S 58 AL 5707/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
58
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 58 AL 5707/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 25.8.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2008 wird aufgehoben. Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungsbescheides wegen Überschreitung der erlaubten Ortsabwesenheit mit Leistungsanspruch nach § 3 EAO.

Die Klägerin ist Mutter eines 7 Jahre alten Kindes. Ihr Ehemann ist voll berufstätig. Nach Beendigung einer befristeten Vollzeit-Beschäftigung als Brillenmontiererin am 31.3.2008 hatte sich die Klägerin zum 1.4.2008 arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld (Alg) beantragt.

Im laufenden Alg-Bezug beantragte die Klägerin eine Leistungsfortzahlung trotz Ortsabwesenheit vom 4.8. bis zum 31.8.2008, um die fehlende Betreuung ihres Kindes wegen Schließung der Kita sicherzustellen. Für die Zeit vom 4.8. bis zum 24.8.2008 war die Ortsabwesenheit mit Leistungsanspruch genehmigt worden. Demgemäß hob die Beklagte die Alg-Bewilligung mit Bescheid vom 25.8.2008 wegen Überschreitung der 21 Tage erlaubter Ortsabwesenheit mit Leistungsanspruch nach § 3 Abs. 1 EAO ab 25.8.2008 auf. Eine Wiederbewilligung erfolgte nach Vorsprache der Klägerin zu dem vereinbarten Meldetermin am 1.9.2008.

Mit der Begründung, nicht ortsabwesend, sondern nur wegen Schließung der Kita vorübergehend nicht verfügbar gewesen zu sein, erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Aufhebungsentscheidung.

Nach abschlägigem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 23.10.2008) hat die Klägerin am 6. November 2008 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben, mit der sie geltend macht, nicht ausreichend beraten worden zu sein. Sie habe ihre Situation dargelegt und lediglich die Auskunft erhalten, einen "Urlaubsantrag" zu stellen, um wenigstens drei Wochen Alg trotz fehlender Verfügbarkeit erhalten zu können. Im Notfall hätte jedoch eine Verwandte die Betreuung des Kindes für einen oder höchstens zwei Tage sicherstellen können. Dies hätte berücksichtigt werden müssen.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 25.8.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2008 aufzuheben.

Die Beklagtenvertreterin beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend wird zum übrigen Sach- und Streitstand auf die zwischen den Beteiligten gewech- selten Schriftsätze sowie die beigezogene Leistungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht trotz Schließung der Kita vom 4.8. bis zum 31.8.2008 Alg zu. Die Aufhebung der Bewilligung ab 25.8.2008 ist rechtswidrig.

Voraussetzung für den Bezug von Alg ist nach § 119 SGB III u.a. die Verfügbarkeit des Arbeitslosen, d.h. seine Fähigkeit und Bereitschaft, an den Werktagen für die AA erreichbar zu sein und dem Arbeitsmarkt zu üblichen Bedingungen zur Verfügung zu stehen. Die Klägerin hatte sich für eine Vollzeitstelle, ihrer vorangegangenen Beschäftigung entsprechend, zur Verfügung gestellt und danach war auch das Alg berechnet worden.

Die für einen rechtsunkundigen Laien komplizierten Regelungen zur Verfügbarkeit lösen einen erhöhten Beratungsbedarf der Beklagten aus, wenn Leistungsansprüche trotz fehlender oder eingeschränkter Verfügbarkeit zu klären sind (Gagel/Steinmeyer § 119 Rdnr. 283; Niesel-Brand § 119 Rdnr. 89).

Diesen Anforderungen ist die Beklagte im vorliegenden Fall nicht gerecht geworden. Dabei kann offen bleiben, ob der zuständige Mitarbeiter der AA ohne dahingehende Anhaltspunkte oder Erkundigungen der Klägerin nachfragen musste, ob ggf. Freunde oder Verwandte die Betreuung des Kindes im Fall eines Arbeitsangebots oder einer Maßnahme der AA hätten gewährleisten können. Denn der Beratungsfehler liegt hier in der für die Situation der Klägerin inadäquaten Empfehlung, einen zusammenhängenden Urlaub nach § 3 Abs. 1 EAO zu beantragen. Es hätte nahe gelegen, die Klägerin so zu beraten, dass sie die Schließzeit der Kita so überbrückt, indem sie jeweils für die Werktage von Montag bis Freitag einen § 3 EAO-Antrag stellt. Mit jeweils 5 Tagen Leistungsanspruch trotz fehlender Verfügbarkeit (vom 4.8. bis 8.8., vom 11.8. bis 15.8., vom 18.8. bis 22.8. und vom 25.8. bis 29.8.2008) hätte sie dann keine Leistungseinstellung hinzunehmen brauchen. Für die Samstage genügte es zur Herstellung der Verfügbarkeit, dass die Klägerin postalisch erreichbar war und selbst nach Stellenangeboten suchen konnte.

Im Übrigen hätte der Ehemann der Klägerin an den Samstagen für die Betreuung des Kindes zur Verfügung gestanden, was für den Anspruch auf Alg seitens der Klägerin genügt (dazu schon BSG vom 24.4.1991 – 11 RAr 9/90 zu § 103 AFG).

So wie die Umstände hier liegen, besteht kein Zweifel daran, dass die Klägerin bei richtiger Beratung diese Gestaltung gewählt hätte.

Der Verzicht der Beklagten auf die Verfügbarkeit der Klägerin an den Samstagen im Zeitraum 4.8. bis 31.8.2008 beruht auf der unzureichenden Beratung und kann im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs korrigiert werden (Gagel/Steinmeyer § 119 Rdnr. 284; vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen vom 10.12.2004 – L 8 AL 2937/03: Zustimmung zur Ortsabwesenheit im Wege des Herstellungsanspruchs fingierbar).

Der dadurch gewonnene "Urlaub" in der Zeit vom 25.8. bis zum 29.8. sichert die Fortzahlung des Alg an den Tagen, in denen die Klägerin sich um das Kind kümmern musste.

Es kann damit offen bleiben, ob bei Beantragung eines zusammenhängenden "Urlaubs" mit der Höchstdauer nach § 3 Abs. 1 EAO die Samstage und Sonntage herauszurechnen sind (so SG Berlin S 58 Ar 3208/97, info also 1998, S. 193 ff; GK-SGB III/Gutzler § 119 Rdnr. 187).

Nach all dem musste der Klage mit einer entsprechenden Kostenfolge voll stattgegeben werden.

Gründe für die Zulassung der Berufung sieht das Gericht im Hinblick auf die genannte BSG-Rechtsprechung nicht.
Rechtskraft
Aus
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