Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 16 U 3225/01
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 320/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2003 wird zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2003 die Beklagte verurteilt, den Unfall des Klägers vom 23. April 1999 als Schulunfall zu entschädigen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1986 geborene Kläger ist der einzige Sohn bosnischer Eltern, mit denen er seit 1992 in der Bundesrepublik Deutschland lebt. Er streitet um die Entschädigung eines Ereignisses vom 23. April 1999 als Schulunfall.
Ausweislich der Unfallanzeige der XY-Schule, eines Gymnasiums in D-Stadt/D., vom 11. Mai 1999 verschluckte der Kläger sich dort am 23. April 1999 gegen 9.40 Uhr auf dem Pausenhof an einem Croissant, das in seine Lunge gelangte und zum Atemstillstand führte. Der Kläger wurde reanimiert. Nach dem Bericht des Fachkrankenhauses DN. vom 31. Mai 2000 verblieb bei ihm eine schwere hypoxische-ischämische Encephalopathie nach Reanimation bei Bolus-Aspiration, eine Aspirationspneumonie sowie ein Pneumothorax rechts bei dauerhaft bestehendem apallischem Syndrom. Der Kläger ist nach dem Bescheid des Versorgungsamts B-Stadt vom 28. Februar 2001 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 wegen einer Hirnschädigung mit Folgestörung anerkannt.
Der Notarzt E. berichtete am 23. April 1999 sowie am 10. Februar 2000, der Kläger habe sich ein Croissant komplett in den Mund gesteckt, sei anschließend blau angelaufen und umgefallen, wobei er diese Angaben von umstehenden Schülern und Lehrern erhalten habe, von denen keiner Unfallaugenzeuge gewesen sei. Wesentliche weitere Verletzungen seien ihm beim Kläger nicht aufgefallen, wobei er Bagatellverletzungen wie Schürfungen oder Prellungen nicht ausschließen könne. Auch der Rettungsassistent F. F. hatte nach seiner Auskunft vom 8. Februar 2000 weitere Verletzungen beim Kläger nicht erkennen können. Das I-Klinikum für Kinder und Jugendliche in I-Stadt schrieb am 27. Mai 1999, der Kläger habe sich an einem Croissant verschluckt, das er sich komplett in den Mund gesteckt habe. Er habe geäußert, keine Luft zu bekommen, sei blau angelaufen und umgefallen. Diese anamnestischen Angaben habe die Klassenlehrerin des Klägers Dr. F. als aufnehmendem Arzt gegenüber gemacht. Hinweise auf sturzbedingte oder unfallbedingte äußere Verletzungen seien nicht aufgefallen. Das I Klinikum hat auszugsweise Behandlungsunterlagen übersandt, in denen als Aufnahmebefund ausgeführt ist, Schädel, Stamm und Extremitäten des Klägers seien o. B. gewesen und es hätten keine Hautverletzungen bestanden. Mit weiterer Stellungnahme vom 22. Mai 2000 äußerten Dres. G. und F. vom I-Klinikum, eine "körpereigene" Entstehung der Verletzung des Klägers sei möglich. Es sei durchaus möglich, dass jemand größere Nahrungsmittelmengen verschlucke mit der Folge eines Luftröhrenverschlusses und es sei weiter möglich, dass im Rahmen der Reanimation Anteile des Croissants, die bereits den Luftweg verlegt hätten, in tiefere Anteile des Tracheobronchialsystems gelangten – entweder während der Maskenbeatmung oder während der anschließenden Intubation. Die körpereigenen Reflexe schlössen eine Aspiration nicht aus. Durch Hinzutreten weiterer mitverursachender Umstände werde die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses gesteigert. Es sei zweifelsfrei, dass der Kläger große Teile eines Croissants zu sich genommen habe, da sie am Nachmittag im Rahmen einer Umintubation mehrere, bis zu handtellergroße Stücke aus dem Rachenraum entfernt hätten. Welcher der im Schreiben der Beklagten vom 22. März 2000 alternativ zur Diskussion gestellten Ereignisabläufe sich tatsächlich ereignet habe, könnten sie nicht mit ausreichender Sicherheit bestätigen. Das Fachkrankenhaus DN. berichtete am 31. Mai 2000 zum Unfallhergang, Mädchen hätten näher beobachtet, dass der Kläger sich den Kopf blutig geschlagen habe, nachdem er infolge des Verschluckens zu Boden gefallen sei.
Der Mitarbeiter der Beklagten H. H. besuchte die Schule am 22. November 1999, befragte die Klassenlehrerin D. und mehrere Mitschüler und fertigte hierüber den Aktenvermerk vom 22. November 1999. Einen dem entsprechenden "Aktenvermerk" ließ er sodann in gleicher Form vom Schulleiter Dr. J., der Klassenlehrerin D. sowie den Mitschülerinnen und –schülern des Klägers L. L., K. K., C., M. M., N. N. und O. O. unterzeichnen. Mit Bescheid vom 7. Juli 2000 lehnte die Beklagte sodann die Gewährung von Entschädigungsleistungen anlässlich des Ereignisses ab, da es sich nicht um einen Schulunfall gehandelt habe. Der Kläger habe durch Verschlucken eines großen Croissant-Stückes, von dem Teile in seine Luftröhre geraten seien, einen Atemstillstand und nachfolgend weitere schwere Gesundheitsschäden erlitten. Die Nahrungsaufnahme sei eine private unversicherte Handlung und sei nach der fachmedizinischen Stellungnahme der Dres. G. und F. auch ohne äußere Umstände als alleinige Ursache des Herganges denkbar.
Der Kläger legte am 8. August 2000 Widerspruch ein und trug zu dessen Begründung vor, es stehe fest, dass er ein besonders großes Stück des Croissants in den Mund gesteckt hatte, das die Luftröhre verstopft habe. Das Verschlucken dieses Croissant-Teiles sei im Rahmen eines "Wettbewerbs" erfolgt, den er mit C., seinem Mitschüler, veranstaltet habe. Denkbar sei, dass er beim Verzehr auch wegen des alsbaldigen Unterrichtsbeginns eine besondere Eile an den Tag gelegt habe. Er habe offenbar das Gebäckstück am Ende der Pause beschleunigt verzehren wollen und sich deshalb daran verschluckt. Egal von welcher Ursache man ausgehe, beide seien schulbezogen und Unfallversicherungsschutz begründend. Der Schulleiter Dr. J. erteilte die Auskunft vom 1. März 2001 zu Einzelheiten des Verkaufes und des Verzehrs von Nahrungsmitteln in der Schule. Er ging davon aus, der Kläger habe sich wahrscheinlich mit dem Verzehr beeilt, um noch rechtzeitig vor Unterrichtsbeginn die Essenseinnahme beenden zu können. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2001 verblieb die Beklagte bei ihrer Entscheidung, da der Nachweis einer betriebsbedingten Eile als Ursache für das Verschlucken nicht erbracht sei. Die dahingehende Vermutung des Schulleiters sei nicht belegt.
Mit Klage vom 26. September 2001 trug der Kläger vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) vor, er habe sich während der ersten großen Pause in der Schul-Cafeteria ein Schokocroissant gekauft. Bevor er dieses aufgegessen gehabt habe, habe es zum Unterrichtsbeginn geläutet. Aus diesem Anlass habe er sich ein besonders großes Stück des Croissants in den Mund gesteckt, wodurch es zur Erstickung gekommen sei. Er habe sich beim Sturz am Kopf verletzt. Das dort zunächst sichtbare Blut sei dann aber schnell entfernt worden.
Das SG hat die schriftlichen Zeugenaussagen der Sekretärinnen P. P. vom 10. Dezember 2001 und 31. Januar 2002, Q. Q. vom 29. Januar 2002 und G. vom 25. Februar 2002 eingeholt, zudem die des Kantinenbetreibers R. R. vom 28. Januar 2002. Der Schulleiter Dr. J. hat die Auskünfte vom 11. Dezember 2001 und 23. Januar 2002 erteilt, wonach bei Befragung der als Augenzeugen in Betracht kommenden Schüler der Jahrgangsstufen 5 und 6 sich kein Augenzeuge gemeldet habe, der den Zusammenbruch des Klägers gesehen habe. Die DRK-Einsatzkräfte S. S. und J. JX. teilten am 28. Januar 2002 mit, sie hätten keine äußeren Verletzungen beim Kläger erkennen können. Die Inspektion des Mund-Rachen-Raumes habe eine Atemwegsverlagerung durch Gebäck ergeben und S. S. habe sodann die Luftwege freigemacht. Die Außenaufsicht führende Lehrerin RU. (spätere E.) gab am 6. Februar 2002 als Zeugin schriftlich gehört an, sie sei die erste Erwachsene gewesen, die nach dem Vorfall Kontakt mit dem Kläger gehabt habe und ihn torkelnd mit der Hand vor dem Mund vorgefunden habe. An der Hand sei Speisebrei vermischt mit Blut gewesen. Äußere Verletzungen habe sie nicht erkennen können. Das SG zog sodann noch die Behandlungsunterlagen des Hausarztes Dr. T. bei und die Schwerbehindertenakte vom Versorgungsamt B-Stadt, bevor es mit Urteil vom 10. Februar 2003 die Beklagte unter Aufhebung des ergangenen Bescheides verpflichtete, den Kläger neu zu bescheiden. In den Gründen führt die Entscheidung aus, die Beklagte habe das Ereignis vom 21. April 1999 als Schulunfall anzuerkennen. Besondere betriebliche Umstände für ein betont schnelles Verzehren des Croissants konnte das SG nicht erkennen, ebenso wenig ein selbstschädigendes Verhalten des Klägers. Auch innere Erkrankungsanlagen stünden außer Diskussion. Es sei davon auszugehen, dass eine nicht bekannte, jedenfalls als schulisch-betrieblich anzusehende Einwirkung während des Weges vom Schulhof ins Klassenzimmer bei gleichzeitigem Verzehr des Croissants innerhalb weniger unbeobachteter Minuten erfolgt sei und zum Verschlucken geführt habe. Eine aus der Risikosphäre des Klägers stammende Ursache sei nicht vorstellbar, so dass ein schulisch-betrieblicher Bezug anzunehmen sei.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 3. April 2003 zugestellte Urteil am 14. April 2003 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt und hat zur Begründung des Rechtsmittels vorgetragen, die Nahrungsaufnahme sei auch für einen Schüler in der Schule unversichert. Die erstinstanzliche Entscheidung habe weder eine schulbedingte besondere Eilbedürftigkeit beim Verspeisen des Croissants noch sonstige betriebliche Umstände feststellen können. Eine vom SG diskutierte mögliche Ursache aus dem schulischen Bereich reiche nicht aus, um gesetzlichen Unfallversicherungsschutz zu begründen. Es seien auch keine besonderen Umstände der Nahrungsaufnahme erkennbar geworden, die ausnahmsweise Unfallversicherungsschutz bejahen lassen könnten – beispielsweise ein besonderes Hunger- oder Durstgefühl infolge anstrengender Arbeit.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2003 die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 23. April 1999 als Schulunfall/Arbeitsunfall zu entschädigen.
Er hat zunächst entgegnet, er habe das Nahrungsmittel aufnehmen müssen, um seine Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Hinzu komme die schulbedingte Eile bei Aufnahme der Nahrung, so dass die erstinstanzliche Entscheidung zutreffend einen Schulunfall angenommen habe. Im Senatstermin vom 13. Oktober 2004 hat er Anschlussberufung eingelegt, da das SG mit dem Tenor seines Urteils in Gestalt eines Bescheidungsurteils seinem erstinstanzlichen Klageantrag nicht voll entsprochen habe.
Das Berufungsgericht hat die hausärztlichen Unterlagen des Dr. T. sowie die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes B-Stadt erneut beigezogen, zudem die komplette Krankenakte des I-Klinikums I-Stadt, die Schülerakte des Klägers, das Klassenbuch der Klasse 6b, der der Kläger damals angehörte, die Protokolle der Gesamtkonferenzen der vom 28. April und 14. September 1999, in denen der Unfall des Klägers jeweils Tagesordnungspunkt war, sowie schließlich die Akte des Staatlichen Schulamtes für die Landkreise WW. und X-Kreis in X-Stadt. Die Schule hat am 17. März 2004 ergänzend mitgeteilt, dass als 3. Stunde nach der Pause Englisch in Raum 152 im ersten Stock des Erweiterungsbaus der Schule zu unterrichten gewesen sei.
Sodann hat der mit der Sachbearbeitung beauftragte Berichterstatter am 1. Juni 2004 an der in D-Stadt einen Ortstermin durchgeführt. Dort wurden zunächst die Örtlichkeiten besichtigt und ein Rundgang von der Cafeteria auf den Schulhof zu dem Fenster, vor dem der Kläger und der Mitschüler C. gestanden hatten, durchgeführt – weiter zu der Stelle, an der der Kläger zusammenbrach und sodann ins Klassenzimmer und zurück auf den Schulhof. Vor Ort wurden die Ereignisse unter Anwesenheit der Beteiligten und der im Anschluss gehörten Zeugen kurz besprochen, bevor der Termin in einem Raum der Schule fortgesetzt wurde. Dort wurden als Zeugen gehört: D., die Klassenlehrerin, F., der Erste Hilfe leistende Lehrer, G., eine Schulsekretärin, E. (frühere RU.), die die Pausenaufsicht führende Lehrerin, sowie C. als Mitschüler des Klägers, der mit ihm zusammen das Croissant gekauft und verzehrt hatte und den zuvor beschriebenen Weg mit ihm gegangen war. Wegen des Ablaufes des Termins und der Zeugenaussagen im Einzelnen wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
Die Beteiligten haben zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen. Die Beklagte hat geäußert, der Termin habe zu keinen neuen Erkenntnissen geführt, so dass Unfallversicherungsschutz weiterhin abzulehnen sei. Der Kläger vertritt die Auffassung, unfallursächlich sei ein schulspezifisches Verhalten geworden. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass das Verschlucken sich nicht anlässlich der "normalen Essenseinnahme" ereignet habe, sondern entscheidend verursacht worden sei durch die übergroße Menge an Croissant, die er auf einmal in den Mund genommen habe, und das Grimassenschneiden vor dem Fenster. Die Zeugin E. habe ihn in unmittelbarer Nähe dieses Fensters angetroffen und zwar, nachdem er sich bereits verschluckt hatte und zu ersticken drohte. Schon aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Moment, als der Zeuge C. den Kläger verlassen habe und die Zeugin E. ihn in Empfang genommen habe, ergebe sich zwingend, dass anderweitige nicht schulbedingte Ursachen für das Verschlucken ausscheiden würden. Der Notarztbericht bestätige, dass sich in Mund und Speiseröhre Speisereste in einer Menge befunden hätten, die weit über das hinausgingen, was einem "Biss" entspreche. Der Zeuge C. habe eingehend beschrieben, dass der Kläger das Croissant vollständig im Mund gehabt und sich so in der Fensterscheibe beobachtet habe, dabei Grimassen geschnitten und gelacht habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes B Stadt, die Schülerakte des Klägers, das Klassenbuch und die Akte des Schulamtes Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene, zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet, da das Ereignis vom 23. April 1999 als Schul- bzw. Arbeitsunfall anzuerkennen und von der Beklagten zu entschädigen ist. Da die erstinstanzliche Entscheidung zwar in den Gründen von der Entschädigungspflicht der Beklagten ausgegangen war, aber im Tenor nur ein Bescheidungsurteil bei weitergehendem Klageantrag erlassen hatte, war das Urteil vom 10. Februar 2003 auf die Anschlussberufung des Klägers hin abzuändern und antragsgemäß die Beklagte zur Entschädigung zu verurteilen.
Der Kläger war als Schüler einer allgemeinbildenden Schule gegen Arbeitsunfall (Schulunfall) versichert (§ 2 Abs. 1 Ziffer 8b Sozialgesetzbuch – 7. Band –SGB VII-). Bei Prüfung der Frage, ob es sich beim Ereignis vom 23. April 1999 um einen Schulunfall gehandelt hat, geht der Senat von folgendem Sachverhalt aus: Der Kläger hatte als Schüler der Klasse 6b in der in D-Stadt/D. in der Nacht zum 23. April 1999 nach Angaben seiner Mutter im Ortstermin vom 1. Juni 2004 schlecht geschlafen. Sie hatte ihn daher später geweckt und ohne Frühstück zur Schule geschickt, welches sie ihm nach der 1. Stunde nachbrachte. In der 1. Stunde hatte er Deutsch, dann katholische Religion und nach der ersten großen Pause wäre Englisch im Klassenzimmer Raum 152 im 1. Stock des Neubaus unterrichtet worden. Nach den Aussagen der Zeugen C. und RU./E. vom 1. Juni 2004 dauerte die Pause von 9.25 bis 9.45 Uhr. Sie wurde mit je einem Gong eröffnet und geschlossen. Nach der Aussage des C. kauften er und der Kläger sich etwa fünf Minuten vor Pausenende jeweils ein aus Blätterteig gebackenes Schokocroissant in der Schulkantine und gingen anschließend zurück auf den Schulhof für die 5. und 6. Klassen zum Haupteingang des Neubaus, in dem sich ihr Klassenraum 152 im 1. Stock befand. Der Kläger hatte das Croissant vollständig im Mund, als er mit C. vor dem Fenster ankam, das direkt links neben dem Haupteingang des Neubaus gelegen ist. A. hatte dicke Backen, beobachtete sich in der Fensterscheibe und schnitt dabei Grimassen. Dabei sagte er nichts, beide Schüler lachten. C. fand es sehr komisch, dass A. dicke Backen hatte. Sie hatten öfters geblödelt und miteinander dumme Sachen gemacht. C. war der Auffassung, A. habe sich das Croissant deshalb in den Mund gesteckt, weil er es lustig fand. Er verließ A., als es zum Unterricht gongte. A. hatte den Mund so voll, dass er nicht mehr sprechen konnte, gab seinem Freund aber zu verstehen, dass er nachkommen wolle. Nachdem C. A. verlassen hatte, kam A. die als Lehrerin Pausenaufsicht führenden Zeugin RU./E. entgegen. Nach deren Aussage im Ortstermin sah sie A. aus Richtung des Fensters, vor dem er Grimassen geschnitten hatte, ihr entgegentorkeln, als sie den Neubau durch den Haupteingang verließ. Zeitlich ordnete die Zeugin diesen Vorgang in den Übergangsbereich vom Pausenende zum Unterrichtsbeginn ein. Der torkelnde A. hatte die Hand vor dem Mund, Erbrochenes mit Blut vermischt darin und war so schwach, dass er nicht mehr stehen konnte. Er legte sich auf den Boden im Eingangsbereich des Neubaus. Den anschließend angetretenen Weg zum Arztzimmer schaffte er trotz Mithilfe der Zeugin nur wenige Meter bis auf den Schulhof kurz vor die hintere Eingangstür zum Hauptgebäude, wo er zusammenbrach.
Danach steht zur Überzeugung des Senats zweifelsfrei fest, dass der Kläger sich an einem übergroßen Stück des in der Schulkantine erworbenen Schokocroissants verschluckte, dessen Reste ihm anschließend vom Erste Hilfe leistenden Lehrer F., dem Sanitäter S. S. und auch noch anschließend von den behandelnden Ärzten im I-Klinikum I-Stadt entfernt werden mussten. Irgendwelche äußeren Umstände – beispielsweise ein Sturz oder Einwirkungen durch Dritte – sind nicht bekannt geworden und als wesentliche Mitursache des Geschehens nicht in Betracht zu ziehen. Gegen das Wirksamwerden derartiger Umstände sprechen nach den Zeugenaussagen C. und E. sowohl der zeitliche Ablauf des Geschehens wie auch die konkrete Örtlichkeit des Unfallortes. Denn zwischen dem Fenster, vor dem die beiden Jungs sich belustigt hatten, und dem Eingangsbereich in den Neubau liegen nur wenige Schritte. Auch zwischen dem Zeitpunkt, als der Mitschüler C. den Kläger verließ, und dem Moment, als die Zeugin E. den Kläger von dem Fenster her torkelnd auf sich zukommen sah, können nur Sekunden – keinesfalls Minuten – gelegen haben. Sowohl der Zeuge C. als auch die Zeugin E. ordnen das Geschehen in den Übergangsbereich von der ersten großen Pause zum Beginn der 3. Unterrichtsstunde ein. Beide Zeugen haben irgendwelche Anhaltspunkte für auf den Kläger einwirkende äußere Umstände nicht angeben können. Weitere Zeugen für den Verlauf des Geschehens, das sich zwischen den beiden vorgenannten, nur kurz auseinander liegenden Zeitpunkten ereignet haben könnte, gibt es nicht.
Der Senat hatte danach den Vorgang des Verschluckens an einem zu großen Croissant-Stück unter zwei Gesichtspunkten zu überprüfen: Der Vorgang des Essens an sich war zu bewerten, aber auch das Essen des Schokocroissants als spielerischer Akt für den Kläger mit Aufblähen der Backen durch Hineinstopfen eines übergroßen Croissant-Stückes, Grimasseschneiden und Blödeln zusammen mit dem Mitschüler C ...
Essen und Trinken sind grundsätzlich auch während der Arbeit bzw. des Schulbesuchs private, eigenwirtschaftliche Handlungen, so dass kein Versicherungsschutz für Unfälle infolge des Essens oder Trinkens selbst, beispielsweise durch Verschlucken, Verbrennen, Abbrechen eines Zahnes oder Vergiftung, besteht. Ausnahmen sind nur anerkannt, wenn Umstände aus dem versicherten Risikobereich wesentlich zum Unfall beitragen. Es kommt darauf an, dass betriebliche Umstände im Einzelfall über das normale, allgemein übliche Maß hinaus so stark sind, dass die Essenseinnahme oder das Trinken im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Das kann bei einer besonders schweren oder langen kräfteraubenden Arbeit der Fall sein. Weitere Beispiele sind eine betriebsbedingte Hast, Trinken zwecks Stillung arbeitsbedingten großen Durstes infolge Hitze oder Staub, Erhaltung der Arbeitskraft vor plötzlich abzuleistenden Überstunden (dazu Ricke, Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Anm. 72, 73 zu § 7 SGB VII). Ein innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ist darüber hinaus angenommen worden, wenn betriebliche Zwänge den Versicherten veranlassen, seine Mahlzeiten an einem besonderen Ort oder in besonderer Form einzunehmen, wenn die Umstände der Nahrungsaufnahme somit durch die versicherte Tätigkeit maßgebend geprägt und ihr damit zuzurechnen sind (Bundessozialgericht –BSG- SozR 2200 § 548 Nr. 86; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 11, BSGE 12, 247; BSG SozR 3-2200 § 515 Nr. 15 Reichsversicherungsordnung –RVO-; Krasney in: Brackmann, a.a.O., Anm. 72 zu § 8 SGB VII).
Der Kläger hatte am Morgen des Unfalltages zu Hause nicht gefrühstückt, wie seine Mutter im Ortstermin berichtete, und es ist nicht bekannt, ob er das ihm nach der 1. Stunde von der Mutter überbrachte Frühstück bereits gegessen hatte, als er sich mit C. in die Cafeteria begab, um ein Schokocroissant zu kaufen. Besonders anstrengende, ermüdende oder Durst auslösende Unterrichtsstunden hatte er vor der ersten Pause mit Deutsch und katholischer Religion nicht. Die Beweisaufnahme konnte nicht bestätigen, dass der Kläger gezwungen gewesen wäre, das Schokocroissant noch schnell aufzuessen, um für die 3. Stunde bereit zu sein. Zum einen hätte er einen Rest auch später essen können, zum anderen hätte er auf dem Weg vom Schulhof zum Klassenraum und dort bis zum Erscheinen des Englischlehrers noch genügend Zeit gehabt, das restliche Croissant zu verspeisen. Danach trat der Vorgang des Essens an sich im Sinne der Nahrungsaufnahme nicht aus dem eigenwirtschaftlichen Bereich heraus und war nicht so durch Einflüsse des Schulbesuches geprägt, dass sich unter diesem Gesichtspunkt gesetzlicher Unfallversicherungsschutz begründen ließe, was die Klägerseite nach Durchführung des Ortstermins auch nicht mehr behauptet.
Zu einer abweichenden Beurteilung gelangte der erkennende Senat jedoch unter Würdigung des Essens als spielerischer Akt, wobei er die in Literatur und langjähriger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Frage gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes bei spielerischen Handlungen Jugendlicher – seien es Arbeitnehmer oder Schüler – seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Nach der Theorie von der wesentlichen Bedingung muss die versicherte Tätigkeit, der Schulbesuch, eine wesentliche Bedingung für die Herbeiführung des Unfalls gewesen sein. Die ursächliche Verknüpfung zwischen Unfall und versicherter Tätigkeit muss so eng sein, dass daneben andere, mit der versicherten Tätigkeit nicht zusammenhängende Umstände in den Hintergrund treten und deshalb als rechtlich unwesentlich nicht zu berücksichtigen sind (BSGE 8, 53, 55). Bei erwachsenen Arbeitnehmern schließt eine unabhängig vom Arbeitsvorgang stattfindende, den Zwecken des Betriebes zuwiderlaufende Spielerei grundsätzlich den Unfallversicherungsschutz aus. Rechtlich allein wesentliche Ursache ist vielmehr die Spielerei selbst, auch wenn eine Betriebseinrichtung beim Zustandekommen des Unfalls mitgewirkt hat (BSG in BG 1971, 233, 234). Etwas anderes kann gelten, wenn es sich bei den Verletzten um jugendliche Arbeitnehmer handelt. In diesen Fällen ist der Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit im Einzelfall dadurch begründet worden, dass der Jugendliche durch die Gestaltung der Betriebsverhältnisse in die Lage versetzt wurde, sich durch leichtsinnige Spielereien besonderen Gefahren auszusetzen – insbesondere wenn es im Betrieb an einer dem noch unbändigen Spieltrieb angemessenen Beaufsichtigung des Jugendlichen gefehlt hat. Dies gilt insbesondere bei Vorhandensein von Lehrwerkstätten, in denen sich der jugendliche Spiel- und Nachahmungstrieb weitaus ungehemmter entfalten kann, als wenn die jungen Leute auf die Arbeitsplätze der erwachsenen Belegschaftsmitglieder verteilt werden. Diese für jugendliche Arbeitnehmer geltenden Rechtsgrundsätze finden im Wesentlichen auch auf die Schülerunfallversicherung Anwendung. Dem Versicherungsschutz in der Schülerunfallversicherung unterliegen in erster Linie Betätigungen während des Unterrichts, in den dazwischen liegenden Pausen und solche im Rahmen sog. Schulveranstaltungen, soweit diese sich im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule abspielen (BSG SozR 2200 Nr. 48 zu § 548 RVO; BSG, Urteil vom 5. Oktober 1995 in: Die Sozialgerichtsbarkeit 1996, 338; BSG, Urteil vom 7. November 2000, Az.: B 2 U 40/99 R). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass vielfach der Spieltrieb die Handlungsweise bestimmt und dass dieser durch die große Zahl der auf engem Raum zusammenkommenden Kinder verstärkt wird. Denn Kinder und Jugendliche veranlassen sich erfahrungsgemäß gern zu Spielereien, die sie allein kaum unternehmen würden (BSGE 42, 45). Insoweit ist die haftungsbegründende Kausalität bei Schülern eher als bei Unfällen jugendlicher Arbeitnehmer zu bejahen, weil von der Schule gerade in Bezug auf Spiel- und Nachahmungstrieb der Schüler zusätzliche Gefahren ausgehen (BSG, Urteil vom 7. November 2000; BSGE 42, 45; 43, 113, 116). Diese Gefahren müssen im Rahmen des Unfallversicherungsschutzes Berücksichtigung finden. Neben den auf natürlichem Spieltrieb beruhenden gehören auch auf typischem Gruppenverhalten beruhende Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen zu den besonderen Verhältnissen, die für Schüler zu Gefährdungen führen können in Anbetracht ihrer noch mangelnden Einsicht in Gefahren. Entscheidend ist abzustellen jeweils auf die Umstände des Einzelfalles, die Persönlichkeit des Verletzten und die Art der Spielerei (Bereiter-Hahn, Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, Anm. 18.9 zu § 2 SGB VII).
Die Zivilrechtsprechung im Haftpflichtgesetz orientiert sich im Wesentlichen an denselben Grundsätzen. Danach gefährden Schüler, die meist noch Kinder oder heranwachsende Jugendliche sind, sich und andere vor allem auch deswegen, weil ihnen die nötige Erfahrung darin fehlt, sich mit der erforderlichen Rücksichtnahme und gegenseitigen Anpassung in eine nicht selbst gewählte Gruppe einzufügen. Diese Schwierigkeiten werden erfahrungsgemäß besonders deutlich, wenn nach der Disziplin des Unterrichts in der Pause eine allgemeine Lockerung des Verhaltens natürlich und an sich auch gewünscht ist (BGHZ, 67, 279, 283). Schulbezogen im Sinne der Zivilrechtsprechung sind insbesondere Verletzungshandlungen, die aus Spielereien, Neckereien und Raufereien unter den Schülern hervorgegangen sind, ebenso Verletzungen, die in Neugier, Sensationslust und dem Wunsch, den Schulkameraden zu imponieren, ihre Erklärung finden. Dasselbe gilt für Verletzungshandlungen, die auf übermütigen und bedenkenlosen Verhaltensweisen in einer Phase der allgemeinen Lockerung der Disziplin - insbesondere in den Pausen – beruhen (BGH, a.a.O., S. 282; BGH - Urteil vom 30. März 2004, Az.: ).
Indessen sind spielerische Aktivitäten von Schülern, auch wenn diese sich in der Schule abspielen, nicht grenzenlos unfallversichert. Zu den Grenzen gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes gilt in der Schülerunfallversicherung vielmehr folgendes: Versicherungsschutz ist in der Regel zu bejahen, wenn sich die spielerische Betätigung eines Schülers noch im Rahmen dessen gehalten hat, was nach den Umständen des Falles nicht als völlig unverständlich oder vernunftwidrig zu erachten ist, mag es vielleicht auch unbefangen oder leichtsinnig gewesen sein. Auch in diesem Zusammenhang ist der im Unfallversicherungsrecht geltende Grundsatz zu beachten, dass weder ein verbotswidriges noch ein leichtsinniges, sondern allenfalls ein höchst unvernünftiges Handeln den Unfallversicherungsschutz ausschließt, was aus §§ 548 Abs. 3 RVO, 7 Abs. 2 SGB VII und insbesondere aus §§ 553 RVO, 101 Abs. 1 SGB VII folgt, wonach lediglich bei absichtlichem Herbeiführen eines Arbeitsunfalles kein Leistungsanspruch besteht. Voraussetzung ist allerdings immer, dass noch ein innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gegeben ist. Ausnahmsweise können Spieldrang oder Spielintensität so ausgeprägt sein, dass sie die schulischen bzw. betrieblichen Momente als unwesentlich verdrängen (Ricke in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Anm. 103 zu § 108 SGB VII; BSG SozR Nr. 68 zu § 542 RVO a.F.). Auch wenn das eigenverantwortliche Handeln des Geschädigten selbst derart im Vordergrund steht, dass die versicherte Tätigkeit für den Kausalverlauf nicht mehr als wesentlich angesehen werden kann, entfällt der Versicherungsschutz – insbesondere wenn der Geschädigte sich in so hohem Maße vernunftwidrig und gefahrbringend verhält, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit damit rechnen musste, es werde zu einem Unfall kommen. Diese Grundsätze gelten auch für die Beurteilung der Spielerei eines Schülers, die ihrer Natur nach zu einem erheblichen Teil keine vernunftmäßig gesteuerte Tätigkeit zu sein pflegt. Hier kommt es entscheidend auf die Art der Spielerei und insbesondere auf die Fähigkeit des verunglückten Schülers an, deren Gefährlichkeit zu erkennen (BSGE 42, 47). Für die zur Erkennung von Gefahren erforderliche Einsichtsfähigkeit kann keine allgemeine Altersgrenze festgesetzt werden. In der Regel kann jedoch mit Vollendung des 18. Lebensjahres von genügender Einsichtsfähigkeit ausgegangen werden, so dass in aller Regel nur bei jüngeren Schülern von Besonderheiten gesprochen wird (Schwerdtfeger in: Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, SGB VII, Anm. 269 zu § 8; BSG in BG 1971, 233; BSG SozR Nr. 68 zu § 542 RVO a.F.; Keller in: Hauck, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, Anm. 146 zu § 8 SGB VII). In diesem Rahmen können unfallbringende Handlungen in hohem Maße vernunftwidrig und gefahrbringend, subjektiv gesehen aber das Ergebnis eines gruppendynamischen Prozesses und damit letztlich doch gesetzlich unfallversichert sein (Wiester in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, Anm. 507 zu § 2 SGB VII; BSG, Az.: B 2 U 40/99 R).
Nach diesen Entscheidungskriterien hat der erkennende Senat für den vom Kläger am 23. April 1999 erlittenen Unfall gesetzlichen Unfallversicherungsschutz bejaht, da rechtlich wesentlich mitursächlich für den Unfall nicht nur das Essen an sich, sondern damit untrennbar verbundene, besondere schulische Umstände wurden, unter denen sich das Verspeisen des Croissants vollzog. Der Kläger war in der Schule Kontakten mit Gleichaltrigen ausgesetzt, die für ihn als Einzelkind in der Familie im Regelfall nicht wirksam wurden. Er neigte daher u.U. mehr als andere Kinder, die Geschwister haben und einen Teil dieses Verhaltens in der Familie ausleben, dazu, seinen Spieltrieb, das kindlich-jugendliche Imponiergehabe in der Schule auszuleben. Dazu mag auch seine besondere Situation als Einzelkind einer seit 1992 in der BRD aufgenommenen bosnischen Eltern beigetragen und evtl. dazu geführt haben, dass einige Mitschüler ihn in dem vom Mitarbeiter der Beklagten H. gefertigten Aktenvermerk vom 23. November 1999 als "Klassenclown" charakterisieren. Beschrieben wird damit allein die individuelle Persönlichkeit des Klägers, mit der er zum Schüler der geworden ist, und mit dieser Eigenart stand er bei seinem Schulbesuch allgemein wie auch am 23. April 1999 unter Unfallversicherungsschutz. Der Spieltrieb des Klägers und sein Imponiergehabe gegenüber dem Mitschüler C., mit dem er langjährig befreundet war und mit dem er schon öfter geblödelt und dumme Sachen gemacht hatte, standen im Vordergrund, als er sich ein zu großes Stück des Schokocroissants in den Mund steckte, bevor sich beide Schüler sodann – der Kläger Grimmassen schneidend – in der Scheibe des Fensters direkt neben dem Haupteingang des Neubaus beobachteten. Der Vorgang der Nahrungsaufnahme zum Stillen eines evtl. Hungergefühls war zu diesem Zeitpunkt vollkommen in den Hintergrund getreten. Der Spieltrieb des Klägers und sein Imponiergehabe gegenüber C. waren bestimmend für sein Verhalten geworden. Er wollte sich C. gegenüber beweisen, wollte ihm imponieren, wollte mit ihm zusammen Spaß machen und lustig sein. Eine solche Gelegenheit hatte er als Einzelkind zu Hause im Allgemeinen nicht.
Der sich hieraus entwickelnde Unfall war danach für den Kläger "schultypisch". Er ereignete sich in einer Pause, in der die den Unterricht prägende Disziplin gelockert ist, die für das Essen einerseits reserviert ist, andererseits aber auch dem Spiel- und Bewegungsbedürfnis der Kinder Rechnung tragen soll. In dem zum Unfall führenden Verhalten des Klägers realisierte sich ein "pausentypisches Gefahrenmoment", wie es in jeder Schulpause auftreten kann. Dabei bedurfte es keiner äußeren Einwirkung, die der Senat nach vorstehenden Ausführungen auch nicht festzustellen vermochte, um den Verschluckmechanismus beim Kläger hervorzurufen, nachdem er ein offenbar viel zu großes Stück des aus Blätterteig bestehenden und mit Schokolade überzogenen Croissants in den Mund genommen und damit herumgealbert hatte. Dies haben Dres. G. und F. vom I-Klinikum in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 22. Mai 2000 im Einzelnen begründet dargelegt und auch die Beklagte ist davon im Bescheid vom 7. Juli 2000 ausgegangen. Der Kläger sah sich außerstande, C. nach dem Gong zur dritten Stunde in den Klassenraum 152 zu folgen, da er den Mund so voll hatte, dass er nicht mehr in der Lage war zu sprechen. Er signalisierte C., dass er nachkommen wolle. Dabei musste nach Einlassung des Zeugen C. offen bleiben, was der Kläger beabsichtigte, nachdem er sich vom Zeugen verabschiedet hatte – ob er beispielsweise zur Toilette wollte, um dort seinen Mund zu leeren, nachdem es ihm offenbar nicht mehr gelang, die zu große Menge des in den Mund genommenen, mit Schokolade überzogenen Blätterteiges herunterzuschlucken. Er sah sich jedenfalls in dieser Verfassung außerstande, an der nachfolgenden Englischstunde teilzunehmen und musste irgendetwas tun, nachdem es gegongt hatte, um sich noch möglichst vor Unterrichtsbeginn in einen "Normalzustand" zurückzuversetzen. Insofern wurde das Moment der Eilbedürftigkeit nicht für die Essenseinnahme selbst bedeutsam sondern zu einem späteren Zeitpunkt, als es für den Kläger darum ging, sich wieder "fit" für den Unterricht zu machen.
Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt zwölf Jahre alt und zeigte eine altersgemäße Entwicklung. Als Junge dieses Alters musste er mit dem tragischen Ausgang seines Verhaltens nicht rechnen. Derartige Spielereien beim Essen des Pausenfrühstücks sind bei Kindern dieses Alters nichts Außergewöhnliches und das dabei immer vorhandene Gefährdungspotential realisiert sich nur im Ausnahmefall. Inwieweit in diesem Ausnahmefall der trockene Blätterteig des Croissants und dessen Schokoladenüberzug einen maßgeblichen Einfluss auf das Geschehen gewonnen haben, war im Nachhinein nicht mehr zu sagen, konnte aber auch dahinstehen, da der Kläger hieraus resultierende besondere Gefahrenmomente keinesfalls übersehen und in seinem Verhalten steuernd beachten musste. Er hielt sich mit seiner "Spielerei" vielmehr noch im Rahmen des "Üblichen", so dass der Senat sein Verhalten keinesfalls als völlig unverständlich oder unvernünftig anzusehen hatte. Der Kläger handelte möglicherweise unbesonnen und leichtsinnig, was ihm aber nicht gesetzlichen Unfallversicherungsschutz beseitigend entgegengehalten werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1986 geborene Kläger ist der einzige Sohn bosnischer Eltern, mit denen er seit 1992 in der Bundesrepublik Deutschland lebt. Er streitet um die Entschädigung eines Ereignisses vom 23. April 1999 als Schulunfall.
Ausweislich der Unfallanzeige der XY-Schule, eines Gymnasiums in D-Stadt/D., vom 11. Mai 1999 verschluckte der Kläger sich dort am 23. April 1999 gegen 9.40 Uhr auf dem Pausenhof an einem Croissant, das in seine Lunge gelangte und zum Atemstillstand führte. Der Kläger wurde reanimiert. Nach dem Bericht des Fachkrankenhauses DN. vom 31. Mai 2000 verblieb bei ihm eine schwere hypoxische-ischämische Encephalopathie nach Reanimation bei Bolus-Aspiration, eine Aspirationspneumonie sowie ein Pneumothorax rechts bei dauerhaft bestehendem apallischem Syndrom. Der Kläger ist nach dem Bescheid des Versorgungsamts B-Stadt vom 28. Februar 2001 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 wegen einer Hirnschädigung mit Folgestörung anerkannt.
Der Notarzt E. berichtete am 23. April 1999 sowie am 10. Februar 2000, der Kläger habe sich ein Croissant komplett in den Mund gesteckt, sei anschließend blau angelaufen und umgefallen, wobei er diese Angaben von umstehenden Schülern und Lehrern erhalten habe, von denen keiner Unfallaugenzeuge gewesen sei. Wesentliche weitere Verletzungen seien ihm beim Kläger nicht aufgefallen, wobei er Bagatellverletzungen wie Schürfungen oder Prellungen nicht ausschließen könne. Auch der Rettungsassistent F. F. hatte nach seiner Auskunft vom 8. Februar 2000 weitere Verletzungen beim Kläger nicht erkennen können. Das I-Klinikum für Kinder und Jugendliche in I-Stadt schrieb am 27. Mai 1999, der Kläger habe sich an einem Croissant verschluckt, das er sich komplett in den Mund gesteckt habe. Er habe geäußert, keine Luft zu bekommen, sei blau angelaufen und umgefallen. Diese anamnestischen Angaben habe die Klassenlehrerin des Klägers Dr. F. als aufnehmendem Arzt gegenüber gemacht. Hinweise auf sturzbedingte oder unfallbedingte äußere Verletzungen seien nicht aufgefallen. Das I Klinikum hat auszugsweise Behandlungsunterlagen übersandt, in denen als Aufnahmebefund ausgeführt ist, Schädel, Stamm und Extremitäten des Klägers seien o. B. gewesen und es hätten keine Hautverletzungen bestanden. Mit weiterer Stellungnahme vom 22. Mai 2000 äußerten Dres. G. und F. vom I-Klinikum, eine "körpereigene" Entstehung der Verletzung des Klägers sei möglich. Es sei durchaus möglich, dass jemand größere Nahrungsmittelmengen verschlucke mit der Folge eines Luftröhrenverschlusses und es sei weiter möglich, dass im Rahmen der Reanimation Anteile des Croissants, die bereits den Luftweg verlegt hätten, in tiefere Anteile des Tracheobronchialsystems gelangten – entweder während der Maskenbeatmung oder während der anschließenden Intubation. Die körpereigenen Reflexe schlössen eine Aspiration nicht aus. Durch Hinzutreten weiterer mitverursachender Umstände werde die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses gesteigert. Es sei zweifelsfrei, dass der Kläger große Teile eines Croissants zu sich genommen habe, da sie am Nachmittag im Rahmen einer Umintubation mehrere, bis zu handtellergroße Stücke aus dem Rachenraum entfernt hätten. Welcher der im Schreiben der Beklagten vom 22. März 2000 alternativ zur Diskussion gestellten Ereignisabläufe sich tatsächlich ereignet habe, könnten sie nicht mit ausreichender Sicherheit bestätigen. Das Fachkrankenhaus DN. berichtete am 31. Mai 2000 zum Unfallhergang, Mädchen hätten näher beobachtet, dass der Kläger sich den Kopf blutig geschlagen habe, nachdem er infolge des Verschluckens zu Boden gefallen sei.
Der Mitarbeiter der Beklagten H. H. besuchte die Schule am 22. November 1999, befragte die Klassenlehrerin D. und mehrere Mitschüler und fertigte hierüber den Aktenvermerk vom 22. November 1999. Einen dem entsprechenden "Aktenvermerk" ließ er sodann in gleicher Form vom Schulleiter Dr. J., der Klassenlehrerin D. sowie den Mitschülerinnen und –schülern des Klägers L. L., K. K., C., M. M., N. N. und O. O. unterzeichnen. Mit Bescheid vom 7. Juli 2000 lehnte die Beklagte sodann die Gewährung von Entschädigungsleistungen anlässlich des Ereignisses ab, da es sich nicht um einen Schulunfall gehandelt habe. Der Kläger habe durch Verschlucken eines großen Croissant-Stückes, von dem Teile in seine Luftröhre geraten seien, einen Atemstillstand und nachfolgend weitere schwere Gesundheitsschäden erlitten. Die Nahrungsaufnahme sei eine private unversicherte Handlung und sei nach der fachmedizinischen Stellungnahme der Dres. G. und F. auch ohne äußere Umstände als alleinige Ursache des Herganges denkbar.
Der Kläger legte am 8. August 2000 Widerspruch ein und trug zu dessen Begründung vor, es stehe fest, dass er ein besonders großes Stück des Croissants in den Mund gesteckt hatte, das die Luftröhre verstopft habe. Das Verschlucken dieses Croissant-Teiles sei im Rahmen eines "Wettbewerbs" erfolgt, den er mit C., seinem Mitschüler, veranstaltet habe. Denkbar sei, dass er beim Verzehr auch wegen des alsbaldigen Unterrichtsbeginns eine besondere Eile an den Tag gelegt habe. Er habe offenbar das Gebäckstück am Ende der Pause beschleunigt verzehren wollen und sich deshalb daran verschluckt. Egal von welcher Ursache man ausgehe, beide seien schulbezogen und Unfallversicherungsschutz begründend. Der Schulleiter Dr. J. erteilte die Auskunft vom 1. März 2001 zu Einzelheiten des Verkaufes und des Verzehrs von Nahrungsmitteln in der Schule. Er ging davon aus, der Kläger habe sich wahrscheinlich mit dem Verzehr beeilt, um noch rechtzeitig vor Unterrichtsbeginn die Essenseinnahme beenden zu können. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2001 verblieb die Beklagte bei ihrer Entscheidung, da der Nachweis einer betriebsbedingten Eile als Ursache für das Verschlucken nicht erbracht sei. Die dahingehende Vermutung des Schulleiters sei nicht belegt.
Mit Klage vom 26. September 2001 trug der Kläger vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) vor, er habe sich während der ersten großen Pause in der Schul-Cafeteria ein Schokocroissant gekauft. Bevor er dieses aufgegessen gehabt habe, habe es zum Unterrichtsbeginn geläutet. Aus diesem Anlass habe er sich ein besonders großes Stück des Croissants in den Mund gesteckt, wodurch es zur Erstickung gekommen sei. Er habe sich beim Sturz am Kopf verletzt. Das dort zunächst sichtbare Blut sei dann aber schnell entfernt worden.
Das SG hat die schriftlichen Zeugenaussagen der Sekretärinnen P. P. vom 10. Dezember 2001 und 31. Januar 2002, Q. Q. vom 29. Januar 2002 und G. vom 25. Februar 2002 eingeholt, zudem die des Kantinenbetreibers R. R. vom 28. Januar 2002. Der Schulleiter Dr. J. hat die Auskünfte vom 11. Dezember 2001 und 23. Januar 2002 erteilt, wonach bei Befragung der als Augenzeugen in Betracht kommenden Schüler der Jahrgangsstufen 5 und 6 sich kein Augenzeuge gemeldet habe, der den Zusammenbruch des Klägers gesehen habe. Die DRK-Einsatzkräfte S. S. und J. JX. teilten am 28. Januar 2002 mit, sie hätten keine äußeren Verletzungen beim Kläger erkennen können. Die Inspektion des Mund-Rachen-Raumes habe eine Atemwegsverlagerung durch Gebäck ergeben und S. S. habe sodann die Luftwege freigemacht. Die Außenaufsicht führende Lehrerin RU. (spätere E.) gab am 6. Februar 2002 als Zeugin schriftlich gehört an, sie sei die erste Erwachsene gewesen, die nach dem Vorfall Kontakt mit dem Kläger gehabt habe und ihn torkelnd mit der Hand vor dem Mund vorgefunden habe. An der Hand sei Speisebrei vermischt mit Blut gewesen. Äußere Verletzungen habe sie nicht erkennen können. Das SG zog sodann noch die Behandlungsunterlagen des Hausarztes Dr. T. bei und die Schwerbehindertenakte vom Versorgungsamt B-Stadt, bevor es mit Urteil vom 10. Februar 2003 die Beklagte unter Aufhebung des ergangenen Bescheides verpflichtete, den Kläger neu zu bescheiden. In den Gründen führt die Entscheidung aus, die Beklagte habe das Ereignis vom 21. April 1999 als Schulunfall anzuerkennen. Besondere betriebliche Umstände für ein betont schnelles Verzehren des Croissants konnte das SG nicht erkennen, ebenso wenig ein selbstschädigendes Verhalten des Klägers. Auch innere Erkrankungsanlagen stünden außer Diskussion. Es sei davon auszugehen, dass eine nicht bekannte, jedenfalls als schulisch-betrieblich anzusehende Einwirkung während des Weges vom Schulhof ins Klassenzimmer bei gleichzeitigem Verzehr des Croissants innerhalb weniger unbeobachteter Minuten erfolgt sei und zum Verschlucken geführt habe. Eine aus der Risikosphäre des Klägers stammende Ursache sei nicht vorstellbar, so dass ein schulisch-betrieblicher Bezug anzunehmen sei.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 3. April 2003 zugestellte Urteil am 14. April 2003 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt und hat zur Begründung des Rechtsmittels vorgetragen, die Nahrungsaufnahme sei auch für einen Schüler in der Schule unversichert. Die erstinstanzliche Entscheidung habe weder eine schulbedingte besondere Eilbedürftigkeit beim Verspeisen des Croissants noch sonstige betriebliche Umstände feststellen können. Eine vom SG diskutierte mögliche Ursache aus dem schulischen Bereich reiche nicht aus, um gesetzlichen Unfallversicherungsschutz zu begründen. Es seien auch keine besonderen Umstände der Nahrungsaufnahme erkennbar geworden, die ausnahmsweise Unfallversicherungsschutz bejahen lassen könnten – beispielsweise ein besonderes Hunger- oder Durstgefühl infolge anstrengender Arbeit.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2003 die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 23. April 1999 als Schulunfall/Arbeitsunfall zu entschädigen.
Er hat zunächst entgegnet, er habe das Nahrungsmittel aufnehmen müssen, um seine Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Hinzu komme die schulbedingte Eile bei Aufnahme der Nahrung, so dass die erstinstanzliche Entscheidung zutreffend einen Schulunfall angenommen habe. Im Senatstermin vom 13. Oktober 2004 hat er Anschlussberufung eingelegt, da das SG mit dem Tenor seines Urteils in Gestalt eines Bescheidungsurteils seinem erstinstanzlichen Klageantrag nicht voll entsprochen habe.
Das Berufungsgericht hat die hausärztlichen Unterlagen des Dr. T. sowie die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes B-Stadt erneut beigezogen, zudem die komplette Krankenakte des I-Klinikums I-Stadt, die Schülerakte des Klägers, das Klassenbuch der Klasse 6b, der der Kläger damals angehörte, die Protokolle der Gesamtkonferenzen der vom 28. April und 14. September 1999, in denen der Unfall des Klägers jeweils Tagesordnungspunkt war, sowie schließlich die Akte des Staatlichen Schulamtes für die Landkreise WW. und X-Kreis in X-Stadt. Die Schule hat am 17. März 2004 ergänzend mitgeteilt, dass als 3. Stunde nach der Pause Englisch in Raum 152 im ersten Stock des Erweiterungsbaus der Schule zu unterrichten gewesen sei.
Sodann hat der mit der Sachbearbeitung beauftragte Berichterstatter am 1. Juni 2004 an der in D-Stadt einen Ortstermin durchgeführt. Dort wurden zunächst die Örtlichkeiten besichtigt und ein Rundgang von der Cafeteria auf den Schulhof zu dem Fenster, vor dem der Kläger und der Mitschüler C. gestanden hatten, durchgeführt – weiter zu der Stelle, an der der Kläger zusammenbrach und sodann ins Klassenzimmer und zurück auf den Schulhof. Vor Ort wurden die Ereignisse unter Anwesenheit der Beteiligten und der im Anschluss gehörten Zeugen kurz besprochen, bevor der Termin in einem Raum der Schule fortgesetzt wurde. Dort wurden als Zeugen gehört: D., die Klassenlehrerin, F., der Erste Hilfe leistende Lehrer, G., eine Schulsekretärin, E. (frühere RU.), die die Pausenaufsicht führende Lehrerin, sowie C. als Mitschüler des Klägers, der mit ihm zusammen das Croissant gekauft und verzehrt hatte und den zuvor beschriebenen Weg mit ihm gegangen war. Wegen des Ablaufes des Termins und der Zeugenaussagen im Einzelnen wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
Die Beteiligten haben zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen. Die Beklagte hat geäußert, der Termin habe zu keinen neuen Erkenntnissen geführt, so dass Unfallversicherungsschutz weiterhin abzulehnen sei. Der Kläger vertritt die Auffassung, unfallursächlich sei ein schulspezifisches Verhalten geworden. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass das Verschlucken sich nicht anlässlich der "normalen Essenseinnahme" ereignet habe, sondern entscheidend verursacht worden sei durch die übergroße Menge an Croissant, die er auf einmal in den Mund genommen habe, und das Grimassenschneiden vor dem Fenster. Die Zeugin E. habe ihn in unmittelbarer Nähe dieses Fensters angetroffen und zwar, nachdem er sich bereits verschluckt hatte und zu ersticken drohte. Schon aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Moment, als der Zeuge C. den Kläger verlassen habe und die Zeugin E. ihn in Empfang genommen habe, ergebe sich zwingend, dass anderweitige nicht schulbedingte Ursachen für das Verschlucken ausscheiden würden. Der Notarztbericht bestätige, dass sich in Mund und Speiseröhre Speisereste in einer Menge befunden hätten, die weit über das hinausgingen, was einem "Biss" entspreche. Der Zeuge C. habe eingehend beschrieben, dass der Kläger das Croissant vollständig im Mund gehabt und sich so in der Fensterscheibe beobachtet habe, dabei Grimassen geschnitten und gelacht habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes B Stadt, die Schülerakte des Klägers, das Klassenbuch und die Akte des Schulamtes Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene, zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet, da das Ereignis vom 23. April 1999 als Schul- bzw. Arbeitsunfall anzuerkennen und von der Beklagten zu entschädigen ist. Da die erstinstanzliche Entscheidung zwar in den Gründen von der Entschädigungspflicht der Beklagten ausgegangen war, aber im Tenor nur ein Bescheidungsurteil bei weitergehendem Klageantrag erlassen hatte, war das Urteil vom 10. Februar 2003 auf die Anschlussberufung des Klägers hin abzuändern und antragsgemäß die Beklagte zur Entschädigung zu verurteilen.
Der Kläger war als Schüler einer allgemeinbildenden Schule gegen Arbeitsunfall (Schulunfall) versichert (§ 2 Abs. 1 Ziffer 8b Sozialgesetzbuch – 7. Band –SGB VII-). Bei Prüfung der Frage, ob es sich beim Ereignis vom 23. April 1999 um einen Schulunfall gehandelt hat, geht der Senat von folgendem Sachverhalt aus: Der Kläger hatte als Schüler der Klasse 6b in der in D-Stadt/D. in der Nacht zum 23. April 1999 nach Angaben seiner Mutter im Ortstermin vom 1. Juni 2004 schlecht geschlafen. Sie hatte ihn daher später geweckt und ohne Frühstück zur Schule geschickt, welches sie ihm nach der 1. Stunde nachbrachte. In der 1. Stunde hatte er Deutsch, dann katholische Religion und nach der ersten großen Pause wäre Englisch im Klassenzimmer Raum 152 im 1. Stock des Neubaus unterrichtet worden. Nach den Aussagen der Zeugen C. und RU./E. vom 1. Juni 2004 dauerte die Pause von 9.25 bis 9.45 Uhr. Sie wurde mit je einem Gong eröffnet und geschlossen. Nach der Aussage des C. kauften er und der Kläger sich etwa fünf Minuten vor Pausenende jeweils ein aus Blätterteig gebackenes Schokocroissant in der Schulkantine und gingen anschließend zurück auf den Schulhof für die 5. und 6. Klassen zum Haupteingang des Neubaus, in dem sich ihr Klassenraum 152 im 1. Stock befand. Der Kläger hatte das Croissant vollständig im Mund, als er mit C. vor dem Fenster ankam, das direkt links neben dem Haupteingang des Neubaus gelegen ist. A. hatte dicke Backen, beobachtete sich in der Fensterscheibe und schnitt dabei Grimassen. Dabei sagte er nichts, beide Schüler lachten. C. fand es sehr komisch, dass A. dicke Backen hatte. Sie hatten öfters geblödelt und miteinander dumme Sachen gemacht. C. war der Auffassung, A. habe sich das Croissant deshalb in den Mund gesteckt, weil er es lustig fand. Er verließ A., als es zum Unterricht gongte. A. hatte den Mund so voll, dass er nicht mehr sprechen konnte, gab seinem Freund aber zu verstehen, dass er nachkommen wolle. Nachdem C. A. verlassen hatte, kam A. die als Lehrerin Pausenaufsicht führenden Zeugin RU./E. entgegen. Nach deren Aussage im Ortstermin sah sie A. aus Richtung des Fensters, vor dem er Grimassen geschnitten hatte, ihr entgegentorkeln, als sie den Neubau durch den Haupteingang verließ. Zeitlich ordnete die Zeugin diesen Vorgang in den Übergangsbereich vom Pausenende zum Unterrichtsbeginn ein. Der torkelnde A. hatte die Hand vor dem Mund, Erbrochenes mit Blut vermischt darin und war so schwach, dass er nicht mehr stehen konnte. Er legte sich auf den Boden im Eingangsbereich des Neubaus. Den anschließend angetretenen Weg zum Arztzimmer schaffte er trotz Mithilfe der Zeugin nur wenige Meter bis auf den Schulhof kurz vor die hintere Eingangstür zum Hauptgebäude, wo er zusammenbrach.
Danach steht zur Überzeugung des Senats zweifelsfrei fest, dass der Kläger sich an einem übergroßen Stück des in der Schulkantine erworbenen Schokocroissants verschluckte, dessen Reste ihm anschließend vom Erste Hilfe leistenden Lehrer F., dem Sanitäter S. S. und auch noch anschließend von den behandelnden Ärzten im I-Klinikum I-Stadt entfernt werden mussten. Irgendwelche äußeren Umstände – beispielsweise ein Sturz oder Einwirkungen durch Dritte – sind nicht bekannt geworden und als wesentliche Mitursache des Geschehens nicht in Betracht zu ziehen. Gegen das Wirksamwerden derartiger Umstände sprechen nach den Zeugenaussagen C. und E. sowohl der zeitliche Ablauf des Geschehens wie auch die konkrete Örtlichkeit des Unfallortes. Denn zwischen dem Fenster, vor dem die beiden Jungs sich belustigt hatten, und dem Eingangsbereich in den Neubau liegen nur wenige Schritte. Auch zwischen dem Zeitpunkt, als der Mitschüler C. den Kläger verließ, und dem Moment, als die Zeugin E. den Kläger von dem Fenster her torkelnd auf sich zukommen sah, können nur Sekunden – keinesfalls Minuten – gelegen haben. Sowohl der Zeuge C. als auch die Zeugin E. ordnen das Geschehen in den Übergangsbereich von der ersten großen Pause zum Beginn der 3. Unterrichtsstunde ein. Beide Zeugen haben irgendwelche Anhaltspunkte für auf den Kläger einwirkende äußere Umstände nicht angeben können. Weitere Zeugen für den Verlauf des Geschehens, das sich zwischen den beiden vorgenannten, nur kurz auseinander liegenden Zeitpunkten ereignet haben könnte, gibt es nicht.
Der Senat hatte danach den Vorgang des Verschluckens an einem zu großen Croissant-Stück unter zwei Gesichtspunkten zu überprüfen: Der Vorgang des Essens an sich war zu bewerten, aber auch das Essen des Schokocroissants als spielerischer Akt für den Kläger mit Aufblähen der Backen durch Hineinstopfen eines übergroßen Croissant-Stückes, Grimasseschneiden und Blödeln zusammen mit dem Mitschüler C ...
Essen und Trinken sind grundsätzlich auch während der Arbeit bzw. des Schulbesuchs private, eigenwirtschaftliche Handlungen, so dass kein Versicherungsschutz für Unfälle infolge des Essens oder Trinkens selbst, beispielsweise durch Verschlucken, Verbrennen, Abbrechen eines Zahnes oder Vergiftung, besteht. Ausnahmen sind nur anerkannt, wenn Umstände aus dem versicherten Risikobereich wesentlich zum Unfall beitragen. Es kommt darauf an, dass betriebliche Umstände im Einzelfall über das normale, allgemein übliche Maß hinaus so stark sind, dass die Essenseinnahme oder das Trinken im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Das kann bei einer besonders schweren oder langen kräfteraubenden Arbeit der Fall sein. Weitere Beispiele sind eine betriebsbedingte Hast, Trinken zwecks Stillung arbeitsbedingten großen Durstes infolge Hitze oder Staub, Erhaltung der Arbeitskraft vor plötzlich abzuleistenden Überstunden (dazu Ricke, Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Anm. 72, 73 zu § 7 SGB VII). Ein innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ist darüber hinaus angenommen worden, wenn betriebliche Zwänge den Versicherten veranlassen, seine Mahlzeiten an einem besonderen Ort oder in besonderer Form einzunehmen, wenn die Umstände der Nahrungsaufnahme somit durch die versicherte Tätigkeit maßgebend geprägt und ihr damit zuzurechnen sind (Bundessozialgericht –BSG- SozR 2200 § 548 Nr. 86; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 11, BSGE 12, 247; BSG SozR 3-2200 § 515 Nr. 15 Reichsversicherungsordnung –RVO-; Krasney in: Brackmann, a.a.O., Anm. 72 zu § 8 SGB VII).
Der Kläger hatte am Morgen des Unfalltages zu Hause nicht gefrühstückt, wie seine Mutter im Ortstermin berichtete, und es ist nicht bekannt, ob er das ihm nach der 1. Stunde von der Mutter überbrachte Frühstück bereits gegessen hatte, als er sich mit C. in die Cafeteria begab, um ein Schokocroissant zu kaufen. Besonders anstrengende, ermüdende oder Durst auslösende Unterrichtsstunden hatte er vor der ersten Pause mit Deutsch und katholischer Religion nicht. Die Beweisaufnahme konnte nicht bestätigen, dass der Kläger gezwungen gewesen wäre, das Schokocroissant noch schnell aufzuessen, um für die 3. Stunde bereit zu sein. Zum einen hätte er einen Rest auch später essen können, zum anderen hätte er auf dem Weg vom Schulhof zum Klassenraum und dort bis zum Erscheinen des Englischlehrers noch genügend Zeit gehabt, das restliche Croissant zu verspeisen. Danach trat der Vorgang des Essens an sich im Sinne der Nahrungsaufnahme nicht aus dem eigenwirtschaftlichen Bereich heraus und war nicht so durch Einflüsse des Schulbesuches geprägt, dass sich unter diesem Gesichtspunkt gesetzlicher Unfallversicherungsschutz begründen ließe, was die Klägerseite nach Durchführung des Ortstermins auch nicht mehr behauptet.
Zu einer abweichenden Beurteilung gelangte der erkennende Senat jedoch unter Würdigung des Essens als spielerischer Akt, wobei er die in Literatur und langjähriger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Frage gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes bei spielerischen Handlungen Jugendlicher – seien es Arbeitnehmer oder Schüler – seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Nach der Theorie von der wesentlichen Bedingung muss die versicherte Tätigkeit, der Schulbesuch, eine wesentliche Bedingung für die Herbeiführung des Unfalls gewesen sein. Die ursächliche Verknüpfung zwischen Unfall und versicherter Tätigkeit muss so eng sein, dass daneben andere, mit der versicherten Tätigkeit nicht zusammenhängende Umstände in den Hintergrund treten und deshalb als rechtlich unwesentlich nicht zu berücksichtigen sind (BSGE 8, 53, 55). Bei erwachsenen Arbeitnehmern schließt eine unabhängig vom Arbeitsvorgang stattfindende, den Zwecken des Betriebes zuwiderlaufende Spielerei grundsätzlich den Unfallversicherungsschutz aus. Rechtlich allein wesentliche Ursache ist vielmehr die Spielerei selbst, auch wenn eine Betriebseinrichtung beim Zustandekommen des Unfalls mitgewirkt hat (BSG in BG 1971, 233, 234). Etwas anderes kann gelten, wenn es sich bei den Verletzten um jugendliche Arbeitnehmer handelt. In diesen Fällen ist der Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit im Einzelfall dadurch begründet worden, dass der Jugendliche durch die Gestaltung der Betriebsverhältnisse in die Lage versetzt wurde, sich durch leichtsinnige Spielereien besonderen Gefahren auszusetzen – insbesondere wenn es im Betrieb an einer dem noch unbändigen Spieltrieb angemessenen Beaufsichtigung des Jugendlichen gefehlt hat. Dies gilt insbesondere bei Vorhandensein von Lehrwerkstätten, in denen sich der jugendliche Spiel- und Nachahmungstrieb weitaus ungehemmter entfalten kann, als wenn die jungen Leute auf die Arbeitsplätze der erwachsenen Belegschaftsmitglieder verteilt werden. Diese für jugendliche Arbeitnehmer geltenden Rechtsgrundsätze finden im Wesentlichen auch auf die Schülerunfallversicherung Anwendung. Dem Versicherungsschutz in der Schülerunfallversicherung unterliegen in erster Linie Betätigungen während des Unterrichts, in den dazwischen liegenden Pausen und solche im Rahmen sog. Schulveranstaltungen, soweit diese sich im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule abspielen (BSG SozR 2200 Nr. 48 zu § 548 RVO; BSG, Urteil vom 5. Oktober 1995 in: Die Sozialgerichtsbarkeit 1996, 338; BSG, Urteil vom 7. November 2000, Az.: B 2 U 40/99 R). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass vielfach der Spieltrieb die Handlungsweise bestimmt und dass dieser durch die große Zahl der auf engem Raum zusammenkommenden Kinder verstärkt wird. Denn Kinder und Jugendliche veranlassen sich erfahrungsgemäß gern zu Spielereien, die sie allein kaum unternehmen würden (BSGE 42, 45). Insoweit ist die haftungsbegründende Kausalität bei Schülern eher als bei Unfällen jugendlicher Arbeitnehmer zu bejahen, weil von der Schule gerade in Bezug auf Spiel- und Nachahmungstrieb der Schüler zusätzliche Gefahren ausgehen (BSG, Urteil vom 7. November 2000; BSGE 42, 45; 43, 113, 116). Diese Gefahren müssen im Rahmen des Unfallversicherungsschutzes Berücksichtigung finden. Neben den auf natürlichem Spieltrieb beruhenden gehören auch auf typischem Gruppenverhalten beruhende Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen zu den besonderen Verhältnissen, die für Schüler zu Gefährdungen führen können in Anbetracht ihrer noch mangelnden Einsicht in Gefahren. Entscheidend ist abzustellen jeweils auf die Umstände des Einzelfalles, die Persönlichkeit des Verletzten und die Art der Spielerei (Bereiter-Hahn, Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, Anm. 18.9 zu § 2 SGB VII).
Die Zivilrechtsprechung im Haftpflichtgesetz orientiert sich im Wesentlichen an denselben Grundsätzen. Danach gefährden Schüler, die meist noch Kinder oder heranwachsende Jugendliche sind, sich und andere vor allem auch deswegen, weil ihnen die nötige Erfahrung darin fehlt, sich mit der erforderlichen Rücksichtnahme und gegenseitigen Anpassung in eine nicht selbst gewählte Gruppe einzufügen. Diese Schwierigkeiten werden erfahrungsgemäß besonders deutlich, wenn nach der Disziplin des Unterrichts in der Pause eine allgemeine Lockerung des Verhaltens natürlich und an sich auch gewünscht ist (BGHZ, 67, 279, 283). Schulbezogen im Sinne der Zivilrechtsprechung sind insbesondere Verletzungshandlungen, die aus Spielereien, Neckereien und Raufereien unter den Schülern hervorgegangen sind, ebenso Verletzungen, die in Neugier, Sensationslust und dem Wunsch, den Schulkameraden zu imponieren, ihre Erklärung finden. Dasselbe gilt für Verletzungshandlungen, die auf übermütigen und bedenkenlosen Verhaltensweisen in einer Phase der allgemeinen Lockerung der Disziplin - insbesondere in den Pausen – beruhen (BGH, a.a.O., S. 282; BGH - Urteil vom 30. März 2004, Az.: ).
Indessen sind spielerische Aktivitäten von Schülern, auch wenn diese sich in der Schule abspielen, nicht grenzenlos unfallversichert. Zu den Grenzen gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes gilt in der Schülerunfallversicherung vielmehr folgendes: Versicherungsschutz ist in der Regel zu bejahen, wenn sich die spielerische Betätigung eines Schülers noch im Rahmen dessen gehalten hat, was nach den Umständen des Falles nicht als völlig unverständlich oder vernunftwidrig zu erachten ist, mag es vielleicht auch unbefangen oder leichtsinnig gewesen sein. Auch in diesem Zusammenhang ist der im Unfallversicherungsrecht geltende Grundsatz zu beachten, dass weder ein verbotswidriges noch ein leichtsinniges, sondern allenfalls ein höchst unvernünftiges Handeln den Unfallversicherungsschutz ausschließt, was aus §§ 548 Abs. 3 RVO, 7 Abs. 2 SGB VII und insbesondere aus §§ 553 RVO, 101 Abs. 1 SGB VII folgt, wonach lediglich bei absichtlichem Herbeiführen eines Arbeitsunfalles kein Leistungsanspruch besteht. Voraussetzung ist allerdings immer, dass noch ein innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gegeben ist. Ausnahmsweise können Spieldrang oder Spielintensität so ausgeprägt sein, dass sie die schulischen bzw. betrieblichen Momente als unwesentlich verdrängen (Ricke in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Anm. 103 zu § 108 SGB VII; BSG SozR Nr. 68 zu § 542 RVO a.F.). Auch wenn das eigenverantwortliche Handeln des Geschädigten selbst derart im Vordergrund steht, dass die versicherte Tätigkeit für den Kausalverlauf nicht mehr als wesentlich angesehen werden kann, entfällt der Versicherungsschutz – insbesondere wenn der Geschädigte sich in so hohem Maße vernunftwidrig und gefahrbringend verhält, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit damit rechnen musste, es werde zu einem Unfall kommen. Diese Grundsätze gelten auch für die Beurteilung der Spielerei eines Schülers, die ihrer Natur nach zu einem erheblichen Teil keine vernunftmäßig gesteuerte Tätigkeit zu sein pflegt. Hier kommt es entscheidend auf die Art der Spielerei und insbesondere auf die Fähigkeit des verunglückten Schülers an, deren Gefährlichkeit zu erkennen (BSGE 42, 47). Für die zur Erkennung von Gefahren erforderliche Einsichtsfähigkeit kann keine allgemeine Altersgrenze festgesetzt werden. In der Regel kann jedoch mit Vollendung des 18. Lebensjahres von genügender Einsichtsfähigkeit ausgegangen werden, so dass in aller Regel nur bei jüngeren Schülern von Besonderheiten gesprochen wird (Schwerdtfeger in: Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, SGB VII, Anm. 269 zu § 8; BSG in BG 1971, 233; BSG SozR Nr. 68 zu § 542 RVO a.F.; Keller in: Hauck, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, Anm. 146 zu § 8 SGB VII). In diesem Rahmen können unfallbringende Handlungen in hohem Maße vernunftwidrig und gefahrbringend, subjektiv gesehen aber das Ergebnis eines gruppendynamischen Prozesses und damit letztlich doch gesetzlich unfallversichert sein (Wiester in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, Anm. 507 zu § 2 SGB VII; BSG, Az.: B 2 U 40/99 R).
Nach diesen Entscheidungskriterien hat der erkennende Senat für den vom Kläger am 23. April 1999 erlittenen Unfall gesetzlichen Unfallversicherungsschutz bejaht, da rechtlich wesentlich mitursächlich für den Unfall nicht nur das Essen an sich, sondern damit untrennbar verbundene, besondere schulische Umstände wurden, unter denen sich das Verspeisen des Croissants vollzog. Der Kläger war in der Schule Kontakten mit Gleichaltrigen ausgesetzt, die für ihn als Einzelkind in der Familie im Regelfall nicht wirksam wurden. Er neigte daher u.U. mehr als andere Kinder, die Geschwister haben und einen Teil dieses Verhaltens in der Familie ausleben, dazu, seinen Spieltrieb, das kindlich-jugendliche Imponiergehabe in der Schule auszuleben. Dazu mag auch seine besondere Situation als Einzelkind einer seit 1992 in der BRD aufgenommenen bosnischen Eltern beigetragen und evtl. dazu geführt haben, dass einige Mitschüler ihn in dem vom Mitarbeiter der Beklagten H. gefertigten Aktenvermerk vom 23. November 1999 als "Klassenclown" charakterisieren. Beschrieben wird damit allein die individuelle Persönlichkeit des Klägers, mit der er zum Schüler der geworden ist, und mit dieser Eigenart stand er bei seinem Schulbesuch allgemein wie auch am 23. April 1999 unter Unfallversicherungsschutz. Der Spieltrieb des Klägers und sein Imponiergehabe gegenüber dem Mitschüler C., mit dem er langjährig befreundet war und mit dem er schon öfter geblödelt und dumme Sachen gemacht hatte, standen im Vordergrund, als er sich ein zu großes Stück des Schokocroissants in den Mund steckte, bevor sich beide Schüler sodann – der Kläger Grimmassen schneidend – in der Scheibe des Fensters direkt neben dem Haupteingang des Neubaus beobachteten. Der Vorgang der Nahrungsaufnahme zum Stillen eines evtl. Hungergefühls war zu diesem Zeitpunkt vollkommen in den Hintergrund getreten. Der Spieltrieb des Klägers und sein Imponiergehabe gegenüber C. waren bestimmend für sein Verhalten geworden. Er wollte sich C. gegenüber beweisen, wollte ihm imponieren, wollte mit ihm zusammen Spaß machen und lustig sein. Eine solche Gelegenheit hatte er als Einzelkind zu Hause im Allgemeinen nicht.
Der sich hieraus entwickelnde Unfall war danach für den Kläger "schultypisch". Er ereignete sich in einer Pause, in der die den Unterricht prägende Disziplin gelockert ist, die für das Essen einerseits reserviert ist, andererseits aber auch dem Spiel- und Bewegungsbedürfnis der Kinder Rechnung tragen soll. In dem zum Unfall führenden Verhalten des Klägers realisierte sich ein "pausentypisches Gefahrenmoment", wie es in jeder Schulpause auftreten kann. Dabei bedurfte es keiner äußeren Einwirkung, die der Senat nach vorstehenden Ausführungen auch nicht festzustellen vermochte, um den Verschluckmechanismus beim Kläger hervorzurufen, nachdem er ein offenbar viel zu großes Stück des aus Blätterteig bestehenden und mit Schokolade überzogenen Croissants in den Mund genommen und damit herumgealbert hatte. Dies haben Dres. G. und F. vom I-Klinikum in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 22. Mai 2000 im Einzelnen begründet dargelegt und auch die Beklagte ist davon im Bescheid vom 7. Juli 2000 ausgegangen. Der Kläger sah sich außerstande, C. nach dem Gong zur dritten Stunde in den Klassenraum 152 zu folgen, da er den Mund so voll hatte, dass er nicht mehr in der Lage war zu sprechen. Er signalisierte C., dass er nachkommen wolle. Dabei musste nach Einlassung des Zeugen C. offen bleiben, was der Kläger beabsichtigte, nachdem er sich vom Zeugen verabschiedet hatte – ob er beispielsweise zur Toilette wollte, um dort seinen Mund zu leeren, nachdem es ihm offenbar nicht mehr gelang, die zu große Menge des in den Mund genommenen, mit Schokolade überzogenen Blätterteiges herunterzuschlucken. Er sah sich jedenfalls in dieser Verfassung außerstande, an der nachfolgenden Englischstunde teilzunehmen und musste irgendetwas tun, nachdem es gegongt hatte, um sich noch möglichst vor Unterrichtsbeginn in einen "Normalzustand" zurückzuversetzen. Insofern wurde das Moment der Eilbedürftigkeit nicht für die Essenseinnahme selbst bedeutsam sondern zu einem späteren Zeitpunkt, als es für den Kläger darum ging, sich wieder "fit" für den Unterricht zu machen.
Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt zwölf Jahre alt und zeigte eine altersgemäße Entwicklung. Als Junge dieses Alters musste er mit dem tragischen Ausgang seines Verhaltens nicht rechnen. Derartige Spielereien beim Essen des Pausenfrühstücks sind bei Kindern dieses Alters nichts Außergewöhnliches und das dabei immer vorhandene Gefährdungspotential realisiert sich nur im Ausnahmefall. Inwieweit in diesem Ausnahmefall der trockene Blätterteig des Croissants und dessen Schokoladenüberzug einen maßgeblichen Einfluss auf das Geschehen gewonnen haben, war im Nachhinein nicht mehr zu sagen, konnte aber auch dahinstehen, da der Kläger hieraus resultierende besondere Gefahrenmomente keinesfalls übersehen und in seinem Verhalten steuernd beachten musste. Er hielt sich mit seiner "Spielerei" vielmehr noch im Rahmen des "Üblichen", so dass der Senat sein Verhalten keinesfalls als völlig unverständlich oder unvernünftig anzusehen hatte. Der Kläger handelte möglicherweise unbesonnen und leichtsinnig, was ihm aber nicht gesetzlichen Unfallversicherungsschutz beseitigend entgegengehalten werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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