L 1 KR 475/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 511/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 475/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Oktober 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2006 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2) ab dem 18. Februar 1988 der Rentenversicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI. Buch unterliegt. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Diese haben ihre Kosten selbst zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren auf jeweils 10.000 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Im Streit steht, ob der Beigeladene zu 1) (nachfolgend nur noch "der Beigeladene") als Koch bei seiner Ehefrau, der Beigeladenen zu 2), Inhaberin L (nachfolgend nur noch "die Beigeladene"), seit dem 18. Februar 1988 abhängig beschäftigt ist.

Die Beigeladene ist Hotelfachfrau und betreibt das L als Restaurant- und Hotelbetrieb. In diesem ist der Beigeladene zu 1) als Koch zu einem regelmäßigen monatlichen Arbeitsgeld in Höhe von 2.300,81 Euro brutto tätig, der in Eigenregie die komplette Restauration des Hauses bewältigt. Das Restaurant hat 50 Sitzplätze, einen Saalbetrieb für 135 Personen, der Hotelbereich 14 Hotelzimmer mit 27 Betten.

Die Beigeladenen zu 1) und 2) (nachfolgend nur noch: "die Beigeladenen") hatten sich bereits 1979 während ihrer Ausbildungen kennen gelernt. 1987 fassten sie den Entschluss, sich selbständig zu machen. Da der Verpächter - nach ihren Angaben - nur an ein Ehepaar verpachten wollen, heirateten sie 1987. Der Beigeladene übernahm am 16. November 1987 eine selbstschuldnerische Mithaftung für einen Kredit der Beigeladenen über 25.800,- DM. Er bürgte weiter unter dem 23. Dezember 1987 für einen Kredit in Höhe von 155.000,- DM. Der Betrieb wurde am 18. Februar 1988 eröffnet. Am 27. Mai 1992 nahmen die Beigeladenen gemeinsam einen Kredit in Höhe von 1.300.000,- DM für den Erwerb des Anwesens durch die Beigeladene auf.

Die Beigeladenen beantragten am 22. Dezember 2005 die versicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen bei seiner Ehefrau und reichten dazu einen für sie von ihren Steuerberatern bzw. Wirtschaftsprüfern ausgefüllten und unterschriebenen Feststellungsbogen ein.

Mit Bescheid vom 2. Februar 2006 stellte die Beklagte fest, dass Versicherungspflicht nicht bestehe. Eine Rücknahme für die Vergangenheit könne nicht erfolgen, weil es sich insoweit um die Rücknahme eines rechtswidrigen, begünstigenden Verwaltungsaktes im Sinne des § 45 Sozialgesetzbuch X. Buch (SGB X) handeln würde. Die Versicherungspflicht ende daher zum 31. Januar 2006. Die Beigeladenen erhoben insoweit Widerspruch. Die Beklagte wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 14. Februar 2006 erstmals an die Klägerin und teilte dies auch dem bevollmächtigten Steuerberater der Beigeladenen mit. Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 5. Mai 2006, sie halte den Beigeladenen für abhängig beschäftigt. Mit Schreiben vom 21. Juni 2006 wandte sich die Beklagte erneut an die Klägerin und teilte dies den Beigeladenen am selben Tag mit. Die Klägerin blieb bei ihrer Haltung.

Mit Abhilfebescheid vom 30. November 2006 stellte die Beklagte fest, dass das Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen seit 18. Februar 1988 nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege. Als Rechtsbehelf nennt die beigefügte Belehrung den Widerspruch. Eine Kopie ihres Bescheides übersandte sie gleichzeitig an die Klägerin.

Die Klägerin hat am 23. Januar 2007 Klage erhoben. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass steuerrechtlich von einer nichtselbständigen Arbeit ausgegangen werde. Das Arbeitsentgelt würde als Betriebsausgabe verbucht und Lohnsteuer gezahlt. Werde steuerrechtlich von einem Arbeitsverhältnis unter Ehegatten ausgegangen, so müsse regelmäßig auch für den Bereich der Sozialversicherung von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gesprochen werden (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 21. April1993 - 11 RAr 67/92 - USK 9335).

Die Beklagte hat diesen Ausführungen widersprochen. Sie hat auf das Urteil des BSG vom 24. November 2005 (B 12 RA 1/04 R) verwiesen. Die steuerliche Behandlung des Arbeitsentgeltes habe danach keine Indizwirkung für die Sozialversicherungspflicht. Der Beigeladene sei über das gemeinsam aufgenommene Darlehen in nicht unerheblicher Höhe wirtschaftlich abhängig vom Betrieb. Sein Gehalt stellte keinen angemessenen Gegenwert dar. Auch die Übernahme von Bürgschaften deute auf sein unternehmerisches Interesse hin.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 10. Oktober 2008 abgewiesen. Zwar sprächen die regelmäßige Zahlung eines Gehalts, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall, der Abzug von Lohnsteuern und die Verbuchung als Betriebsausgabe und auch die von den Beigeladenen selbst angegebene Rechtsform als Einzelunternehmen für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen. Gegen diese äußere Form, bei deren Wahl möglicherweise steuerrechtliche Gründe im Vordergrund gestanden hätten, sprächen die tatsächlichen Umstände und die Angaben der Beigeladenen im Klageverfahren für eine gesellschaftsvertragliche Grundlage der Tätigkeit des Beigeladenen. Hierfür sprächen die Angabe zur Unternehmensgründung und der Umstand, dass die finanziellen Mittel für die Unternehmensgründung von beiden Eheleuten aufgebracht worden seien. 1992 habe sich der Beigeladene als Mitdarlehensnehmer an der Unternehmensgründung beteiligt. Allein darin liege ein ganz wesentliches Indiz dafür, dass die Eheleute als gemeinsamen Zweck die Ausübung eines Gewerbebetriebes verfolgt hätten. Ein weiteres Indiz sei die lange Arbeitszeit des Beigeladenen und der Umstand, dass beide Beigeladenen über fachspezifische Kenntnisse verfügten. Eine bloß funktionell dienende Teilhabe am Arbeitsprozess könne vorliegend nicht angenommen werden (Bl. 44 ff).

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Es sei bei den Beigeladenen von einem Motivwechsel auszugehen: Über Jahre sei aus sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht ein Beschäftigungsverhältnis gelebt worden. Nunmehr erscheine die selbständige Tätigkeit mit der Folge der Beitragserstattung attraktiver zu sein. Jedenfalls sei die Gründung einer Personengesellschaft zum Betrieb des L nicht dokumentiert.

Sie beantragt,

1. unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 10. Oktober 2008 den Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2006 aufzuheben, 2. festzustellen, dass der Versicherte und Beigeladene zu 1) K E in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 2) ab dem 18. Februar 1988 der Rentenversicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI. Buch unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beigeladene sei Weisungen seiner Ehefrau nicht ausgesetzt. Die Mitarbeit sei aufgrund familienhafter Rücksichtnahme durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zur Beigeladenen geprägt.

Die Beigeladenen halten die Klage für verfristet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten sei der Klägerin mit Rechtsbehelfsbelehrung bekannt gemacht worden. Der Beigeladene übe nicht die typischen Aufgaben eines abhängig Beschäftigten aus. Er kümmere sich in Eigenregie um die komplette Restauration, da er der alleinige Koch sei. Die Beigeladene kümmere sich um die kaufmännischen Arbeiten, den Einkauf sowie die Planung und Organisation des Hotelbetriebes. Sämtliche Entscheidungen hinsichtlich des Hauses träfen die Eheleute gemeinsam. Somit lasse sich weder ein typischer Arbeitnehmer-Arbeitgebergegensatz noch ein Über-/Unterordnungsverhältnis feststellen. Es sei auch mangels eines Bedürfnisses kein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden. Deswegen gebe es auch keine Regelungen hinsichtlich des Überstundenausgleiches oder zur Abgeltung nicht genommenen Urlaubes. Kein Arbeitnehmer, auch kein leitender Angestellter, würde bei diesem zeitlichen Umfang zu einem derart geringen Entgelt arbeiten wie der Beigeladene. Die Beigeladene habe nur rein formal ein freies Entscheidungsrecht auch über sämtliche üblichen Belange außerhalb der Küche. Die über 20 Jahre hinweg gelebte gemeinsame Führung des Unternehmens widerspreche der äußeren Form als Einzelunternehmen. Es sei jedoch sowohl im Familienrecht als auch im Sozialrecht anerkannt, in bestimmten Fällen eine Familien- Innengesellschaft anzunehmen. Der Beigeladenen wirke bei der Führung des Betriebes in Personalfragen, im Auftreten gegenüber den Banken und dem Steuerberater mit. Müsste er ausscheiden, müsste seine Arbeitsleistung durch mehrere dann einzustellende Köche ersetzt werden. Das Haus würde in diesem Falle seinen Ruf verlieren und könnte nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. Das L werbe auch nicht mit der Beigeladenen als Inhaberin sondern als "Familie E".

Für die äußere Form des Unternehmens sei entscheidend gewesen, von den Einnahmen auch den privaten Lebensstandard finanzieren zu können. Insoweit sei es im Ergebnis unerheblich, ob der Ehemann förmlich Mitunternehmer sei, da der Gewinn den Eheleuten und ihren Kindern gemeinsam zur Verfügung stehe. Die Beigeladene habe nicht "das letzte Wort". Die Beigeladenen hätten nur als Ehepaar den Pachtvertrag erhalten können. Das L liege in einer streng katholischen Enklave. Direkt nach der standesamtlichen Trauung sei man zur Unterzeichnung des Pachtvertrages gefahren. Bereits die Ersparnisse der Beigeladenen, welche sie in ihrer Tätigkeit bei der Hotelkette Dangespart hätten, seien als gemeinsames Startkapital für die Übernahme des Pachtobjektes verwendet worden. Der der endgültigen Übernahme des Gastronomie- und Hotelbetriebes dienende Darlehensvertrag sei von den Eheleuten gemeinschaftlich abgeschlossen worden. Trotzdem sei nur die Ehefrau als Eigentümerin eingetragen worden. Ein Pachtvertrag bestehe zwischen den Eheleuten nicht. Im Falle der Scheidung wäre die Beigeladene zum Zugewinnausgleich verpflichtet. Der Betrieb wäre in diesem Falle nicht weiter fortführbar, weil die kreditfinanzierende Bank umfänglich erstrangig mit einer Grundschuld gesichert sei. Beide Eheleute müssten in Privatinsolvenz gehen. Die Tilgung des Darlehens solle mit angesparten Lebensversicherungen erfolgen. Diese seien an die kreditfinanzierende Bank abgetreten. Die Versicherung auf zwei verbundene Leben biete sich insbesondere an, wenn bei einem Ehepaar beide berufstätig seien und beide fast gleichviel verdienten. Dann müssten nämlich auch beide Partner zur Absicherung der Familie versichert sein. Der Beigeladene übe auch täglich und tatsächlich Rechtsmacht aus. Seine Erklärungen wären auch für seine Ehefrau im Rahmen der Regelungen über die Anscheins- und Duldungsvollmacht verbindlich.

Das L habe Finanzaufwendungen für laufende Verbindlichkeiten im Jahr 2007 in Höhe von 41.344,01 Euro gehabt. Trotz Umsatzerlösen von 299.830 Euro sei nach Abzug der Kosten nur ein Gewinn von 2.099,67 Euro verblieben.

Die Beigeladenen haben ergänzend den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2007 des eingereicht sowie aktuelle Steuerbescheide (GA Bl. 200 ff). Sie haben ergänzend vorgebracht (GA Bl. 237 ff) sich auf die im Schriftsatz vom 18. September 2009 im einzelnen angeführten Urteile zu berufen.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Es konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Alle Beteiligte haben sich damit einverstanden erklärt, §§ 154 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung hat Erfolg. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

Sie ist zunächst als Anfechtungsklage zulässig und begründet.

Vor Klageerhebung bedurfte es keines Vorverfahrens, weil die Klägerin ein Versicherungsträger nach der Ausnahmevorschrift des § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. SGG ist. Die Klagefrist hat hier nicht einen Monat gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG nach Bekanntgabe betragen. Die Monatsfrist beginnt nämlich gemäß § 66 Abs. 1 SGG nur dann zu laufen, wenn der "Beteiligte" über den richtigen Rechtsbehelf - hier also die Klage - schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Die Klägerin ist Beteiligte, auch wenn sie als mittelbare Bundesverwaltung keiner Rechtmittelbelehrung bedarf. Beteiligte sind nämlich nach § 69 SGG (alle) Kläger. Statt der Monatsfrist hat deshalb gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 eine Jahresfrist seit der Bekanntgabe gegolten.

Die Klägerin hat das Klagerecht auch nicht verwirkt. Besondere Umstände, die eine Verwirkung auslösen, liegen vor, wenn der Verpflichtete (hier die Beigeladenen) in Folge eines bestimmten Verhaltens (Verwirkungsverhalten) berechtigt vertrauen durfte, dass der Berechtigte (hier: die Klägerin) das Recht (hier: Klagerecht mit der möglichen Konsequenz im Falle eines obsiegenden Urteils, Beiträge nicht rückerstatten zu müssen) nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich in Folge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (so bereits Urteil des Senats vom 17. April 2008 - L 1 KR 356/06 - unter Bezugnahme auf BSGE 80, 41, 43f mit weiteren Nachweisen der ständigen Rechtssprechung des BSG). Hier fehlt es bereits an einem Verwirkungsverhalten: Die Klägerin hat nicht durch lange Untätigkeit den Eindruck erweckt, wie sei mit der Entscheidung der Beklagten einverstanden. Sie hat zwar nicht zeitnah, jedoch innerhalb eines Zeitraumes von weniger als drei Monaten auf das Schreiben der Beklagten vom 14. Februar 2006 mit Schreiben vom 5. Mai 2006 geantwortet. Die Beigeladenen kannten ihre Position spätestens ab Zugang des Schreibens der Beklagten vom 21. Juni 2006. Die Klage selbst (23. Januar 2007) ist zwar ist bereits nach weniger als zwei Monaten nach Bekanntgabe des Bescheides vom 30. November 2006 erfolgt.

Die Klage ist begründet: Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Rentenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 6. Buch - SGB VI -) Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG-Urteile vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45) (so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 0/04 R - Juris). Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -). Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002 - 42). Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8). Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 - 7 Rar 25/86 BB 1989,72; Urteil vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R USK 9975).

Bei der entsprechenden Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall überwiegen die Merkmale, die für eine Abhängigkeit sprechen. Dass auch vieles für fehlende Abhängigkeit spricht, muss deshalb im Ergebnis unberücksichtigt bleiben:

Ein Indiz für eine abhängige Arbeitnehmereigenschaft ist zunächst, dass der Beigeladene einen oder mehrere ansonsten anzustellenden Arbeitnehmer ersetzt. Von der Qualität der Leistungen des oder der Köche hängt der Ruf eines Restaurants unabhängig von deren rechtlichen Status ab. Es ist deshalb nicht entscheidend, dass der Beigeladene nach Auffassung seiner Ehefrau und seiner eigenen unersetzlich ist. Für abhängige Beschäftigung spricht, dass der Beigeladene eine regelmäßige Bezahlung unabhängig von der Ertragslage des Gasthauses erhalten hat. Dies ist auch nicht so gering, dass nur von einer familienhaften Mithilfe ausgegangen werden kann.

Er hat weiter keine eigene Betriebsstätte und kann nicht über die eigene Arbeitskraft frei verfügen.

Es ist auch bereits nach dem Vortrag der Beigeladenen selbst nicht so, dass der Beigeladene nach eigenem Gutdünken wie ein Unternehmer auftreten kann. Er ist zwar als Küchenchef für einen große Teil des Unternehmens verantwortlich und tritt insoweit auch nach außen mit Vollmacht auf. Das Unternehmen wird aber von seiner Ehefrau geleitet: Zwar führen die Beigeladenen das L gemeinsam und arbeitsteilig. Von Rechts wegen steht jedoch der Beigeladenen das Letzt- und Alleinentscheidungsrecht zu.

Für abhängige Beschäftigung spricht hier ferner mit starkem Gewicht, dass die Beigeladenen und ihre Steuerbevollmächtigten über Jahre gegenüber den Steuerbehörden von einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bzw. einer lohnsteuerpflichtigen Beschäftigung ausgegangen sind. Die Gehaltszahlungen werden als Betriebsausgaben verbucht. Auch insoweit gehen sie also von einem gelebten Arbeitsverhältnis aus. Es unterliegt nicht der Disposition der Beigeladenen, die Wirkungen des Vertragsverhältnisses nach Maßgabe ihrer Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (BSG, Urteil vom 24. Janura 2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 juris Rdnr. 20).

Das Risiko, das der Beigeladenen auf sich genommen hat, indem er die erheblichen Bürgschafts- und die Darlehensverpflichtungen eingegangen ist, ist demgegenüber nicht so gewichtig, dass die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung nicht überwögen: Der Beigeladene trägt durch die Übernahme der Mithaftung für einen Kredit der Ehefrau über 25.800 DM sowie die Bürgschaft für einen weiteren Kredit der Ehefrau über 155.000 DM ein recht hohes Unternehmerrisiko. Es handelt sich dadurch aber nicht um eine Gesellschaft. Gleiches gilt für die Mithaftung für das umfangreiche Darlehen zur Finanzierung des Kaufes des Anwesens, der allerdings nicht nur unternehmensbezogen ist, sondern auch die Beigeladene als Privatperson betrifft. Insoweit gilt weiter, dass das Anwesen nicht von den Eheleuten gemeinsam erworben wurde. Wohl im Hinblick auf die steuerlichen Gegebenheiten (Abschreibung des gesamten Anwesens und vor allem Absetzung aller Zinslasten als Betriebsausgaben) ist nur die Beigeladene Eigentümerin. Dies unterstreicht aber auch ihr Letztentscheidungsrecht. Im Gegensatz zu ihrem Ehemann könnte die Beigeladene das Anwesen verkaufen bzw. verpachten. Dieser partipiziert von Rechts wegen nur über den Zugewinnausgleich von dem zunehmenden Vermögensaufbau, der sich spätestens mit der Rückzahlung des Darlehens zur Kauffinanzierung durch die fälligen Lebensversicherungen realisieren wird.

Dass die Eheleute über die Jahre hin alle Geschäftsangelegenheiten einvernehmlich regeln, das Unternehmen als ihr gemeinsames Familienunternehmen begreifen ist nach vorgenannten Grundsätzen nicht entscheidend. Ganz allgemein kann ein ständiges und bestehendes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht den Status als abhängig Beschäftigter aufheben.

Das Feststellungsbegehren stellt sich als zulässige Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG dar (ebenso bereits Urteil des Senats vom 13. März 2009 - L 1 KR 555/07 -): § 55 SGG bestimmt im Gegensatz zu § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung und § 41 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung nicht ausdrücklich, dass eine Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder dies hätte können. Soweit der so genannte Subsidiaritätsgrundsatz ungeachtet dessen auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Feststellungs- bzw. Rechtsschutzbedürfnisses. An einem solchen fehlt es, wenn es eine effektivere Klagemöglichkeit gibt oder das Feststellungsurteil den Rechtsstreit noch nicht abschließend erledigen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 - B 10 LW 4/05 R - mit weiteren Nachweisen). Hier führt die Anfechtungsklage nur zur Aufhebung der eine Versicherungspflicht verneinenden Bescheide der Beklagten und nicht umgekehrt automatisch zur Feststellung der Rentenversicherungspflicht. Die Beklagte könnte sich der Klägerin gegenüber rein formal auf den Standpunkt stellen, dass zwar der die Beigeladenen aus deren Sicht begünstigender Bescheid der Beklagten als Einzugsstelle aufgehoben worden sei, die dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Erwägungen jedoch falsch und unverbindlich seien. Eine Verpflichtungsklage auf Erlass entsprechender Bescheide gegen die Einzugsstellen wäre weiter kein einfacherer Weg als die Feststellungsklage (ebenso BSG, Urteil vom 1. September 2005 - B 3 KR 3/04 R -). Die Klage ist aus den soeben ausgeführten Gründen auch begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Die grundsätzlichen Kriterien sind von der Rechtsprechung geklärt.

Der Beschluss über den Streitwert, der nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar ist, folgt aus §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG. Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Senats bemisst sich dieser für Fälle außerhalb des Antragsverfahrens nach § 7a SGB IV in einem Rechtsstreit über die Versicherungspflicht regelmäßig nach dem Auffangstreitwert. Die wirtschaftliche Bedeutung eines solchen Rechtsstreits kann nämlich regelmäßig nicht überblickt werden. Er korrespondiert regelmäßig nicht mit der Höhe der entweder zu erstattenden oder nachzufordernden Versicherungsbeiträge. Auch kann der wirtschaftliche Wert, gesetzlich rentenversichert zu sein, kaum bemessen werden. Sind aber Zeiträume von mehr als fünfzehn Jahren streitbefangen, ist regelmäßig eine Verdoppelung des Streitwertes angemessen, ab dreißig Jahren eine Verdreifachung. Ein Ausnahmefall, in welchem eine Eingrenzung aufgrund der Umstände des Einzelfalles geboten ist (zum Beispiel bei fehlender Zukunftsbezogenheit, Begrenzung der Versicherung auf wenige Tage oder ähnliches) liegt nicht vor. Hier steht ein Zeitraum von über fünfzehn aber weniger als dreißig Jahren im Streit. Die Abänderung der Streitwertfestsetzung für die erste Instanz folgt aus § 63 Abs. 3 GKG.
Rechtskraft
Aus
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