Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 4 AL 273/05
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 1 AL 88/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. War im Falle der Inanspruchnahme von Insolvenzgeld der Arbeitsentgeltanspruch zum Zeitpunkt des Übergangs auf die Bundesagentur für Arbeit (§ 187 SGB III) noch nicht verfallen, kann sich die BA auf eine tarifvertragliche Verfallklausel (hier: § 15 BRTV) gegenüber dem Arbeitnehmer nicht berufen.
2. Im Falle des Zusammenbruchs eines Arbeitgebers (Einstellung des Geschäftsbetriebs und der Lohnzahlungen) ist eine tarifvertragliche Verfallklausel nicht mehr anzuwenden.
2. Im Falle des Zusammenbruchs eines Arbeitgebers (Einstellung des Geschäftsbetriebs und der Lohnzahlungen) ist eine tarifvertragliche Verfallklausel nicht mehr anzuwenden.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 27.03.2007 - S 4 AL 273/05 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von höherem Insolvenzgeld (InsG) für den Zeitraum vom 01.06. bis 31.08.2004.
Der 1979 geborene Kläger hat eine dreijährige Berufsausbildung als Maurer absolviert und war vom 01.07.1999 bis 31.08.2001 in diesem Beruf tätig. Vom 17.09.2001 bis 15.07.2002 leistete er Zivildienst und war vom 17.10.2002 bis 10.12.2003 erneut als Maurer beschäftigt. Vom 11.12.2003 bis 18.01.2004 bezog er von der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg). In einer Veränderungsmitteilung vom Januar 2004 teilte er der Beklagten mit, dass er ab 19.01.2004 eine Beschäftigung als Maurer (Vorarbeiter) bei der H & F GmbH - Bauunternehmen - (H & F GmbH) aufnehme. Der Kläger erhielt einen Stundenlohn von 13,75 EUR. Auf das Arbeitsverhältnis war der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) anzuwenden. Nach dem BRTV war der Lohn spätestens am 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist.
Mit Beschluss vom 19.07.2004 ordnete das Amtsgericht Landau (AG) das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der H & F GmbH an und bestellte Rechtsanwalt Wiedemann zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Der Arbeitgeber kündigte mit Zustimmung des Insolvenzverwalters das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.08.2004 unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist (Schreiben vom 28.07.2004). Am 19.07.2004 wurde der Kläger von der Arbeitsleistung freigestellt; die H & F GmbH stellte ihren Geschäftsbetrieb im Juli 2004 ein. Der Kläger bot am 19.07.2004 gegenüber dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft an und verlangte die Weiterzahlung des Arbeitsentgelts. Daraufhin erkannte der Arbeitgeber die Arbeitsentgeltansprüche gegenüber dem Kläger an, der von der Erhebung einer Klage absah (Erklärung des Klägers gegenüber der Arbeitsagentur S vom 10.08.2004). Mit Beschluss vom 24.11.2004 eröffnete das AG das Insolvenzverfahren über das Vermögen der H & F GmbH und ernannte Rechtsanwalt W zum Insolvenzverwalter. Mit Beschluss vom 30.10.2006 stellte das AG das Verfahren mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ein. Die H & F GmbH erhielt das Recht zurück, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen.
Der Kläger meldete sich am 19.07.2004 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Die Beklagte bewilligte ihm für den Zeitraum vom 19.07. bis zum 31.08.2004 Alg in Höhe von insgesamt 1.182,72 EUR im Wege der Gleichwohlgewährung nach § 143 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und machte mit Schreiben vom 10.08.2004 gegenüber der H & F GmbH den Anspruchsübergang geltend. Von einer weiteren Geltendmachung des Alg sowie der Beiträge gegenüber der H & F GmbH sah die Beklagte im Dezember 2004 ab, buchte das gezahlte Alg auf einen InsG-Ausgabetitel um und verfügte, dass zu veranlassen sei, die im Insolvenzverfahren bereits geltend gemachten Arbeitsentgeltansprüche abzusetzen. Eine Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren erfolgte nicht.
Der Kläger beantragte am 20.08.2004 bei der Beklagte die Gewährung von InsG und legte eine Insolvenzgeldbescheinigung des Insolvenzverwalters vor, nach welcher dem Kläger für Juni 2004 ein Bruttoarbeitsentgelt von 2.366,55 EUR (netto 1.471,68 EUR) sowie für Juli und August 2004 von jeweils 2.442,88 EUR (netto 1.506,86 EUR) nicht ausgezahlt worden sei. Die Beklagte bewilligte InsG für den Zeitraum vom 01.06. bis 31.08.2004 in Höhe von 4.485,40 EUR, setzte die Alg-Zahlungen in Höhe von 1.182,72 EUR ab und zahlte 3.302,68 EUR aus (Bescheid vom 06.12.2004). Der Widerspruch des Klägers wurde am 22.03.2005 zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 21.04.2005 Klage vor dem Sozialgericht Speyer (SG) erhoben. Das SG hat den Insolvenzverwalter zum Verfahren beigeladen.
Mit Urteil vom 27.03.2007 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 06.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2005 abgeändert und die Beklagte verurteilt, weiteres Insolvenzgeld auf der Basis eines Stundenlohnes von 15,55 EUR zu bewilligen und auszuzahlen. Dem Kläger sei höheres InsG zu gewähren. Als Vorarbeiter habe ihm ein tarifvertragliches Arbeitsentgelt nach Lohngruppe 5 (Gesamttarifstundenlohn von 15,55 EUR) zugestanden. Die Beklagte sei verpflichtet, dieses Bruttoarbeitsentgelt festzustellen, ohne an die fehlerhafte Insolvenzgeldbescheinigung gebunden zu sein. Der Kläger habe auf dieses ihm tarifvertraglich zustehendes Arbeitsentgelt nicht verzichten können. Der Anspruch auf das höhere Arbeitsentgelt sei auch nicht verfallen, da die zweimonatige Frist zur schriftlichen Geltendmachung der Ansprüche durch die Stellung des Antrags auf InsG gewahrt sei.
Gegen das ihr am 02.07.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.07.2007 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der Senat hat die Berufung durch Beschluss vom 11.09.2007 zugelassen.
Die Beklagte trägt vor, dass der Ablauf der tarifvertraglichen Ausschlussfrist und der dadurch bedingte Verlust eines Anspruchs auf Arbeitsentgelt jedenfalls dann den Anspruch auf InsG ausschließe, wenn der Anspruch vor dem Insolvenzverfahren verloren gegangen sei. In diesem Fall seien im Zeitpunkt des den Anspruch auf InsG begründenden Insolvenzereignisses nicht sämtliche Voraussetzungen des § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III gegeben und außerdem könne eine Refinanzierung (§ 187 SGB III) nicht mehr erfolgen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 27.03.2007 - S 4 AL 273/05 - aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Nachdem der Insolvenzverwalter den Beschluss des AG vom 30.10.2006 vorgelegt hat, hat der Senat die Beiladung aufgehoben.
Der Senat hat bei den Steuerberatern Bendel und Partner GbR eine Auskunft vom 24.08.2009 beigezogen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Dem Kläger steht ein Anspruch auf höheres InsG für den Zeitraum vom 01.06. bis 31.08.2004 zu. Der Bescheid der Beklagten vom 06.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2005 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, ohne den Kläger zu der mündlichen Verhandlung persönlich zu laden, obwohl die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 16.09.2009 mitgeteilt hatten, den Kläger nicht mehr zu vertreten. Die Prozessbevollmächtigten hatten im Berufungsverfahren am 03.04.2008 eine Vollmacht vorgelegt und waren durch Empfangsbekenntnis am 07.09.2009 geladen worden. Diese Ladung verlor ihre Wirkung für und gegen den Kläger nicht dadurch, dass der Prozessbevollmächtigte - wie hier - nach Empfang der Ladung das Mandat niederlegte (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 12.03.1958 - 11/9 RV 976/56 -, BSGE 7, 58; Urteil vom 12.03.1975 - 12 RJ 330/74 -, SozR 1500 § 73 Nr. 1).
1.
Die Voraussetzungen des § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III (in der Fassung [idF] des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente [Job-AQTIV-Gesetz] vom 10.12.2001, BGBl. I S. 3443) für die Gewährung von InsG sind gegeben. Der Kläger war bei der H & F GmbH im Inland als Arbeitnehmer bis 31.08.2004 beschäftigt und er hatte für die dem Insolvenzereignis (Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers mit Beschluss des AG vom 24.11.2004) vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses vom 01.06. bis 31.08.2004 noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt. Ein Anspruchsausschluss nach § 184 SGB III (idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes [AFRG] vom 24.03.1997, BGBl. I S. 594) liegt nicht vor. Auch hatte der Kläger einen rechtzeitigen Antrag auf Insg (§ 324 Abs. 3 SGB III idF des AFRG) gestellt.
2.
Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis (§ 183 Abs. 1 Satz 3 SGB III idF des Job-AQTIV-Gesetzes). Insg wird nach § 185 Abs. 1 SGB III (idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl. I S. 2848) in Höhe des Nettoarbeitsentgelts geleistet, das sich ergibt, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze (§ 341 Abs. 4) begrenzte Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat bis zum 31.08.2004 bestanden und der Arbeitgeber ist nach der Freistellung des Klägers von der Arbeitsleistung am 19.07.2004 in Verzug gekommen, weil er die ihm angebotene Arbeitsleistung nicht angenommen hat (§ 293 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Dem Kläger stand damit ein Arbeitsentgeltanspruch bis 31.08.2004 zu.
Zu den Ansprüchen des Klägers auf Arbeitsentgelt zählte das vom Insolvenzverwalter bescheinigte Bruttoarbeitsentgelt für den Zeitraum vom 01.06. bis 31.08.2004, das gem. § 185 Abs. 1 SGB III um die gesetzlichen Abzüge zu vermindern war, woraus sich ein InsG-Anspruch in Höhe von insgesamt 4.485,40 EUR (1.471,68 EUR + 1.506,86 EUR + 1.506,86 EUR) ergab. Hiervon hat die Beklagte zu Recht das dem Kläger im Wege der Gleichwohlgewährung geleistete Alg für den Zeitraum vom 19.07. bis 31.08.2004 in Höhe von 1.182,72 EUR abgesetzt. Die Beklagte war nicht verpflichtet, das auf sie gem. § 115 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) übergegangene Arbeitsentgelt gegenüber dem Arbeitgeber beizutreiben (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.1988 - 11/7 RAr 79/87 -, SozR 4100 § 117 Nr. 23). In Höhe des Alg kann der Kläger kein InsG beanspruchen (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.1986 - 7 RAr 4/85 -, SozR 4100 § 117 Nr. 16), ohne dass die Alg-Bewilligung aufzuheben wäre (vgl. BSG, Urteil vom 11.06.1987 - 7 RAr 40/86 -, SozR 4100 § 117 Nr. 19).
3.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf höheres InsG zu. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers kam der allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 04.07.2002 (idF vom 17.12.2003) nach seinem räumlichen und betrieblichen Geltungsbereich zur Anwendung. Die H & F GmbH war ein Betrieb, der im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gewerbliche Bauten aller Art erstellte. Damit war auch der Lohntarifvertrag des Baugewerbes Rheinland-Pfalz anzuwenden und der Kläger als Vorarbeiter hatte Anspruch auf einen Gesamttarifstundenlohn von 15,55 EUR brutto (Lohngruppe 5 nach § 5 des BRTV). Der nach dem Lohntarifvertrag des Baugewerbes zu zahlende Stundenlohn ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Dieser höhere Entgeltanspruch des Klägers für den Zeitraum vom 01.06. bis 31.08.2004 war auch nicht aufgrund der tarifvertraglichen Ausschlussfrist nach § 15 BRTV verfallen:
1. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden; besteht bei Ausscheiden des Arbeitnehmers ein Arbeitszeitguthaben, beträgt die Frist für dieses Arbeitszeitguthaben jedoch 6 Monate.
2. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen. Für diese Ansprüche beginnt die Verfallfrist von zwei Monaten nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens.
Die höheren Arbeitsentgeltansprüche waren nicht in einer Lohnabrechnung des Arbeitgebers aufgeführt. In diesem Fall wäre ein Beharren auf die Einhaltung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist eine bloße "Förmelei". Durch eine schriftliche Lohnabrechnung werden die abgerechneten Lohnforderungen des Arbeitnehmers nämlich grundsätzlich streitlos gestellt, so dass er sie nicht nochmals schriftlich geltend machen muss (vgl. Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 20.10.1982 - 5 AZR 111/82 -, BAGE 40, 258). In den Lohnabrechnungen des Arbeitgebers für Juni bis August 2004 war nicht der höhere Tariflohn, sondern lediglich der niedrigere Stundenlohn von 13,75 EUR als Grundlage der Berechnungen aufgeführt. Auch im Übrigen wäre eine Berufung auf die tarifvertragliche Ausschlussklausel nicht von vornherein rechtsmissbräuchlich. Dies wäre nämlich dann der Fall, wenn der Arbeitgeber durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht hat, sich nicht auf die Ausschlussfrist zu berufen (vgl. BAG, Urteil vom 08.06.1983 - 5 AZR 632/80 - BAGE 43, 71). Der Arbeitgeber hat zwar die Ansprüche gegenüber dem Kläger am 19.07.2004 anerkannt - der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Erklärung des Klägers -, jedoch gerade nicht die höheren tarifvertraglichen Lohnansprüche.
Die zweistufige Ausschlussklausel des § 15 BRTV (vgl. BAG, Urteil vom 07.12.1983 - 5 AZR 425/80 -, BAGE 44, 337) greift vorliegend nicht ein. Tarifvertragliche Ausschlussfristen dienen nicht allein dem Arbeitnehmerschutz, sondern können beiden Seiten zu Gute kommen. Sie verfolgen den Zweck, im Zusammenhang mit der Erhebung von Ansprüchen der Arbeitsvertragsparteien eine möglichst große Sicherheit und schnellstmögliche Klarheit zu schaffen (BAG, Urteil vom 08.06.1983 - 5 AZR 632/80 -, BAGE 43, 71; Landesarbeitsgericht [LAG] Hamm, Urteil vom 10.10.2007 - 2 Sa 429/07 -, Juris). Tarifvertragliche Verfallfristen gelten auch uneingeschränkt für den Rechtsnachfolger, auf den ein Anspruch kraft Gesetzes übergegangen ist, wie sich aus den §§ 404, 412 BGB ergibt (LAG Köln, Urteil vom 17.03.2004 - 3 Sa 1288/03 -, Juris). Auf die Beklagte waren die Arbeitsentgeltansprüche nach § 187 SGB III (idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl. I. S. 2848) mit dem vom Kläger am 20.08.2004 gestellten Antrag auf InsG übergegangen. Zu dem Anspruchsübergang kommt es auch dann, wenn - wie hier - das Insolvenzereignis noch nicht eingetreten ist und die entfernte Möglichkeit eines InsG-Anspruchs besteht (vgl. BSG, Urteil vom 17.07.1979 - 12 RAr 15/78 -, SozR 4100 § 141b Nr. 11). Zum Zeitpunkt des Anspruchsübergangs am 20.08.2004 waren die Arbeitsentgeltansprüche des Klägers noch nicht verfallen. Der Arbeitsentgeltanspruch für Juni 2004 wurde nach dem BRTV am 15.07.2004 fällig, der Anspruch für Juli 2004 am 15.08.2004 und der Anspruch für August 2004 am 15.09.2004. Am 20.08.2004 war die ab der jeweiligen Fälligkeit laufende Frist von zwei Monaten zur schriftlichen Geltendmachung der Lohnansprüche (§ 15 Nr. 1 BRTV) noch für keinen Entgeltabrechnungszeitraum abgelaufen. Die Beklagte kann in diesem Fall unter dem Gesichtspunkt treuwidrigen Verhaltens dem Kläger den späteren Ablauf der Verfallfrist nicht entgegen halten. Da sie selbst die Rechtsstellung des Klägers erlangt hat, musste sie ihrerseits die tarifvertragliche Verfallfrist wahren (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 05.12.2008 - L 3 AL 86/07 -, Juris; Schmidt in NK-SGB III, § 187 Rdnr. 12f.; Peters-Lange in Gagel, SGB III, § 183 Rdnr. 103; Roeder in Niesel, SGB III, 3. Aufl., § 187 Rdnr. 5; vgl. auch BSG, Urteil vom 22.06.1994 - 10 RAr 3/93 -, SozR 3-4100 § 160 Nr. 1 im Falle der Gleichwohlgewährung von Alg). Die Beklagte hat jedoch nichts unternommen, um die Verfallfrist zu wahren. Ob sie Kenntnis von den höheren Arbeitsentgeltansprüchen hatte, ist hierfür unerheblich. Dem Kläger kann sie den Ablauf der Verfallfrist damit nicht entgegen halten.
Im Übrigen ist die tarifvertragliche Ausschlussfrist auf die vorliegende Fallgestaltung zur Überzeugung des Senats bereits nicht anwendbar. Hat ein Unternehmen - wie hier die H & F GmbH - aus wirtschaftlichen Gründen die Entgeltzahlungen ganz oder teilweise gegenüber allen oder einem Kreis von Arbeitnehmern aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt, besteht kein Grund, durch Beachtung der tariflichen Ausschlussklausel klarzustellen, ob und welche Ansprüche offen geblieben sind. Die im BRTV vorgeschriebene Geltendmachung ist nämlich auf die Verhältnisse im normalen Geschehensablauf ausgerichtet. Wenn einzelne oder auch mehrere Arbeitnehmer glauben, ihnen stünden noch Ansprüche zu, sollen sie damit hervortreten. Wenn dagegen der Arbeitgeber zahlungsunfähig ist und deshalb die in ihrer Höhe nicht zweifelhaften Ansprüche seiner Arbeitnehmer nicht erfüllt, kann eine trotzdem verlangte Geltendmachung nur eine Förmelei sein. Das zu erreichen kann kaum Sinn und Zweck von Ausschlussfristen sein. Außerdem kann, wenn zweistufige Fristen zu beachten sind, also nach vergeblicher Geltendmachung fristgebunden Klage zu erheben ist, dies etwaige Sanierungsbemühungen stören oder gar verhindern, andererseits in großem Umfang sinnlosen Aufwand und erhebliche Kosten verursachen. Ausschlussfristen können ihren Zweck unter normalen wirtschaftlichen und betrieblichen Verhältnissen entfalten; beim Zusammenbruch eines Arbeitgebers wird ihr Eingreifen in jeder Richtung fragwürdig (vgl. BAG, Urteil vom 08.06.1983 - 5 AZR 632/80 -, BAGE 43, 71; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.01.2001 - 5 Sa 380/00 -, Juris). Die H & F GmbH hatte im Kündigungsschreiben gegenüber dem Kläger am 28.07.2004 angegeben, dass der Geschäftsbetrieb eingestellt und eine Fortführung des Unternehmens ausgeschlossen sei. Wann genau die Lohnzahlungen gegenüber allen oder einem Kreis von Arbeitnehmern eingestellt worden waren, ließ sich auch durch Anfragen bei dem Insolvenzverwalter und dem damaligen Steuerberater der H & F GmbH nicht mehr klären. Da der Kläger die am 15.07.2004 fällige Lohnzahlung für Juni 2004 nicht mehr erhalten hat, das vorläufige Insolvenzverfahren am 19.07.2004 eröffnet worden und der Geschäftsbetrieb eingestellt war, war zur Überzeugung des Senats ein Zusammenbruch des Arbeitgebers auch aus damaliger Sicht gegeben. Von einem im Übrigen geordneten Betrieb (vgl. hierzu einschränkend LAG Hamm, Urteil vom 06.09.2001 - 4 Sa 466/01 -, Juris) konnte nicht mehr ausgegangen werden. Dass der Steuerberater der H & F GmbH am 27.09.2004 noch die Lohnabrechnungen für August 2004 erstellt und dem Insolvenzverwalter übermittelt hat, ändert daran nichts. Unerheblich ist, dass der Arbeitgeber dem Kläger nicht den tariflich zustehenden Lohn gezahlt hat, da eine Tarifgebundenheit bestanden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von höherem Insolvenzgeld (InsG) für den Zeitraum vom 01.06. bis 31.08.2004.
Der 1979 geborene Kläger hat eine dreijährige Berufsausbildung als Maurer absolviert und war vom 01.07.1999 bis 31.08.2001 in diesem Beruf tätig. Vom 17.09.2001 bis 15.07.2002 leistete er Zivildienst und war vom 17.10.2002 bis 10.12.2003 erneut als Maurer beschäftigt. Vom 11.12.2003 bis 18.01.2004 bezog er von der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg). In einer Veränderungsmitteilung vom Januar 2004 teilte er der Beklagten mit, dass er ab 19.01.2004 eine Beschäftigung als Maurer (Vorarbeiter) bei der H & F GmbH - Bauunternehmen - (H & F GmbH) aufnehme. Der Kläger erhielt einen Stundenlohn von 13,75 EUR. Auf das Arbeitsverhältnis war der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) anzuwenden. Nach dem BRTV war der Lohn spätestens am 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist.
Mit Beschluss vom 19.07.2004 ordnete das Amtsgericht Landau (AG) das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der H & F GmbH an und bestellte Rechtsanwalt Wiedemann zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Der Arbeitgeber kündigte mit Zustimmung des Insolvenzverwalters das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.08.2004 unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist (Schreiben vom 28.07.2004). Am 19.07.2004 wurde der Kläger von der Arbeitsleistung freigestellt; die H & F GmbH stellte ihren Geschäftsbetrieb im Juli 2004 ein. Der Kläger bot am 19.07.2004 gegenüber dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft an und verlangte die Weiterzahlung des Arbeitsentgelts. Daraufhin erkannte der Arbeitgeber die Arbeitsentgeltansprüche gegenüber dem Kläger an, der von der Erhebung einer Klage absah (Erklärung des Klägers gegenüber der Arbeitsagentur S vom 10.08.2004). Mit Beschluss vom 24.11.2004 eröffnete das AG das Insolvenzverfahren über das Vermögen der H & F GmbH und ernannte Rechtsanwalt W zum Insolvenzverwalter. Mit Beschluss vom 30.10.2006 stellte das AG das Verfahren mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ein. Die H & F GmbH erhielt das Recht zurück, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen.
Der Kläger meldete sich am 19.07.2004 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Die Beklagte bewilligte ihm für den Zeitraum vom 19.07. bis zum 31.08.2004 Alg in Höhe von insgesamt 1.182,72 EUR im Wege der Gleichwohlgewährung nach § 143 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und machte mit Schreiben vom 10.08.2004 gegenüber der H & F GmbH den Anspruchsübergang geltend. Von einer weiteren Geltendmachung des Alg sowie der Beiträge gegenüber der H & F GmbH sah die Beklagte im Dezember 2004 ab, buchte das gezahlte Alg auf einen InsG-Ausgabetitel um und verfügte, dass zu veranlassen sei, die im Insolvenzverfahren bereits geltend gemachten Arbeitsentgeltansprüche abzusetzen. Eine Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren erfolgte nicht.
Der Kläger beantragte am 20.08.2004 bei der Beklagte die Gewährung von InsG und legte eine Insolvenzgeldbescheinigung des Insolvenzverwalters vor, nach welcher dem Kläger für Juni 2004 ein Bruttoarbeitsentgelt von 2.366,55 EUR (netto 1.471,68 EUR) sowie für Juli und August 2004 von jeweils 2.442,88 EUR (netto 1.506,86 EUR) nicht ausgezahlt worden sei. Die Beklagte bewilligte InsG für den Zeitraum vom 01.06. bis 31.08.2004 in Höhe von 4.485,40 EUR, setzte die Alg-Zahlungen in Höhe von 1.182,72 EUR ab und zahlte 3.302,68 EUR aus (Bescheid vom 06.12.2004). Der Widerspruch des Klägers wurde am 22.03.2005 zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 21.04.2005 Klage vor dem Sozialgericht Speyer (SG) erhoben. Das SG hat den Insolvenzverwalter zum Verfahren beigeladen.
Mit Urteil vom 27.03.2007 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 06.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2005 abgeändert und die Beklagte verurteilt, weiteres Insolvenzgeld auf der Basis eines Stundenlohnes von 15,55 EUR zu bewilligen und auszuzahlen. Dem Kläger sei höheres InsG zu gewähren. Als Vorarbeiter habe ihm ein tarifvertragliches Arbeitsentgelt nach Lohngruppe 5 (Gesamttarifstundenlohn von 15,55 EUR) zugestanden. Die Beklagte sei verpflichtet, dieses Bruttoarbeitsentgelt festzustellen, ohne an die fehlerhafte Insolvenzgeldbescheinigung gebunden zu sein. Der Kläger habe auf dieses ihm tarifvertraglich zustehendes Arbeitsentgelt nicht verzichten können. Der Anspruch auf das höhere Arbeitsentgelt sei auch nicht verfallen, da die zweimonatige Frist zur schriftlichen Geltendmachung der Ansprüche durch die Stellung des Antrags auf InsG gewahrt sei.
Gegen das ihr am 02.07.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.07.2007 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der Senat hat die Berufung durch Beschluss vom 11.09.2007 zugelassen.
Die Beklagte trägt vor, dass der Ablauf der tarifvertraglichen Ausschlussfrist und der dadurch bedingte Verlust eines Anspruchs auf Arbeitsentgelt jedenfalls dann den Anspruch auf InsG ausschließe, wenn der Anspruch vor dem Insolvenzverfahren verloren gegangen sei. In diesem Fall seien im Zeitpunkt des den Anspruch auf InsG begründenden Insolvenzereignisses nicht sämtliche Voraussetzungen des § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III gegeben und außerdem könne eine Refinanzierung (§ 187 SGB III) nicht mehr erfolgen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 27.03.2007 - S 4 AL 273/05 - aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Nachdem der Insolvenzverwalter den Beschluss des AG vom 30.10.2006 vorgelegt hat, hat der Senat die Beiladung aufgehoben.
Der Senat hat bei den Steuerberatern Bendel und Partner GbR eine Auskunft vom 24.08.2009 beigezogen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Dem Kläger steht ein Anspruch auf höheres InsG für den Zeitraum vom 01.06. bis 31.08.2004 zu. Der Bescheid der Beklagten vom 06.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2005 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, ohne den Kläger zu der mündlichen Verhandlung persönlich zu laden, obwohl die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 16.09.2009 mitgeteilt hatten, den Kläger nicht mehr zu vertreten. Die Prozessbevollmächtigten hatten im Berufungsverfahren am 03.04.2008 eine Vollmacht vorgelegt und waren durch Empfangsbekenntnis am 07.09.2009 geladen worden. Diese Ladung verlor ihre Wirkung für und gegen den Kläger nicht dadurch, dass der Prozessbevollmächtigte - wie hier - nach Empfang der Ladung das Mandat niederlegte (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 12.03.1958 - 11/9 RV 976/56 -, BSGE 7, 58; Urteil vom 12.03.1975 - 12 RJ 330/74 -, SozR 1500 § 73 Nr. 1).
1.
Die Voraussetzungen des § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III (in der Fassung [idF] des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente [Job-AQTIV-Gesetz] vom 10.12.2001, BGBl. I S. 3443) für die Gewährung von InsG sind gegeben. Der Kläger war bei der H & F GmbH im Inland als Arbeitnehmer bis 31.08.2004 beschäftigt und er hatte für die dem Insolvenzereignis (Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers mit Beschluss des AG vom 24.11.2004) vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses vom 01.06. bis 31.08.2004 noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt. Ein Anspruchsausschluss nach § 184 SGB III (idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes [AFRG] vom 24.03.1997, BGBl. I S. 594) liegt nicht vor. Auch hatte der Kläger einen rechtzeitigen Antrag auf Insg (§ 324 Abs. 3 SGB III idF des AFRG) gestellt.
2.
Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis (§ 183 Abs. 1 Satz 3 SGB III idF des Job-AQTIV-Gesetzes). Insg wird nach § 185 Abs. 1 SGB III (idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl. I S. 2848) in Höhe des Nettoarbeitsentgelts geleistet, das sich ergibt, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze (§ 341 Abs. 4) begrenzte Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat bis zum 31.08.2004 bestanden und der Arbeitgeber ist nach der Freistellung des Klägers von der Arbeitsleistung am 19.07.2004 in Verzug gekommen, weil er die ihm angebotene Arbeitsleistung nicht angenommen hat (§ 293 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Dem Kläger stand damit ein Arbeitsentgeltanspruch bis 31.08.2004 zu.
Zu den Ansprüchen des Klägers auf Arbeitsentgelt zählte das vom Insolvenzverwalter bescheinigte Bruttoarbeitsentgelt für den Zeitraum vom 01.06. bis 31.08.2004, das gem. § 185 Abs. 1 SGB III um die gesetzlichen Abzüge zu vermindern war, woraus sich ein InsG-Anspruch in Höhe von insgesamt 4.485,40 EUR (1.471,68 EUR + 1.506,86 EUR + 1.506,86 EUR) ergab. Hiervon hat die Beklagte zu Recht das dem Kläger im Wege der Gleichwohlgewährung geleistete Alg für den Zeitraum vom 19.07. bis 31.08.2004 in Höhe von 1.182,72 EUR abgesetzt. Die Beklagte war nicht verpflichtet, das auf sie gem. § 115 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) übergegangene Arbeitsentgelt gegenüber dem Arbeitgeber beizutreiben (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.1988 - 11/7 RAr 79/87 -, SozR 4100 § 117 Nr. 23). In Höhe des Alg kann der Kläger kein InsG beanspruchen (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.1986 - 7 RAr 4/85 -, SozR 4100 § 117 Nr. 16), ohne dass die Alg-Bewilligung aufzuheben wäre (vgl. BSG, Urteil vom 11.06.1987 - 7 RAr 40/86 -, SozR 4100 § 117 Nr. 19).
3.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf höheres InsG zu. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers kam der allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 04.07.2002 (idF vom 17.12.2003) nach seinem räumlichen und betrieblichen Geltungsbereich zur Anwendung. Die H & F GmbH war ein Betrieb, der im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gewerbliche Bauten aller Art erstellte. Damit war auch der Lohntarifvertrag des Baugewerbes Rheinland-Pfalz anzuwenden und der Kläger als Vorarbeiter hatte Anspruch auf einen Gesamttarifstundenlohn von 15,55 EUR brutto (Lohngruppe 5 nach § 5 des BRTV). Der nach dem Lohntarifvertrag des Baugewerbes zu zahlende Stundenlohn ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Dieser höhere Entgeltanspruch des Klägers für den Zeitraum vom 01.06. bis 31.08.2004 war auch nicht aufgrund der tarifvertraglichen Ausschlussfrist nach § 15 BRTV verfallen:
1. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden; besteht bei Ausscheiden des Arbeitnehmers ein Arbeitszeitguthaben, beträgt die Frist für dieses Arbeitszeitguthaben jedoch 6 Monate.
2. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen. Für diese Ansprüche beginnt die Verfallfrist von zwei Monaten nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens.
Die höheren Arbeitsentgeltansprüche waren nicht in einer Lohnabrechnung des Arbeitgebers aufgeführt. In diesem Fall wäre ein Beharren auf die Einhaltung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist eine bloße "Förmelei". Durch eine schriftliche Lohnabrechnung werden die abgerechneten Lohnforderungen des Arbeitnehmers nämlich grundsätzlich streitlos gestellt, so dass er sie nicht nochmals schriftlich geltend machen muss (vgl. Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 20.10.1982 - 5 AZR 111/82 -, BAGE 40, 258). In den Lohnabrechnungen des Arbeitgebers für Juni bis August 2004 war nicht der höhere Tariflohn, sondern lediglich der niedrigere Stundenlohn von 13,75 EUR als Grundlage der Berechnungen aufgeführt. Auch im Übrigen wäre eine Berufung auf die tarifvertragliche Ausschlussklausel nicht von vornherein rechtsmissbräuchlich. Dies wäre nämlich dann der Fall, wenn der Arbeitgeber durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht hat, sich nicht auf die Ausschlussfrist zu berufen (vgl. BAG, Urteil vom 08.06.1983 - 5 AZR 632/80 - BAGE 43, 71). Der Arbeitgeber hat zwar die Ansprüche gegenüber dem Kläger am 19.07.2004 anerkannt - der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Erklärung des Klägers -, jedoch gerade nicht die höheren tarifvertraglichen Lohnansprüche.
Die zweistufige Ausschlussklausel des § 15 BRTV (vgl. BAG, Urteil vom 07.12.1983 - 5 AZR 425/80 -, BAGE 44, 337) greift vorliegend nicht ein. Tarifvertragliche Ausschlussfristen dienen nicht allein dem Arbeitnehmerschutz, sondern können beiden Seiten zu Gute kommen. Sie verfolgen den Zweck, im Zusammenhang mit der Erhebung von Ansprüchen der Arbeitsvertragsparteien eine möglichst große Sicherheit und schnellstmögliche Klarheit zu schaffen (BAG, Urteil vom 08.06.1983 - 5 AZR 632/80 -, BAGE 43, 71; Landesarbeitsgericht [LAG] Hamm, Urteil vom 10.10.2007 - 2 Sa 429/07 -, Juris). Tarifvertragliche Verfallfristen gelten auch uneingeschränkt für den Rechtsnachfolger, auf den ein Anspruch kraft Gesetzes übergegangen ist, wie sich aus den §§ 404, 412 BGB ergibt (LAG Köln, Urteil vom 17.03.2004 - 3 Sa 1288/03 -, Juris). Auf die Beklagte waren die Arbeitsentgeltansprüche nach § 187 SGB III (idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl. I. S. 2848) mit dem vom Kläger am 20.08.2004 gestellten Antrag auf InsG übergegangen. Zu dem Anspruchsübergang kommt es auch dann, wenn - wie hier - das Insolvenzereignis noch nicht eingetreten ist und die entfernte Möglichkeit eines InsG-Anspruchs besteht (vgl. BSG, Urteil vom 17.07.1979 - 12 RAr 15/78 -, SozR 4100 § 141b Nr. 11). Zum Zeitpunkt des Anspruchsübergangs am 20.08.2004 waren die Arbeitsentgeltansprüche des Klägers noch nicht verfallen. Der Arbeitsentgeltanspruch für Juni 2004 wurde nach dem BRTV am 15.07.2004 fällig, der Anspruch für Juli 2004 am 15.08.2004 und der Anspruch für August 2004 am 15.09.2004. Am 20.08.2004 war die ab der jeweiligen Fälligkeit laufende Frist von zwei Monaten zur schriftlichen Geltendmachung der Lohnansprüche (§ 15 Nr. 1 BRTV) noch für keinen Entgeltabrechnungszeitraum abgelaufen. Die Beklagte kann in diesem Fall unter dem Gesichtspunkt treuwidrigen Verhaltens dem Kläger den späteren Ablauf der Verfallfrist nicht entgegen halten. Da sie selbst die Rechtsstellung des Klägers erlangt hat, musste sie ihrerseits die tarifvertragliche Verfallfrist wahren (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 05.12.2008 - L 3 AL 86/07 -, Juris; Schmidt in NK-SGB III, § 187 Rdnr. 12f.; Peters-Lange in Gagel, SGB III, § 183 Rdnr. 103; Roeder in Niesel, SGB III, 3. Aufl., § 187 Rdnr. 5; vgl. auch BSG, Urteil vom 22.06.1994 - 10 RAr 3/93 -, SozR 3-4100 § 160 Nr. 1 im Falle der Gleichwohlgewährung von Alg). Die Beklagte hat jedoch nichts unternommen, um die Verfallfrist zu wahren. Ob sie Kenntnis von den höheren Arbeitsentgeltansprüchen hatte, ist hierfür unerheblich. Dem Kläger kann sie den Ablauf der Verfallfrist damit nicht entgegen halten.
Im Übrigen ist die tarifvertragliche Ausschlussfrist auf die vorliegende Fallgestaltung zur Überzeugung des Senats bereits nicht anwendbar. Hat ein Unternehmen - wie hier die H & F GmbH - aus wirtschaftlichen Gründen die Entgeltzahlungen ganz oder teilweise gegenüber allen oder einem Kreis von Arbeitnehmern aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt, besteht kein Grund, durch Beachtung der tariflichen Ausschlussklausel klarzustellen, ob und welche Ansprüche offen geblieben sind. Die im BRTV vorgeschriebene Geltendmachung ist nämlich auf die Verhältnisse im normalen Geschehensablauf ausgerichtet. Wenn einzelne oder auch mehrere Arbeitnehmer glauben, ihnen stünden noch Ansprüche zu, sollen sie damit hervortreten. Wenn dagegen der Arbeitgeber zahlungsunfähig ist und deshalb die in ihrer Höhe nicht zweifelhaften Ansprüche seiner Arbeitnehmer nicht erfüllt, kann eine trotzdem verlangte Geltendmachung nur eine Förmelei sein. Das zu erreichen kann kaum Sinn und Zweck von Ausschlussfristen sein. Außerdem kann, wenn zweistufige Fristen zu beachten sind, also nach vergeblicher Geltendmachung fristgebunden Klage zu erheben ist, dies etwaige Sanierungsbemühungen stören oder gar verhindern, andererseits in großem Umfang sinnlosen Aufwand und erhebliche Kosten verursachen. Ausschlussfristen können ihren Zweck unter normalen wirtschaftlichen und betrieblichen Verhältnissen entfalten; beim Zusammenbruch eines Arbeitgebers wird ihr Eingreifen in jeder Richtung fragwürdig (vgl. BAG, Urteil vom 08.06.1983 - 5 AZR 632/80 -, BAGE 43, 71; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.01.2001 - 5 Sa 380/00 -, Juris). Die H & F GmbH hatte im Kündigungsschreiben gegenüber dem Kläger am 28.07.2004 angegeben, dass der Geschäftsbetrieb eingestellt und eine Fortführung des Unternehmens ausgeschlossen sei. Wann genau die Lohnzahlungen gegenüber allen oder einem Kreis von Arbeitnehmern eingestellt worden waren, ließ sich auch durch Anfragen bei dem Insolvenzverwalter und dem damaligen Steuerberater der H & F GmbH nicht mehr klären. Da der Kläger die am 15.07.2004 fällige Lohnzahlung für Juni 2004 nicht mehr erhalten hat, das vorläufige Insolvenzverfahren am 19.07.2004 eröffnet worden und der Geschäftsbetrieb eingestellt war, war zur Überzeugung des Senats ein Zusammenbruch des Arbeitgebers auch aus damaliger Sicht gegeben. Von einem im Übrigen geordneten Betrieb (vgl. hierzu einschränkend LAG Hamm, Urteil vom 06.09.2001 - 4 Sa 466/01 -, Juris) konnte nicht mehr ausgegangen werden. Dass der Steuerberater der H & F GmbH am 27.09.2004 noch die Lohnabrechnungen für August 2004 erstellt und dem Insolvenzverwalter übermittelt hat, ändert daran nichts. Unerheblich ist, dass der Arbeitgeber dem Kläger nicht den tariflich zustehenden Lohn gezahlt hat, da eine Tarifgebundenheit bestanden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
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