L 2 KN 195/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KN 144/05
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 KN 195/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Münster vom 15. und 16.08.2007, vom 18. und 19.09.2007 und vom 12.11.2008 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten nicht zu erstatten. Dem Kläger werden Kosten gemäß § 192 SGG in Höhe von 500,00 EUR auferlegt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt einen früheren Rentenbeginn, eine höhere Rente, eine Verzinsung der Nachzahlung seiner Rente und die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes.

Der im Juli 1962 geborene Kläger, der von 1977 bis 1987 im deutschen Steinkohlenbergbau beschäftigt war, beantragte im März 2000 bei der Beklagten eine berufsfördernde Maßnahme der Rehabilitation. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil der Kläger die persönlichen Voraussetzungen für eine solche Leistung nicht erfülle. Er sei als Wettermesshelfer in seiner Erwerbsfähigkeit nicht erheblich gefährdet oder gemindert (Bescheid vom 31.07.2000; Widerspruchsbescheid vom 16.10.2000). Die dagegen erhobene Klage nahm der Kläger am 10.04.2001 in einem Erörterungstermin beim SG Münster zurück.

In einem auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente gerichteten Klageverfahren (SG Münster S 7 KN 39/01; LSG NRW L 2 KN 188/01) verpflichtete sich die Beklagte, dem Kläger eine Reha-Maßnahme und Leistungen wegen Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ab Antragstellung vom 04.05.2000 zu gewähren (verfahrensbeendender Vergleich vom 21.11.2002). Dieser Vergleich war Gegenstand eines weiteren Verfahrens (L 2 B 19/03 KN), welches mit "interpretierendem” Beschluss vom 03.05.2004 endete. Aus diesem Vergleich vollstreckte der Kläger erfolgreich seinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Beschluss des Senats vom 03.05.2004 im Verfahren L 2 B 19/03 KN; Bescheid der Beklagten vom 18.05.2004).

Sodann begehrte der Kläger einen Beginn der Rente unter Zugrundlegung seines Antrages auf Rehabilitation vom 01.03.2000 und machte darüber hinaus einen Berufsstand als Techniker geltend, den er nach seiner Auffassung erzielt hätte, wenn er nicht erkrankt wäre. Dementsprechend müsse sich seine Rentenhöhe bemessen.

Mit der am 19.09.2005 vor dem Sozialgericht München erhobenen Klage (S 7 Kn 144/05) hat sich der Kläger gegen den Rentenbescheid vom 18.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2005 gewandt. Das Sozialgericht München hat den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Münster verwiesen.

Klageinhalt der am 09.11.2005 erhobenen Klage (S 7 KN 135/05) ist eine fehlende Rentenerhöhung. Nach Vortrag des Klägers habe seine Rente entsprechend dem Durchschnittsverdienst aller Versicherter erhöht werden müssen. Mit der am 03.05.2006 zum Sozialgericht Dortmund erhobenen Klage (S 7 KN 118/06) hat der Kläger die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes und die Vornahme eines unterlassenen Verwaltungsaktes geltend gemacht und weiter ausgeführt, er begehre "die Feststellung der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes betreffend seines Rentenbezuges", die Verzinsung der Nachzahlung seiner Rente gemäß § 44 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I). Desweiteren hat er begehrt, die "Monatsrenten" mit einem Rentenbeginn ab 01.03.2000 zu zahlen und die "Rente im Berufsstand als Techniker zu zahlen". Mit Beschluss vom 18.08.2006 hat das Sozialgericht Dortmund den Rechtsstreit an das Sozialgericht Münster verwiesen.

Mit der am 25.06.2007 zum Sozialgericht Dortmund erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 31.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2007 gewandt (S 7 KN 63/07). Er hat begehrt, seine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) unter Berücksichtigung eines Zahlungsbeginns zum 01.03.2000 neu festzustellen. Zur weiteren Begründung hat der Kläger ausgeführt, dass sein Berufsstand als Techniker sowie seine Hochbegabung völlig ignoriert worden seien. Er habe zum Techniker umgeschult werden müssen. Stattdessen habe die Beklagte Rente wegen Erwerbsminderung gewährt, da sie der Auffassung gewesen sei, eine berufliche Rehabilitation werde nicht erfolgreich sein. Die Rente sei jedoch im Berufsstand als Techniker ab dem 01.03.2000 zu zahlen. Dadurch entstehe ein Anspruch auf Verzugszinsen für den Zeitraum vom 01.03.2000 bis zum ersten Zahltag, dem 01.07.2004. Mit Beschluss vom 18.08.2006 hat das Sozialgericht Dortmund den Rechtsstreit an das Sozialgericht Münster verwiesen.

Mit Klage vom 09.09.2008 hat der Kläger schließlich Klage zum Sozialgericht Münster (S 7 KN 78/08) erhoben mit dem Begehren eines früheren Leistungsfalles seiner Erwerbsminderungsrente.

Unter dem 18.08.2006 hat die Beklagte einen Bescheid über die Verzinsung der Rentennachzahlung gem. § 44 SGB I erteilt.

Die Beklagte hat sich auf den von ihr ausgeführten Beschluss vom 03.05.2004 hinsichtlich des Leistungsbeginns berufen und sich darüber hinaus inhaltlich nicht geäußert. Sie weist daraufhin, dass der Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.08.2006 über die Verzinsung mittlerweile zurückgewiesen worden sei (Widerspruchsbescheid vom 17.12.1007).

Mit Gerichtsbescheiden vom 15.08.2007 (S 7 KN 63/07) und 16.08.2007 (S 7 KN 144/05) hat das Sozialgericht Münster die Klagen abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, der Rentebeginn beruhe auf § 99 Abs. 1 Satz 1 des sechsten Sozialgesetzbuches VI (SGB VI) i.V.m. § 116 Abs. 2 SGB VI unter Berücksichtigung der von der Beklagten zu Protokoll des 2. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen am 21.11.2002 eingegangenen Verpflichtung. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI werde Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien, nach § 116 Abs. 2 SGB VI könne auch ein Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation als Antrag auf Rente gelten. Darauf beruhe das Angebot des Sitzungsvertreters der Beklagten im Termin am 21.11.2002, dieses Angebot habe der Kläger angenommen. Soweit zunächst Zweifel über den Inhalt dieses Angebots bestanden haben mögen, seien diese durch den Beschluss des 2. Senats vom 03.05.2004 beseitigt worden. Nachdem der Kläger dieses Angebot angenommen habe, sei er daran gebunden. Er könne nicht mit Erfolg geltend machen, es sei ein Reha-Antrag vom 01.03.2000 zugrunde zu legen. Soweit der Kläger eine höhere Rente unter Berücksichtigung eines anderen Berufsweges verlange, könne er damit keinen Erfolg haben. Zugrunde zu legen seien die im Berufsleben erworbenen Entgeltpunkte. In der gesetzlichen Rentenversicherung gebe es keine Grundlage dafür, statt der erworbenen andere fiktive Entgeltpunkte auf der Basis einer fiktiven Erwerbsbiographie zugrunde zu legen. Der Überprüfungsantrag des Klägers sei unzulässig, weil der Bescheid vom 18.05.2004 bisher nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Dies setzte aber § 44 SGB X voraus.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.09.2007 (S 7 KN 118/06) hat das Sozialgericht Münster die Klage bezüglich der Verzinsung abgewiesen. Das Sozialgericht hat festgestellt, dass der Bescheid vom 18.05.2004 nicht nichtig sei. Soweit die Verzinsung verlangt werde, sei die Klage nicht zulässig. Zwar sei grundsätzlich eine Untätigkeitsklage statthaft, wenn die Frist des § 88 Abs. 1 SGG eingehalten werde. Die Beklagte habe den Kläger jedoch unter dem 18.08.2006 mitgeteilt, dass die Nachzahlung verzinst werde.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.09.2007 (S 7 KN 135/05) hat das Sozialgericht Münster die Klage auf höhere Rente abgewiesen. Der Kläger habe entsprechend § 65 SGB VI iVm § 1 RentenwertbestimmungsVO 2005 keinen Anspruch auf höhere Rente.

Mit Gerichtsbescheid vom 12.11.2008 (S 7 KN 78/08) hat das Sozialgericht Münster die Klage auf einen früheren Leistungsbeginn der Erwerbsminderungsrente abgelehnt. Nachdem der Kläger im Termin am 21.11.2002 das Angebot der Beklagten auch hinsichtlich des Leistungsbeginn angenommen habe, sei er daran gebunden.

Gegen die Gerichtsbescheide vom 15.08.2007 (S 7 KN 63/07) und 16.08.2007 (S 7 KN 144/05), beide zugestellt am 21.08.2007, hat der Kläger am 24.08.2007 Berufung eingelegt. Gegen die Gerichtsbescheide vom 18.09.2007 (S 7 KN 118/06) und 19.09.2007 (S 7 KN 135/05), beide zugestellt am 20.09.2007, hat der Kläger am 16.10.2007 Berufung eingelegt. Gegen den Gerichtsbescheid vom 12.11.2008 (S 7 KN 78/08), zugestellt am 18.11.2008, hat der Kläger am 24.11.2008 Berufung eingelegt.

Zur Begründung seiner Berufung führt er u.a. sinngemäß aus, dass das Gutachten von Dr. W, auf dem der Beschluss in der Streitsache L 2 B 19/03 KN beruhe, in unzulässiger Weise seinen Intelligenzquotienten beurteile. Die Beklagte sei verpflichtet ihm eine höhere Rente unter Berücksichtigung eines erfolgreichen Berufsweges als Techniker zu gewähren. Dies sei ihm versagt geblieben, weil seine Hochbegabung nicht frühzeitig erkannt worden sei. Auch sei die Rente mit einem früheren Leistungsbeginn zu gewähren, da seine Schwerbehinderung bereits seit 1989 feststehe.

Der Kläger beantragt,

die Gerichtsbescheide vom 15. und 16.08.2007, vom 18.09.2007 und vom 19.09.2007 sowie vom 12.11.2008 des Sozialgerichts Münster zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2005 und des Bescheides vom 31.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2007 zu verpflichten, eine höhere Rente unter Berücksichtigung einer Ausbildung zum Techniker und dem Durchschnittsverdienst aller Versicherten sowie mit einem Rentenbeginn ab dem 01.09.1989 zu zahlen sowie die Nichtigkeit des Bescheides vom 18.05.2004 festzustellen und die Verzinsung der Rentennachzahlung auszusprechen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Begehren des Klägers für unbegründet.

Der Senat hat alle anhängigen Verfahren verbunden und zum Amtsgericht des Wohnsitzes des Klägers eine Anfrage bezüglich der Prüfung der Prozessfähigkeit des Klägers gehalten. Von dort wurde mitgeteilt, dass diese Frage bereits geprüft worden sei und beim Kläger davon auszugehen sei, dass er prozessfähig sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Münster hat die Begehren des Klägers zurecht abgewiesen. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht gemäß § 54 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Dem Kläger stehen keine weiteren Ansprüche zu. Insoweit bezieht sich der Senat auf die zutreffenden Gründen der erstinstanzlichen Entscheidungen (§ 153 SGG).

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach seinem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck hauptsächliches Begehren des Klägers ein früherer Leistungsbeginn ist. Nach dem abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich zur Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ist der Leistungsbeginn jedoch keiner erneuten gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Ein gerichtlicher Vergleich stellt einen Vertrag zwischen den Beteiligten dar, dessen nachträgliche Änderung die Prozessordnung verbietet.

Die Annahme eines hypothetischen Berufsbildes mit der Folge einer höheren Rente kennt das deutsche sozialversicherungsrechtlich Rentensystem nicht. Im Wesentlich maßgebend für die Höhe sind die gezahlten Beiträge, die aufgrund der Lohnabhängigkeit von der Wertigkeit des ausgeübten Berufes abhängig sind. Im gesetzlichen Rentensystem sehen Zurechnungszeiten vor, dass eine früh eingetretene Erwerbsminderung durch fiktive Bei-träge ausgeglichen wird. Der Senat kann diesbezüglich keinen Fehler in der Berechnung der Rentenhöhe durch die Beklagte erkennen.

Der Anspruch auf Verzinsung wurde zwischenzeitlich von der Beklagten erfüllt.

Soweit dem Kläger Verschuldenskosten auferlegt worden sind, folgt dies aus § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Der Kläger hat ohne nachvollziehbare Begründung den Rechtsstreit fortgeführt, obwohl ihm nach der Belehrung im Verhandlungstermin am 17.12.2009 vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Wer ein Verfahren, dessen Aussichtslosigkeit ihm im Einzelnen dargelegt worden ist, ohne nachvollziehbare Begründung fortführt, nimmt das Gericht missbräuchlich in Anspruch. Der Kostenbetrag von 500,00 EUR bestimmt sich nach einer überschlägigen Schätzung der durch die Fortführung des Rechtsstreits verursachten Kosten für Richter und sonstiges Gerichtspersonal sowie die Kosten für die Absetzung, Ausfertigung und Zustellung des Urteils (vgl. § 202 SGG in Verbindung mit § 287 Zivilprozessordnung - ZPO - ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision zu zulassen, hat nicht bestanden.
Rechtskraft
Aus
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