L 5 B 424/07 AS ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 3 AS 455/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 B 424/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Anordnungsgrund - Glaubhaftmachung - Saldierung
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 18. Oktober 2007 aufgehoben und der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 6. September 2007 zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten für beide Rechtszüge sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Stendal, das sie im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet hat, vorläufig für die Zeit vom 1. September bis zum 30. November 2007 höhere Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zu erbringen.

Die Antragsteller bezogen als Bedarfsgemeinschaft seit März 2005 Leistungen nach dem SGB II. Seither waren sie bereits zweimal umgezogen. Wegen familiärer Probleme hatte das Jugendamt den Antragstellern einen Erziehungsbeistand zur Seite gestellt.

Zum 1. Juni 2007 erfolgte abermals ein Umzug der Antragsteller und einer Katze in eine Vier-Zimmer-Wohnung in der D. str., ... S ... Der Erziehungsbeistand hatte zur Sicherung der erreichten Erfolge den Umzug befürwortet, weshalb die Antragsgegnerin die Zustimmung zum Umzug erteilt hatte. Nach dem auszugsweise vorliegenden Mietvertrag vom 12. April 2007 betrug die Kaltmiete 300,00 EUR und die Betriebskostenvorauszahlung 100,00 EUR. Die §§ 9 bis 20 des Mietvertrags sind bislang weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren vorgelegt worden. Nach einer von den Antragstellern im Gerichtsverfahren überreichten "Anlage zum Wohnungsmietvertrag vom 12.04.07", die vom 21. Juni 2007 stammen soll, sollte ab August 2007 die Vorauszahlung für Betriebskosten auf 175,00 EUR monatlich erhöht werden. Die Genehmigung zur Haltung einer Katze außerhalb des Hauses sollte bei Abschluss und Nachweis einer Haftpflichtversicherung bis zum 30. Juni 2007 erteilt werden. Die Müllgebühren sollten nicht in den Nebenkosten enthalten sein. Ob die Vertragsänderung wirksam geworden ist, ist nicht bekannt. Die vorgelegte Kopie enthält weder Datum noch Unterschriften der Mietvertragsparteien. Mit Schreiben vom 4. Juli oder 4. August 2007 minderten die Antragsteller die Kaltmiete rückwirkend ab Juni 2007 von 300,00 EUR auf 150,00 EUR wegen Baulärm, Mietmängeln und fehlendem TV-Empfang. Da sie für Juni 2007 bereits die volle Miete überwiesen hätten, stehe der Vermieterin für Juli 2007 keine Kaltmiete mehr zu. Die Mietminderung teilten sie der Antragsgegnerin nicht mit.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. Juni 2007 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern für die Zeit von Juni bis November 2007 1.017,00 EUR (Juni) bzw. 1.021,00 EUR (ab Juli), wobei auf die KdU 400,00 EUR entfielen.

Am 9. Juli 2007 schlossen die Antragsteller einen Mietvertrag über eine Wohnung in S. zum 1. September 2007 ab. Ausweislich des Protokolls der nichtöffentlichen Sitzung des Amtsgerichts S. vom 30. August 2007 (50 F 36/07 SO) wohnten sie dort bereits seit dem 11. August 2007. Es handelte sich um eine Vier-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 85 qm. Die Nettokaltmiete betrug ausweislich des Mietvertrages 390,00 EUR, die Betriebskostenvorauszahlungen 15,00 EUR. Ferner waren ab dem 1. September 2007 für Wasser, Abwasser und Wärme an die Stadtwerke S. Abschlagszahlungen in Höhe von 100,00 EUR/Monat zu entrichten. Die Abschläge für die Abfallentsorgung betrugen im Oktober 2007 22,07 EUR und im November 2007 7,57 EUR.

Am 18. Juli 2007 legte die Antragstellerin zu 1. der Antragsgegnerin ein Kündigungsschreiben der Vermieterin der Wohnung in S. vom 4. Juni 2007 zum 30. September 2007 vor. Als Kündigungsgrund wurde genannt, die Antragsteller hätten bei Mietvertragsabschluss nicht mitgeteilt, in der Wohnung eine Katze zu halten. Demzufolge sei dies auch nicht im Mietvertrag vereinbart worden. Der Haltung von Haustieren könne nicht zugestimmt werden. Die "Anlage zum Wohnungsmietvertrag vom 12.04.07" legten die Antragsteller nicht vor. Ausweislich einer Aktennotiz der Sachbearbeiterin habe diese der Antragstellerin zu 1. mitgeteilt, die Unterkunftskosten würden weiterhin in der bisherigen Höhe übernommen (maximal bis 400,00 EUR).

Mit Bescheid vom 18. Juli 2007 lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung einer Zusicherung zum Umzug ab, da dieser nicht erforderlich sei. Die Kündigung sei selbst verschuldet. Auf eine Beschwerde der Antragsteller beim Kundenreaktionsmanagement der Regionaldirektion bestätigte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 25. Juli 2007 ihre Entscheidung. Dort führte sie ferner aus, der Mietvertrag sei schon vor dem Antrag auf Zustimmung zum Umzug unterschrieben worden. Innerhalb der Kündigungsfrist wäre genügend Zeit gewesen, eine Zusicherung einzuholen.

In ihrem Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. Juli 2007 machten die Antragsteller geltend, die Kostenübernahme für die neue Wohnung sei von dem Mitarbeiter der Antragsgegnerin W. vor Abschluss des neuen Mietvertrags zugesichert worden. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2007 zurückgewiesen. Die KdU würden ab dem 1. September 2007 nur in Höhe von 400,00 EUR/Monat übernommen. Die Aufwendungen für die neue Wohnung dürften unangemessen sein und die Richtlinie des Landkreises Stendal überschreiten. Innerhalb der Kündigungsfrist bis zum 30. September 2007 wäre es zumutbar gewesen, mehrere Wohnungsangebote einzuholen. Im Übrigen sei der Umzug nicht notwendig. Die derzeitige Mietwohnung in S. sei ausreichend groß. Die Kündigung sei allein deshalb erfolgt, weil die Antragsteller entgegen der ausdrücklichen Vereinbarung im Mietvertrag ein Haustier gehalten hätten. Sie hätten sich bereits vorher eine Zustimmung zur Tierhaltung einholen bzw. die Kündigung durch Vermittlung der Katze abwenden können. Dagegen richtet sich die vor dem Sozialgericht Stendal erhobene und noch anhängige Klage (S 3 AS 457/07).

Mit Änderungsbescheid vom 28. September 2007 bewilligte die Antragsgegnerin für die Zeit von Juli bis November 2007 1.023,00 EUR/Monat bei unveränderten KdU. Dagegen legten die Antragsteller wiederum Widerspruch ein und begehrten die Bewilligung von höheren KdU.

Die Antragsteller haben beim Sozialgericht Stendal bereits am 6. September 2007 im Rahmen eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz die Bewilligung von KdU in Höhe von 484,50 EUR entsprechend der Unterkunftsrichtlinie der Antragsgegnerin beantragt. Zu dem von der Antragsgegnerin bezweifelten Anordnungsgrund haben sie ausgeführt, nur über ein Einkommen von 1.348,00 EUR/Monat zu verfügen (1.021,00 EUR Leistungen nach dem SGB II abzüglich 80,00 EUR Einbehaltung für ein Darlehen, Kindergeld in Höhe von 308,00 EUR, Unterhaltsvorschuss in Höhe von 99,00 EUR). Davon seien 507,52 EUR für die KdU aufzubringen. Ohne die begehrten Leistungen könnten die im Haushalt lebenden minderjährigen Kinder nicht ernährt werden. Hinsichtlich des Anordnungsanspruchs haben sie vorgetragen, der Sachbearbeiter W. habe bereits am 11. Juli 2007 eine mündliche Zusicherung bis auf einen Teilbetrag von 5,00 EUR für die neue Wohnung erteilt. Erst danach sei der Mietvertrag geschlossen worden. Schon damals hätten sie mitgeteilt, dass die Mietkostenvorauszahlung für die Wohnung in S. ab August 2007 erhöht werden solle (die Verwaltungsakte enthält diesbezüglich keine Vorgänge). Vor Unterzeichnung des Mietvertrags in S. sei das Halten der Katze mündlich vereinbart worden. Von Beginn an sei das Mietverhältnis problematisch gewesen. Zum 1. Juni 2007 sei das kalte Wasser abgestellt worden, drei Wochen später sei die Wärmeversorgung für ca. einen Monat unterbrochen gewesen, obwohl die Witterungsbedingungen das Heizen erforderlich gemacht hätten. Die Vermieterin habe schließlich den Antennenstecker herausgezogen und einen Fernsehempfang unmöglich gemacht. Schließlich habe sie das Mietverhältnis unter Hinweis auf die fehlende Erlaubnis der Haustierhaltung fristlos gekündigt. Aufgrund der Schikanen der Vermieterin sei es nicht möglich gewesen, das Mietverhältnis weiter fortzusetzen. Insbesondere der Antragsteller zu 3. habe sich nicht wohlgefühlt; dies sei auch durch den Familienhelfer mitgeteilt worden. Um seine weitere Entwicklung nicht zu gefährden, sei anlässlich eines Sorgerechtsverfahrens mit dem Jugendamt vereinbart worden, dass ein weiterer Umzug aus S. nicht erfolgen solle. Obwohl die Kündigung zurückgenommen worden sei, habe man wegen des zerstörten Vertrauensverhältnisses die Aufhebung des Mietvertrags zum 31. August 2007 vereinbart. Die Antragsteller zu 1. und 2. haben die Angaben in Eidesstattlichen Versicherungen bestätigt. Ergänzend haben sie angegeben, in mehreren Zimmern hätte es keine ausreichenden Heizmöglichkeiten gegeben, was bei kälteren Temperaturen zur Unbenutzbarkeit geführt hätte. Des Weiteren seien wegen der durchgeführten Bauarbeiten ständiger Lärm, Geruchsbelästigungen und Schmutzablagerungen in dem Wohnungsflur aufgetreten. Auch bauliche Missstände seien vorhanden gewesen.

Die Antragsgegnerin hat sich auf den Standpunkt gestellt, es bestehe kein Eilbedürfnis. Der Bedarfsgemeinschaft stünden 1.440,00 EUR/Monat zur Verfügung. Die Auskunft des Sachbearbeiters W. , wonach die neuen Mietkosten bis auf 5,00 EUR übernommen würden, hätten sich auf die von den Antragstellern angegebenen neuen Mietkosten in Höhe von 405,00 EUR bezogen. Die Antragsteller hätten wissentlich gegen den Mietvertrag verstoßen und somit die Umzugsnotwendigkeit selbst herbeigeführt. Nachdem die Vermieterin ihre Kündigung vom 4. Juni 2007 zurückgenommen habe, hätte ein reguläres Mietverhältnis bestanden. Demnach wäre der neue Mietvertrag nicht notwendig gewesen.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 18. Oktober 2007 die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragstellern vorläufig für die Zeit von September bis November 2007 monatlich weitere 96,50 EUR zu zahlen, längstens bis zur Bestandskraft des Bescheids vom 18. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. August 2007. Ein Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass existenzsichernde Leistungen geltend gemacht würden. Die Antragsteller hätten auch einen Anordnungsanspruch für die geltend gemachten KdU in Höhe von 484,50 EUR. Die Erforderlichkeit des Umzugs sei hier glaubhaft gemacht worden. Das Mietverhältnis sei durch Aufhebungsvereinbarung zum 31. August 2007 beendet worden. Es könne offen bleiben, ob die Antragsteller die Kündigung verschuldet hätten. Die Vermieterin habe nachträglich die Katzenhaltung erlaubt und wäre bereit gewesen, das Mietverhältnis fortzusetzen. Ihre von den Antragstellern geschilderte Vorgehensweise sei aber geeignet gewesen, das im Rahmen eines Mietverhältnisses erforderliche Vertrauensverhältnis zu zerstören und dessen Fortsetzung unzumutbar zu machen. Die Vermieterin habe ein schikanöses Verhalten an den Tag gelegt. Sie habe erst die Kaltwasserversorgung, dann die Wärmeversorgung und schließlich den Fernsehempfang zeitweise unterbrochen. Dies wäre selbst bei einem Zahlungsverzug nicht zu rechtfertigen. Insoweit lägen hier nachvollziehbare Anhaltspunkte für die Beweggründe der Antragsteller vor. Es sei nicht davon auszugehen, dass diese den durch die Unterkunftsrichtlinie vorgegebenen Rahmen hätten ausschöpfen wollen. Insgesamt seien hier Unterkunftskosten in Höhe von 484,50 EUR zu berücksichtigen, die den Antragstellern anteilig zuzuordnen seien.

Dagegen hat die Antragsgegnerin am 14. November 2007 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, den Antragstellern stehe kein Anspruch auf mehr als 400,00 EUR/Monat für KdU zu. Nach ihrer Unterkunftsrichtlinie seien für vier Personen maximal 484,50 EUR angemessen. Eine Zusicherung zum Umzug habe sie mangels Erforderlichkeit nicht erteilen müssen. Bei Abschluss des neuen Mietvertrags habe keine Obdachlosigkeit gedroht. Es wäre auch zumutbar gewesen, mehrere Wohnungsangebote einzuholen. Die behauptete Einstellung von Wasser- und Wärmeversorgung seitens der Vermieterin sei nicht nachvollziehbar, da die Versorgungsverträge durch die Antragsteller selbst mit den Versorgern abgeschlossen worden seien. Mietrechtliche Probleme rechtfertigten nicht ohne weiteres einen Umzug.

In Ausführung des Beschlusses des Sozialgerichts hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 26. Oktober 2007 in der Gestalt des Änderungsbescheid vom 30. November 2007 den Antragstellern für die Zeit vom 1. September bis 30. November 2007 monatlich 1.119,50 EUR bewilligt und die Zahlung unter den Vorbehalt der endgültigen Entscheidung des Hauptsacheverfahrens gestellt.

Auf einen rechtlichen Hinweis des Berichterstatters vom 10. Juni 2009 zur Rechtsprechung hinsichtlich § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II hat die Antragsgegnerin ergänzend ausgeführt, die Antragsteller seien innerhalb des für die Angemessenheit maßgeblichen örtlichen Bereichs umgezogen. Im gesamten Landkreis gälten einheitliche Angemessenheitskriterien. Ob für die Wohnung in S. tatsächlich eine Erhöhung der Nebenkosten wirksam geworden sei, könne nicht festgestellt werden. Vorgelegt worden sei lediglich ein Entwurfsschreiben.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 18. Oktober 2007 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie halten den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Es könne offen bleiben, ob der Umzug notwendig gewesen sei oder nicht, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch für einen nicht notwendigen Umzug die angemessenen KdU zu zahlen seien. Die Angemessenheit bestimme sich nach dem konkreten Einzelfall und nicht nach der zuvor bewohnten Wohnung.

Den Aufforderungen des Berichterstatters zur Vorlage von Unterlagen vom 12. Januar vom 2. März sowie vom 6. Juli 2009 sind die Antragsteller nicht nachgekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen. Diese sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist rechtzeitig erhoben und zulässig im Sinne von § 172 Abs. 1 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung.

Die Beschwerde ist auch begründet, da das Sozialgericht Stendal die Antragsgegnerin im Beschluss vom 18. Oktober 2007 zu Unrecht im Rahmen einer einstweiligen Regelungsanordnung verpflichtet hat, vorläufig höhere Leistungen an die Antragsteller für KdU für die Monate September bis November 2007 i.H.v. 96,50 EUR/Monat zu bewilligen. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung lagen zur Überzeugung des Senats nicht vor. Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden.

Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet. Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 86b Rn. 16b). Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist die sozialgerichtliche Entscheidung nicht richtig.

1. Die Antragsteller haben einen Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S. 1236 und vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass ein Anordnungsgrund fehlt, wenn die vermutliche Zeitdauer des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und -durchsetzung darstellt, wenn also den Antragstellern auch mit einer späteren Realisierung seines Rechts geholfen ist. Zwar sollen grundsätzlich Leistungen nach dem SGB II das Existenzminimum der Antragsteller sichern. Wird durch die seitens des Leistungsträgers erbrachte Leistung der Bedarf nicht gedeckt, ist die Existenz des Hilfebedürftigen zeitweise nicht sichergestellt.

Allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrunds. Erforderlich ist eine existentielle Notlage. Der Senat geht im Regelfall nicht von deren Vorliegen aus, wenn die begehrte vorläufige Leistungsbewilligung 5% der Regelleistung nicht übersteigt (vgl. Beschluss vom 30. März 2009, L 5 B 121/08 AS ER, JURIS).

a. Ausgehend von einem Regelsatz der Antragsteller in Höhe von 1.040,00 EUR (2 x 312,00 EUR und 2 x 208,00 EUR) liegt die Grenze der Geringfügigkeit hier bei 52,00 EUR/Monat. Die Antragsteller haben aber mit ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz einen Mehrbedarf von 84,50 EUR/Monat für KdU geltend gemacht. Ferner haben sie angegeben, sie könnten ohne diesen Mehrbetrag die im Haushalt lebenden minderjährigen Kinder nicht mehr ernähren.

b. Hier liegt aber zur Überzeugung des Senats - trotz eines streitigen Mehrbedarfs von mehr als 5% der Regelleistung - ein Anordnungsgrund nicht vor. Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, dass ihnen durch die unterbliebene Bewilligung von höheren Leistungen für die KdU von September bis November 2007 Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts fehlten, weshalb ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung zu einer Existenzbedrohung führen würde.

Zwar sind die einzigen Einkünfte der Bedarfsgemeinschaft das Kindergeld und der Unterhaltsvorschuss gewesen, welche auf den Bedarf der Antragsteller zu 3. und 4. anzurechnen waren und damit zur vorübergehenden Kompensation des Fehlbetrags nicht zur Verfügung standen. Auch geht der Senat davon aus, dass kein Vermögen zur Verfügung stand.

Das Sozialgericht hat allerdings nicht gewürdigt, dass die Antragsteller die Kaltmiete für die Wohnung in S. ab Juni 2007 nur noch in Höhe von 150,00 EUR/Monat entrichtet hatten. Sie hatten diese Änderung in den KdU der Antragsgegnerin nicht mitgeteilt. Diese hatte somit während der Zeit von Juni bis zum Auszug im August 2007 zuviel KdU geleistet, auf die die Antragsteller keinen Anspruch hatten. Dabei geht der Senat zugunsten der Antragsteller davon aus, dass diese - trotz des Umzugs schon am 11. des Monats - für August noch Miete entrichtet hatten. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden die KdU in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gezahlt. Da die Antragsteller nur Kaltmiete i.H.v. 150,00 EUR statt der mietvertraglichen geschuldeten 300,00 EUR zahlten, hatten sie in diesen Monaten geringere tatsächliche Aufwendungen als für die KdU bewilligt worden war. Die Antragsteller haben nicht vorgetragen und es ist auch nicht ersichtlich, dass die Vermieterin erfolgreich - etwa im Wege eines zivilrechtlichen Verfahrens - gegen die Mietminderung vorgegangen wäre und die Antragsteller den vollen Mietzins entrichtet hätten. Somit hatten die Antragsteller im Zeitpunkt des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz am 6. September 2007 über zuviel bewilligte Leistungen i.H.v. 450,00 EUR (3 Monate je 150,00 EUR) verfügt.

Im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens wäre es nicht zulässig, die offensichtlich überzahlten Leistungen für diese Monate mit Ansprüchen auf höhere Leistungen für die Zeit von September bis November 2007 zu "saldieren". Selbst wenn innerhalb eines Bewilligungsabschnitts Monate mit überzahlten und Monate mit zu geringen Leistungen liegen, kommt eine Saldierung nicht in Betracht. Abzustellen ist vielmehr auf den einzelnen Monat (BSG, Urteil vom 5. September 2007, B 11b AS 15/06 R (42)). Insoweit hätte die Antragsgegnerin allenfalls die Möglichkeit, ein Verfahren nach §§ 45, 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) einzuleiten.

Dies gilt jedoch nicht, wenn es im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes auf die Beurteilung des Anordnungsgrunds ankommt. Insoweit werden keine endgültigen Entscheidungen getroffen; vielmehr geht es allein um die Frage der Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung für eine bestimmte Dauer, hier für die Monate September bis November 2007. Dabei kommt es zur Überzeugung des Senats hier nicht darauf an, ob und falls ja, für welche Zwecke die in den drei Monaten vor dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zuviel gezahlten Leistungen verbraucht wurden. Die Antragsteller müssen sich wegen des pflichtwidrigen Verschweigens der Änderung der KdU so behandeln lassen, als hätten sie die zuviel erhaltenen Leistungen in dem streitigen Zeitraum zur Verfügung gehabt (zur Zulässigkeit der "Saldierung" in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bei vorläufigen Leistungen auch: Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. April 2009, L 2 B 85/07 AS ER, nicht veröffentlicht).

c. Den ab Juni 2007 überzahlten Leistungen i.H.v. 450,00 EUR stehen die im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemachten Mehrbedarfe der Antragsteller i.H.v. 253,50 EUR (Mehrbedarf für KdU 84,50 EUR/Monat ab Umzug im September 2007 für die Dauer des Bewilligungsabschnitts bis November 2007) gegenüber. Daraus ergibt sich, dass ein vorläufig zu deckender Bedarf nicht bestand.

2. Der Senat kann daher offen lassen, ob den Antragstellern auch ein Anordnungsanspruch zur Seite stand, wie das Sozialgericht gemeint hat.

a. Hinsichtlich der Höhe des vom Sozialgericht im angefochtenen Beschluss festgelegten vorläufigen Mehrbedarfs i.H.v. 96,50 EUR/Monat ergeben sich schon deshalb Zweifel, weil die Antragsteller allein einen monatlichen Mehrbedarf von 84,50 EUR (484,50 EUR statt 400,00 EUR) für KdU beantragt hatten. Der Beschluss des Sozialgerichts geht jedoch über diesen geltend gemachten Anspruch hinaus und verpflichtet die Antragsgegnerin, vorläufig monatlich 96,50 EUR zu bewilligen. Das Gericht darf aber in keinem Fall mehr zusprechen als beantragt worden ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 123 Rn. 4)

b. Ein Anspruch auf Übernahme höherer Mietkosten als 400,00 EUR/Monat dürfte sich nach den derzeit vorhandenen Unterlagen jedenfalls nicht schon aus der Höhe der Mietkosten für die bis zum 10. August 2007 bewohnte Wohnung in S. ergeben. Falls es am 21. Juni 2007 zu einer Rücknahme der Kündigung vom 4. Juni 2007 und zu einer wirksamen Änderung des Mietvertrags gekommen sein sollte, hätten die bisherige KdU ab August 2007 482,75 EUR betragen (300,00 EUR Kaltmiete, 175,00 EUR Nebenkostenvorauszahlung, 7,75 EUR Abfallgebühren). Unter Abzug des vom Bundessozialgerichts (BSG) vorgesehenen Anteils für Warmwasser (18,78 EUR) ergäbe sich ein Anspruch auf KdU in Höhe von 463,97 EUR für die Wohnung in S. , der auch für die ab September 2007 angemietete neue Wohnung gelten dürfte.

Ob es aber vor der einvernehmlichen Beendigung des Mietverhältnisses zu einer wirksamen Mietvertragsänderung gekommen ist, ist bislang nicht geklärt. Die vorgelegte "Anlage zum Wohnungsmietvertrag vom 12.04.07" enthält kein Datum und keine Unterschriften. Trotz mehrfacher Aufforderung haben die Antragsteller eine entsprechende Vertragskopie nicht vorgelegt. Die diesbezüglichen Ausführungen lassen aber auch nicht erkennen, ob es zu einer "einvernehmlichen Beendigung" des Mietverhältnisses zum 31. August 2007 nach einer Mietvertragsänderung gekommen ist, oder ob der vorgelegte Vertragsentwurf vom 21. Juni 2007 gar nicht wirksam geworden ist.

c. Klärungsbedürftig dürfte auch sein, ob § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II für den Umzug von S. nach S. überhaupt Anwendung findet. Nach überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung gilt § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nur für Wohnungswechsel innerhalb des für die Bestimmung der Angemessenheit maßgeblichen örtlichen Bereichs, also üblicherweise innerhalb des jeweiligen Wohnorts (vgl. Eicher/Spellbrink, Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2 Aufl., § 22 Rdnr. 47b "Umzug im sozialen Umfeld"; offen gelassen in BSG, Urteil vom 7.November 2006, B 7 AS 10/06 R, (27)). Nach der Rechtsprechung des BSG ist auf einen homogenen Lebens- und Wohnbereich abzustellen (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, (21)).

d. Ob das Sozialgericht schließlich zu Recht die Erforderlichkeit eines Umzugs gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II wegen "schikanösen Verhaltens der Vermieterin" angenommen hat, bleibt ebenfalls dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Dabei kann von Bedeutung sein, ob die Antragsteller wegen der Tierhaltung gegen die mietvertraglichen Vereinbarungen verstoßen hatten. Bisher ist der Mietvertrag nur in Auszügen vorgelegt worden. § 10 Abs. 3, der ausweislich der "Anlage zum Wohnungsmietvertrag vom 12.04.07" das Verbot der Tierhaltung regeln soll, ist in der Verwaltungsakte nicht enthalten. Die Auffassung der Antragsgegnerin, die Antragsteller hätten durch die Tierhaltung gegen ihre mietvertraglichen Pflichten verstoßen, lässt sich ausschließlich aus dem Kündigungsschreiben vom 4. Juni 2007 vermuten. Klärungsbedürftig dürfte auch sein, ob die Antragsteller mit der Vermieterin bei Abschluss des Mietvertrags über die Katze gesprochen und insoweit nach ihren Angaben Einvernehmen erzielt hatten. Sollte, wie die Antragsteller geltend machen, die Kündigung vom 4. Juni 2007 zurückgenommen worden sein, käme wohl gleichfalls einem eventuellen Verschulden an der Vermieterkündigung keine Bedeutung zu. Dann wären allein die Wohnumstände maßgeblich für die Beurteilung der Erforderlichkeit des Umzugs.

Ob der Mitarbeiter der Antragsgegnerin W. tatsächlich vor Abschluss des neuen Mietvertrags eine mündliche Zusicherung zur Übernahme der Mietkosten am neuen Wohnort (bis auf eine Differenz von 5,00 EUR) gegeben hat, könnte ebenfalls von Bedeutung sein. In den Verwaltungsakten findet sich jedenfalls keine Dokumentation eines solchen Gesprächs.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Saved