Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KN 50/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 KN 12/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Im Rahmen der nach § 46 Abs. 2a SGB VI erforderlichen Gesamtabwägung, ob einer Eheschließung kein überwiegender Versorgungszweck zugrunde liegt, ist von richtungsweisender Bedeutung, ob zum Zeitpunkt der Eheschließung die Gefährlichkeit und sogar Lebensgefährlichkeit einer Erkrankung bekannt gewesen sein könnte.
2. Falls ja, kann in aller Regel die Vermutung einer Versorgungsehe nur dann widerlegt werden, wenn erwiesen ist, dass die Eheschließung die konsequente Verwirklichung eines Heiratsentschlusses darstellt, der bereits vor der Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung gefasst worden war.
3. Dass der Entschluss zu heiraten erst nach langer Zeit eines nichtehelichen Zusammenlebens gefasst wurde, macht nicht a priori die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung für eine Versorgungsehe unmöglich.
4. § 46 Abs.2a SGB VI verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
2. Falls ja, kann in aller Regel die Vermutung einer Versorgungsehe nur dann widerlegt werden, wenn erwiesen ist, dass die Eheschließung die konsequente Verwirklichung eines Heiratsentschlusses darstellt, der bereits vor der Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung gefasst worden war.
3. Dass der Entschluss zu heiraten erst nach langer Zeit eines nichtehelichen Zusammenlebens gefasst wurde, macht nicht a priori die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung für eine Versorgungsehe unmöglich.
4. § 46 Abs.2a SGB VI verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. April 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Das Berufungsverfahren betrifft die Frage, ob der Klägerin eine große Witwenrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zusteht.
Die 61-jährige Klägerin war in zweiter Ehe mit dem 1941 geborenen Versicherten D. J. (im Folgenden: O) verheiratet. Ihre erste Ehe war geschieden worden. Daraus gingen vier Kinder hervor, welche die Klägerin nahezu allein großzog. Von dem geschiedenen Ehemann aus erster Ehe erhielt sie keine Unterhaltsleistungen. Zwischenzeitlich arbeitete die Klägerin als Kellnerin, Verpackerin und Reinigungskraft. Zur Zeit bezieht sie Arbeitslosengeld II.
Mit O lebte die Klägerin seit 1985 in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen. Am 11.03.2002 war bei O ein inoperables Pankreaskarzinom diagnostiziert worden. Bis dahin hatten die Klägerin und O noch keine Eheschließung beim Standesamt angemeldet. Am 03.05.2002 heirateten die beiden, nachdem sie zwei Wochen vorher die Eheschließung beim Standesamt A-Stadt angemeldet hatten. Der in Australien lebende Bruder des O, H. J. (im Folgenden: H), war bei der Hochzeit nicht zugegen. Unmittelbar nach der Eheschließung unterzog sich O einer Chemotherapie, die bis Dezember 2002 andauerte. Am 31.01.2003 starb er.
Am 12.02.2003 beantragte die Klägerin die Gewährung einer großen Witwenrente. Mit Bescheid vom 29.07.2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit der Begründung ab, Zweck der Heirat sei die Begründung einer Hinterbliebenenversorgung gewesen.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 21.08.2003 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, es sei bereits vor ca. drei Jahren vorgesehen gewesen zu heiraten. Dabei habe H anwesend sein sollen. Berufliche Umstände beim Bruder sowie die erheblichen Flugkosten hätten dessen Anwesenheit bei der Hochzeit verhindert. Mit vorgelegt wurde eine im September 2003 gegenüber den seinerzeitigen Bevollmächtigten der Klägerin abgegebene Stellungnahme des H: Im Jahr 1998 habe O ihm anlässlich eines Besuchs in Deutschland gesagt, wenn er das nächste Mal nach Deutschland käme, würde er, O, heiraten. Er habe H gebeten, ihm rechtzeitig Bescheid zu geben, damit er alles vorbereiten könnte. Er, H, habe 1999 seine Arbeitsstelle gewechselt, weshalb er nicht sofort um Urlaub für einen Besuch in Deutschland habe bitten können. Es sei ihm aber ein Fortbildungskurs in Deutschland versprochen worden, so dass er dem O versichert habe, nach Deutschland zu kommen. Nachdem er jedoch seinen Arbeitsplatz verloren und zudem noch ein Haus gekauft habe, sei es ihm aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich gewesen. So habe er zu seinem Bruder gesagt, er solle die Hochzeit besser ohne ihn feiern.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe, so die Beklagte zur Begründung, sei nicht widerlegt. Sie äußerte sich ausführlich zu der sehr schlechten Prognose bei einem Pankreaskarzinom. Die Aussage des H ändere daran nichts.
Mit Schriftsatz vom 17.02.2004 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht München. In der Klagebegründung wurde vorgetragen, die Hochzeit sei immer wieder, Jahr für Jahr, verschoben worden, weil die Klägerin und O unbedingt wollten, dass H daran teilnähme. Der Gesundheitszustand des O sei während der Chemotherapie sehr stabil gewesen. Nicht nur von H könne bestätigt werden, dass die Klägerin und O schon seit Längerem hätten heiraten wollen. Der Versorgungsgedanke sei für die Heirat nicht vorherrschend gewesen. Die Klägerin habe im Zusammenhang mit O sämtliche Familienpflichten übernommen, die üblicherweise von Ehegatten übernommen würden (Sorge für O, dessen Mutter, teilweise auch für dessen Kinder). Die Klägerin und O hätten H im Vorfeld der Hochzeit mehrmals Gelegenheit gegeben, an der geplanten Hochzeit teilzunehmen; auch zum 60. Geburtstag des O sei er eingeladen gewesen. Bei der Geburtstagsfeier sei die Verlobung mitgefeiert worden. Dass es O damit ernst gewesen sei, die Klägerin zu heiraten, zeige der Umstand, dass er sie wenig später im September 2001 als Bezugsberechtigte seiner betrieblichen Altersversorgung bestimmt habe. Die Hochzeit sei zunächst für Dezember 2001 vorgesehen gewesen. Jedoch habe H wegen anhaltender Buschbrände wiederum abgesagt. Der Hochzeitstermin 03.05.2002 sei gewählt worden, weil dies der Geburtstag der Mutter des O gewesen sei. Das Verhältnis zwischen O und der Klägerin sei sehr innig gewesen. Dem O sei es darauf angekommen, dass diese nicht mindere Rechte habe als eine Ehefrau, insbesondere jederzeit zu ihm im Fall eines Krankenhausaufenthalts Zugang hätte.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.04.2007 abgewiesen. Dem Anspruch der Klägerin auf Gewährung der großen Witwenrente, so das Sozialgericht zur Begründung, stehe § 46 Abs. 2a SGB VI entgegen. Besondere Umstände, die bei einer Gesamtabwägung geeignet sein könnten, die Vermutung für eine Versorgungsehe zu widerlegen, seien nicht gegeben. Dass die Klägerin und O bereits seit vielen Jahren ununterbrochen in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt hätten, spreche eher für eine Versorgungsehe; denn offenbar hätten sich die Partner zunächst bewusst gegen eine Ehe entschieden. Dass die Klägerin die Mutter des O versorgt habe, sei nicht von Aussagewert. Es möge zwar keine sichere Kenntnis vom Ableben des O innerhalb der Jahresfrist bestanden haben, jedoch hätten die Klägerin und O ernsthaft damit rechnen müssen. Anfang April 2002 sei die Erkrankung des O in ihrer ganzen Ernsthaftigkeit bekannt gewesen. Dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Todes versicherungspflichtig beschäftigt war, spiele keine Rolle. Es sei nicht berechtigt, eine Versorgungsehe per se immer dann auszuschließen, wenn der begünstigte Ehepartner selbst ausreichend versorgt sei. Die behaupteten langjährigen Heiratsabsichten seien nicht hinreichend konkretisiert gewesen. Der Grund, warum angeblich die geplante Hochzeit immer wieder hinausgeschoben worden sei - die Verhinderung des Bruders des O, an einer Hochzeit teilzunehmen -, habe die Klägerin und O nicht davon abgehalten, unmittelbar nach Bekanntwerden der Erkrankung zu heiraten. Die am 15.09.2001 angeblich eingegangene Verlobung sei nicht erheblich. Die Einsetzung der Klägerin als Bezugsberechtigte für die betriebliche Altersversorgung spreche gegen konkrete, zeitnahe Heiratsabsichten; denn der Ehepartner sei ohnehin begünstigt, ohne dass es einer solchen Abrede bedürfte. Um sich im Krankenhaus effizient um O kümmern zu können, hätte es einer Eheschließung nicht bedurft.
Dagegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 12.06.2007 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe die verschiedenen, für die Klägerin sprechenden Umstände falsch gewertet. Die Klägerin weist erneut darauf hin, O habe sich nach der Chemotherapie in einem stabilen Zustand befunden. Das Pankreaskarzinom sei "verkapselt" gewesen. Metastasen seien nicht vorhanden gewesen; jedoch habe man von einer Operation abgesehen, um keine solchen zu provozieren. Zwischenuntersuchungen seien unauffällig gewesen, erst bei einer Untersuchung am 08.01.2003 seien Metastasen festgestellt worden. O sei kein Pflegefall gewesen; sein Tod sei plötzlich eingetreten. Unzutreffend habe das Sozialgericht der Verlobung, die am 15.09.2001 mit einer offiziellen Feier und zahlreichen Gästen begangen worden sei, keine Bedeutung beigemessen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. April 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Juli 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2004 zu verurteilen, ihr antragsgemäß Witwenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Ansicht, die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer Versorgungsehe lasse sich nicht widerlegen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichtes sowie der Krankenblattunterlagen des Klinikums St. M., A-Stadt, sowie medizinischer Unterlagen des Hausarztes des O. Sodann hat der Senat ein Gutachten nach Aktenlage durch den Internisten Dr. B. E. in Auftrag gegeben. Der hat in seinem Gutachten vom 26.05.2008 ausgeführt, in dem Bericht des Klinikums St. M. werde betont, dass die Befunde und die Therapieoptionen mit O und den Angehörigen eingehend besprochen worden seien. Er habe Zweifel, ob O tatsächlich mitgeteilt worden sei, das Karzinom sei verkapselt. Nur bei 10 bis 20% der betroffenen Patienten sei eine Operation möglich; bei diesen liege die Fünf-Jahres-Überlebensrate zwischen 3 und 25%. Die mediane Lebenserwartung betrage nur vier bis sechs Monate. Eine Frühdiagnose des Pankreaskarzinoms sei nicht möglich. Eine Studie in Großbritannien habe eine Fünf-Jahres-Überlebensrate von 0,2% ergeben; bei den Patienten, die operativ hätten behandelt werden können, hätte sie bei 5,5% gelegen. Im vorliegenden Fall lasse sich anhand der Befundberichte eine kontinuierliche Progression des Tumorleidens nachweisen, auch wenn der körperliche Zustand des O stabil gewesen sein mag. In dem Bericht des Klinikums werde betont, dass es sich lediglich um eine palliative Chemotherapie gehandelt habe; diese habe nach dem Tag der Eheschließung begonnen. Unter dieser Therapie sei nur sehr selten eine Tumorverkleinerung zu erreichen. Die Befunde, so heiße es in dem Bericht, seien ausführlich mit O und der Klägerin besprochen worden. Meist sei der Verlauf bei den Tumorpatienten so wie bei O; nach zeitlich begrenzter, relativ stabiler Allgemeinsituation komme es sehr rasch zu einer Verschlechterung. Bei der Kontrolluntersuchung Anfang Januar 2003 habe sich eine deutliche Verschlimmerung gezeigt. Bei einem nicht operablen Pankreaskarzinom müsse mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die zu erwartende Lebenszeit weniger als ein Jahr betrage. Allerdings hat Dr. E. darauf hingewiesen, bis zum Tag der Heirat, dem 03.05.2002 habe subjektiv keine Verschlechterung empfunden werden können. Es sei aus den medizinischen Unterlagen nicht ersichtlich, ob mit O eine mögliche Lebenserwartung besprochen worden sei. Die Therapiemöglichkeiten seien aber eindeutig thematisiert worden.
In einem Beweiserhebungstermin sind vom Berichterstatter Zeuginnen und Zeugen vernommen worden, um die Person und den Charakter des O zu beleuchten, insbesondere, wie er zur Klägerin stand. Außerdem sollten die näheren Umstände der von der Klägerin behaupteten Verlobung ermittelt werden. Wegen der einzelnen Zeuginnen und Zeugen und deren Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28.07.2009 verwiesen. Die Zeugenaussagen sind in der mündlichen Verhandlung vom 09.09.2009 verlesen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten des Sozialgerichts und des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Diese waren alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine große Witwenrente aus der Versicherung des O hat.
Nach § 46 Abs. 2 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie entweder ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen (Nummer 1) oder das 45. Lebensjahr vollendet haben (Nummer 2) oder erwerbsgemindert sind (Nummer 3). Jedoch besteht dieser Anspruch gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 SGB VI sind im Fall der Klägerin unproblematisch erfüllt. Jedoch scheitert ein Anspruch an § 46 Abs. 2a SGB VI.
Die Übergangsregelung des § 242 a Abs. 3 SGB VI vermag die Klägerin nicht von der Anwendung des § 46 Abs. 2a SGB VI zu verschonen. Danach gilt § 46 Abs. 2a SGB VI nicht für Ehen, die vor dem 01.01.2002 geschlossen wurden. Die Eheschließung zwischen der Klägerin und O fand aber erst danach statt.
Wie das Sozialgericht in seiner Urteilsbegründung zutreffend bemerkt hat, begründet § 46 Abs. 2a SGB VI eine widerlegbare Vermutung für eine so genannte Versorgungsehe. Der Vermutungstatbestand liegt vor. Die einzige Tatbestandsvoraussetzung, um die Vermutungswirkung auszulösen, eine weniger als einjährige Ehedauer, ist hier gegeben.
Des Weiteren hat das Sozialgericht richtig dargestellt, unter welchen Voraussetzungen allgemein die gesetzliche Vermutung widerlegt werden kann. An dieser Stelle ist nochmals hervorzuheben, dass dafür der volle Beweis des Gegenteils erforderlich ist (vgl. nur LSG Bayern, Urteil vom 03.12.2008, Az.: L 1 R 503/07). Die objektive Beweislast liegt bei der Klägerin (vgl. BSGE 60, 204 ). Die Beurteilung vollzieht sich im Rahmen einer Gesamtabwägung aller zur Eheschließung führenden Motive beider Ehegatten (LSG Bayern, a.a.O.).
Nach Gesamtwürdigung aller Umstände einschließlich der Ergebnisse der Beweisaufnahme spricht sehr viel dafür, dass die Eheschließung der Klägerin und des O einen überwiegenden Versorgungszweck verfolgte. Der Senat hat sich trotz umfangreicher Ermittlungen nicht im Sinn eines Vollbeweises davon überzeugen können, dass der Versorgungszweck kein überwiegender war.
Es wird nicht in Abrede gestellt, dass zwischen der Klägerin und O eine gute partnerschaftliche Beziehung bestanden hat und dass diese auch wegen gegenseitiger Zuneigung und Verbundenheit heirateten. Das hat die Zeugeneinvernahme zweifelsfrei ergeben. Damit ist aber nur widerlegt, dass der Eheschließung ein ausschließlicher Versorgungszeck zugrunde lag. Gleichwohl deuten die Gesamtumstände darauf hin, dass der Versorgungszweck überwiegender Beweggrund für die Heirat am 03.05.2002 war.
Im Rahmen der Gesamtabwägung ist von richtungsweisender Bedeutung, ob zum Zeitpunkt der Eheschließung die Gefährlichkeit einer Erkrankung bekannt gewesen sein könnte (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 28.10.2008, Az.: L 6 R 634/07). Alles deutet darauf hin, dass die Klägerin und O sich der Dramatik der Erkrankung im Zeitpunkt der Eheschließung - auf die spätere Krankheitsentwicklung kommt es nicht an - bewusst waren. Insoweit stützt sich der Senat maßgeblich auf das medizinische Sachverständigengutachten des Dr. E ... Daraus ergibt sich zum Einen, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung objektiv eine absolut lebensbedrohliche Erkrankung bestand, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb kurzer Zeit zum Tod führen würde. Die von Dr. E. im Gutachten genannten statistischen Zahlen belegen dies eindrucksvoll. Das Gutachten lässt zudem kaum einen Zweifel zu, dass dies der Klägerin und O zumindest in der Laiensphäre auch bekannt war. Denn wie auch Dr. E. festgestellt hat, sind die Befunde und die Therapieoptionen mit O und den Angehörigen besprochen worden. Dann aber ist anzunehmen, dass auch der lediglich palliative Charakter der durchgeführten Chemotherapie zur Sprache gekommen ist. Hinzu kommt, dass Dr. E. bezweifelt, O und die Klägerin hätten damals schon gewusst, dass das Karzinom verkapselt - und damit die Gefahr einer baldigen Metastasierung vielleicht etwas geringer - war.
Dem Vortrag der Klägerin, sie und O wären sich sicher gewesen, O würde nicht an dem Krebsleiden versterben, vermag der Senat angesichts dessen keinen Glauben zu schenken. Das von der Klägerin angeführte Beispiel eines konkreten Betroffenen aus A-Stadt, welcher der Krankheit bereits seit mehreren Jahren trotzt, mag für O vielleicht Anlass gewesen sein zu hoffen, auch bei ihm könnte ein derartiger Ausnahmefall eintreten. Dass er und die Klägerin ihre Augen aber vor der Gefährlichkeit der Krankheit in einer Weise verschlossen haben, dass sie von einem Überleben des O überzeugt waren, erscheint nicht glaubhaft. Das gilt umso mehr, als die Klägerin in beiden Verhandlungsterminen den Eindruck einer versierten und realistischen Person hinterlassen hat und auch O sich nach den Aussagen seiner Arbeitskollegen allem Anschein nach durch Besonnenheit auszeichnete.
Angesichts dessen ist der Senat davon überzeugt, dass die Wahl des 03.05.2002 als Hochzeitstermin ganz maßgeblich von der Kenntnis um die schwere Erkrankung des O beeinflusst war. Diesbezüglich glaubt der Senat der Klägerin nicht, dass dabei an die Krankheit überhaupt nicht gedacht und der Termin so gewählt worden sei, dass er auf den Geburtstag der Mutter des O gefallen sei. Dass es sich um eine Hochzeit unter massivem Zeitdruck handelte, wird vielmehr dadurch belegt, dass O über die Jahre hinweg stets wollte, dass H der Hochzeit beiwohnte, und angeblich nicht zuletzt wegen dessen Verhinderungen - zuletzt im Dezember 2001 - die Hochzeit immer wieder hinausschob, man aber am 03.05.2002 ohne ihn feierte.
Bei dieser Sachlage kann in aller Regel die Vermutung einer Versorgungsehe nur noch dann widerlegt werden, wenn erwiesen ist, dass die Eheschließung die konsequente Verwirklichung eines Heiratsentschlusses darstellt, der bereits vor der Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung gefasst worden war (LSG Bayern, Urteil vom 19.09.2007, Az.: L 13 R 357/06). Im vorliegenden Fall müssten also bereits vor dem 11.03.2002 konkrete Hochzeitspläne bestanden haben und die Hochzeit am 03.05.2002 als deren konsequente Verwirklichung erscheinen. Davon kann man sich aber nicht überzeugen.
Bis zum Sommer 2001 konnte von konkreten Heiratsabsichten keine Rede sein. Zwar war O nach Aussagen seiner Arbeitskollegen ein solider Mensch, der diese Solidität auch in seinem Beziehungsleben pflegte; über die Klägerin sprach er vor ihnen, wenn, dann positiv. Auch hatte sich, wie die Zeugeneinvernahme ergeben hat, O mit verschiedenen Personen immer wieder über eine Heirat unterhalten. Es blieb aber stets bei unbestimmten und diffusen Absichtserklärungen. Wie wenig Nachdruck dahinter stand, wird beispielsweise durch die Aussage des Zeugen G. deutlich. Bereits im Zeitraum 1995 bis 1997 sprachen sowohl O als auch die Klägerin mit diesem über Ehepläne. Schritte zur Realisierung wurden in den nächsten Jahren jedoch nicht unternommen. Ein weiterer Beleg ist das Gespräch, das O mit H anlässlich dessen Deutschlandbesuchs 1998 führte. Laut H habe O ihm gesagt, wenn er das nächste Mal nach Deutschland käme, würde er, O, heiraten. Auch danach wurden keine konkreten Schritte eingeleitet, um dies - notfalls ohne H - in die Tat umzusetzen. Dieses Verhalten des O harmoniert mit der Beschreibung seiner Person durch die Klägerin und seine Tochter, die Zeugin J ... Die Klägerin hat ihn im Erörterungs- und Beweisaufnahmetermin ausdrücklich als "Phlegmatiker" bezeichnet. Die Zeugin J. hat gemeint, ihr Vater habe eine Heirat zwar mehrfach thematisiert, er sei aber jemand gewesen, den man eher an die Hand habe nehmen müssen. Die Klägerin selbst hat eine Heirat während der ganzen Jahre ebenso wenig forciert, weil sie nach eigenem und dem Bekunden der Zeugin J. wollte, dass O die Initiative ergreifen würde.
Dass O und die Klägerin über lange Jahre hinweg in eheähnlicher Gemeinschaft zusammenlebten, ohne eine Heirat konkret in Erwägung zu ziehen, spricht dafür, dass sie sich entweder bewusst für ein Zusammenleben ohne Trauschein entschieden hatten oder einer Eheschließung nur untergeordnete Wichtigkeit beimaßen. Wenn man den Aussagen der Klägerin Glauben schenkt, hatten die beiden auch unverheiratet eine gute Beziehung. Einen wirklichen Wunsch zur Veränderung spürten beide nicht. Dass die Klägerin sich besonders stark in die Beziehung einbrachte, indem sie die Kinder des O großzog und dessen Mutter pflegte, ist für die Beurteilung nicht relevant.
Allerdings gibt es im Jahr 2001 eine gewisse Zäsur. Wie sich bei der Zeugeneinvernahme herausgestellt hat, hatte O dem Zeugen E. im Sommer 2001 im Rahmen eines gemeinsamen Essens mitgeteilt, er wolle im nächsten Jahr heiraten. Bei der Feier seines 60. Geburtstags gaben er und die Klägerin tatsächlich ihre Verlobung bekannt, wenn auch nicht "offiziell", sondern nur "im Herumgehen", wie der Zeuge F. formulierte. Dass dieser Entschluss zu heiraten erst nach langer Zeit des nichtehelichen Zusammenlebens gefasst wurde, macht nicht "a priori" die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung für eine Versorgungsehe unmöglich.
An die Kundgabe dieser - wohl ernsthaften - Heiratsabsicht haben sich indes keine konsequenten Schritte zur Verwirklichung angeschlossen. Eine bloße Absichtserklärung - vor allem nach derart langer Zeit der Passivität - genügt aber bei weitem nicht, um die Vermutung für eine Versorgungsehe auszuräumen (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 19.09.2007, Az.: L 13 R 357/06). Vielmehr hätte es in der unmittelbaren Folgezeit objektiv erkennbarer und konkreter Schritte zur Verwirklichung des Heiratsversprechens bedurft.
Solche liegen nicht vor. Der Senat glaubt zwar dem Vortrag der Klägerin, wonach im Dezember 2001 die Hochzeit geplant gewesen sei. Auf die Heirat zu diesem Zeitpunkt wurde aber aus Gründen verzichtet, die zu dem Schluss drängen, dass O und die Klägerin die Eheschließung nach wie vor ohne Nachdruck betrieben. Gegen die Konkretheit der Eheschließungsabsicht spricht zunächst, dass eine Heirat für Dezember 2001 beim Standesamt A-Stadt nicht angemeldet worden war.
Vor allem aber fällt ins Gewicht, dass die Hochzeit wiederum wegen des Ausbleibens des H nicht realisiert wurde. Die Klägerin trägt vor, H habe wegen Buschbränden in Australien nicht kommen können. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass diese Schilderung falsch ist. Zwar wüteten zum Jahreswechsel 2001/2002 in New South Wales, wo H lebt, tatsächlich katastrophale Brände. Wie sich aus einer Internetanfrage ergeben hat, begannen diese aber erst am 26. Dezember und dauerten 23 Tage. H konnte also nahezu bis zum Jahreswechsel nichts von Buschbränden gewusst haben; von daher erscheint es praktisch ausgeschlossen, dass H eine im Dezember 2001 angesetzte Hochzeit wegen der Buschbrände abgesagt hat. Bezeichnender Weise hat H selbst in seiner Stellungnahme vom September 2003 nichts von Buschbränden erwähnt. Zu Gunsten der Klägerin wird jedoch unterstellt, dass die geplante Hochzeit tatsächlich wegen einer Verhinderung des H nicht stattfand.
Eine hinreichende Konsequenz bei der Verwirklichung der Heiratspläne vermisst man jedenfalls deshalb, weil O und die Klägerin die Eheschließung nach wie vor von der Anwesenheit des H abgängig machten. Dabei kann dahin stehen, ob H dem O zu diesem Zeitpunkt nicht schon längst gesagt hatte, dieser solle besser ohne ihn heiraten (vgl. die Stellungnahme des H vom September 2003); wäre das der Fall, wäre das Zuwarten der Klägerin und des O unverständlich. Darauf kommt es letztlich nicht an. Denn auf jeden Fall haben O und die Klägerin die Verwirklichung ihrer Heiratsabsichten von der Anwesenheit des H abhängig gemacht, mithin von Umständen, die sie kaum beeinflussen konnten. Die Heirat wurde quasi an eine Bedingung geknüpft, von der O und die Klägerin nach den mehrjährigen Erfahrungen mit H nicht wussten, ob diese jemals eintreten könnte. Damit haben O und die Klägerin die Heirat de facto "auf die lange Bank geschoben"; daran hat auch die Verlobung nichts geändert. Wenn die vage Hoffnung auf das Kommen des Bruders so entscheidend war, dann schließt das eine "konsequente Verwirklichung" aus.
Das gilt umso mehr, als der innige Wunsch des O, H möge bei der Eheschließung anwesend sein, anhand der objektiven Umstände nicht nachvollziehbar ist. Denn die Zeugin J. hat das Verhältnis der beiden Brüder zwar als gutbrüderlich, aber aufgrund der räumlichen Entfernung nicht intensiv beschrieben.
Es verwundert, dass am 03.05.2002 schließlich ohne H geheiratet wurde, obwohl der Zeugin J. von einem zwischenzeitlichen Zerwürfnis zwischen O und H nichts bekannt ist. Im Gegenteil: Gegenüber dem Sozialgericht teilte die Klägerin mit, auch zu der Hochzeit am 03.05.2002 sei H wieder eingeladen gewesen. Da aber wegen ihm die Hochzeit schon mehrfach verschoben worden sei, hätten O und die Klägerin trotz des neuerlichen Ausbleibens nicht mehr warten wollen. Erst nachdem die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs bekannt war, hat man sich also entschlossen, "Nägel mit Köpfen zu machen".
Der Senat vermag keine Gesichtspunkte zu erkennen, welche den Vorrang des Versorgungszwecks relativieren könnten. Das gilt insbesondere für das behauptete Motiv, der Klägerin solle ermöglicht werden, sich ohne Probleme um die Belange des O kümmern, wenn sich dieser im Krankenhaus befände; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen.
Verfassungsrechtliche Zweifel an diesem Ergebnis bestehen nicht (vgl. BSGE 35, 272 ; BSG, Beschluss vom 23.09.1997 - 2 BU 176/97). Im Rahmen der Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) ist zuzugeben, dass die Klägerin erheblich schlechter gestellt wird als solche Witwen oder Witwer, deren Ehe mindestens ein Jahr gedauert hat. Die Ehedauer mag in nicht von § 46 Abs. 2a SGB VI erfassten Fällen nur geringfügig länger gewesen sein, die Konsequenzen unterscheiden sich dagegen gravierend. Wer wenigstens ein Jahr verheiratet war, konnte es durchaus ausschließlich auf die Versorgung abgesehen haben; trotzdem werden an diesen missbilligenswerten Ehezweck keine nachteiligen Folgen geknüpft. Wer dagegen nur 364 Tage verheiratet war, verliert u.U. die Hinterbliebenenversorgung.
Verfassungsrechtlich hinzunehmen ist das Bestreben des Gesetzgebers, dafür Sorge zu tragen, dass Behörden und Gerichte Intimitäten der Ehegatten nicht von Amts wegen aufdecken müssen. Vielmehr soll eine Investigation im Intimbereich möglichst unterbleiben (vgl. BSGE 60, 204 ). Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber in nachvollziehbarer Weise davon abgesehen, unmittelbar an den überwiegenden Versorgungszweck den Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung zu knüpfen. Zudem wären bei einer unmittelbaren normativen Anknüpfung an den Zweck der Heirat kaum bewältigbare Nachweisprobleme die Folge. Denn bei der "Versorgungsehe" ist die Haupttatsache - der auf Erlangung einer Versorgung gerichtete Zweck der Heirat - subjektiver Natur.
Dennoch wollte der Gesetzgeber die Versorgungsehe nicht gänzlich sanktionslos lassen; auch diese Grundentscheidung ist verfassungsrechtlich zu billigen. Gleiches gilt für die konkrete Ausgestaltung der Sanktionierung: In Fällen, in denen aufgrund der kurzen Ehedauer nach der Lebenserfahrung ein überwiegender Versorgungszweck sehr häufig auf der Hand liegt, sollte ein Leistungsausschluss greifen, ohne dass von Amts wegen Nachforschungen im höchst privaten Bereich stattfinden müssen. Deshalb hat der Gesetzgeber an eine weniger als einjährige Ehedauer die Vermutung eines überwiegenden Versorgungszwecks gebunden. Dass er die Zäsur gerade bei einem Jahr gesetzt hat, kann zweifellos zu Härten führen, ist aber gleichwohl verfassungsrechtlich unbedenklich. Hätte er eine längere Ehedauer als Vermutungsauslöser gewählt, wäre nicht mehr gewährleistet, dass von dem Ausschluss typischer Weise nur wirkliche Versorgungsehen erfasst werden; die Vermutung wäre nicht mehr realitätsgerecht. Andererseits war der Gesetzgeber nicht gehalten, die Vermutung erst bei einer noch kürzeren Ehedauer greifen zu lassen.
Insgesamt ist die verfassungsrechtliche Problematik ähnlich gelagert wie bei Stichtagsregelungen. Die durch Stichtagsregelungen vorgenommenen gesetzlichen Abgrenzungen mögen, wie auch die gesetzliche Zäsur der einjährigen Ehedauer, im Einzelfall hart anmuten; von Verfassungs wegen sind sie hinzunehmen, zumal - anders als die Klägerin meint - eine Widerlegung der Vermutung keineswegs de facto nahezu ausgeschlossen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin auch vor dem Bayerischen Landessozialgericht ohne Erfolg geblieben ist.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Das Berufungsverfahren betrifft die Frage, ob der Klägerin eine große Witwenrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zusteht.
Die 61-jährige Klägerin war in zweiter Ehe mit dem 1941 geborenen Versicherten D. J. (im Folgenden: O) verheiratet. Ihre erste Ehe war geschieden worden. Daraus gingen vier Kinder hervor, welche die Klägerin nahezu allein großzog. Von dem geschiedenen Ehemann aus erster Ehe erhielt sie keine Unterhaltsleistungen. Zwischenzeitlich arbeitete die Klägerin als Kellnerin, Verpackerin und Reinigungskraft. Zur Zeit bezieht sie Arbeitslosengeld II.
Mit O lebte die Klägerin seit 1985 in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen. Am 11.03.2002 war bei O ein inoperables Pankreaskarzinom diagnostiziert worden. Bis dahin hatten die Klägerin und O noch keine Eheschließung beim Standesamt angemeldet. Am 03.05.2002 heirateten die beiden, nachdem sie zwei Wochen vorher die Eheschließung beim Standesamt A-Stadt angemeldet hatten. Der in Australien lebende Bruder des O, H. J. (im Folgenden: H), war bei der Hochzeit nicht zugegen. Unmittelbar nach der Eheschließung unterzog sich O einer Chemotherapie, die bis Dezember 2002 andauerte. Am 31.01.2003 starb er.
Am 12.02.2003 beantragte die Klägerin die Gewährung einer großen Witwenrente. Mit Bescheid vom 29.07.2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit der Begründung ab, Zweck der Heirat sei die Begründung einer Hinterbliebenenversorgung gewesen.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 21.08.2003 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, es sei bereits vor ca. drei Jahren vorgesehen gewesen zu heiraten. Dabei habe H anwesend sein sollen. Berufliche Umstände beim Bruder sowie die erheblichen Flugkosten hätten dessen Anwesenheit bei der Hochzeit verhindert. Mit vorgelegt wurde eine im September 2003 gegenüber den seinerzeitigen Bevollmächtigten der Klägerin abgegebene Stellungnahme des H: Im Jahr 1998 habe O ihm anlässlich eines Besuchs in Deutschland gesagt, wenn er das nächste Mal nach Deutschland käme, würde er, O, heiraten. Er habe H gebeten, ihm rechtzeitig Bescheid zu geben, damit er alles vorbereiten könnte. Er, H, habe 1999 seine Arbeitsstelle gewechselt, weshalb er nicht sofort um Urlaub für einen Besuch in Deutschland habe bitten können. Es sei ihm aber ein Fortbildungskurs in Deutschland versprochen worden, so dass er dem O versichert habe, nach Deutschland zu kommen. Nachdem er jedoch seinen Arbeitsplatz verloren und zudem noch ein Haus gekauft habe, sei es ihm aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich gewesen. So habe er zu seinem Bruder gesagt, er solle die Hochzeit besser ohne ihn feiern.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe, so die Beklagte zur Begründung, sei nicht widerlegt. Sie äußerte sich ausführlich zu der sehr schlechten Prognose bei einem Pankreaskarzinom. Die Aussage des H ändere daran nichts.
Mit Schriftsatz vom 17.02.2004 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht München. In der Klagebegründung wurde vorgetragen, die Hochzeit sei immer wieder, Jahr für Jahr, verschoben worden, weil die Klägerin und O unbedingt wollten, dass H daran teilnähme. Der Gesundheitszustand des O sei während der Chemotherapie sehr stabil gewesen. Nicht nur von H könne bestätigt werden, dass die Klägerin und O schon seit Längerem hätten heiraten wollen. Der Versorgungsgedanke sei für die Heirat nicht vorherrschend gewesen. Die Klägerin habe im Zusammenhang mit O sämtliche Familienpflichten übernommen, die üblicherweise von Ehegatten übernommen würden (Sorge für O, dessen Mutter, teilweise auch für dessen Kinder). Die Klägerin und O hätten H im Vorfeld der Hochzeit mehrmals Gelegenheit gegeben, an der geplanten Hochzeit teilzunehmen; auch zum 60. Geburtstag des O sei er eingeladen gewesen. Bei der Geburtstagsfeier sei die Verlobung mitgefeiert worden. Dass es O damit ernst gewesen sei, die Klägerin zu heiraten, zeige der Umstand, dass er sie wenig später im September 2001 als Bezugsberechtigte seiner betrieblichen Altersversorgung bestimmt habe. Die Hochzeit sei zunächst für Dezember 2001 vorgesehen gewesen. Jedoch habe H wegen anhaltender Buschbrände wiederum abgesagt. Der Hochzeitstermin 03.05.2002 sei gewählt worden, weil dies der Geburtstag der Mutter des O gewesen sei. Das Verhältnis zwischen O und der Klägerin sei sehr innig gewesen. Dem O sei es darauf angekommen, dass diese nicht mindere Rechte habe als eine Ehefrau, insbesondere jederzeit zu ihm im Fall eines Krankenhausaufenthalts Zugang hätte.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.04.2007 abgewiesen. Dem Anspruch der Klägerin auf Gewährung der großen Witwenrente, so das Sozialgericht zur Begründung, stehe § 46 Abs. 2a SGB VI entgegen. Besondere Umstände, die bei einer Gesamtabwägung geeignet sein könnten, die Vermutung für eine Versorgungsehe zu widerlegen, seien nicht gegeben. Dass die Klägerin und O bereits seit vielen Jahren ununterbrochen in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt hätten, spreche eher für eine Versorgungsehe; denn offenbar hätten sich die Partner zunächst bewusst gegen eine Ehe entschieden. Dass die Klägerin die Mutter des O versorgt habe, sei nicht von Aussagewert. Es möge zwar keine sichere Kenntnis vom Ableben des O innerhalb der Jahresfrist bestanden haben, jedoch hätten die Klägerin und O ernsthaft damit rechnen müssen. Anfang April 2002 sei die Erkrankung des O in ihrer ganzen Ernsthaftigkeit bekannt gewesen. Dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Todes versicherungspflichtig beschäftigt war, spiele keine Rolle. Es sei nicht berechtigt, eine Versorgungsehe per se immer dann auszuschließen, wenn der begünstigte Ehepartner selbst ausreichend versorgt sei. Die behaupteten langjährigen Heiratsabsichten seien nicht hinreichend konkretisiert gewesen. Der Grund, warum angeblich die geplante Hochzeit immer wieder hinausgeschoben worden sei - die Verhinderung des Bruders des O, an einer Hochzeit teilzunehmen -, habe die Klägerin und O nicht davon abgehalten, unmittelbar nach Bekanntwerden der Erkrankung zu heiraten. Die am 15.09.2001 angeblich eingegangene Verlobung sei nicht erheblich. Die Einsetzung der Klägerin als Bezugsberechtigte für die betriebliche Altersversorgung spreche gegen konkrete, zeitnahe Heiratsabsichten; denn der Ehepartner sei ohnehin begünstigt, ohne dass es einer solchen Abrede bedürfte. Um sich im Krankenhaus effizient um O kümmern zu können, hätte es einer Eheschließung nicht bedurft.
Dagegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 12.06.2007 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe die verschiedenen, für die Klägerin sprechenden Umstände falsch gewertet. Die Klägerin weist erneut darauf hin, O habe sich nach der Chemotherapie in einem stabilen Zustand befunden. Das Pankreaskarzinom sei "verkapselt" gewesen. Metastasen seien nicht vorhanden gewesen; jedoch habe man von einer Operation abgesehen, um keine solchen zu provozieren. Zwischenuntersuchungen seien unauffällig gewesen, erst bei einer Untersuchung am 08.01.2003 seien Metastasen festgestellt worden. O sei kein Pflegefall gewesen; sein Tod sei plötzlich eingetreten. Unzutreffend habe das Sozialgericht der Verlobung, die am 15.09.2001 mit einer offiziellen Feier und zahlreichen Gästen begangen worden sei, keine Bedeutung beigemessen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. April 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Juli 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2004 zu verurteilen, ihr antragsgemäß Witwenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Ansicht, die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer Versorgungsehe lasse sich nicht widerlegen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichtes sowie der Krankenblattunterlagen des Klinikums St. M., A-Stadt, sowie medizinischer Unterlagen des Hausarztes des O. Sodann hat der Senat ein Gutachten nach Aktenlage durch den Internisten Dr. B. E. in Auftrag gegeben. Der hat in seinem Gutachten vom 26.05.2008 ausgeführt, in dem Bericht des Klinikums St. M. werde betont, dass die Befunde und die Therapieoptionen mit O und den Angehörigen eingehend besprochen worden seien. Er habe Zweifel, ob O tatsächlich mitgeteilt worden sei, das Karzinom sei verkapselt. Nur bei 10 bis 20% der betroffenen Patienten sei eine Operation möglich; bei diesen liege die Fünf-Jahres-Überlebensrate zwischen 3 und 25%. Die mediane Lebenserwartung betrage nur vier bis sechs Monate. Eine Frühdiagnose des Pankreaskarzinoms sei nicht möglich. Eine Studie in Großbritannien habe eine Fünf-Jahres-Überlebensrate von 0,2% ergeben; bei den Patienten, die operativ hätten behandelt werden können, hätte sie bei 5,5% gelegen. Im vorliegenden Fall lasse sich anhand der Befundberichte eine kontinuierliche Progression des Tumorleidens nachweisen, auch wenn der körperliche Zustand des O stabil gewesen sein mag. In dem Bericht des Klinikums werde betont, dass es sich lediglich um eine palliative Chemotherapie gehandelt habe; diese habe nach dem Tag der Eheschließung begonnen. Unter dieser Therapie sei nur sehr selten eine Tumorverkleinerung zu erreichen. Die Befunde, so heiße es in dem Bericht, seien ausführlich mit O und der Klägerin besprochen worden. Meist sei der Verlauf bei den Tumorpatienten so wie bei O; nach zeitlich begrenzter, relativ stabiler Allgemeinsituation komme es sehr rasch zu einer Verschlechterung. Bei der Kontrolluntersuchung Anfang Januar 2003 habe sich eine deutliche Verschlimmerung gezeigt. Bei einem nicht operablen Pankreaskarzinom müsse mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die zu erwartende Lebenszeit weniger als ein Jahr betrage. Allerdings hat Dr. E. darauf hingewiesen, bis zum Tag der Heirat, dem 03.05.2002 habe subjektiv keine Verschlechterung empfunden werden können. Es sei aus den medizinischen Unterlagen nicht ersichtlich, ob mit O eine mögliche Lebenserwartung besprochen worden sei. Die Therapiemöglichkeiten seien aber eindeutig thematisiert worden.
In einem Beweiserhebungstermin sind vom Berichterstatter Zeuginnen und Zeugen vernommen worden, um die Person und den Charakter des O zu beleuchten, insbesondere, wie er zur Klägerin stand. Außerdem sollten die näheren Umstände der von der Klägerin behaupteten Verlobung ermittelt werden. Wegen der einzelnen Zeuginnen und Zeugen und deren Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28.07.2009 verwiesen. Die Zeugenaussagen sind in der mündlichen Verhandlung vom 09.09.2009 verlesen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten des Sozialgerichts und des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Diese waren alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine große Witwenrente aus der Versicherung des O hat.
Nach § 46 Abs. 2 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie entweder ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen (Nummer 1) oder das 45. Lebensjahr vollendet haben (Nummer 2) oder erwerbsgemindert sind (Nummer 3). Jedoch besteht dieser Anspruch gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 SGB VI sind im Fall der Klägerin unproblematisch erfüllt. Jedoch scheitert ein Anspruch an § 46 Abs. 2a SGB VI.
Die Übergangsregelung des § 242 a Abs. 3 SGB VI vermag die Klägerin nicht von der Anwendung des § 46 Abs. 2a SGB VI zu verschonen. Danach gilt § 46 Abs. 2a SGB VI nicht für Ehen, die vor dem 01.01.2002 geschlossen wurden. Die Eheschließung zwischen der Klägerin und O fand aber erst danach statt.
Wie das Sozialgericht in seiner Urteilsbegründung zutreffend bemerkt hat, begründet § 46 Abs. 2a SGB VI eine widerlegbare Vermutung für eine so genannte Versorgungsehe. Der Vermutungstatbestand liegt vor. Die einzige Tatbestandsvoraussetzung, um die Vermutungswirkung auszulösen, eine weniger als einjährige Ehedauer, ist hier gegeben.
Des Weiteren hat das Sozialgericht richtig dargestellt, unter welchen Voraussetzungen allgemein die gesetzliche Vermutung widerlegt werden kann. An dieser Stelle ist nochmals hervorzuheben, dass dafür der volle Beweis des Gegenteils erforderlich ist (vgl. nur LSG Bayern, Urteil vom 03.12.2008, Az.: L 1 R 503/07). Die objektive Beweislast liegt bei der Klägerin (vgl. BSGE 60, 204 ). Die Beurteilung vollzieht sich im Rahmen einer Gesamtabwägung aller zur Eheschließung führenden Motive beider Ehegatten (LSG Bayern, a.a.O.).
Nach Gesamtwürdigung aller Umstände einschließlich der Ergebnisse der Beweisaufnahme spricht sehr viel dafür, dass die Eheschließung der Klägerin und des O einen überwiegenden Versorgungszweck verfolgte. Der Senat hat sich trotz umfangreicher Ermittlungen nicht im Sinn eines Vollbeweises davon überzeugen können, dass der Versorgungszweck kein überwiegender war.
Es wird nicht in Abrede gestellt, dass zwischen der Klägerin und O eine gute partnerschaftliche Beziehung bestanden hat und dass diese auch wegen gegenseitiger Zuneigung und Verbundenheit heirateten. Das hat die Zeugeneinvernahme zweifelsfrei ergeben. Damit ist aber nur widerlegt, dass der Eheschließung ein ausschließlicher Versorgungszeck zugrunde lag. Gleichwohl deuten die Gesamtumstände darauf hin, dass der Versorgungszweck überwiegender Beweggrund für die Heirat am 03.05.2002 war.
Im Rahmen der Gesamtabwägung ist von richtungsweisender Bedeutung, ob zum Zeitpunkt der Eheschließung die Gefährlichkeit einer Erkrankung bekannt gewesen sein könnte (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 28.10.2008, Az.: L 6 R 634/07). Alles deutet darauf hin, dass die Klägerin und O sich der Dramatik der Erkrankung im Zeitpunkt der Eheschließung - auf die spätere Krankheitsentwicklung kommt es nicht an - bewusst waren. Insoweit stützt sich der Senat maßgeblich auf das medizinische Sachverständigengutachten des Dr. E ... Daraus ergibt sich zum Einen, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung objektiv eine absolut lebensbedrohliche Erkrankung bestand, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb kurzer Zeit zum Tod führen würde. Die von Dr. E. im Gutachten genannten statistischen Zahlen belegen dies eindrucksvoll. Das Gutachten lässt zudem kaum einen Zweifel zu, dass dies der Klägerin und O zumindest in der Laiensphäre auch bekannt war. Denn wie auch Dr. E. festgestellt hat, sind die Befunde und die Therapieoptionen mit O und den Angehörigen besprochen worden. Dann aber ist anzunehmen, dass auch der lediglich palliative Charakter der durchgeführten Chemotherapie zur Sprache gekommen ist. Hinzu kommt, dass Dr. E. bezweifelt, O und die Klägerin hätten damals schon gewusst, dass das Karzinom verkapselt - und damit die Gefahr einer baldigen Metastasierung vielleicht etwas geringer - war.
Dem Vortrag der Klägerin, sie und O wären sich sicher gewesen, O würde nicht an dem Krebsleiden versterben, vermag der Senat angesichts dessen keinen Glauben zu schenken. Das von der Klägerin angeführte Beispiel eines konkreten Betroffenen aus A-Stadt, welcher der Krankheit bereits seit mehreren Jahren trotzt, mag für O vielleicht Anlass gewesen sein zu hoffen, auch bei ihm könnte ein derartiger Ausnahmefall eintreten. Dass er und die Klägerin ihre Augen aber vor der Gefährlichkeit der Krankheit in einer Weise verschlossen haben, dass sie von einem Überleben des O überzeugt waren, erscheint nicht glaubhaft. Das gilt umso mehr, als die Klägerin in beiden Verhandlungsterminen den Eindruck einer versierten und realistischen Person hinterlassen hat und auch O sich nach den Aussagen seiner Arbeitskollegen allem Anschein nach durch Besonnenheit auszeichnete.
Angesichts dessen ist der Senat davon überzeugt, dass die Wahl des 03.05.2002 als Hochzeitstermin ganz maßgeblich von der Kenntnis um die schwere Erkrankung des O beeinflusst war. Diesbezüglich glaubt der Senat der Klägerin nicht, dass dabei an die Krankheit überhaupt nicht gedacht und der Termin so gewählt worden sei, dass er auf den Geburtstag der Mutter des O gefallen sei. Dass es sich um eine Hochzeit unter massivem Zeitdruck handelte, wird vielmehr dadurch belegt, dass O über die Jahre hinweg stets wollte, dass H der Hochzeit beiwohnte, und angeblich nicht zuletzt wegen dessen Verhinderungen - zuletzt im Dezember 2001 - die Hochzeit immer wieder hinausschob, man aber am 03.05.2002 ohne ihn feierte.
Bei dieser Sachlage kann in aller Regel die Vermutung einer Versorgungsehe nur noch dann widerlegt werden, wenn erwiesen ist, dass die Eheschließung die konsequente Verwirklichung eines Heiratsentschlusses darstellt, der bereits vor der Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung gefasst worden war (LSG Bayern, Urteil vom 19.09.2007, Az.: L 13 R 357/06). Im vorliegenden Fall müssten also bereits vor dem 11.03.2002 konkrete Hochzeitspläne bestanden haben und die Hochzeit am 03.05.2002 als deren konsequente Verwirklichung erscheinen. Davon kann man sich aber nicht überzeugen.
Bis zum Sommer 2001 konnte von konkreten Heiratsabsichten keine Rede sein. Zwar war O nach Aussagen seiner Arbeitskollegen ein solider Mensch, der diese Solidität auch in seinem Beziehungsleben pflegte; über die Klägerin sprach er vor ihnen, wenn, dann positiv. Auch hatte sich, wie die Zeugeneinvernahme ergeben hat, O mit verschiedenen Personen immer wieder über eine Heirat unterhalten. Es blieb aber stets bei unbestimmten und diffusen Absichtserklärungen. Wie wenig Nachdruck dahinter stand, wird beispielsweise durch die Aussage des Zeugen G. deutlich. Bereits im Zeitraum 1995 bis 1997 sprachen sowohl O als auch die Klägerin mit diesem über Ehepläne. Schritte zur Realisierung wurden in den nächsten Jahren jedoch nicht unternommen. Ein weiterer Beleg ist das Gespräch, das O mit H anlässlich dessen Deutschlandbesuchs 1998 führte. Laut H habe O ihm gesagt, wenn er das nächste Mal nach Deutschland käme, würde er, O, heiraten. Auch danach wurden keine konkreten Schritte eingeleitet, um dies - notfalls ohne H - in die Tat umzusetzen. Dieses Verhalten des O harmoniert mit der Beschreibung seiner Person durch die Klägerin und seine Tochter, die Zeugin J ... Die Klägerin hat ihn im Erörterungs- und Beweisaufnahmetermin ausdrücklich als "Phlegmatiker" bezeichnet. Die Zeugin J. hat gemeint, ihr Vater habe eine Heirat zwar mehrfach thematisiert, er sei aber jemand gewesen, den man eher an die Hand habe nehmen müssen. Die Klägerin selbst hat eine Heirat während der ganzen Jahre ebenso wenig forciert, weil sie nach eigenem und dem Bekunden der Zeugin J. wollte, dass O die Initiative ergreifen würde.
Dass O und die Klägerin über lange Jahre hinweg in eheähnlicher Gemeinschaft zusammenlebten, ohne eine Heirat konkret in Erwägung zu ziehen, spricht dafür, dass sie sich entweder bewusst für ein Zusammenleben ohne Trauschein entschieden hatten oder einer Eheschließung nur untergeordnete Wichtigkeit beimaßen. Wenn man den Aussagen der Klägerin Glauben schenkt, hatten die beiden auch unverheiratet eine gute Beziehung. Einen wirklichen Wunsch zur Veränderung spürten beide nicht. Dass die Klägerin sich besonders stark in die Beziehung einbrachte, indem sie die Kinder des O großzog und dessen Mutter pflegte, ist für die Beurteilung nicht relevant.
Allerdings gibt es im Jahr 2001 eine gewisse Zäsur. Wie sich bei der Zeugeneinvernahme herausgestellt hat, hatte O dem Zeugen E. im Sommer 2001 im Rahmen eines gemeinsamen Essens mitgeteilt, er wolle im nächsten Jahr heiraten. Bei der Feier seines 60. Geburtstags gaben er und die Klägerin tatsächlich ihre Verlobung bekannt, wenn auch nicht "offiziell", sondern nur "im Herumgehen", wie der Zeuge F. formulierte. Dass dieser Entschluss zu heiraten erst nach langer Zeit des nichtehelichen Zusammenlebens gefasst wurde, macht nicht "a priori" die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung für eine Versorgungsehe unmöglich.
An die Kundgabe dieser - wohl ernsthaften - Heiratsabsicht haben sich indes keine konsequenten Schritte zur Verwirklichung angeschlossen. Eine bloße Absichtserklärung - vor allem nach derart langer Zeit der Passivität - genügt aber bei weitem nicht, um die Vermutung für eine Versorgungsehe auszuräumen (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 19.09.2007, Az.: L 13 R 357/06). Vielmehr hätte es in der unmittelbaren Folgezeit objektiv erkennbarer und konkreter Schritte zur Verwirklichung des Heiratsversprechens bedurft.
Solche liegen nicht vor. Der Senat glaubt zwar dem Vortrag der Klägerin, wonach im Dezember 2001 die Hochzeit geplant gewesen sei. Auf die Heirat zu diesem Zeitpunkt wurde aber aus Gründen verzichtet, die zu dem Schluss drängen, dass O und die Klägerin die Eheschließung nach wie vor ohne Nachdruck betrieben. Gegen die Konkretheit der Eheschließungsabsicht spricht zunächst, dass eine Heirat für Dezember 2001 beim Standesamt A-Stadt nicht angemeldet worden war.
Vor allem aber fällt ins Gewicht, dass die Hochzeit wiederum wegen des Ausbleibens des H nicht realisiert wurde. Die Klägerin trägt vor, H habe wegen Buschbränden in Australien nicht kommen können. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass diese Schilderung falsch ist. Zwar wüteten zum Jahreswechsel 2001/2002 in New South Wales, wo H lebt, tatsächlich katastrophale Brände. Wie sich aus einer Internetanfrage ergeben hat, begannen diese aber erst am 26. Dezember und dauerten 23 Tage. H konnte also nahezu bis zum Jahreswechsel nichts von Buschbränden gewusst haben; von daher erscheint es praktisch ausgeschlossen, dass H eine im Dezember 2001 angesetzte Hochzeit wegen der Buschbrände abgesagt hat. Bezeichnender Weise hat H selbst in seiner Stellungnahme vom September 2003 nichts von Buschbränden erwähnt. Zu Gunsten der Klägerin wird jedoch unterstellt, dass die geplante Hochzeit tatsächlich wegen einer Verhinderung des H nicht stattfand.
Eine hinreichende Konsequenz bei der Verwirklichung der Heiratspläne vermisst man jedenfalls deshalb, weil O und die Klägerin die Eheschließung nach wie vor von der Anwesenheit des H abgängig machten. Dabei kann dahin stehen, ob H dem O zu diesem Zeitpunkt nicht schon längst gesagt hatte, dieser solle besser ohne ihn heiraten (vgl. die Stellungnahme des H vom September 2003); wäre das der Fall, wäre das Zuwarten der Klägerin und des O unverständlich. Darauf kommt es letztlich nicht an. Denn auf jeden Fall haben O und die Klägerin die Verwirklichung ihrer Heiratsabsichten von der Anwesenheit des H abhängig gemacht, mithin von Umständen, die sie kaum beeinflussen konnten. Die Heirat wurde quasi an eine Bedingung geknüpft, von der O und die Klägerin nach den mehrjährigen Erfahrungen mit H nicht wussten, ob diese jemals eintreten könnte. Damit haben O und die Klägerin die Heirat de facto "auf die lange Bank geschoben"; daran hat auch die Verlobung nichts geändert. Wenn die vage Hoffnung auf das Kommen des Bruders so entscheidend war, dann schließt das eine "konsequente Verwirklichung" aus.
Das gilt umso mehr, als der innige Wunsch des O, H möge bei der Eheschließung anwesend sein, anhand der objektiven Umstände nicht nachvollziehbar ist. Denn die Zeugin J. hat das Verhältnis der beiden Brüder zwar als gutbrüderlich, aber aufgrund der räumlichen Entfernung nicht intensiv beschrieben.
Es verwundert, dass am 03.05.2002 schließlich ohne H geheiratet wurde, obwohl der Zeugin J. von einem zwischenzeitlichen Zerwürfnis zwischen O und H nichts bekannt ist. Im Gegenteil: Gegenüber dem Sozialgericht teilte die Klägerin mit, auch zu der Hochzeit am 03.05.2002 sei H wieder eingeladen gewesen. Da aber wegen ihm die Hochzeit schon mehrfach verschoben worden sei, hätten O und die Klägerin trotz des neuerlichen Ausbleibens nicht mehr warten wollen. Erst nachdem die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs bekannt war, hat man sich also entschlossen, "Nägel mit Köpfen zu machen".
Der Senat vermag keine Gesichtspunkte zu erkennen, welche den Vorrang des Versorgungszwecks relativieren könnten. Das gilt insbesondere für das behauptete Motiv, der Klägerin solle ermöglicht werden, sich ohne Probleme um die Belange des O kümmern, wenn sich dieser im Krankenhaus befände; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen.
Verfassungsrechtliche Zweifel an diesem Ergebnis bestehen nicht (vgl. BSGE 35, 272 ; BSG, Beschluss vom 23.09.1997 - 2 BU 176/97). Im Rahmen der Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) ist zuzugeben, dass die Klägerin erheblich schlechter gestellt wird als solche Witwen oder Witwer, deren Ehe mindestens ein Jahr gedauert hat. Die Ehedauer mag in nicht von § 46 Abs. 2a SGB VI erfassten Fällen nur geringfügig länger gewesen sein, die Konsequenzen unterscheiden sich dagegen gravierend. Wer wenigstens ein Jahr verheiratet war, konnte es durchaus ausschließlich auf die Versorgung abgesehen haben; trotzdem werden an diesen missbilligenswerten Ehezweck keine nachteiligen Folgen geknüpft. Wer dagegen nur 364 Tage verheiratet war, verliert u.U. die Hinterbliebenenversorgung.
Verfassungsrechtlich hinzunehmen ist das Bestreben des Gesetzgebers, dafür Sorge zu tragen, dass Behörden und Gerichte Intimitäten der Ehegatten nicht von Amts wegen aufdecken müssen. Vielmehr soll eine Investigation im Intimbereich möglichst unterbleiben (vgl. BSGE 60, 204 ). Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber in nachvollziehbarer Weise davon abgesehen, unmittelbar an den überwiegenden Versorgungszweck den Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung zu knüpfen. Zudem wären bei einer unmittelbaren normativen Anknüpfung an den Zweck der Heirat kaum bewältigbare Nachweisprobleme die Folge. Denn bei der "Versorgungsehe" ist die Haupttatsache - der auf Erlangung einer Versorgung gerichtete Zweck der Heirat - subjektiver Natur.
Dennoch wollte der Gesetzgeber die Versorgungsehe nicht gänzlich sanktionslos lassen; auch diese Grundentscheidung ist verfassungsrechtlich zu billigen. Gleiches gilt für die konkrete Ausgestaltung der Sanktionierung: In Fällen, in denen aufgrund der kurzen Ehedauer nach der Lebenserfahrung ein überwiegender Versorgungszweck sehr häufig auf der Hand liegt, sollte ein Leistungsausschluss greifen, ohne dass von Amts wegen Nachforschungen im höchst privaten Bereich stattfinden müssen. Deshalb hat der Gesetzgeber an eine weniger als einjährige Ehedauer die Vermutung eines überwiegenden Versorgungszwecks gebunden. Dass er die Zäsur gerade bei einem Jahr gesetzt hat, kann zweifellos zu Härten führen, ist aber gleichwohl verfassungsrechtlich unbedenklich. Hätte er eine längere Ehedauer als Vermutungsauslöser gewählt, wäre nicht mehr gewährleistet, dass von dem Ausschluss typischer Weise nur wirkliche Versorgungsehen erfasst werden; die Vermutung wäre nicht mehr realitätsgerecht. Andererseits war der Gesetzgeber nicht gehalten, die Vermutung erst bei einer noch kürzeren Ehedauer greifen zu lassen.
Insgesamt ist die verfassungsrechtliche Problematik ähnlich gelagert wie bei Stichtagsregelungen. Die durch Stichtagsregelungen vorgenommenen gesetzlichen Abgrenzungen mögen, wie auch die gesetzliche Zäsur der einjährigen Ehedauer, im Einzelfall hart anmuten; von Verfassungs wegen sind sie hinzunehmen, zumal - anders als die Klägerin meint - eine Widerlegung der Vermutung keineswegs de facto nahezu ausgeschlossen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin auch vor dem Bayerischen Landessozialgericht ohne Erfolg geblieben ist.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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