Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6/13/U 253/01
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 120/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 23. Juni 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 26. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2001 werden aufgehoben.
Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen und des Vorverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Fortzahlung der ihr bewilligten Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. über den 31. Mai 2001 hinaus bis zum 13. März 2005.
Die 1970 geborene Klägerin erlitt am 6. Januar 1986 als Schülerin während des Sportunterrichts an der POS H. -B. in N. einen Unfall, bei dem sie sich das linke Knie verletzte. Am 2. November 1994 begab sie sich mit erheblichen Beschwerden am linken Knie in stationäre Behandlung des Kreiskrankenhauses H ... Nach Durchführung einer Arthroskopie und Gelenkspülung konnte die Klägerin beschwerdefrei entlassen werden. Infolge erneuter Beschwerden erfolgte im Kreiskrankenhaus Hohenmölsen im Februar 1995 die Versorgung des linken Kniegelenks mit einer Kreuzbandplastik.
Der Rechtsvorgänger der Beklagten (nachfolgend einheitlich Beklagte genannt) erhielt von dem Schülerunfall der Klägerin vom 6. Januar 1986 erstmals im August 1995 Kenntnis.
Die Beklagte veranlasste den Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie des Kreiskrankenhauses H. Dr. M. mit der Erstattung des unfallchirurgischen Zusammenhangsgutachtens vom 30. April 1997. Dr. M. bemerkte eine leichte Gangstörung der Klägerin und stellte am linken Bein eine mäßige Muskelminderung, eine deutliche Lockerung des vorderen Kreuzbandes sowie erhebliche Gelenkgeräusche im Kniegelenk fest und äußerte den Verdacht auf eine Funktionslosigkeit des vorderen Kreuzbandes, auf eine beginnende posttraumatische Gonarthrose oder auf sich einklemmende Anteile des Kreuzbandtransplantates sowie auf konsekutive Meniskushinterhornschäden bei chronischer Kreuzbandinsuffizienz. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit liege um 20 vom Hundert (v. H.).
Mit Bescheid vom 12. Juni 1997 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. Als Folgen des Unfalls erkannte sie nach operativ versorgtem Riss des vorderen Kreuzbandes am linken Bein umformende Veränderungen im Kniegelenk, Lockerung des vorderen Kreuzbandtransplantates und Muskelminderung am linken Bein an.
Nachdem die Klägerin eine erhebliche Verschlechterung des linken Kniegelenks mitgeteilt hatte, ließ die Beklagte Dr. M. das zweite Rentengutachten vom 23. September 1999 erstatten, der gegenüber dem Vorgutachten keine wesentlichen Änderungen feststellte und die Minderung der Erwerbsfähigkeit weiterhin auf 20 v. H. einschätzte.
Nachdem die Klägerin am 11. Januar 2000 mit einer neuen Kreuzbandplastik am linken Kniegelenk versorgt worden war, berichteten die Orthopäden Dres. M. und R. über eine Beweglichkeit des linken Kniegelenks am 1. März 2000 von 0/0/90 Grad sowie am 8. März 2000 von 0/0/115 Grad und der Facharzt für Orthopädie Dr. M. vom Reha-Zentrum W. am 4. April 2000 von 0/0/120 Grad sowie am 14. April 2000 von 0/0/125 Grad.
In dem von der Beklagten eingeholten Zweiten Rentengutachten vom 6. November 2000 führte Dr. M. aus, die Klägerin gehe flott und sicher ohne merkbares Hinken. Barfußgang zu ebener Erde, Zehengang, Hackengang und Einbeinstand seien seitengleich ungestört, Einbeinhüpfen rechts kraftvoll elastisch, links etwas weniger kräftig, aber auch gut vorführbar. Der tiefe Hocksitz werde unbehindert eingenommen. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 23. September 1999 sei die Bandstabilität im linken Kniegelenk fast ideal wieder hergestellt und dadurch die frühere Unsicherheit beseitigt. Umknickphänomene seien nicht mehr aufgetreten. Die Muskulatur links sehe schmächtiger aus als rechts. Unfallfolgen seien: die Gangstörung, die Muskelminderung, die Operationsnarben, zeitweise Einklemmungen von Gewebeanteilen mit Verdacht auf "Zyklops" in der Kreuzbandfurche, röntgenologisch liegende Metallkrampe im Schienbeinkopf, Verminderung des Kalksalzgehalts, Vergröberung der Bälkchenstruktur und Reste der Bohrkanäle. Der Verbesserung der Bandstabilität stünden eine noch etwas ausgeprägtere Muskelatrophie sowie stärkere subjektive Narbenbeschwerden gegenüber. Insgesamt habe sich noch keine durchschlagende Verbesserung eingestellt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei mit 20 v. H. einzuschätzen.
Die Beklagte holte die beratende Stellungnahme des Arztes für Chirurgie / Unfallchirurgie Dr. L. vom 2. April 2001 nach Aktenlage ein. Dr. L. war der Meinung, bei der Klägerin sei zum maßgeblichen Vorgutachten vom 30. April 1997 eine wesentliche Befundänderung im Sinne einer Funktionsbesserung eingetreten. Der Kapselbandapparat des linken Kniegelenkes sei seitengleich stabil. Daneben sei es auch zu einer diskreten Kräftigung der Muskulatur des linken Beines gekommen, während die übrigen Parameter mehr oder weniger gleich geblieben seien. Die Beweglichkeit des linken Kniegelenks liege im Normbereich. Er schätzte die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 10 v. H.
Nach Anhörung der Klägerin entzog ihr die Beklagte mit Bescheid vom 26. April 2001 die Verletztenrente mit Ablauf des Monats Mai 2001. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Unfallfolgen hätten sich gegenüber den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Gewährung der Verletztenrente im Juli 1997 gebessert. Die Kapselbandverhältnisse am linken Kniegelenk seien stabilisiert. Es sei somit eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehe nicht. Hiergegen erhob die Klägerin am 18. Mai 2001 Widerspruch und berichtete, das linke Bein sei nicht mehr hundertprozentig bandstabil, sie leide unter Einklemmungserscheinungen, Wegknicken und einem Unsicherheitsgefühl. Sie legte der Beklagten einen Befundbericht des Facharztes für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin Dipl.-Med. T. vom 24. Juli 2001 vor, der eine Beweglichkeit des linken Kniegelenks von 0/0/130 Grad feststellte. Eindeutig lägen ein dorso-medialer Korbwinkelriss im Meniskus und eine adäquate vordere Kreuzbandruptur vor. Da beide Schädigungen schon mehrere Jahre bis zur Operation bestanden hätten und auch mit dieser Operation nicht vollständig sachgerecht beseitigt worden seien, habe dies zu einer Schädigung des Gelenkknorpels geführt. Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage 20 v. H ... Mit dem Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2001 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, bei der Begutachtung am 27. Oktober 2000 habe der Gutachter stabile Bandverhältnisse festgestellt. Zusätzlich habe er ein flottes und sicheres Gehen ohne merkbares Hinken und einen unbehindert eingenommenen tiefen Hocksitz beschrieben. Die Beweglichkeit des linken Kniegelenks sei frei gewesen, Umknickphänomene seien nicht mehr aufgetreten. Es seien nur noch zarte Gelenkgeräusche zu vernehmen gewesen. Damit bestehe objektiv eine Befundbesserung und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grade liege nicht mehr vor.
Mit der am 19. November 2001 vor dem Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat die Klägerin die Aufhebung des Bescheides vom 26. April 2001 weiter verfolgt.
Das Sozialgericht hat von dem Facharzt für Orthopädie Dipl.-Med. T. den Befundbericht vom 6. April 2003 eingeholt. Dipl.-Med. T. hat am 10. Januar 2001 an den Kreuzbändern des linken Kniegelenks eine einfach positive Schublade sowie Außenrotationsschublade bei der Klägerin festgestellt. Der Lachmanntest und Pivot-Shift-Test seien zweifach positiv. Die Beweglichkeit liege bei 0/0/130 Grad. Er diagnostizierte eine vordere Kreuzbandinsuffizienz des linken Kniegelenks, eine Chondromalazie (Knorpelerweichung) des medialen Femurkondylus (Gelenkkopfes des Oberschenkels) mit Verdacht auf einen medialen Meniskusschaden links.
In dem von der Beklagten veranlassten Rentengutachten des Chefarztes und Unfallchirurgen des St. Kl. D. Dr. Z. vom 7. August 2003 und ergänzender Stellungnahme vom 2. September 2003 führte dieser nach Untersuchung der Klägerin am 6. August 2003 aus, Schmerzen habe er am linken Kniegelenk nicht auslösen können. Unfallfolgen seien eine Muskelminderung des linken Ober- und Unterschenkels im Toleranzbereich, eine diskrete Einschränkung in der Beugung des linken Kniegelenks, eine geringe, muskulär kompensierbare vordere Knieinstabilität nach vorderer Kreuzbandruptur und vorderer Kreuzbandersatzplastik, vermehrte Verschleiß-erscheinungen im Bereich der Kniescheibenrückfläche, eine Kalksalzminderung der Kniescheibe und eine Gefühlsminderung an der Vorderseite des linken Kniegelenks. Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit liege im Zeitraum vom 1. Mai 2001 bis 5. August 2003 bei 10 v. H.
Mit Bescheid vom 17. September 2003 lehnte es die Beklagte mit Hinweis auf das Gutachten von Dr. Z. ab, den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit neu festzusetzen, weil eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grade nicht erreicht sei.
Auf Antrag der Klägerin hat das Sozialgericht den Dipl.-Med. T. veranlasst, das Gutachten vom 21. Februar 2004 nach Untersuchung der Klägerin am 19. Februar 2004 zu erstatten. Dipl.-Med. T. hat ausgeführt, es bestehe eine Muskelminderung im Bereich des linken Ober- und Unterschenkels, die sich im Toleranzbereich befinde. Derzeit bestehe eine deutliche Einschränkung der Beugung des linken Kniegelenks, eine mäßige muskulär kompensierte vordere Knieinstabilität, ein Schaden im Bereich des Innenmeniskus, vermehrte Verschleißerscheinungen im Bereich der Kniescheibenrückfläche und der inneren Oberschenkelgelenkrolle sowie eine Gefühlsminderung an der Vorderseite des linken Kniegelenks. Die von Dr. M. gemessene Beweglichkeit von 0/0/140 sei nicht nachvollziehbar. Aus dem Befund ergebe sich - wobei neben dem derzeitigen Zustand auch die unweigerlich zu erwartende Verschlechterung des Zustandes zu berücksichtigen sei - ein Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v. H ... Die Beklagte hat die gutachtliche Stellungnahme von Dr. L. vom 10. November 2004 vorgelegt, der ausgeführt hat, der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit könne nicht mit einer Verschlechterung begründet werden, weil diese bisher nicht zu einer Funktionseinbuße geführt habe. Die Ausführungen Dipl.-Med. T. seien widersprüchlich, soweit einerseits festgestellt werde, die Muskelminderung im Bereich des linken Ober- und Unterschenkels liege im Toleranzbereich, andererseits jedoch eine sichtbare Umfangsminderung des linken gegenüber dem rechten Oberschenkel bestehe und eine abgeschwächte Muskelkontur des vierbäuchigen Oberschenkelmuskels links deutlich erkennbar sei. Es treffe auch nicht zu, dass ein Schaden im Bereich des Innenmeniskus sowie vermehrte Verschleißerscheinungen im Bereich der Kniescheibenrückfläche und der inneren Oberschenkelrolle gesichert seien. Die Sonographie vom 19. Februar 2004 habe vielmehr eine unauffällige Darstellung der Kniescheibenrückfläche und des Kniescheibengleitlagers am Oberschenkelknochen beidseits ergeben. Schließlich sei auch die Bewegungseinschränkung von 0/5/105 Grad nicht mit dem weiteren Befund einer Muskelminderung im Toleranzbereich vereinbar.
Das Sozialgericht hat den Facharzt für Orthopädie der M. L. U. H. – W. Prof. Dr. R. mit der Erstattung des Gutachtens vom 14. März 2005 beauftragt. Prof. Dr. R. hat eine sekundäre Gonarthrose des linken Kniegelenks bei operativ behandelter Kreuzbandruptur mit Kreuzbandplastik, Schraubenlockerung mit Schraubenentfernung und nochmaliger Kreuzbandplastik, mit Patellarsehne und Grazillissehnenverstärkung, Innenmeniskusrefixation und Kapseldeckenstraffung diagnostiziert. Als Funktionsstörungen hat er eine endgradige Beugeeinschränkung im linken Kniegelenk gegenüber rechts von 10 Grad und eine endgradige Streckhemmung des linken Kniegelenks passiv von 20 Grad gegenüber rechts bezeichnet. Es bestehe eine deutliche Instabilität mit vorderer Schublade und medialer Aufklappbarkeit in 30 Grad. Die Muskelatrophie betrage 10 cm oberhalb des medialen Gelenkspaltes links 3,5 cm gegenüber rechts mit dadurch bedingter muskulär nicht kompensierbarer Instabilität. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit seit mit 20 v. H. einzuschätzen.
Daraufhin hat die Beklagte am 23. Juni 2005 einen Anspruch des Klägers auf Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. ab dem 14. März 2005 anerkannt und die Klägerin den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.
Mit Urteil vom 23. Juni 2005 hat das Sozialgericht Halle die Klage bezüglich des verbliebenen streitigen Zeitraums abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die objektiven Befunde am 1. November 2000 zeigten eine wesentliche Besserung gegenüber dem maßgeblichen Gutachten vom 30. April 1997. Bereits im April 2000 sei das linke Kniegelenk bei weitgehend freier Beweglichkeit stabilisiert gewesen. Dr. M. beschreibe in seinem Gutachten, die Bandinstabilität sei fast ideal wieder hergestellt, Unsicherheiten seien beseitigt, und Umknickphänomene würden nicht mehr geklagt. Zwar sei der Kalksalzgehalt links noch deutlich geringer als rechts gewesen, die Beweglichkeit aber frei bzw. endgradig um 10 Grad gegenüber rechts eingeschränkt. Es habe nur eine geringe Muskelminderung bestanden. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grade sei ab 1. Juni 2001 nicht mehr zu rechtfertigen. Eine spätere Verschlechterung des unfallbedingten funktionellen Befundes sei vor dem Begutachtungstermin bei Prof. Dr. R. nicht zu sichern. Dipl.-Med. T. habe in seiner Äußerung vom 24. Juli 2001 eine Einschränkung der Beugefähigkeit des linken Knies mit 130 Grad festgestellt und die Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. mit einer prognostizierten Verschlechterung begründet. Dies sei aber nicht zulässig. Auch der Befundbericht vom 6. April 2003 lasse nicht den Schluss auf eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. zu, denn bei der Untersuchung am 7. November 2002 habe eine mäßige Instabilität des vorderen Kreuzbandes links vorgelegen. Die Beweglichkeit habe in der Beugung bei 120 Grad links gelegen bei leichter Muskelminderung. Obgleich die Kapselbandverhältnisse am linken Knie nicht vollständig stabilisiert gewesen seien, könne von einer weitgehenden Stabilisierung und muskulären Kompensation ausgegangen werden. Dem entspreche das Rentengutachten von Dr. Z ... Die Muskelminderung des linken Ober- und Unterschenkels habe hiernach mit 1 bis 1,5 cm tatsächlich im Toleranzbereich gelegen, die Beugefähigkeit des linken Knies bei 130 Grad gelegen. Er hat die Knieinstabilität als gering und muskulär kompensierbar beschrieben. Die von ihm erkannten vermehrten Verschleißerscheinungen im Bereich der Kniescheibenrückfläche und die Kalksalzminderung der Kniescheibe könnten eine höhere MdE-Bewertung nicht rechtfertigen. Die gutachtliche Äußerung von Dipl.-Med. T. vom 21. Februar 2004 nach einer Untersuchung der Klägerin am 19. Februar 2004 sei nur eingeschränkt verwertbar, weil objektivierbare Daten nur in eingeschränktem Umfang genannt würden und das Gutachten in weiten Teilen widersprüchlich und nicht nachvollziehbar sei. Die Widersprüche habe Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 10. November 2004 zutreffend bezeichnet. Die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 20 v. H. unter Berücksichtigung von prognostischen Erwägungen sei nicht nachvollziehbar.
Gegen das am 17. August 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. September 2005 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, Prof. Dr. R. habe für die Minderung der Erwerbsfähigkeit vom 1. Juni 2001 bis 13. März 2005 keine Einschätzung abgegeben. Diese Frage sei aber entscheidungsrelevant. Bei der vorliegenden Verletzung sei davon auszugehen, dass die Arthrose, verbunden mit Einklemmungserscheinungen und dem Defekt am Knie, vor dem 14. März 2005 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. gerechtfertigt habe. Dies habe Dipl.-Med. T. in seinem Gutachten dargelegt. Bei der Verletzung handele es sich um einen schleichenden Prozess, mit der Folge, dass für die Zeit vom Kalenderjahr 2001 bis einschließlich 2005 keine Besserung eingetreten sei. Ungeklärt sei im Übrigen, wie es zunächst zu einer Verbesserung und anschließend zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes gekommen sei. Zur Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit hat die Klägerin auf das vom Landessozialgericht eingeholte Gutachten von Dr. M. verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 23. Juni 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 26. April 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf das Urteil des Sozialgerichts Halle verwiesen sowie auf die Gutachten von Dr. Z. und Prof. Dr. R ... Prof. Dr. R. habe in einer vom Landessozialgericht eingeholten ergänzenden Stellungnahme ihre Auffassung bestätigt. Am 1. November 2000 sei die Bandinstabilität fast ideal wieder hergestellt gewesen und seien dadurch frühere Unsicherheiten beseitigt worden. Die Empfehlung, dennoch eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit anzunehmen, habe Dr. M. mit der nachweisbaren Muskelatrophie und rein subjektiven Beschwerden begründet. Dies sei in der gesetzlichen Unfallversicherung unzulässig, weil bei der Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf objektiv feststellbare Funktionseinschränkungen abzustellen sei.
Das Landessozialgericht hat zwei ergänzende Stellungnahmen von Prof. Dr. R. vom 30. August 2007 und 28. April 2008 eingeholt, in denen dieser ausgeführt hat, auch nach den Befunden von Dipl.-Med. T. sei eine Einschätzung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht gerechtfertigt. Im ersten Rentengutachten vom 6. August 2003 sei die für diesen Zeitpunkt korrekte Einschätzung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. erfolgt. Dies ergebe sich aus den Tabellenwerten, die für derartige Gesundheitsschäden heranzuziehen seien. Erst mit der klinischen und röntgenologischen Untersuchung am 14. März 2005 habe dann die im Rahmen der bestehenden Instabilität, die zunehmend muskulär nicht mehr kompensiert werden könne, aufgetretene sekundäre Gonarthrose in allen gelenkbildenden Anteilen objektiviert werden können. Damit bestehe vor diesem Zeitpunkt für eine Höhereinschätzung der Situation Beweislosigkeit. Auch die später von der Klägerin vorgelegten Röntgenaufnahmen begründeten keine höhere Minderung der Erwerbsfähigkeit.
Das Landessozialgericht hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. M. mit der Erstattung des Gutachtens vom 20. September 2008 nach Aktenlage beauftragt. Dr. M. hat im Wesentlichen ausgeführt, bereits am 1. November 2000 habe eine Schädigung des Innenmeniskushinterhorns als Unfallfolge vorgelegen, welche zu den subjektiven Beschwerden der Klägerin geführt habe. Dieser wichtige Gelenkhilfsstabilisator sei nicht richtig angewachsen. So erklärten sich die Muskelminderung und die Knochenatrophie. Die immer wieder berichteten Instabilitätsgefühle und Einklemmungserscheinungen bewiesen den Fortbestand des Innenmeniskushinterhornschadens und die fehlende Stabilisierung des Bandapparates. Eine wesentliche Besserung der Beschwerden sei nicht eingetreten. Die Zerstörung des Innenmeniskushinterhorns habe allmählich begleitet durch eine fortschreitende posttraumatische Gonarthrose zugenommen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei in der Zeit vom 1. Juni 2001 bis 13. März 2005 mit 20 v. H. einzuschätzen. Die Verschlimmerung sei bis zum 13. März 2005 aber nicht so ausgeprägt gewesen, dass eine Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit über 20 v. H. hinaus angemessen wäre.
Dem Gericht hat ein Ausdruck der elektronischen Akte der Beklagten mit dem Aktenzeichen 2159500812 vorgelegen. Dieser war Gegenstand der Verhandlung und Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 SGG statthafte Berufung hat Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 26. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2001 ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Beklagte hat der Klägerin zu Unrecht die mit Bescheid vom 12. Juni 1997 bewilligte Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. ab Juni 2001 entzogen. Grundlage für die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung ist nach § 56 Abs. 2 S. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) der Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Bemessung ist eine Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung und im einschlägigen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze trifft (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. März 2003 - B 2 U 31/02 R - Breithaupt S. 565; BSG, Urteil vom 2. November 1999 - B 2 U 49/98 R - SozR 3-2200 § 581 Nr. 6). Diese sind für die Entscheidung im Einzelfall zwar nicht bindend. Sie bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis. Danach mag die Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. R. und des Gutachters Dr. Z. im Ergebnis zutreffen, wonach die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin am 27. Oktober 2000 bei der Untersuchung durch Dr. M. 10 v. H. erreicht hat. Denn im Falle einer Restbeweglichkeit des Kniegelenks von mehr als 0/0/120 Grad und einem muskulär kompensierbaren leichten Wackelknie beläuft sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach medizinischen Erfahrungssätzen auf 10 v. H. (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, Abschnitt 8.10.11, S. 724; Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Auflage, S. 169).
So hat Dr. M. bei der Untersuchung am 27. Oktober 2000 eine sich flott und sicher ohne merkbares Hinken fortbewegende Klägerin erlebt, deren Barfußgang zu ebener Erde, Zehengang, Hackengang und Einbeinstand seitengleich ungestört waren. Das Einbeinhüpfen links war gegenüber rechts etwas weniger kräftig, aber gut vorführbar. Den tiefen Hocksitz konnte sie unbehindert einnehmen. Die Bandstabilität im linken Kniegelenk war fast ideal wiederhergestellt und dadurch die frühere Unsicherheit beseitigt. Umknickphänomene waren nicht mehr aufgetreten. Der Lachmann-Test hat ein sich sehr schön anspannendes vorderes Kreuzband gezeigt. Auch der mediale Bandapparat war bei Streckung völlig fest und bei leichter Beugung nur eine Spur links mehr nachgiebig als rechts. Bei rechtwinkliger Kniebeugung war in jeglicher Rotationsstellung des Unterschenkels keine wesentliche Seitendifferenz bei der Bandstabilität nachweisbar. Schmerzen bei der Bewegung hat die Klägerin nicht geäußert. Die Beweglichkeit des Kniegelenks lag bei der Untersuchung am 27. Oktober 2000 nach den Ausführungen Dipl.-Med. T. , dem die von Dr. M. erhobenen Messwerte für untere Gliedmaßen offensichtlich vorgelegen haben, bei 0/0/140. Bei einem stabilen Kniegelenk mit Bewegungsmaßen von 0/0/140 Grad rechtfertigt sich nach den medizinischen Erfahrungsätzen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H.
Damit mag eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die Grundlage der Bewilligung einer Verletztenrente mit Bescheid vom 12. Juni 1997 waren, eingetreten sein, die im Sinne des § 73 Abs. 3 1. Halbsatz SGB VII zu einer Änderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit von mehr als 5 v. H. geführt hat.
Grundlage der Entscheidung vom 12. Juni 1997 war das unfallchirurgische Zusammenhangsgutachten von Dr. M. vom 30. April 1997. Die Klägerin war bei Dr. M. mit leichtem hinkenden Gang im Übrigen aber sicher und flott erschienen. Barfußgang zu ebener Erde, Zehengang und Hackengang waren seinerzeit unbehindert. Der Einbeinstand war links etwas unsicher, und Einbeinhüpfen links schwächer als rechts vorführbar. Der Hocksitz war unbehindert, beim Hochkommen mit einem heftigen Knirschen im linken Kniegelenk verbunden. Das vordere Kreuzband war hier insuffizient mit entsprechenden Instabilitätsbeschwerden links. Der Bandapparat links war beim Lachmann-Test deutlich gelockert, wobei die Klägerin beim Vorschieben leichte Schmerzen geäußert hat. Auch die dorso-mediale Kapselecke war links etwas lockerer als rechts. Diese Instabilität bei im Übrigen gemessenen Bewegungswerten von 0/0/150 Grad rechtfertigen nach den medizinischen Erfahrungswerten eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H ... Eine Besserung bereits vor dem 27. Oktober 2000 ist insoweit nicht festzustellen, weil günstigere Befunde bis dahin nicht erhoben worden sind. Dies ergibt sich aus der Gegenüberstellung der Funktionseinschränkungen in den Gutachten von Dr. M. vom 23. September 1999 einerseits und vom 6. November 2000 andererseits bei gleichzeitigem Fehlen von Aussagen zur Kniestabilität und zur muskulären Entwicklung in der Zwischenzeit.
Die Beklagte war trotz der am 27. Oktober 2000 wohl zu erkennenden Änderung nicht berechtigt, der Klägerin die Verletztenrente ab Juni 2001 zu entziehen. Denn nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Gemäß § 73 Abs. 3 SGB VII liegt im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung eine wesentliche Änderung nur dann vor, wenn die Änderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit mehr als 5 v. H. beträgt und bei Renten auf unbestimmte Zeit die Veränderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit länger als drei Monate andauert.
Letzteres war jedoch vorliegend nicht der Fall. Denn die Stabilität des Kniegelenks hat am 10. Januar 2001 nicht mehr in dem am 1. November 2000 festgestellten Umfang bestanden.
Dipl.-Med. Typke hat die Klägerin am 10. Januar 2001 untersucht. Die Klägerin erschien mit leicht linkshinkendem Gang. Den Einbeinstand links vollführte sie mit Unsicherheiten. Bei der linksseitigen einbeinigen Hocke bestand Instabilität. Während die Seitenbänder beidseits fest waren, war die vordere Schublade und die Außenrotationsschublade einfach positiv, der Lachmann- und der Pivot-Shift-Test links zweifach positiv. Während die Schubladenzeichen nur bedingt zur Stabilität des Kniegelenks aussagekräftig sind, weist demgegenüber ein positiver Pivot-Shift-Test auf eine Instabilität hin (vgl. Rompe/Erlenkämper, 3. Auflage, S. 246 f.). Dementsprechend bezeichnet Dipl.-Med. T. den Zustand des vorderen Kreuzbandes auch als mäßig instabil. Die Angabe der Klägerin gegenüber Dipl.-Med. T. , seit zwei Wochen wieder leichte Unsicherheiten beim Laufen zu verspüren, insbesondere in abschüssigem Gelände und beim Treppensteigen, stimmt mit dem objektiven Befund von Dipl.-Med. T. überein. Damit war der Zustand des Kniegelenks wie auch bei der Untersuchung im September 1999 durch Dr. M. jedenfalls nicht mehr wesentlich gebessert. Aufgrund des mäßig instabilen vorderen Kreuzbandes und der Gangunsicherheit der Klägerin lag die Minderung der Erwerbsfähigkeit am 10. Januar 2001 bei 20 v. H., jedenfalls nicht um mehr als 5 v. H. darunter.
Aus den nachfolgend eingeholten Gutachten, insbesondere dem Gutachten von Dr. Z. vom 7. August 2003, lässt sich zur Überzeugung des Gerichts nicht ableiten, dass die in Einklang von Beschwerdeäußerung und Befunderhebung geäußerten Beschreibungen der Kniefunktion durch Dipl.-Med. T. unzutreffend sind. Gegen die Unmöglichkeit der Feststellung einer drei Monate überdauernden Besserung spricht auch nicht die eigene Einschätzung Dipl.-Med. T. in seinem Gutachten vom 21. September 2004. Soweit er darin eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. nur im Hinblick auf eine zukünftige Verschlimmerungstendenz bewirkt gesehen hat, folgt der Senat der Einschätzung nicht. Vielmehr folgt eine solche Einschätzung schon aus der zeitnahen Befundwiedergabe der Befunde vom 10. Januar 2001.
Damit lagen die Voraussetzungen für eine Entziehung der Verletztenrente ab Juni 2001 nicht vor.
Der Klägerin steht deshalb aus dem Bescheid vom 12. Juni 1997 auch über den 31. Mai 2001 hinaus eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht vor.
gez. Eyrich gez. Dr. Mecke gez. Boldt
Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen und des Vorverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Fortzahlung der ihr bewilligten Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. über den 31. Mai 2001 hinaus bis zum 13. März 2005.
Die 1970 geborene Klägerin erlitt am 6. Januar 1986 als Schülerin während des Sportunterrichts an der POS H. -B. in N. einen Unfall, bei dem sie sich das linke Knie verletzte. Am 2. November 1994 begab sie sich mit erheblichen Beschwerden am linken Knie in stationäre Behandlung des Kreiskrankenhauses H ... Nach Durchführung einer Arthroskopie und Gelenkspülung konnte die Klägerin beschwerdefrei entlassen werden. Infolge erneuter Beschwerden erfolgte im Kreiskrankenhaus Hohenmölsen im Februar 1995 die Versorgung des linken Kniegelenks mit einer Kreuzbandplastik.
Der Rechtsvorgänger der Beklagten (nachfolgend einheitlich Beklagte genannt) erhielt von dem Schülerunfall der Klägerin vom 6. Januar 1986 erstmals im August 1995 Kenntnis.
Die Beklagte veranlasste den Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie des Kreiskrankenhauses H. Dr. M. mit der Erstattung des unfallchirurgischen Zusammenhangsgutachtens vom 30. April 1997. Dr. M. bemerkte eine leichte Gangstörung der Klägerin und stellte am linken Bein eine mäßige Muskelminderung, eine deutliche Lockerung des vorderen Kreuzbandes sowie erhebliche Gelenkgeräusche im Kniegelenk fest und äußerte den Verdacht auf eine Funktionslosigkeit des vorderen Kreuzbandes, auf eine beginnende posttraumatische Gonarthrose oder auf sich einklemmende Anteile des Kreuzbandtransplantates sowie auf konsekutive Meniskushinterhornschäden bei chronischer Kreuzbandinsuffizienz. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit liege um 20 vom Hundert (v. H.).
Mit Bescheid vom 12. Juni 1997 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. Als Folgen des Unfalls erkannte sie nach operativ versorgtem Riss des vorderen Kreuzbandes am linken Bein umformende Veränderungen im Kniegelenk, Lockerung des vorderen Kreuzbandtransplantates und Muskelminderung am linken Bein an.
Nachdem die Klägerin eine erhebliche Verschlechterung des linken Kniegelenks mitgeteilt hatte, ließ die Beklagte Dr. M. das zweite Rentengutachten vom 23. September 1999 erstatten, der gegenüber dem Vorgutachten keine wesentlichen Änderungen feststellte und die Minderung der Erwerbsfähigkeit weiterhin auf 20 v. H. einschätzte.
Nachdem die Klägerin am 11. Januar 2000 mit einer neuen Kreuzbandplastik am linken Kniegelenk versorgt worden war, berichteten die Orthopäden Dres. M. und R. über eine Beweglichkeit des linken Kniegelenks am 1. März 2000 von 0/0/90 Grad sowie am 8. März 2000 von 0/0/115 Grad und der Facharzt für Orthopädie Dr. M. vom Reha-Zentrum W. am 4. April 2000 von 0/0/120 Grad sowie am 14. April 2000 von 0/0/125 Grad.
In dem von der Beklagten eingeholten Zweiten Rentengutachten vom 6. November 2000 führte Dr. M. aus, die Klägerin gehe flott und sicher ohne merkbares Hinken. Barfußgang zu ebener Erde, Zehengang, Hackengang und Einbeinstand seien seitengleich ungestört, Einbeinhüpfen rechts kraftvoll elastisch, links etwas weniger kräftig, aber auch gut vorführbar. Der tiefe Hocksitz werde unbehindert eingenommen. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 23. September 1999 sei die Bandstabilität im linken Kniegelenk fast ideal wieder hergestellt und dadurch die frühere Unsicherheit beseitigt. Umknickphänomene seien nicht mehr aufgetreten. Die Muskulatur links sehe schmächtiger aus als rechts. Unfallfolgen seien: die Gangstörung, die Muskelminderung, die Operationsnarben, zeitweise Einklemmungen von Gewebeanteilen mit Verdacht auf "Zyklops" in der Kreuzbandfurche, röntgenologisch liegende Metallkrampe im Schienbeinkopf, Verminderung des Kalksalzgehalts, Vergröberung der Bälkchenstruktur und Reste der Bohrkanäle. Der Verbesserung der Bandstabilität stünden eine noch etwas ausgeprägtere Muskelatrophie sowie stärkere subjektive Narbenbeschwerden gegenüber. Insgesamt habe sich noch keine durchschlagende Verbesserung eingestellt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei mit 20 v. H. einzuschätzen.
Die Beklagte holte die beratende Stellungnahme des Arztes für Chirurgie / Unfallchirurgie Dr. L. vom 2. April 2001 nach Aktenlage ein. Dr. L. war der Meinung, bei der Klägerin sei zum maßgeblichen Vorgutachten vom 30. April 1997 eine wesentliche Befundänderung im Sinne einer Funktionsbesserung eingetreten. Der Kapselbandapparat des linken Kniegelenkes sei seitengleich stabil. Daneben sei es auch zu einer diskreten Kräftigung der Muskulatur des linken Beines gekommen, während die übrigen Parameter mehr oder weniger gleich geblieben seien. Die Beweglichkeit des linken Kniegelenks liege im Normbereich. Er schätzte die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 10 v. H.
Nach Anhörung der Klägerin entzog ihr die Beklagte mit Bescheid vom 26. April 2001 die Verletztenrente mit Ablauf des Monats Mai 2001. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Unfallfolgen hätten sich gegenüber den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Gewährung der Verletztenrente im Juli 1997 gebessert. Die Kapselbandverhältnisse am linken Kniegelenk seien stabilisiert. Es sei somit eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehe nicht. Hiergegen erhob die Klägerin am 18. Mai 2001 Widerspruch und berichtete, das linke Bein sei nicht mehr hundertprozentig bandstabil, sie leide unter Einklemmungserscheinungen, Wegknicken und einem Unsicherheitsgefühl. Sie legte der Beklagten einen Befundbericht des Facharztes für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin Dipl.-Med. T. vom 24. Juli 2001 vor, der eine Beweglichkeit des linken Kniegelenks von 0/0/130 Grad feststellte. Eindeutig lägen ein dorso-medialer Korbwinkelriss im Meniskus und eine adäquate vordere Kreuzbandruptur vor. Da beide Schädigungen schon mehrere Jahre bis zur Operation bestanden hätten und auch mit dieser Operation nicht vollständig sachgerecht beseitigt worden seien, habe dies zu einer Schädigung des Gelenkknorpels geführt. Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage 20 v. H ... Mit dem Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2001 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, bei der Begutachtung am 27. Oktober 2000 habe der Gutachter stabile Bandverhältnisse festgestellt. Zusätzlich habe er ein flottes und sicheres Gehen ohne merkbares Hinken und einen unbehindert eingenommenen tiefen Hocksitz beschrieben. Die Beweglichkeit des linken Kniegelenks sei frei gewesen, Umknickphänomene seien nicht mehr aufgetreten. Es seien nur noch zarte Gelenkgeräusche zu vernehmen gewesen. Damit bestehe objektiv eine Befundbesserung und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grade liege nicht mehr vor.
Mit der am 19. November 2001 vor dem Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat die Klägerin die Aufhebung des Bescheides vom 26. April 2001 weiter verfolgt.
Das Sozialgericht hat von dem Facharzt für Orthopädie Dipl.-Med. T. den Befundbericht vom 6. April 2003 eingeholt. Dipl.-Med. T. hat am 10. Januar 2001 an den Kreuzbändern des linken Kniegelenks eine einfach positive Schublade sowie Außenrotationsschublade bei der Klägerin festgestellt. Der Lachmanntest und Pivot-Shift-Test seien zweifach positiv. Die Beweglichkeit liege bei 0/0/130 Grad. Er diagnostizierte eine vordere Kreuzbandinsuffizienz des linken Kniegelenks, eine Chondromalazie (Knorpelerweichung) des medialen Femurkondylus (Gelenkkopfes des Oberschenkels) mit Verdacht auf einen medialen Meniskusschaden links.
In dem von der Beklagten veranlassten Rentengutachten des Chefarztes und Unfallchirurgen des St. Kl. D. Dr. Z. vom 7. August 2003 und ergänzender Stellungnahme vom 2. September 2003 führte dieser nach Untersuchung der Klägerin am 6. August 2003 aus, Schmerzen habe er am linken Kniegelenk nicht auslösen können. Unfallfolgen seien eine Muskelminderung des linken Ober- und Unterschenkels im Toleranzbereich, eine diskrete Einschränkung in der Beugung des linken Kniegelenks, eine geringe, muskulär kompensierbare vordere Knieinstabilität nach vorderer Kreuzbandruptur und vorderer Kreuzbandersatzplastik, vermehrte Verschleiß-erscheinungen im Bereich der Kniescheibenrückfläche, eine Kalksalzminderung der Kniescheibe und eine Gefühlsminderung an der Vorderseite des linken Kniegelenks. Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit liege im Zeitraum vom 1. Mai 2001 bis 5. August 2003 bei 10 v. H.
Mit Bescheid vom 17. September 2003 lehnte es die Beklagte mit Hinweis auf das Gutachten von Dr. Z. ab, den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit neu festzusetzen, weil eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grade nicht erreicht sei.
Auf Antrag der Klägerin hat das Sozialgericht den Dipl.-Med. T. veranlasst, das Gutachten vom 21. Februar 2004 nach Untersuchung der Klägerin am 19. Februar 2004 zu erstatten. Dipl.-Med. T. hat ausgeführt, es bestehe eine Muskelminderung im Bereich des linken Ober- und Unterschenkels, die sich im Toleranzbereich befinde. Derzeit bestehe eine deutliche Einschränkung der Beugung des linken Kniegelenks, eine mäßige muskulär kompensierte vordere Knieinstabilität, ein Schaden im Bereich des Innenmeniskus, vermehrte Verschleißerscheinungen im Bereich der Kniescheibenrückfläche und der inneren Oberschenkelgelenkrolle sowie eine Gefühlsminderung an der Vorderseite des linken Kniegelenks. Die von Dr. M. gemessene Beweglichkeit von 0/0/140 sei nicht nachvollziehbar. Aus dem Befund ergebe sich - wobei neben dem derzeitigen Zustand auch die unweigerlich zu erwartende Verschlechterung des Zustandes zu berücksichtigen sei - ein Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v. H ... Die Beklagte hat die gutachtliche Stellungnahme von Dr. L. vom 10. November 2004 vorgelegt, der ausgeführt hat, der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit könne nicht mit einer Verschlechterung begründet werden, weil diese bisher nicht zu einer Funktionseinbuße geführt habe. Die Ausführungen Dipl.-Med. T. seien widersprüchlich, soweit einerseits festgestellt werde, die Muskelminderung im Bereich des linken Ober- und Unterschenkels liege im Toleranzbereich, andererseits jedoch eine sichtbare Umfangsminderung des linken gegenüber dem rechten Oberschenkel bestehe und eine abgeschwächte Muskelkontur des vierbäuchigen Oberschenkelmuskels links deutlich erkennbar sei. Es treffe auch nicht zu, dass ein Schaden im Bereich des Innenmeniskus sowie vermehrte Verschleißerscheinungen im Bereich der Kniescheibenrückfläche und der inneren Oberschenkelrolle gesichert seien. Die Sonographie vom 19. Februar 2004 habe vielmehr eine unauffällige Darstellung der Kniescheibenrückfläche und des Kniescheibengleitlagers am Oberschenkelknochen beidseits ergeben. Schließlich sei auch die Bewegungseinschränkung von 0/5/105 Grad nicht mit dem weiteren Befund einer Muskelminderung im Toleranzbereich vereinbar.
Das Sozialgericht hat den Facharzt für Orthopädie der M. L. U. H. – W. Prof. Dr. R. mit der Erstattung des Gutachtens vom 14. März 2005 beauftragt. Prof. Dr. R. hat eine sekundäre Gonarthrose des linken Kniegelenks bei operativ behandelter Kreuzbandruptur mit Kreuzbandplastik, Schraubenlockerung mit Schraubenentfernung und nochmaliger Kreuzbandplastik, mit Patellarsehne und Grazillissehnenverstärkung, Innenmeniskusrefixation und Kapseldeckenstraffung diagnostiziert. Als Funktionsstörungen hat er eine endgradige Beugeeinschränkung im linken Kniegelenk gegenüber rechts von 10 Grad und eine endgradige Streckhemmung des linken Kniegelenks passiv von 20 Grad gegenüber rechts bezeichnet. Es bestehe eine deutliche Instabilität mit vorderer Schublade und medialer Aufklappbarkeit in 30 Grad. Die Muskelatrophie betrage 10 cm oberhalb des medialen Gelenkspaltes links 3,5 cm gegenüber rechts mit dadurch bedingter muskulär nicht kompensierbarer Instabilität. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit seit mit 20 v. H. einzuschätzen.
Daraufhin hat die Beklagte am 23. Juni 2005 einen Anspruch des Klägers auf Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. ab dem 14. März 2005 anerkannt und die Klägerin den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.
Mit Urteil vom 23. Juni 2005 hat das Sozialgericht Halle die Klage bezüglich des verbliebenen streitigen Zeitraums abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die objektiven Befunde am 1. November 2000 zeigten eine wesentliche Besserung gegenüber dem maßgeblichen Gutachten vom 30. April 1997. Bereits im April 2000 sei das linke Kniegelenk bei weitgehend freier Beweglichkeit stabilisiert gewesen. Dr. M. beschreibe in seinem Gutachten, die Bandinstabilität sei fast ideal wieder hergestellt, Unsicherheiten seien beseitigt, und Umknickphänomene würden nicht mehr geklagt. Zwar sei der Kalksalzgehalt links noch deutlich geringer als rechts gewesen, die Beweglichkeit aber frei bzw. endgradig um 10 Grad gegenüber rechts eingeschränkt. Es habe nur eine geringe Muskelminderung bestanden. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grade sei ab 1. Juni 2001 nicht mehr zu rechtfertigen. Eine spätere Verschlechterung des unfallbedingten funktionellen Befundes sei vor dem Begutachtungstermin bei Prof. Dr. R. nicht zu sichern. Dipl.-Med. T. habe in seiner Äußerung vom 24. Juli 2001 eine Einschränkung der Beugefähigkeit des linken Knies mit 130 Grad festgestellt und die Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. mit einer prognostizierten Verschlechterung begründet. Dies sei aber nicht zulässig. Auch der Befundbericht vom 6. April 2003 lasse nicht den Schluss auf eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. zu, denn bei der Untersuchung am 7. November 2002 habe eine mäßige Instabilität des vorderen Kreuzbandes links vorgelegen. Die Beweglichkeit habe in der Beugung bei 120 Grad links gelegen bei leichter Muskelminderung. Obgleich die Kapselbandverhältnisse am linken Knie nicht vollständig stabilisiert gewesen seien, könne von einer weitgehenden Stabilisierung und muskulären Kompensation ausgegangen werden. Dem entspreche das Rentengutachten von Dr. Z ... Die Muskelminderung des linken Ober- und Unterschenkels habe hiernach mit 1 bis 1,5 cm tatsächlich im Toleranzbereich gelegen, die Beugefähigkeit des linken Knies bei 130 Grad gelegen. Er hat die Knieinstabilität als gering und muskulär kompensierbar beschrieben. Die von ihm erkannten vermehrten Verschleißerscheinungen im Bereich der Kniescheibenrückfläche und die Kalksalzminderung der Kniescheibe könnten eine höhere MdE-Bewertung nicht rechtfertigen. Die gutachtliche Äußerung von Dipl.-Med. T. vom 21. Februar 2004 nach einer Untersuchung der Klägerin am 19. Februar 2004 sei nur eingeschränkt verwertbar, weil objektivierbare Daten nur in eingeschränktem Umfang genannt würden und das Gutachten in weiten Teilen widersprüchlich und nicht nachvollziehbar sei. Die Widersprüche habe Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 10. November 2004 zutreffend bezeichnet. Die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 20 v. H. unter Berücksichtigung von prognostischen Erwägungen sei nicht nachvollziehbar.
Gegen das am 17. August 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. September 2005 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, Prof. Dr. R. habe für die Minderung der Erwerbsfähigkeit vom 1. Juni 2001 bis 13. März 2005 keine Einschätzung abgegeben. Diese Frage sei aber entscheidungsrelevant. Bei der vorliegenden Verletzung sei davon auszugehen, dass die Arthrose, verbunden mit Einklemmungserscheinungen und dem Defekt am Knie, vor dem 14. März 2005 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. gerechtfertigt habe. Dies habe Dipl.-Med. T. in seinem Gutachten dargelegt. Bei der Verletzung handele es sich um einen schleichenden Prozess, mit der Folge, dass für die Zeit vom Kalenderjahr 2001 bis einschließlich 2005 keine Besserung eingetreten sei. Ungeklärt sei im Übrigen, wie es zunächst zu einer Verbesserung und anschließend zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes gekommen sei. Zur Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit hat die Klägerin auf das vom Landessozialgericht eingeholte Gutachten von Dr. M. verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 23. Juni 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 26. April 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf das Urteil des Sozialgerichts Halle verwiesen sowie auf die Gutachten von Dr. Z. und Prof. Dr. R ... Prof. Dr. R. habe in einer vom Landessozialgericht eingeholten ergänzenden Stellungnahme ihre Auffassung bestätigt. Am 1. November 2000 sei die Bandinstabilität fast ideal wieder hergestellt gewesen und seien dadurch frühere Unsicherheiten beseitigt worden. Die Empfehlung, dennoch eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit anzunehmen, habe Dr. M. mit der nachweisbaren Muskelatrophie und rein subjektiven Beschwerden begründet. Dies sei in der gesetzlichen Unfallversicherung unzulässig, weil bei der Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf objektiv feststellbare Funktionseinschränkungen abzustellen sei.
Das Landessozialgericht hat zwei ergänzende Stellungnahmen von Prof. Dr. R. vom 30. August 2007 und 28. April 2008 eingeholt, in denen dieser ausgeführt hat, auch nach den Befunden von Dipl.-Med. T. sei eine Einschätzung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht gerechtfertigt. Im ersten Rentengutachten vom 6. August 2003 sei die für diesen Zeitpunkt korrekte Einschätzung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. erfolgt. Dies ergebe sich aus den Tabellenwerten, die für derartige Gesundheitsschäden heranzuziehen seien. Erst mit der klinischen und röntgenologischen Untersuchung am 14. März 2005 habe dann die im Rahmen der bestehenden Instabilität, die zunehmend muskulär nicht mehr kompensiert werden könne, aufgetretene sekundäre Gonarthrose in allen gelenkbildenden Anteilen objektiviert werden können. Damit bestehe vor diesem Zeitpunkt für eine Höhereinschätzung der Situation Beweislosigkeit. Auch die später von der Klägerin vorgelegten Röntgenaufnahmen begründeten keine höhere Minderung der Erwerbsfähigkeit.
Das Landessozialgericht hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. M. mit der Erstattung des Gutachtens vom 20. September 2008 nach Aktenlage beauftragt. Dr. M. hat im Wesentlichen ausgeführt, bereits am 1. November 2000 habe eine Schädigung des Innenmeniskushinterhorns als Unfallfolge vorgelegen, welche zu den subjektiven Beschwerden der Klägerin geführt habe. Dieser wichtige Gelenkhilfsstabilisator sei nicht richtig angewachsen. So erklärten sich die Muskelminderung und die Knochenatrophie. Die immer wieder berichteten Instabilitätsgefühle und Einklemmungserscheinungen bewiesen den Fortbestand des Innenmeniskushinterhornschadens und die fehlende Stabilisierung des Bandapparates. Eine wesentliche Besserung der Beschwerden sei nicht eingetreten. Die Zerstörung des Innenmeniskushinterhorns habe allmählich begleitet durch eine fortschreitende posttraumatische Gonarthrose zugenommen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei in der Zeit vom 1. Juni 2001 bis 13. März 2005 mit 20 v. H. einzuschätzen. Die Verschlimmerung sei bis zum 13. März 2005 aber nicht so ausgeprägt gewesen, dass eine Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit über 20 v. H. hinaus angemessen wäre.
Dem Gericht hat ein Ausdruck der elektronischen Akte der Beklagten mit dem Aktenzeichen 2159500812 vorgelegen. Dieser war Gegenstand der Verhandlung und Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 SGG statthafte Berufung hat Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 26. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2001 ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Beklagte hat der Klägerin zu Unrecht die mit Bescheid vom 12. Juni 1997 bewilligte Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. ab Juni 2001 entzogen. Grundlage für die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung ist nach § 56 Abs. 2 S. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) der Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Bemessung ist eine Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung und im einschlägigen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze trifft (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. März 2003 - B 2 U 31/02 R - Breithaupt S. 565; BSG, Urteil vom 2. November 1999 - B 2 U 49/98 R - SozR 3-2200 § 581 Nr. 6). Diese sind für die Entscheidung im Einzelfall zwar nicht bindend. Sie bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis. Danach mag die Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. R. und des Gutachters Dr. Z. im Ergebnis zutreffen, wonach die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin am 27. Oktober 2000 bei der Untersuchung durch Dr. M. 10 v. H. erreicht hat. Denn im Falle einer Restbeweglichkeit des Kniegelenks von mehr als 0/0/120 Grad und einem muskulär kompensierbaren leichten Wackelknie beläuft sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach medizinischen Erfahrungssätzen auf 10 v. H. (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, Abschnitt 8.10.11, S. 724; Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Auflage, S. 169).
So hat Dr. M. bei der Untersuchung am 27. Oktober 2000 eine sich flott und sicher ohne merkbares Hinken fortbewegende Klägerin erlebt, deren Barfußgang zu ebener Erde, Zehengang, Hackengang und Einbeinstand seitengleich ungestört waren. Das Einbeinhüpfen links war gegenüber rechts etwas weniger kräftig, aber gut vorführbar. Den tiefen Hocksitz konnte sie unbehindert einnehmen. Die Bandstabilität im linken Kniegelenk war fast ideal wiederhergestellt und dadurch die frühere Unsicherheit beseitigt. Umknickphänomene waren nicht mehr aufgetreten. Der Lachmann-Test hat ein sich sehr schön anspannendes vorderes Kreuzband gezeigt. Auch der mediale Bandapparat war bei Streckung völlig fest und bei leichter Beugung nur eine Spur links mehr nachgiebig als rechts. Bei rechtwinkliger Kniebeugung war in jeglicher Rotationsstellung des Unterschenkels keine wesentliche Seitendifferenz bei der Bandstabilität nachweisbar. Schmerzen bei der Bewegung hat die Klägerin nicht geäußert. Die Beweglichkeit des Kniegelenks lag bei der Untersuchung am 27. Oktober 2000 nach den Ausführungen Dipl.-Med. T. , dem die von Dr. M. erhobenen Messwerte für untere Gliedmaßen offensichtlich vorgelegen haben, bei 0/0/140. Bei einem stabilen Kniegelenk mit Bewegungsmaßen von 0/0/140 Grad rechtfertigt sich nach den medizinischen Erfahrungsätzen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H.
Damit mag eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die Grundlage der Bewilligung einer Verletztenrente mit Bescheid vom 12. Juni 1997 waren, eingetreten sein, die im Sinne des § 73 Abs. 3 1. Halbsatz SGB VII zu einer Änderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit von mehr als 5 v. H. geführt hat.
Grundlage der Entscheidung vom 12. Juni 1997 war das unfallchirurgische Zusammenhangsgutachten von Dr. M. vom 30. April 1997. Die Klägerin war bei Dr. M. mit leichtem hinkenden Gang im Übrigen aber sicher und flott erschienen. Barfußgang zu ebener Erde, Zehengang und Hackengang waren seinerzeit unbehindert. Der Einbeinstand war links etwas unsicher, und Einbeinhüpfen links schwächer als rechts vorführbar. Der Hocksitz war unbehindert, beim Hochkommen mit einem heftigen Knirschen im linken Kniegelenk verbunden. Das vordere Kreuzband war hier insuffizient mit entsprechenden Instabilitätsbeschwerden links. Der Bandapparat links war beim Lachmann-Test deutlich gelockert, wobei die Klägerin beim Vorschieben leichte Schmerzen geäußert hat. Auch die dorso-mediale Kapselecke war links etwas lockerer als rechts. Diese Instabilität bei im Übrigen gemessenen Bewegungswerten von 0/0/150 Grad rechtfertigen nach den medizinischen Erfahrungswerten eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H ... Eine Besserung bereits vor dem 27. Oktober 2000 ist insoweit nicht festzustellen, weil günstigere Befunde bis dahin nicht erhoben worden sind. Dies ergibt sich aus der Gegenüberstellung der Funktionseinschränkungen in den Gutachten von Dr. M. vom 23. September 1999 einerseits und vom 6. November 2000 andererseits bei gleichzeitigem Fehlen von Aussagen zur Kniestabilität und zur muskulären Entwicklung in der Zwischenzeit.
Die Beklagte war trotz der am 27. Oktober 2000 wohl zu erkennenden Änderung nicht berechtigt, der Klägerin die Verletztenrente ab Juni 2001 zu entziehen. Denn nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Gemäß § 73 Abs. 3 SGB VII liegt im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung eine wesentliche Änderung nur dann vor, wenn die Änderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit mehr als 5 v. H. beträgt und bei Renten auf unbestimmte Zeit die Veränderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit länger als drei Monate andauert.
Letzteres war jedoch vorliegend nicht der Fall. Denn die Stabilität des Kniegelenks hat am 10. Januar 2001 nicht mehr in dem am 1. November 2000 festgestellten Umfang bestanden.
Dipl.-Med. Typke hat die Klägerin am 10. Januar 2001 untersucht. Die Klägerin erschien mit leicht linkshinkendem Gang. Den Einbeinstand links vollführte sie mit Unsicherheiten. Bei der linksseitigen einbeinigen Hocke bestand Instabilität. Während die Seitenbänder beidseits fest waren, war die vordere Schublade und die Außenrotationsschublade einfach positiv, der Lachmann- und der Pivot-Shift-Test links zweifach positiv. Während die Schubladenzeichen nur bedingt zur Stabilität des Kniegelenks aussagekräftig sind, weist demgegenüber ein positiver Pivot-Shift-Test auf eine Instabilität hin (vgl. Rompe/Erlenkämper, 3. Auflage, S. 246 f.). Dementsprechend bezeichnet Dipl.-Med. T. den Zustand des vorderen Kreuzbandes auch als mäßig instabil. Die Angabe der Klägerin gegenüber Dipl.-Med. T. , seit zwei Wochen wieder leichte Unsicherheiten beim Laufen zu verspüren, insbesondere in abschüssigem Gelände und beim Treppensteigen, stimmt mit dem objektiven Befund von Dipl.-Med. T. überein. Damit war der Zustand des Kniegelenks wie auch bei der Untersuchung im September 1999 durch Dr. M. jedenfalls nicht mehr wesentlich gebessert. Aufgrund des mäßig instabilen vorderen Kreuzbandes und der Gangunsicherheit der Klägerin lag die Minderung der Erwerbsfähigkeit am 10. Januar 2001 bei 20 v. H., jedenfalls nicht um mehr als 5 v. H. darunter.
Aus den nachfolgend eingeholten Gutachten, insbesondere dem Gutachten von Dr. Z. vom 7. August 2003, lässt sich zur Überzeugung des Gerichts nicht ableiten, dass die in Einklang von Beschwerdeäußerung und Befunderhebung geäußerten Beschreibungen der Kniefunktion durch Dipl.-Med. T. unzutreffend sind. Gegen die Unmöglichkeit der Feststellung einer drei Monate überdauernden Besserung spricht auch nicht die eigene Einschätzung Dipl.-Med. T. in seinem Gutachten vom 21. September 2004. Soweit er darin eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. nur im Hinblick auf eine zukünftige Verschlimmerungstendenz bewirkt gesehen hat, folgt der Senat der Einschätzung nicht. Vielmehr folgt eine solche Einschätzung schon aus der zeitnahen Befundwiedergabe der Befunde vom 10. Januar 2001.
Damit lagen die Voraussetzungen für eine Entziehung der Verletztenrente ab Juni 2001 nicht vor.
Der Klägerin steht deshalb aus dem Bescheid vom 12. Juni 1997 auch über den 31. Mai 2001 hinaus eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht vor.
gez. Eyrich gez. Dr. Mecke gez. Boldt
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