicherte nicht selbst betraut; vielmehr wurden diese Tätigkeiten durch einen externen Monteur ausgeführt. Ein Kontakt des Versicherten mit den gefährdenden Materialien ergab sich nur deswegen, weil er vom externen Monteur bei Reparaturarbeiten zur Unterstützung herangezogen wurde. Auf Grund der Befragung des externen Monteurs lässt sich - so Dipl.-Ing. W. - zwar feststellen, dass dieser nach seinen gewissenhaft geführten Aufzeichnungen (Reparaturbelegen) letztmals vor dem 29.07.2004 am 11.03.2002 eine Reparatur an einem Backofen durchführte. An diesem Tag wurde zur Reparatur eines Thermostats ein Teil der Backofenisolation demontiert. Ob der Versicherte den Monteur zu diesem Zeitpunkt oder aber auch zu einem anderen bestimmten Zeitpunkt unterstützte, ist allerdings - so Dipl.-Ing. W. - auch nach Befragung des Monteurs nicht mehr nachvollziehbar. Ein letztmaliger Kontakt des Versicherten mit asbesthaltigem Material ist somit am 11.03.2002 zwar möglich, aber nicht nachgewiesen. Damit kann der letzte Tag der Ausübung der gefährdenden Tätigkeit nicht festgestellt werden, sodass eine Berechnung des JAV nach § 84 SGB VII ausscheidet.
Den Antrag der Kläger auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG durch Prof. Dr. Wo. zum Beweis des früheren Erkrankungsbeginns lehnt der Senat ab. Wie bereits dargelegt, ist für den insoweit von der Klägerin zu 1 verfolgten Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente der Beginn der Arbeitsunfähigkeit bzw. Behandlungsbedürftigkeit bzw. der Beginn einer rentenberechtigenden MdE maßgebend. Da für die Zeit vor dem 29.07.2004 hinsichtlich der streitgegenständlichen Erkrankung keinerlei ärztliche Befunde vorliegen, ist insoweit ein Gutachten, das lediglich die aktenkundigen Dokumentationen (hier also die dargestellten Auszüge aus der Leistungsdatei der AOK ohne Befundangaben), berücksichtigen kann, nicht geeignet, zu anderen Feststellungen zu führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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