Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Potsdam (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
46
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 46 AS 2333/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Kostenentscheidung im Abhilfebescheid vom 28. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 14. Mai 2009 wird dahingehend abgeändert, dass die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Widerspruchsverfahren W 5164/07 für notwendig erklärt wird.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um den Umfang der Kostenentscheidung im Widerspruchsverfahren. Der Kläger bildet mit seiner Familie eine Bedarfsgemeinschaft, in der jedes Mitglied Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II von der Beklagten erhielt.
Der Kläger legte durch seinen Prozessbevollmächtigten gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 08. November 2007 Widerspruch ein. Die Beklagte half dem Widerspruch mit Bescheid vom 28. Februar 2008 ab. Die Kostenentscheidung in dem Abhilfebescheid lautete wie folgt:
"Gleichzeitig darf ich Ihnen mitteilen, dass die Ihnen im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen auf Antrag erstattet werden können."
Gegen diese Kostenentscheidung legt der Kläger wiederum Widerspruch ein, da sie keine Erklärung zu der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes enthielt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie verwies den Kläger darauf, dass die bisher notwendigen Auslagen durch den Kläger nicht geltend gemacht wurden.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte im Rahmen der Kostengrundentscheidung über die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten habe entscheiden müssen. Eine Entscheidung im Rahmen der Kostenfestsetzung sei hierfür nicht ausreichend.
Der Kläger beantragt,
die Kostenentscheidung im Abhilfebescheid vom 28. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 14. Mai 2009 abzuändern und die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Widerspruchsverfahren W 5164/07 für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Ergänzend wird wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Parteien sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte, die Gegenstand in der Beratung war, verwiesen.
Einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 124 Abs. 2 SGG haben die Parteien ausdrücklich zugestimmt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die Kostenentscheidung im Abhilfebescheid vom 28. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Nach § 63 Abs. 3 SGB X hat die Behörde über die Kosten im Widerspruchsverfahren zu entscheiden. Zwar fehlt in dem Sozialverfahrensrecht eine Regelung wie § 72 beziehungsweise § 73 Abs. 3 VwGO, die eine Kostenentscheidungspflicht von Amts wegen der Behörde vorsieht, jedoch ergibt sich diese Verpflichtung aus § 63 Abs. 1 und 3, wo es heißt: "Die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, ...". Die Festsetzung der zu erstattenden Aufwendungen setzt eine solche Kostenentscheidung dem Grunde nach voraus. Inhalt der Kostenentscheidung ist, wer Träger der Kosten und wie das Ausmaß der Erstattungspflicht (Höhe des Anteils) ist. Dabei hat sie gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 SGB X sich auch darüber zu erklären, ob Zuziehung eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten notwendig war. Diese Entscheidung hat die Behörde im Rahmen der Kostenentscheidung und nicht erst bei der Kostenfestsetzung zu treffen (ebenso von Wulffen, SGB X, 6. Auflage, 2008, Roos, § 63 Rdnr. 32; Beck scher Online-Kommentar, Hess, Stand 01.06.2009, § 63 Rdnr. 33a).
Die Beklagte hat es hier im Abhilfebescheid unterlassen über die Hinzuziehung des Bevollmächtigten zu entscheiden. Auch auf den Widerspruch des Klägerbevollmächtigten traf die Beklagte keine Entscheidung, sondern wies den Widerspruch als unbegründet ab, da eine Kostenentscheidung getroffen wurde. Da diese Kostenentscheidung mangels einer Bestimmung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten unvollständig und damit rechtswidrig war, war der Abhilfebescheid hinsichtlich der Kostenentscheidung abzuändern bzw. zu ergänzen. Die Beklagte kann die Zurückweisung nicht darauf stützen, dass der Kläger bisher keine Kosten zur Festsetzung bei ihr eingereicht hat. Nach § 63 SGB X hat die Beklagte zunächst eine Kostengrundentscheidung zu treffen und anschließend die Kostenfestsetzung vorzunehmen. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten ist sowohl vom Sinn und Zweck der zu treffenden Entscheidung als auch nach dem Gesetzeswortlaut des § 63 Abs. 3 Satz 3 SGB X ein Teil der Kostengrundentscheidung und nicht ein Teil des Kostenfestsetzungverfahren. Zunächst muss die Beklagte die grundsätzliche Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten bejahen, bevor es dann im Rahmen der Kostenfestsetzung über die Höhe der durch die Zuziehung eines Bevollmächtigten angefallenen Kosten entscheiden kann.
Die Zuziehung des Bevollmächtigten war hier auch notwendig. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ist unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sach- und Rechtslage eines Rechtsanwaltes bzw. eines sonstigen Bevollmächtigten bedient hätte (VGH München, Beschl. vom 14. Dezember 1988, Az.: 6 B 88.02259; OVG Münster, Beschl. vom 21. Juni 1989, Az.: 3 B 521/ 87). Notwendig ist die Zuziehung eines Rechtsanwaltes dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen (BVerwG, Urt. vom 13. Februar 1987, Az.: 8 C 35/ 85), wobei die Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit des betroffenen Bürgers nicht überschätzt werden dürfen. Nach diesen Grundsätzen war die Zuziehung eines Bevollmächtigten für den Kläger hier notwendig. Der dem Widerspruch zugrunde liegende Sachverhalt wirft nicht bloß einfach gelagerte Tatsachenfragen auf, sondern es handelte sich hier auch um rechtliche Probleme, die zur Unwirksamkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides führten. Aufgrund der Schwierigkeit der Berechnungen bei Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden muss es dem Kläger zur Wahrung seiner Rechten mit der Kostentragungspflicht der Beklagten nach § 63 Abs. 3 Satz 3 SGB X erlaubt sein, einen fachkundigen Bevollmächtigten einzuschalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung ist nicht zuzulassen, da der Berufungsstreitwert von 750,- Euro nicht erreicht wird und die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um den Umfang der Kostenentscheidung im Widerspruchsverfahren. Der Kläger bildet mit seiner Familie eine Bedarfsgemeinschaft, in der jedes Mitglied Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II von der Beklagten erhielt.
Der Kläger legte durch seinen Prozessbevollmächtigten gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 08. November 2007 Widerspruch ein. Die Beklagte half dem Widerspruch mit Bescheid vom 28. Februar 2008 ab. Die Kostenentscheidung in dem Abhilfebescheid lautete wie folgt:
"Gleichzeitig darf ich Ihnen mitteilen, dass die Ihnen im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen auf Antrag erstattet werden können."
Gegen diese Kostenentscheidung legt der Kläger wiederum Widerspruch ein, da sie keine Erklärung zu der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes enthielt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie verwies den Kläger darauf, dass die bisher notwendigen Auslagen durch den Kläger nicht geltend gemacht wurden.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte im Rahmen der Kostengrundentscheidung über die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten habe entscheiden müssen. Eine Entscheidung im Rahmen der Kostenfestsetzung sei hierfür nicht ausreichend.
Der Kläger beantragt,
die Kostenentscheidung im Abhilfebescheid vom 28. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 14. Mai 2009 abzuändern und die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Widerspruchsverfahren W 5164/07 für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Ergänzend wird wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Parteien sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte, die Gegenstand in der Beratung war, verwiesen.
Einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 124 Abs. 2 SGG haben die Parteien ausdrücklich zugestimmt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die Kostenentscheidung im Abhilfebescheid vom 28. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Nach § 63 Abs. 3 SGB X hat die Behörde über die Kosten im Widerspruchsverfahren zu entscheiden. Zwar fehlt in dem Sozialverfahrensrecht eine Regelung wie § 72 beziehungsweise § 73 Abs. 3 VwGO, die eine Kostenentscheidungspflicht von Amts wegen der Behörde vorsieht, jedoch ergibt sich diese Verpflichtung aus § 63 Abs. 1 und 3, wo es heißt: "Die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, ...". Die Festsetzung der zu erstattenden Aufwendungen setzt eine solche Kostenentscheidung dem Grunde nach voraus. Inhalt der Kostenentscheidung ist, wer Träger der Kosten und wie das Ausmaß der Erstattungspflicht (Höhe des Anteils) ist. Dabei hat sie gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 SGB X sich auch darüber zu erklären, ob Zuziehung eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten notwendig war. Diese Entscheidung hat die Behörde im Rahmen der Kostenentscheidung und nicht erst bei der Kostenfestsetzung zu treffen (ebenso von Wulffen, SGB X, 6. Auflage, 2008, Roos, § 63 Rdnr. 32; Beck scher Online-Kommentar, Hess, Stand 01.06.2009, § 63 Rdnr. 33a).
Die Beklagte hat es hier im Abhilfebescheid unterlassen über die Hinzuziehung des Bevollmächtigten zu entscheiden. Auch auf den Widerspruch des Klägerbevollmächtigten traf die Beklagte keine Entscheidung, sondern wies den Widerspruch als unbegründet ab, da eine Kostenentscheidung getroffen wurde. Da diese Kostenentscheidung mangels einer Bestimmung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten unvollständig und damit rechtswidrig war, war der Abhilfebescheid hinsichtlich der Kostenentscheidung abzuändern bzw. zu ergänzen. Die Beklagte kann die Zurückweisung nicht darauf stützen, dass der Kläger bisher keine Kosten zur Festsetzung bei ihr eingereicht hat. Nach § 63 SGB X hat die Beklagte zunächst eine Kostengrundentscheidung zu treffen und anschließend die Kostenfestsetzung vorzunehmen. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten ist sowohl vom Sinn und Zweck der zu treffenden Entscheidung als auch nach dem Gesetzeswortlaut des § 63 Abs. 3 Satz 3 SGB X ein Teil der Kostengrundentscheidung und nicht ein Teil des Kostenfestsetzungverfahren. Zunächst muss die Beklagte die grundsätzliche Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten bejahen, bevor es dann im Rahmen der Kostenfestsetzung über die Höhe der durch die Zuziehung eines Bevollmächtigten angefallenen Kosten entscheiden kann.
Die Zuziehung des Bevollmächtigten war hier auch notwendig. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ist unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sach- und Rechtslage eines Rechtsanwaltes bzw. eines sonstigen Bevollmächtigten bedient hätte (VGH München, Beschl. vom 14. Dezember 1988, Az.: 6 B 88.02259; OVG Münster, Beschl. vom 21. Juni 1989, Az.: 3 B 521/ 87). Notwendig ist die Zuziehung eines Rechtsanwaltes dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen (BVerwG, Urt. vom 13. Februar 1987, Az.: 8 C 35/ 85), wobei die Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit des betroffenen Bürgers nicht überschätzt werden dürfen. Nach diesen Grundsätzen war die Zuziehung eines Bevollmächtigten für den Kläger hier notwendig. Der dem Widerspruch zugrunde liegende Sachverhalt wirft nicht bloß einfach gelagerte Tatsachenfragen auf, sondern es handelte sich hier auch um rechtliche Probleme, die zur Unwirksamkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides führten. Aufgrund der Schwierigkeit der Berechnungen bei Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden muss es dem Kläger zur Wahrung seiner Rechten mit der Kostentragungspflicht der Beklagten nach § 63 Abs. 3 Satz 3 SGB X erlaubt sein, einen fachkundigen Bevollmächtigten einzuschalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung ist nicht zuzulassen, da der Berufungsstreitwert von 750,- Euro nicht erreicht wird und die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved