Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 4263/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2515/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.03.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 (BK 2108) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der am 1942 geborene Kläger war seit 1967 als Dachdecker, zuletzt als mitarbeitender Meister im eigenen - zusammen mit dem Bruder G. R. als GmbH geführten - Betrieb, tätig und als Unternehmer bei der Beklagten versichert. Seit März 2007 bezieht er eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Am 26.10.2004 machte der Kläger bei der Beklagten Erkrankungen der Kniegelenke und der Lendenwirbelsäule geltend, die er auf seine Tätigkeit als Dachdecker zurückführe.
Nach Einholung einer Belastungsbeurteilung des Technischen Aufsichtsdienstes (die Dachdeckertätigkeit des Klägers überschreite nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell für den Zeitraum vom 01.01.1967 bis 16.05.2004 den Richtwert zur Mindestexposition für eine BK 2108) und von medizinischen Befundberichten (u.a. des Orthopäden Dr. Ku.: Behandlung ab 26.06.2000 wegen Praearthrosen/Gonarthrosen beidseits mit Reizergüssen und Lumbago, ab 27.06.2003 auch wegen Cervikobrachialgien und Schulterschmerzen bei altersentsprechenden degenerativen Wirbelsäulenveränderungen ohne neurologische Ausfälle; wegen Herzkammerflimmern Implantation eines 2-Kammer-Defibrillators am 18.05.2004) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.03.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2005 die Feststellung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule als BK Nr. 2108 ab, weil im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule keine der Altersnorm deutlich vorausseilenden degenerativen Veränderungen und somit kein belastungskonformes Schadensbild vorlägen. Sie legte hierbei eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. K. zu den von ihr eingeholten medizinischen Befundberichten zu Grunde.
Der Kläger hat am 12.07.2005 beim Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben und zur Begründung angeführt, seine Lendenwirbelsäulenbeschwerden seien auf die starke berufliche Beanspruchung der Wirbelsäule durch seine Tätigkeit als mitarbeitender Meister im Dachdeckerbetrieb zurückzuführen.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht ein Gutachten beim Ärztlichen Direktor der Orthopädischen Klinik des O. Hospital S., Prof. Dr. W. , eingeholt. Bei seiner Untersuchung am 26.07.2006 hat der Kläger anamnestisch angegeben, seit Implantation des Defibrillators nach Kammerflimmern 2004 sei er überwiegend im Büro beschäftigt und tätige nur noch gelegentlich körperliche Arbeiten. Hierbei hebe und bewege er weiterhin Lasten bis zu 60 kg. Arbeiten auf dem Dach seien seit der Implantation im Jahre 2004 nicht mehr möglich. Im Ergebnis hat der Sachverständige einen wesentlichen ursächlichen Zusammenhang der von ihm erhobenen vermehrten Osteochondrose im Bereich der Segmente L5/S1 mit einem langjährigen Heben und Tragen von schweren Lasten und einer extremem Rumpfbeugehaltung bejaht.
In einer beratenden Stellungnahme für die Beklagte hat der Arzt für Orthopädie Prof. Dr. We. eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Hals- und Lendenwirbelsäule beim Kläger bestätigt, u.a. aber ausgeführt, der Kläger verrichte nicht wegen der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule, sondern wegen der Folgen der Herzerkrankung keine Dacharbeiten mehr. Damit sei ein Unterlassungszwang nicht gegeben.
Mit Urteil vom 19.03.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Tatbestandsmerkmal der BK 2108 sei, dass die Erkrankung zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen habe, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich gewesen seien oder sein könnten. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil nicht die - als nicht schwerwiegend zu bezeichnenden - Rückenbeschwerden, sondern die Herzerkrankung den Kläger zur Aufgabe der berufstypischen Außenarbeiten eines Dachdeckers gezwungen hätten.
Gegen das am 30.04.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.05.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, er habe nicht allein wegen des Defibrillators seine handwerkliche Tätigkeit insgesamt eingestellt und sich betrieblich auf Aufsichts- und Bürotätigkeiten zurückgezogen, sondern auf Grund aller bei ihm vorliegenden Erkrankungen, nämlich dem Herzleiden, der Lendenwirbelsäulenerkrankung und der Kniegelenkserkrankung. Bereits seit mindestens 2002 habe er wegen des Rückenleidens die dachdeckenden Tätigkeiten um die Hälfte reduziert, so dass er zum Zeitpunkt der Implantation des Defibrillators faktisch jede dachdeckende Tätigkeit eingestellt gehabt habe. Hätte bei ihm im Mai 2004 ausschließlich das Herzleiden vorgelegen und wäre er nicht auch noch am Knie und am Rücken berufsbedingt geschädigt gewesen, hätte er ab Herbst 2004 die Hälfte der vorher ausgeübten dachdeckerischen Tätigkeiten wieder aufnehmen können. Jedenfalls sei von einem grundsätzlichen Unterlassen gefährdender Tätigkeit für die Zeit ab März 2007 auszugehen, weil die von ihm und seinem Bruder geführte Unternehmung ab diesem Zeitpunkt nur noch Gewährleistungsarbeiten und geringfügige sonstige Arbeiten durchgeführt habe.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.03.2008 und den Bescheid vom 23.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2005 aufzuheben und die bei ihm bestehende bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen, hilfsweise ein Sachverständigengutachten bzw. eine ergänzende Äußerung von Prof. Dr. W. dazu einzuholen, dass die jetzt von ihm ab und an als Rentner nach praktischer Betriebsaufgabe ausgeübten Tätigkeiten für das eigene Haus und für Gewährleistungsarbeiten jede mögliche Gefährdung im Wirbelsäulenbereich ausschließt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise ein MRT der Lendenwirbelsäule des Klägers zu veranlassen und ein radiologisches Gutachten auf der Grundlage des messbasierten Verfahrens zur Einschätzung des Vorliegens einer Chondrose gemäß den "Konsensempfehlungen" einzuholen.
Nach ihrer Auffassung scheidet sowohl vom medizinischen Befund her als auch wegen Nichtunterlassens der schädigenden Tätigkeit die Feststellung einer BK 2108 aus.
Im Beweisaufnahme- und Erörterungstermin vom 14.09.2009 ist der Kläger angehört und G. R. als Zeuge dazu vernommen worden, welche Tätigkeiten der Kläger im Betrieb seit 2003 verrichtet hat. Wegen ihrer Angaben wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Gegen die Ablehnung der Beklagten, eine Berufskrankheit anzuerkennen, kann der Kläger eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erheben. Der auf Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit gerichtete Antrag des Klägers ist als Antrag auf entsprechende gerichtliche Feststellung zu deuten (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 29/06 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 25).
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Eine BK 2108 ist beim Kläger nicht festzustellen.
Eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i. V. m. Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV ist eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Bei dem Versicherten muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegen, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (so genannte arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Das besondere versicherungsrechtliche Tatbestandsmerkmal des Unterlassungszwangs setzt einerseits voraus, dass die Tätigkeiten, die zu der Erkrankung geführt haben, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden sollen und andererseits, dass der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich objektiv aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (BSG, Urteil vom 22.08.2000, B 2 U 34/99 R in SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2). Das Merkmal der Aufgabe der beruflichen Beschäftigung hat den Zweck, ein Verbleiben des Versicherten auf dem ihn gefährdenden Arbeitplatz zu verhindern und dadurch eine Verschlimmerung der Krankheit mit der Folge einer erhöhten Entschädigungsleistung zu verhüten. Um diesem Präventionszweck zu genügen, muss nicht nur eine wahrscheinlich zu erwartende Schädigung, sondern jede mögliche Gefährdung vermieden werden. Dementsprechend ist für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals der BK 2108 zu fordern, dass das Heben und Tragen schwerer Lasten bzw. Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung in vollem Umfang aufgegeben sein müssen, auch wenn eine Schädigung hierdurch nicht wahrscheinlich ist (vgl. BSG a.a.O.).
Die Feststellung einer BK 2108 scheitert entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht bereits deswegen, weil der Kläger wegen seiner Herzerkrankung ab Mai 2004 Dachdeckerarbeiten nicht mehr ausführen konnte und damit ein objektiver Zwang zur Unterlassung der Dachdeckertätigkeit wegen der Lendenwirbelsäulenerkrankung zu verneinen wäre. Die Notwendigkeit einer Tätigkeitsunterlassung entscheidet sich nicht nach Kausalitätskriterien, sondern auf der Grundlage der medizinischen Beurteilung der Belastbarkeit des betreffenden Organsystems (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Anm. 28.1 zu E § 9 SGB VII). Der objektive Zwang zur Unterlassung setzt voraus, dass eine Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit wegen der schon eingetretenen Gesundheitsstörungen oder wegen der Gefahr der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens der Krankheit aus medizinischen Gründen nicht verantwortet werden kann. Ob der Zwang zum Unterlassen medizinisch geboten war, ist im Weg einer nachträglichen objektiven Betrachtungsweise festzustellen (BSG, Urteil vom 05.05.1998, B 2 U 9/97 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 11). Sofern objektiv ein Zwang zur Tätigkeitsaufgabe besteht, steht der Anerkennung des Versicherungsfalls nicht entgegen, wenn sich der Versicherte aus anderen persönlichen Gründen zur Tätigkeitsaufgabe entschließt oder andere äußere Bedingungen zur Tätigkeitsaufgabe zwingen.
Maßgeblich für den Unterlassungszwang ist daher vorliegend, ob der Kläger neben der Herzerkrankung auch wegen eines Lendenwirbelsäulenleidens die Dachdeckertätigkeit aufgeben musste. Dies ist allerdings nicht weiter auszuführen. Denn jedenfalls vermag der Senat eine tatsächliche Aufgabe der schädigenden Tätigkeit durch den Kläger nicht festzustellen.
Der Kläger hat nach eigenen Angaben im Erörterungstermin vom 14.09.2009 nach der Implantation des Defibrillators im Mai 2004 und auch nach seiner Berentung im März 2007 noch erhebliche Lasten getragen und gehoben sowie Dacharbeiten - die nach der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes auch zu 5% Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung umfassen - verrichtet und wird sie auch zukünftig ausführen. So haben er und sein Bruder angegeben, für die noch bestehende GmbH sowohl bei früheren Kunden im Rahmen der Gewährleistung als auch bei den eigenen Häusern - ebenfalls im Rahmen des Betriebs der GmbH - Dacharbeiten durchzuführen und hierbei Geräte (z.B. Leitern, Gewicht nach Angaben des Zeugen 10 kg) und Material (Speis, Ziegel, Schweißbahnen) vom Dach aus hoch zu ziehen bzw. durchs Treppenhaus auf das Dach zu tragen. Nach den eigenen Angaben des Klägers wird er auch weiterhin Schweißbahnen tragen, wenn auch halbierte Rollen, was bei dem von ihm angegebenen Gewicht einer Schweißbahn von 55 kg immerhin mehr als 25 kg Tragelast ausmacht. Nach den Angaben des Zeugen hat der Kläger selbst noch im Frühjahr 2009 einen Zementsack mit 35 kg getragen. Auch das Heben und Tragen von Eimern mit Speis mit einem Gewicht - so der Zeuge - von 10 bis 15 kg steht im Rahmen der beabsichtigten Tätigkeiten weiterhin an, ebenso wie der Transport von Ziegeln. Im Rahmen dieser weiterhin beabsichtigten Tätigkeiten wird der Kläger dann - hieran hat der Senat keinen Zweifel - im Rahmen des Erforderlichen die bei Dachdeckertätigkeiten üblichen (vgl. die Darstellungen des Technischen Aufsichtsdienstes) extremen Rumpfbeugehaltungen einnehmen.
Der Einwand des Klägers, er habe den Dachdeckerbetrieb zumindest ab dem 01.03.2007 praktisch eingestellt, greift nicht. Er ist bereits durch den eigenen Vortrag widerlegt, dass hin und wieder noch Reparaturarbeiten von ihm verrichtet werden. Auch der Zeuge R. hat bestätigt, dass die GmbH des Klägers und des Zeugen noch besteht und nicht auf den Sohn des Zeugen übertragen worden ist, weil noch Steuerschulden auf dem Unternehmen lasten, sondern lediglich die früheren Kunden von der neugegründeten Firma seines Sohnes betreut werden, während er und der Kläger die Gewährleistungen für frühere Arbeiten der von ihm und dem Kläger gegründeten GmbH weiter erbringen. Dass solche Arbeiten und die - im Rahmen der GmbH verrichteten - Tätigkeiten an den eigenen Häusern nicht regelmäßig, sondern nur nach Bedarf, möglicherweise einmal im Quartal oder im halben Jahr, durchgeführt werden, lässt eine Gefährdung der Wirbelsäule des Klägers nicht entfallen. Denn eine bloße Verminderung der Gefährdung genügt nicht (BSG, Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 27/02 R).
Den vom Kläger hilfsweise gestellten Beweisantrag lehnt der Senat ab. Denn die Sachaufklärung des Senats durch Anhörung des Klägers und Vernehmung des Zeugen hat - wie dargelegt - ergeben, dass der Kläger auch weiterhin Dachdeckerarbeiten ausüben und dabei insbesondere auch Lasten bis zu 25 kg oder darüber (vgl. den erwähnten Zementsack mit 35 kg oder die halbierte Schweißbahnrolle mit über 25 kg) heben und tragen wird. Hierbei handelt es sich um schwere, Lasten i.S. der BK 2108 (vgl. hierzu das Merkblatt zur BK 2108 vom 01.09.2006, BArbBl. 2006, S. 30 ff.: einhändiges Heben ab 10 kg, Tragen: ab 25 kg). Diese Feststellung von Art und Umfang der gefährdenden Tätigkeit ist keine medizinische, sondern eine vom Senat zu klärende und hier geklärte Frage. Die Frage, ob durch diese Tätigkeiten eine mögliche Gefährdung der Wirbelsäule ausgeschlossen ist, bedarf keiner medizinischen Ermittlung. Denn wenn nach dem durch das erwähnte Merkblatt dokumentierten Stand der medizinischen Wissenschaft (so BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 13/05 R in 4-2700 § 9 Nr. 9) für die vom Kläger weiterhin beabsichtigten Tätigkeiten von einem erhöhten Risiko für die Lendenwirbelsäule auszugehen ist, bedarf es keiner medizinischen Ermittlungen zu der Frage, ob durch diese Tätigkeiten eine mögliche Gefährdung ausgeschlossen ist. Der Senat lehnt daher die vom Kläger beantragte medizinische Ermittlung durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bzw. einer ergänzenden Äußerung durch Prof. Dr. W. ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 (BK 2108) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der am 1942 geborene Kläger war seit 1967 als Dachdecker, zuletzt als mitarbeitender Meister im eigenen - zusammen mit dem Bruder G. R. als GmbH geführten - Betrieb, tätig und als Unternehmer bei der Beklagten versichert. Seit März 2007 bezieht er eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Am 26.10.2004 machte der Kläger bei der Beklagten Erkrankungen der Kniegelenke und der Lendenwirbelsäule geltend, die er auf seine Tätigkeit als Dachdecker zurückführe.
Nach Einholung einer Belastungsbeurteilung des Technischen Aufsichtsdienstes (die Dachdeckertätigkeit des Klägers überschreite nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell für den Zeitraum vom 01.01.1967 bis 16.05.2004 den Richtwert zur Mindestexposition für eine BK 2108) und von medizinischen Befundberichten (u.a. des Orthopäden Dr. Ku.: Behandlung ab 26.06.2000 wegen Praearthrosen/Gonarthrosen beidseits mit Reizergüssen und Lumbago, ab 27.06.2003 auch wegen Cervikobrachialgien und Schulterschmerzen bei altersentsprechenden degenerativen Wirbelsäulenveränderungen ohne neurologische Ausfälle; wegen Herzkammerflimmern Implantation eines 2-Kammer-Defibrillators am 18.05.2004) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.03.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2005 die Feststellung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule als BK Nr. 2108 ab, weil im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule keine der Altersnorm deutlich vorausseilenden degenerativen Veränderungen und somit kein belastungskonformes Schadensbild vorlägen. Sie legte hierbei eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. K. zu den von ihr eingeholten medizinischen Befundberichten zu Grunde.
Der Kläger hat am 12.07.2005 beim Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben und zur Begründung angeführt, seine Lendenwirbelsäulenbeschwerden seien auf die starke berufliche Beanspruchung der Wirbelsäule durch seine Tätigkeit als mitarbeitender Meister im Dachdeckerbetrieb zurückzuführen.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht ein Gutachten beim Ärztlichen Direktor der Orthopädischen Klinik des O. Hospital S., Prof. Dr. W. , eingeholt. Bei seiner Untersuchung am 26.07.2006 hat der Kläger anamnestisch angegeben, seit Implantation des Defibrillators nach Kammerflimmern 2004 sei er überwiegend im Büro beschäftigt und tätige nur noch gelegentlich körperliche Arbeiten. Hierbei hebe und bewege er weiterhin Lasten bis zu 60 kg. Arbeiten auf dem Dach seien seit der Implantation im Jahre 2004 nicht mehr möglich. Im Ergebnis hat der Sachverständige einen wesentlichen ursächlichen Zusammenhang der von ihm erhobenen vermehrten Osteochondrose im Bereich der Segmente L5/S1 mit einem langjährigen Heben und Tragen von schweren Lasten und einer extremem Rumpfbeugehaltung bejaht.
In einer beratenden Stellungnahme für die Beklagte hat der Arzt für Orthopädie Prof. Dr. We. eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Hals- und Lendenwirbelsäule beim Kläger bestätigt, u.a. aber ausgeführt, der Kläger verrichte nicht wegen der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule, sondern wegen der Folgen der Herzerkrankung keine Dacharbeiten mehr. Damit sei ein Unterlassungszwang nicht gegeben.
Mit Urteil vom 19.03.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Tatbestandsmerkmal der BK 2108 sei, dass die Erkrankung zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen habe, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich gewesen seien oder sein könnten. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil nicht die - als nicht schwerwiegend zu bezeichnenden - Rückenbeschwerden, sondern die Herzerkrankung den Kläger zur Aufgabe der berufstypischen Außenarbeiten eines Dachdeckers gezwungen hätten.
Gegen das am 30.04.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.05.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, er habe nicht allein wegen des Defibrillators seine handwerkliche Tätigkeit insgesamt eingestellt und sich betrieblich auf Aufsichts- und Bürotätigkeiten zurückgezogen, sondern auf Grund aller bei ihm vorliegenden Erkrankungen, nämlich dem Herzleiden, der Lendenwirbelsäulenerkrankung und der Kniegelenkserkrankung. Bereits seit mindestens 2002 habe er wegen des Rückenleidens die dachdeckenden Tätigkeiten um die Hälfte reduziert, so dass er zum Zeitpunkt der Implantation des Defibrillators faktisch jede dachdeckende Tätigkeit eingestellt gehabt habe. Hätte bei ihm im Mai 2004 ausschließlich das Herzleiden vorgelegen und wäre er nicht auch noch am Knie und am Rücken berufsbedingt geschädigt gewesen, hätte er ab Herbst 2004 die Hälfte der vorher ausgeübten dachdeckerischen Tätigkeiten wieder aufnehmen können. Jedenfalls sei von einem grundsätzlichen Unterlassen gefährdender Tätigkeit für die Zeit ab März 2007 auszugehen, weil die von ihm und seinem Bruder geführte Unternehmung ab diesem Zeitpunkt nur noch Gewährleistungsarbeiten und geringfügige sonstige Arbeiten durchgeführt habe.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.03.2008 und den Bescheid vom 23.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2005 aufzuheben und die bei ihm bestehende bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen, hilfsweise ein Sachverständigengutachten bzw. eine ergänzende Äußerung von Prof. Dr. W. dazu einzuholen, dass die jetzt von ihm ab und an als Rentner nach praktischer Betriebsaufgabe ausgeübten Tätigkeiten für das eigene Haus und für Gewährleistungsarbeiten jede mögliche Gefährdung im Wirbelsäulenbereich ausschließt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise ein MRT der Lendenwirbelsäule des Klägers zu veranlassen und ein radiologisches Gutachten auf der Grundlage des messbasierten Verfahrens zur Einschätzung des Vorliegens einer Chondrose gemäß den "Konsensempfehlungen" einzuholen.
Nach ihrer Auffassung scheidet sowohl vom medizinischen Befund her als auch wegen Nichtunterlassens der schädigenden Tätigkeit die Feststellung einer BK 2108 aus.
Im Beweisaufnahme- und Erörterungstermin vom 14.09.2009 ist der Kläger angehört und G. R. als Zeuge dazu vernommen worden, welche Tätigkeiten der Kläger im Betrieb seit 2003 verrichtet hat. Wegen ihrer Angaben wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Gegen die Ablehnung der Beklagten, eine Berufskrankheit anzuerkennen, kann der Kläger eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erheben. Der auf Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit gerichtete Antrag des Klägers ist als Antrag auf entsprechende gerichtliche Feststellung zu deuten (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 29/06 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 25).
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Eine BK 2108 ist beim Kläger nicht festzustellen.
Eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i. V. m. Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV ist eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Bei dem Versicherten muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegen, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (so genannte arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Das besondere versicherungsrechtliche Tatbestandsmerkmal des Unterlassungszwangs setzt einerseits voraus, dass die Tätigkeiten, die zu der Erkrankung geführt haben, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden sollen und andererseits, dass der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich objektiv aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (BSG, Urteil vom 22.08.2000, B 2 U 34/99 R in SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2). Das Merkmal der Aufgabe der beruflichen Beschäftigung hat den Zweck, ein Verbleiben des Versicherten auf dem ihn gefährdenden Arbeitplatz zu verhindern und dadurch eine Verschlimmerung der Krankheit mit der Folge einer erhöhten Entschädigungsleistung zu verhüten. Um diesem Präventionszweck zu genügen, muss nicht nur eine wahrscheinlich zu erwartende Schädigung, sondern jede mögliche Gefährdung vermieden werden. Dementsprechend ist für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals der BK 2108 zu fordern, dass das Heben und Tragen schwerer Lasten bzw. Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung in vollem Umfang aufgegeben sein müssen, auch wenn eine Schädigung hierdurch nicht wahrscheinlich ist (vgl. BSG a.a.O.).
Die Feststellung einer BK 2108 scheitert entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht bereits deswegen, weil der Kläger wegen seiner Herzerkrankung ab Mai 2004 Dachdeckerarbeiten nicht mehr ausführen konnte und damit ein objektiver Zwang zur Unterlassung der Dachdeckertätigkeit wegen der Lendenwirbelsäulenerkrankung zu verneinen wäre. Die Notwendigkeit einer Tätigkeitsunterlassung entscheidet sich nicht nach Kausalitätskriterien, sondern auf der Grundlage der medizinischen Beurteilung der Belastbarkeit des betreffenden Organsystems (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Anm. 28.1 zu E § 9 SGB VII). Der objektive Zwang zur Unterlassung setzt voraus, dass eine Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit wegen der schon eingetretenen Gesundheitsstörungen oder wegen der Gefahr der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens der Krankheit aus medizinischen Gründen nicht verantwortet werden kann. Ob der Zwang zum Unterlassen medizinisch geboten war, ist im Weg einer nachträglichen objektiven Betrachtungsweise festzustellen (BSG, Urteil vom 05.05.1998, B 2 U 9/97 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 11). Sofern objektiv ein Zwang zur Tätigkeitsaufgabe besteht, steht der Anerkennung des Versicherungsfalls nicht entgegen, wenn sich der Versicherte aus anderen persönlichen Gründen zur Tätigkeitsaufgabe entschließt oder andere äußere Bedingungen zur Tätigkeitsaufgabe zwingen.
Maßgeblich für den Unterlassungszwang ist daher vorliegend, ob der Kläger neben der Herzerkrankung auch wegen eines Lendenwirbelsäulenleidens die Dachdeckertätigkeit aufgeben musste. Dies ist allerdings nicht weiter auszuführen. Denn jedenfalls vermag der Senat eine tatsächliche Aufgabe der schädigenden Tätigkeit durch den Kläger nicht festzustellen.
Der Kläger hat nach eigenen Angaben im Erörterungstermin vom 14.09.2009 nach der Implantation des Defibrillators im Mai 2004 und auch nach seiner Berentung im März 2007 noch erhebliche Lasten getragen und gehoben sowie Dacharbeiten - die nach der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes auch zu 5% Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung umfassen - verrichtet und wird sie auch zukünftig ausführen. So haben er und sein Bruder angegeben, für die noch bestehende GmbH sowohl bei früheren Kunden im Rahmen der Gewährleistung als auch bei den eigenen Häusern - ebenfalls im Rahmen des Betriebs der GmbH - Dacharbeiten durchzuführen und hierbei Geräte (z.B. Leitern, Gewicht nach Angaben des Zeugen 10 kg) und Material (Speis, Ziegel, Schweißbahnen) vom Dach aus hoch zu ziehen bzw. durchs Treppenhaus auf das Dach zu tragen. Nach den eigenen Angaben des Klägers wird er auch weiterhin Schweißbahnen tragen, wenn auch halbierte Rollen, was bei dem von ihm angegebenen Gewicht einer Schweißbahn von 55 kg immerhin mehr als 25 kg Tragelast ausmacht. Nach den Angaben des Zeugen hat der Kläger selbst noch im Frühjahr 2009 einen Zementsack mit 35 kg getragen. Auch das Heben und Tragen von Eimern mit Speis mit einem Gewicht - so der Zeuge - von 10 bis 15 kg steht im Rahmen der beabsichtigten Tätigkeiten weiterhin an, ebenso wie der Transport von Ziegeln. Im Rahmen dieser weiterhin beabsichtigten Tätigkeiten wird der Kläger dann - hieran hat der Senat keinen Zweifel - im Rahmen des Erforderlichen die bei Dachdeckertätigkeiten üblichen (vgl. die Darstellungen des Technischen Aufsichtsdienstes) extremen Rumpfbeugehaltungen einnehmen.
Der Einwand des Klägers, er habe den Dachdeckerbetrieb zumindest ab dem 01.03.2007 praktisch eingestellt, greift nicht. Er ist bereits durch den eigenen Vortrag widerlegt, dass hin und wieder noch Reparaturarbeiten von ihm verrichtet werden. Auch der Zeuge R. hat bestätigt, dass die GmbH des Klägers und des Zeugen noch besteht und nicht auf den Sohn des Zeugen übertragen worden ist, weil noch Steuerschulden auf dem Unternehmen lasten, sondern lediglich die früheren Kunden von der neugegründeten Firma seines Sohnes betreut werden, während er und der Kläger die Gewährleistungen für frühere Arbeiten der von ihm und dem Kläger gegründeten GmbH weiter erbringen. Dass solche Arbeiten und die - im Rahmen der GmbH verrichteten - Tätigkeiten an den eigenen Häusern nicht regelmäßig, sondern nur nach Bedarf, möglicherweise einmal im Quartal oder im halben Jahr, durchgeführt werden, lässt eine Gefährdung der Wirbelsäule des Klägers nicht entfallen. Denn eine bloße Verminderung der Gefährdung genügt nicht (BSG, Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 27/02 R).
Den vom Kläger hilfsweise gestellten Beweisantrag lehnt der Senat ab. Denn die Sachaufklärung des Senats durch Anhörung des Klägers und Vernehmung des Zeugen hat - wie dargelegt - ergeben, dass der Kläger auch weiterhin Dachdeckerarbeiten ausüben und dabei insbesondere auch Lasten bis zu 25 kg oder darüber (vgl. den erwähnten Zementsack mit 35 kg oder die halbierte Schweißbahnrolle mit über 25 kg) heben und tragen wird. Hierbei handelt es sich um schwere, Lasten i.S. der BK 2108 (vgl. hierzu das Merkblatt zur BK 2108 vom 01.09.2006, BArbBl. 2006, S. 30 ff.: einhändiges Heben ab 10 kg, Tragen: ab 25 kg). Diese Feststellung von Art und Umfang der gefährdenden Tätigkeit ist keine medizinische, sondern eine vom Senat zu klärende und hier geklärte Frage. Die Frage, ob durch diese Tätigkeiten eine mögliche Gefährdung der Wirbelsäule ausgeschlossen ist, bedarf keiner medizinischen Ermittlung. Denn wenn nach dem durch das erwähnte Merkblatt dokumentierten Stand der medizinischen Wissenschaft (so BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 13/05 R in 4-2700 § 9 Nr. 9) für die vom Kläger weiterhin beabsichtigten Tätigkeiten von einem erhöhten Risiko für die Lendenwirbelsäule auszugehen ist, bedarf es keiner medizinischen Ermittlungen zu der Frage, ob durch diese Tätigkeiten eine mögliche Gefährdung ausgeschlossen ist. Der Senat lehnt daher die vom Kläger beantragte medizinische Ermittlung durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bzw. einer ergänzenden Äußerung durch Prof. Dr. W. ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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