L 3 AS 1366/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 3390/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 1366/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig.

Der 1961 geborene Kläger Ziff. 1, seine 1962 geborene Ehefrau, die Klägerin Ziff. 2, sowie deren 1990 und 1992 geborenen, schwerbehinderten Kinder (Kläger Ziff. 3 und 4), welche die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit besitzen, kamen im Mai 2003 aus Aserbeidschan nach Deutschland. Sie sind im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis mit der Verpflichtung, den Wohnsitz im Freistaat Sachsen im Landkreis Chemnitzer Land zu nehmen.

Den Klägern wurden von der Arbeitsgemeinschaft Leipzig Leistungen nach dem SGB II u.a. für den Zeitraum vom 01.07.2006 bis 31.12.2006 bewilligt (Bescheid vom 23.06.2006) und tatsächlich gezahlt.

Mit Bescheid vom 29.11.2006 hat die Arbeitsgemeinschaft Leipzig den Antrag des Klägers Ziff. 1) auf Gewährung von Umzugskostenbeihilfe abgelehnt mit der Begründung, für die Zeit vor Mai 2007 könne keine Umzugskostenbeihilfe genehmigt werden, da er bis zu diesem Zeitpunkt noch in Sachsen ansässig sein müsse.

Am 15.12.2006 stellten die Kläger bei der Beklagten den Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Auf dem Antragsformular ist vermerkt, sie zögen am 15.12.2006 in deren Zuständigkeitsgebiet.

Ausweislich eines Beratungsvermerks wurde mit dem Kläger Ziff. 1) bei einem persönlichen Kontakt am 30.11.2006 vereinbart, er solle sich wieder melden, wenn die Ausländerbehörde die Genehmigung zur Verlegung des Wohnsitzes erteile. Es bleibe jedoch bei der Ablehnung, wenn kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zustande komme.

Mit Schreiben vom 28.11.2006 übersandte die Stadt Leipzig der Beklagten einen unbefristeten Arbeitsvertrag des Klägers Ziff. 1) mit der Gesellschaft Import und Export D. P., China. Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 13.11.2006 (Bl. 27 der Verwaltungsakten) sollte der Kläger Ziff. 1) ab 01.01.2007 als Vertreter der Gesellschaft im Bezirk Baden-Württemberg tätig werden. Für die ersten sechs Monate war ein Gehalt von 200,00 EUR monatlich vereinbart. Ausweislich der Anmeldebestätigung vom 30.11.2006 zogen die Kläger am 15.12.2006 von Leipzig nach St. Georgen im Schwarzwald.

Mit Bescheid vom 05.12.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, nach dem Aufenthaltstitel sei die Wohnsitznahme der Kläger auf das Bundesland Freistaat Sachsen beschränkt. Ihr gewöhnlicher Aufenthalt sei somit nicht in Baden-Württemberg, sondern im Freistaat Sachsen. Die dortige Agentur für Arbeit sei für die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung zuständig. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2006, auf den Bezug genommen wird, zurück.

Hiergegen haben die Kläger, die am 09.01.2007 wieder in den Freistaat Sachsen gezogen sind, am 29.12.2006 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung haben sie vorgetragen, der Umzug sei aus medizinischen Gründen unerlässlich. Beide Kinder seien schwerbehindert. Der Aufenthalt in Leipzig sei ihrer Gesundheit abträglich. Demgegenüber sei das Klima am neuen Wohnort im Schwarzwald deren Gesundheit förderlich.

Mit Bescheid vom 20.12.2006 lehnte das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis die Gewährung von Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung ab.

Mit Beschluss vom 14.02.2008 hat das SG die Arbeitsgemeinschaft Leipzig zum Verfahren beigeladen.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.03.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei für die Gewährung von Leistungen gemäß § 36 SGB II örtlich nicht zuständig.

Hiergegen haben die Kläger am 18.03.2009 Berufung eingelegt. Sie vertreten die Auffassung, die Beschränkung ihres gewöhnlichen Aufenthalts auf das Gebiet des Freistaats Sachsen sei unrechtmäßig. Der Kläger Ziff. 1 hat weiter ein Schreiben vom 08.01.2007 vorgelegt, in welchem das Arbeitsverhältnis gekündigt worden ist.

Mit Schreiben vom 18.05.2009 haben die Kläger vorgetragen, sich vom 15.12.2006 bis zum 09.01.2007 in Peterzell aufgehalten zu haben.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 2. März 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 15. Dezember 2006 bis 09. Januar 2007 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor, da die geltend gemachten Leistungen den Betrag von 750 EUR übersteigen.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte ist für Leistungen an die Kläger örtlich nicht zuständig.

Nach § 36 SGB II ist für die Leistungen der Grundsicherung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB II die Agentur für Arbeit zuständig, in deren Bezirk der erwerbsfähige Hilfebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für die Leistung der Grundsicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II ist der kommunale Träger zuständig, in dessen Bezirk der erwerbsfähige Hilfebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) hat jemand dort den gewöhnlichen Aufenthalt, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese gesetzliche Definition ist auch für den Bereich des SGB II maßgeblich (Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 36 Rdnr. 19). Hierbei kommt es nicht auf die ordnungsbehördliche Meldung an. Maßgeblich sind jedoch bestehende ausländer- oder asylrechtliche Aufenthaltsbeschränkungen. Sofern ein Ausländer verpflichtet ist, sich an einem ihm zugewiesenen Aufenthaltsort aufzuhalten, diesen aber ohne Zustimmung der zuständigen Behörde verlässt, ist sein Aufenthalt an einem anderen Ort illegal und gilt deshalb nicht als gewöhnlicher Aufenthalt im gesetzlichen Sinne. Bei Vorliegen solcher Aufenthaltsbeschränkungen kommt es deshalb nicht auf den Willen an, sich an einem bestimmten Ort außerhalb des zulässigen Aufenthaltsbereichs aufzuhalten. Auch ist der konkrete Aufenthalt nicht maßgeblich.

Die den Klägern ausgestellten unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse enthalten eine räumliche Aufenthaltsbeschränkung auf den Landkreis Chemnitzer Land im Freistaat Sachsen. Im maßgeblichen Zeitraum wurde diese Aufenthaltsbeschränkung nicht aufgehoben. Auch lag keine Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde zur Wohnsitznahme an einem anderen Ort vor. Die zuständige Ausländerbehörde des Zuzugsortes, das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis, hat vielmehr der Ausländerbehörde der Stadt Leipzig und der Beklagten mitgeteilt, dass dem Zuzug der Kläger nicht zugestimmt werde. Damit lag ein gewöhnlicher Aufenthalt der Kläger im Bezirk der Beklagten nicht vor mit der weiteren Folge, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gegen die Beklagte für den streitigen Zeitraum nicht besteht.

Die Kostenfolge beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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