L 32 AS 1803/09 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 117 AS 26281/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 1803/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde und der Antrag werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Das SG hat den Eilantrag zu Recht abgelehnt. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst auf die Ausführungen im angegriffenen Beschluss Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Das Beschwerdevorbringen gibt zu einer anderen rechtlichen Bewertung keinen Anlass.

Der Senat lässt es dabei dahinstehen, ob die zweitinstanzliche Erweiterung des Antragsgegens-tandes zulässig im Rahmen des Streitgegenstandes erfolgt ist.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierbei dürfen Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (ständige Rechtsprechung des Senats, siehe auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -). Art. 19 Abs. 4 GG stellt nämlich insbesondere dann besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn das einstweilige Verfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirk-lichung eines Beteiligten droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose regelmäßig der Fall ist.

Hier ist allerdings davon auszugehen, dass dem Antragsteller kein Anspruch auf volle oder teilweise Übernahme der Schulden gegenüber dem bisherigen Vermieter nach § 22 Abs. 5 Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) zusteht. Zweck einer solchen Schuldenübernahme ist es, die bisherige Wohnung als Unterkunft zu erhalten. Kann die Wohnung nicht gehalten werden kann der Zweck nicht erreicht werden. Dies ist der Fall, wenn die Räumung nicht (mehr) abgewendet werden kann oder die Prognose künftiger Beachtung aller Mieterpflichten als Voraussetzung für den längerfristigen Fortbestand des Mietverhältnisses über die Wohnung negativ ausfällt (so bereits B. des Senats vom 27. September 2007 - L 32 B 1558/07 AS ER - und vom 17. Januar 2008 - L 32 B 3217/07 AS ER - mit Nachweisen). Auch dann ist der Erhalt der Wohnung nicht "gesichert". Nur ein nicht nur vorübergehender gesicherter Erhalt der Wohnung kann es rechtfertigen, einem Gläubiger des Antragstellers (der bisherige und/oder künftige Vermieter) auf Staatskosten das Ausfallrisiko abzunehmen.

Es ist hier konkret nicht hinreichend ersichtlich, dass ein neues Mietverhältnis über die Woh-nung FStraße zustande kommen wird, von der der Antragsgegner bezweifelt, dass der Antragsteller dort überhaupt wohnt. Dieser ist vielmehr rechtskräftig zur Räumung verurteilt. Der Vermieter hat sich zur Fortsetzung nur unter der Voraussetzung bereiterklärt, dass die Rückstände auf dem Mieterkonto beglichen werden und die Zahlung der laufenden Miete gesichert ist. Dass diese Bedingung eintreten kann, ist von dem –anwaltlich vertretenen- Antragsteller nicht glaubhaft gemacht: Es ist bereits unklar, welche Schulden der Antragsteller bei seinem Ver-mieter hat. Die eingereichte Aufstellung umfasst nur die fehlenden Mietzahlungen selbst und nicht die Kosten für die Räumungs- und Zahlungsklage. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, für den Antragsteller diese Umstände aktuell aufzuklären. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die laufenden Mietzahlungen gesichert sind. Der Antragsgegner gewährt aktuell keine Kosten für Unterkunft und Heizung. Dass der einschlägige Bescheid vom 10. Juli 2009 sicher rechtswidrig ist, kann nicht angenommen werden. Nach dem Schriftsatz vom 2. November 2009 ist dem Antragsteller erst jetzt aufgefallen, dass ihm seit Juli keine laufende Erstattung der Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligt wurden. Es ist also davon auszugehen, dass der Bescheid bestandskräftig ist.

Es kann darüber hinaus unabhängig hiervon auch nicht zu Gunsten des Antragstellers davon ausgegangen werden, dass die Prognose des Antragsgegners falsch ist, der Erhalt der Wohnung sei nicht gesichert: Eine negative Prognose ist angezeigt, wenn durch das bisherige Verhalten auf eine solche Un-zuverlässigkeit bei der Erfüllung mietvertraglicher Pflichten zu schließen ist, die das Verursachen neuer Kündigungsgründe in Zukunft besorgen lassen. Der Antragsteller hat sich hier als unzuverlässig erwiesen. Er hat die Wohnung nämlich unter-vermietet, ohne sich um die Sicherstellung seiner Pflichten zur Zahlung der Miete zu kümmern. Er hat nicht glaubhaft gemacht, von seinem Untermieter ernsthaft die Zahlung der Miete gefordert zu haben. Weiter - und ebenfalls alleine die Antragsablehnung tragend - kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Schuldenübernahme gerechtfertigt ist. Diese Tatbestandsvorausset-zung ist sowohl bei der Ermessensvorschrift des § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II vorgesehen, als auch bei § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II. Auch im Falle drohender Wohnungslosigkeit ist die Übernahme der Schulden zum Erhalt der Wohnung nicht immer geboten, sondern nur, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Da nach Satz 2 bei drohender Wohnungslosigkeit die Kosten übernommen werden sollen, also im Regelfall zwingend zu übernehmen sind, es ansonsten im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde steht, kann sich das "Gerechtfertigt-Sein" nur auf die Angemessenheit der Wohnung beziehen sowie auf das Verhältnis der zu übernehmenden Kosten zu den der Behörde - oder der anderer öffentlicher Stellen - bei Verlust der Wohnung entstehenden Kosten (so bereits Beschluss vom 17. Januar 2008 mit weiterem Nachweis). Der Erhalt der Wohnung rechtfertigt sich nämlich generell nicht zu jedem Preis. Persönliche Umstände (Verschulden der Situation oder gar Missbrauch, mangelnder Selbsthilfewillen) stehen hingegen (nur) nach Satz 2 im Einzelfall einer Übernahme entgegen und können nach Satz 1 im Rahmen der Ermessensausübung zur Ablehnung führen. Hier ist bereits nicht hinreichend sicher, dass die Übernahme der erstinstanzlich bereits mit rund 3.650,- EUR und in zweiter Instanz mit rund 5.600,- EUR bezifferten Mietschulden im angemessenen Rahmen zu den dadurch ersparten Aufwendungen stehen: Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dem Antragsteller generelle Wohnungslosigkeit (Obdachlosigkeit) droht, weil anderweitiger zumutbarer Wohnraum zu ähnlichen Kosten in Berlin-Mnicht zur Verfügung steht. Zudem ist aber -die Erfüllung aller Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II unterstellt- das Ermessen des Antragsgegners jedenfalls nicht dahingehend reduziert, dass eine Ablehnung sicher ermessensfehlerhaft wäre ("Ermessensreduzierung auf Null"). Es gibt gute Gründe, die Schulden nicht zu übernehmen. Der Antragsteller hat insbesondere die Situation selbst verschuldet. Er hat überdies Mietschulden in einer Höhe anlaufen lassen, die weit über derjenigen liegt, welche zur fristlosen Kündigung berechtigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entsprechend

Prozesskostenhilfe war nicht zu bewilligen, weil der Antrag und die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt haben (§ 73a SGG i. V. § 114 Zivilprozessordnung). Die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist nach den genannten Vorschriften davon abhängig, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Sie darf allerdings nur verweigert werden, wenn das Begehren völlig aussichtslos ist oder ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine Entfernte ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2005 - 1 BvR 175/05 - NJW 2005, 3849 mit Bezug u. a. auf BVerfGE 81, 347, 357f). Die Erfolgschancen hier in diesem Fall sind bestenfalls entfernt gewesen.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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