L 11 R 1502/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 758/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1502/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 25. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1950 in Kroatien geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie war nach ihrem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland vom 15. März 1967 bis März 2006 versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt als Montagearbeiterin. Seither war sie arbeitsunfähig krank bzw. arbeitslos, der letzte Pflichtbeitrag wurde am 29. Mai 2008 entrichtet. In der Zeit vom 3. April 2002 bis zum 2. April 2007 wurden mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entrichtet, insgesamt sind Beitragszeiten von mehr als fünf Jahren vorhanden (vgl Versicherungsverlauf vom 18. Juni 2009).

Aufgrund einer absoluten Spinalkanalstenose in den Halswirbelkörpern (HWK) 5/6 mit beidseitigem, linksbetontem Wurzelkompressionssyndrom C6 und beginnender Myelopathie (Rückenmarksschädigung) unterzog sich die Klägerin am 28. April 2005 einer in mikrochirurgischer Technik durchgeführten Operation. Dabei erfolgte eine Dekompression der Spinalkanalstenose über eine ventrale Diskektomie (Entfernung eines Bandscheibenvorfalls) sowie eine Fusion mittels Implantation eines Titanlagers im Bandscheibenfach. Die Operation hatte eine sofortige Rückbildung der linksseitigen Schmerzsymptomatik und eine fast komplette Rückbildung der vorbestehenden motorischen Defizite zur Folge (Entlassbrief der Klinik für Neurochirurgie der S.-B.-Kliniken vom 04. Mai 2005).

Der erste Rentenantrag der Klägerin vom 20. Juli 2005 wurde nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens bei Dr. T. (Diagnosen: Zn Dekompressions-OP C5/6 und Implantation eines Titan-Cages am 28. April 2005 wegen Spinalkanalstenose und Wurzelkompressions-Syndrom C6 beidseits; Leistungseinschätzung: leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr) mit Bescheid vom 27. September 2005 abgelehnt. Der dagegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2005).

Auf den zweiten Rentenantrag vom 9. Mai 2006 wurde die Klägerin von Dr. S. begutachtet (Diagnosen: 1. Zustand nach Dekompressionsoperation C5/6 und Implantation eines Titancages wegen Spinalkananstenose und Wurzelkompressions-Syndrom C6 beidseits, 2. Schwerhörigkeit, mit Hörgeräten versorgt, 3. Schmerzen unklarer Genese im Bereich des linken Armes, Sehnenentzündung möglich; Leistungseinschätzung: vollschichtiges berufliches Leistungsvermögen für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten) mit Bescheid vom 14. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2006 abgelehnt.

Am 3. April 2007 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte veranlasste eine nervenärztliche und internistische Untersuchung. Der Neurologe und Psychiater Dr. V. beschrieb eine somatoforme Schmerzstörung, einen Zustand nach ventraler Diskektomie HWK 5/6 mit Titan-Cage-Implantation bei Spinalkanalstenose HWK 5/6 mit rezidivierenden Zervikobrachialgien, links mehr als rechts, ohne eindeutige radikuläre Zuordnung, eine chronische Lumbago bei lumbaler Spinalkanalstenose, Punktum maximum L4/5 sowie eine Rhizarthrose, links mehr als rechts. Die Klägerin habe in den vergangenen zwei Jahren ein ausgeprägtes Schmerzsyndrom mit Funktionseinschränkung des linken Armes entwickelt. Biographischer Hintergrund sei eine ausgeprägte Leistungsorientierung von Kindesbeinen an mit zeitweiliger Doppelbelastung bei vollschichtiger Erwerbstätigkeit und umfangreicher Beanspruchung als allein erziehende Mutter zweier Kinder. Eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme sei ebenso wie eine ambulante Psychotherapie und antidepressive Medikation zur Behandlung wünschenswert. Derzeit bestünden erhebliche qualitative Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit. Die Klägerin müsse Arbeiten mit beidseitigem Greifen oder Arbeiten, die eine besondere Geschicklichkeit der linken Hand erforderten, ebenso wie das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 5 kg, Überkopfarbeiten, Arbeiten in Zwangshaltungen oder in gebeugter Haltung sowie Akkord- und Schichtarbeiten vermeiden. Für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bestünde unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen noch ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr. Dr. K.-K. ergänzte die Diagnosen noch um die bekannte Schwerhörigkeit, mit Hörgeräten versorgt, eine Daumensattelgelenksarthrose sowie nebenbefundlich Knieschmerzen rechts bei Zustand nach Meniskusoperation und rezidivierende Magenprobleme. Die Klägerin sei aktive Verkehrsteilnehmerin und trage beidseits Hörgeräte seit 2004, eine normal lautende Umgangssprache sei ihr damit verständlich. Die physikalische Untersuchung der Thorax- und Atmungsorgane sei unauffällig gewesen. Bei der Überprüfung des arterio-venösen Systems fänden sich keine Ödeme. Die Werte der ergänzenden Laboruntersuchung fänden sich allesamt im Normbereich. Die Beweglichkeit der HWS sei endgradig eingeschränkt. Äußerlich bestehe Reizfreiheit. Bezüglich der Einschränkung im linken Arm sei zu vermerken, dass die Klägerin Rechtshänderin sei. Äußerlich hätten keine Entzündungszeichen festgestellt werden können. Seitens der unteren Extremitäten bestünde freie Beweglichkeit in Hüft- und Kniegelenken. Die erschwerten Gangarten würden eingeschränkt vorgeführt. Die grob neurologische Untersuchung sei ebenfalls unauffällig gewesen. Die Klägerin sei deswegen auch ihres Erachtens noch vollschichtig leistungsfähig.

Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. September 2007 den dritten Rentenantrag mit der Begründung ab, die Klägerin sei unter Berücksichtigung aller medizinischen Unterlagen noch in der Lage, eine mindestens sechsstündige Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben.

Die Klägerin legte dagegen Widerspruch mit der Begründung ein, das schwere chronische Schmerzsyndrom sei einer erfolgreichen Behandlung nicht zugänglich gewesen. Es liege deswegen kein wirtschaftlich verwertbares Leistungsvermögen mehr vor. Nach Einholung einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme (keine neuen Befunde mitgeteilt) wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2008 zurück. Ergänzend führte die Beklagte aus, der zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beruf müsse dem Leitbild des ungelernten Arbeiters zugeordnet werden, so dass sich die Klägerin deshalb auf sämtlich ungelernte Tätigkeiten verweisen lassen müsse. Für derartige Tätigkeiten bestehe noch ein mindestens sechs Stunden tägliches Leistungsvermögen, so dass die Klägerin weder berufsunfähig noch erwerbsgemindert sei.

Mit ihrer dagegen am 17. März 2008 beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, im Widerspruchsverfahren sei keine weitere medizinische Sachaufklärung erfolgt.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört und die Klägerin anschließend orthopädisch begutachten lassen.

Die Ärztin für Allgemeinmedizin und Anästhesiologie Dr. P. hat ausgeführt, dass die von ihr erhobenen Befunde im Wesentlichen mit denen der Gutachter übereinstimmten. Die Schmerzen seien zum Lebensmittelpunkt der Klägerin geworden, bei der eine Leistungsverweigerung begründet durch langjährige Überforderung bei hohem Intelligenzniveau vorliege. Sie erachte deswegen ein Leistungsvermögen für nicht mehr gegeben. Demgegenüber hat sich der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. K., bei dem sich die Klägerin seit 2002 in größeren Abständen in Behandlung befindet, sowohl der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung als auch den erhobenen Befunden in vollem Umfang angeschlossen.

Der Sachverständige Dr. K. hat in seinem orthopädischen Gutachten eine Heberdenpoliarthrose beidseits, eine Rhizarthrose, eine periphere Enthesiopathie beider Arme mit Epicondylopathie beidseits, eine Zervikobrachialgie links nach operativer Behandlung einer zervikalen Spinalkanalstenose und einliegendem Titancage in Höhe HWK 5/6, ein chronisch rezidivierendes lumboischialgieformes Wirbelsäulensyndrom linksbetont, eine Gonarthrose beidseits Grad II, einen Zn arthroskopischer Innenmeniskusteilresektion und Abrasions-Chondroplastik des rechten Kniegelenkes sowie ein somatoformes Schmerzsyndrom (chronifiziertes Schmerzsyndrom Grad 3 nach Gerbershagen) diagnostiziert. Das von der Klägerin geäußerte Beschwerdebild sei aus orthopädischer Sicht teilweise nachvollziehbar. Im Bereich der oberen Gliedmaßen werde der linke Arm in einer Adduktions-/Innenrotationsstellung am Körper fixiert gehalten. Diese Fehlhaltung sei nur teilweise erklärbar, da der Schultergürtel wie auch die Ober- und Unterarme seitengleich bemuskelt wären. Kennmuskeln einzelner Nervenwurzeln wiesen keine schlaffe oder spastische Lähmung auf. Eine passiv-assistierte Funktionsprüfung des linken Schultergelenkes sei bedingt durch schmerzhaftes Gegenspannen nur eingeschränkt möglich gewesen, die Ergebnisse seien daher nur teilweise verwertbar. Eine Funktionsstörung des Ellenbogengelenks sei nicht bedingt. Im Bereich der Handgelenke und Fingergelenke sei eine freie Funktion feststellbar. Die Druckschmerzen seien mit den radiologisch feststellbaren initialen degenerativen Veränderungen begründbar. Im Bereich der Wirbelsäule bestünden keine Hinweise für eine radikuläre Ausfallsymptomatik. Die Halswirbelsäulenseitneigung und Rotation sei leicht eingeschränkt. Im Bereich von Brust- und Lendenwirbelsäule fände sich eine insuffiziente untrainierte Rückenstreckmuskulatur ohne wesentliche funktionelle Einschränkungen. Es zeigten sich aber lokale umschriebene Druck- und Klopfschmerzen in den unteren lumbalen Segmenten. Die Funktion der Kniegelenke sei (noch) nicht eingeschränkt. Die Halswirbelsäule sei damit insgesamt trotz gutem postoperativem Ergebnis vermindert belastbar, so dass ausgiebige Drehbewegungen nicht leidensgerecht seien. Aufgrund der peripheren Enthesiopathie beider Ellenbogengelenke und den Beschwerden im Bereich der Hände bei Heberdenarthrose und Rhizarthrose sollten Tätigkeiten, die eine erhöhte Anforderung an das Fingerfeingefühl erforderten, unterbleiben. Die Klägerin solle ausschließliches Sitzen ebenso wie Tätigkeiten in gebückter Körperhaltung, unter ungünstigen Witterungseinflüssen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten vermeiden. Mit diesen Einschränkungen könne sie noch leichte, gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig durchführen. Am Vorhandensein der somatoformen Schmerzstörung habe er keinen Zweifel. Die Wegstrecke sei nicht eingeschränkt, die Klägerin verfüge auch über einen Führerschein.

Gestützt hierauf hat das SG die Klage nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 25. Februar 2009, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 3. März 2009, mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Bei ihr stünden degenerative Wirbelsäulenveränderungen sowie ein ausgeprägtes Schmerzsyndrom mit Funktionseinschränkungen des linken Armes im Vordergrund, die aber ausschließlich qualitative Leistungseinschränkungen begründeten. Dies sei insbesondere dem eingeholten Gutachten von Dr. K. zu entnehmen. Seine Beurteilung stimme mit der im Verwaltungsverfahren eingeholten Vorbegutachtung überein. Die abweichende Äußerung von Dr. P. sei nicht geeignet, von einer Minderung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin zu überzeugen. Es würden keine funktionellen Einschränkungen beschrieben. Darüber hinaus komme der sachverständigen Beurteilung grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu, da der Sachverständige sein Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstatten müsse.

Mit ihrer dagegen am 31. März 2009 eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, im Vordergrund ihrer Leistungsbeeinträchtigungen stehe die somatoforme Schmerzstörung, die bislang nicht ausreichend begutachtet worden sei. Sie könne das Gutachten von Dr. K. auch deswegen nicht akzeptieren, weil sie eine frühere Behandlung im Streit abgebrochen habe. Seine Behandlungen hätten ihr nicht geholfen, sondern nur Geld gekostet.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 25. Februar 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. April 2007 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und hat dem Senat einen neuen Versicherungsverlauf vorgelegt.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat die Klägerin nervenärztlich begutachten lassen. Der Neurologe und Psychiater/Psychotherapeut Dr. H. hat eine somatoforme Schmerzstörung sowie eine leichte im Grenzbereich zu einer mittelgradig liegenden depressiven Episode beschrieben. Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule verursachten keine neurologischen Ausfallerscheinungen. Auch klage die Klägerin nicht über typische Symptome eines Nervenkompressionssyndroms. Der von dem behandelnden Neurologen Dr. K. geäußerte Verdacht auf das Vorliegen einer Demenz bzw. ein hirnorganisches Psychosyndrom habe sich nicht bestätigt. Störungen in der Konzentration, des Durchhaltevermögens, der Merkfähigkeit oder des Gedächtnisses lägen nicht vor. Die Klägerin sei damit noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr unter Vermeidung von Heben und Tragen schwerer Lasten über 10 kg, gleichförmiger Körperhaltung, Überkopfarbeiten, Arbeiten auf Leitern, häufigem Bücken und Treppensteigen, Arbeiten in Kälte, unter Kälteeinfluss oder im Freien sowie Akkord- und Wechselschicht sechs Stunden und mehr in wechselnder Körperhaltung zu verrichten.

Die Klägerin hat sich zu den Gutachten persönlich geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft im Sinne des § 144 Abs 1 Satz 2 SGG, da die Klägerin laufende Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt.

Die damit insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S 554). Dies folgt aus § 300 Abs 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs 1 SGB VI).

Nach § 43 Abs 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 61 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S 554) haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der vom SG und der Beklagten vorgenommenen Ermittlungen steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin, die die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt, unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch in der Lage ist, mindestens leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich mehr als sechs Stunden zu verrichten. Sie muss lediglich ausschließliches Sitzen, Tätigkeiten in gebückter Körperhaltung, unter ungünstigen Witterungseinflüssen, mit erhöhter Anforderung an das Fingerfeingefühl, Überkopfarbeiten, gleichförmige Körperhaltung, Heben und Tragen schwerer Lasten über 10 kg, häufiges Bücken und Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern sowie Akkord- und Wechselschicht vermeiden. Damit ist die Klägerin nicht in einem rentenberechtigenden Ausmaß leistungsgemindert. Das hat das SG in Auswertung des Gutachtens von Dr. K. sowie unter Berücksichtigung der sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. P. sowie der im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. V. und Dr. K.-K. ausführlich begründet dargelegt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen in vollem Umfang an und sieht insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründen nach § 153 Abs 2 SGG ab.

Die Ermittlungen des Senats führen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar steht im Vordergrund der leistungslimitierenden Befunde mittlerweile die somatoforme Schmerzstörung sowie eine leichte depressive Episode. Der Senat stützt sich insoweit auf das eingeholte Gutachten von Dr. H ... Für seine Einschätzung, dass eine schwere depressive Episode nicht vorliegt, spricht, dass sich die Klägerin nur in einer insgesamt leicht gedrückten Stimmungslage befand und eine leichte Verminderung der affektiven Schwingungsfähigkeit mit zeitenweisen Lockerungen bestand. Die Psychomotorik war insgesamt eher etwas starr, der Antrieb leicht reduziert. Aufgrund des von der Klägerin geschilderten strukturierten Tagesablauf ist sie durch diese Schmerzstörung aber nicht nennenswert in ihrem Privatleben eingeschränkt. Sie kann noch ihren Haushalt alleine versorgen, Kontakte zur älteren Tochter und den Verwandten ihres Ehemannes pflegen und stundenlang spazieren gehen. Ansonsten beschäftigt sie sich mit Lesen und Rätselaufgaben. Nach der Rechtssprechung des Senats (Urteil des Senats vom 29. September 2009 - L 11 R 742/09) kommt aber der Schweregrad einer somatoformen Schmerzstörung oder einer Depression in einer Beeinträchtigung des täglichen Lebens zum Ausdruck. Dr. H. hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass sich der geschilderte Tagesablauf mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen in Einklang bringen lässt. Gegen einen erheblichen Leidensdruck der Klägerin spricht auch, dass sie keine ärztliche Behandlung mehr in Anspruch nimmt. Dass die Klägerin Vergesslichkeit beklagt, konnte sich im Verlauf der Untersuchung nicht bestätigen lassen. Vielmehr konnte der Sachverständige eine Demenz bzw. ein hirnorganisches Psychosyndrom ausschließen. Die Klägerin hat keine Störungen der Konzentration, des Durchhaltevermögens, der Merkfähigkeit oder des Gedächtnisses gezeigt. Ihr Gedankengang war geordnet und nicht verlangsamt.

Aus den degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule resultieren keine neurologischen Ausfallerscheinungen wie Paresen, Atrophien oder eindeutig auf eine umschriebene Nervenwurzel beziehbare Sensibilitätsstörungen. Insofern haben die durchgeführten Bandscheibenoperationen ein gutes Ergebnis gezeigt.

Es verbleibt daher dabei, dass die Klägerin bei der im Vordergrund stehenden somatoformen Schmerzstörung und leichten Depressionen nicht in ihrem Leistungsvermögen zeitlich limitiert ist.

Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht der Klägerin keine konkrete Berufstätigkeit genannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" erfordern (vgl. hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136). Sie erscheinen nämlich nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin erlaubt ihr weiterhin noch körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen, wie z. B. Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Montieren, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von kleinen Teilen. Diese Tätigkeiten sind der Klägerin auch im Hinblick auf die Heberden- und Rhizarthrose gesundheitlich zumutbar, denn die Funktion der Hände ist dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt.

Die Klägerin ist auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit, da sie keinen Beruf erlernt hat und somit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist.

Die Berufung war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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