Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AL 2135/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 4046/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Juli 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. Juni 2004 aufgehoben.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rücknahme der Bewilligung und die Erstattung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 26.11.2002 bis 25.11.2003 sowie der für diese Zeit gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung streitig.
Die 1963 geborene Klägerin war vom 01.12.1991 bis 31.03.1999 und vom 01.11.1999 bis 31.10.2001 als Kauffrau bzw. Assistentin der Geschäftsleitung in der Firma Z., Schuhe und Mode, ihres Ehemanns versicherungspflichtig beschäftigt. Danach bezog sie bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 25.11.2002 Arbeitslosengeld.
Am 20.10.2002 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung von Alhi. Im schriftlichen Antrag gab sie u.a. an, sie und ihr im Oktober 1955 geborener Ehemann verfügten über Kapitallebensversicherungen - private Rentenversicherungen - mit einer Versicherungssumme von 13.568,82 EUR bzw. einem Auszahlungsbetrag bei Rückkauf von 13.127 EUR. Hierzu legte sie folgende auf sie lautende Versicherungsverträge vor:
Signal Iduna Nr. 6622 385-10 Ablauf 01.04.2028, Rückkaufswert zum 01.12.2002: 6.390,17 EUR Württembergische Nr. 0-2192159-76 Ablauf der Versicherung 30.11.2025, Rückvergütung zum 31.12.2002: 3.760,98 EUR,
Darüber hinaus legte sie Nachweise über folgende weitere Lebensversicherungen ihres Mannes vor: Allianz 0987 248 190 432 Ablauf 01.02.2021 Rückkaufswert zum 01.04.2003: 10.430,40 EUR. Allianz 0987 248498199 Ablauf 01.07.2011, Rückkaufswert zum 01.04.2003: 5.486,20 EUR Allianz 0987 248498215 Ablauf 01.07.2016, Rückkaufswert zum 01.04.2003: 4.933,40 EUR.
Weiter gab sie an, sie und ihr Ehegatte verfügten über ein selbst bewohntes Haus mit einer Wohnfläche von 122 m² und ein weiteres Grundstück mit einer Wohnfläche von 180 m² mit einem Verkehrswert von 18.000,00 EUR, das mit 14.000,00 EUR belastet sei und aus dem Mieteinnahmen von 10.000,00 EUR erzielt würden. Im am 28.11.2002 bei der Beklagten eingegangenen Zusatzfragebogen gab die Klägerin an, ihr Mann sei Miteigentümer eines Bürogebäudes in L., von 1.130 m² Gesamtfläche entfielen 209 m² auf die eigene Wohnung, hieraus würden Mieteinnahmen in Höhe von mtl. 1.520 EUR erzielt. Mit Schreiben vom 28.01.2003 teilte die Steuerberaterin der Klägerin mit, deren Ehemann sei an der Grundstücksgemeinschaft D.-S. Bahnhofstr. 57 in L. mit 18,5 % beteiligt. Die Gemeinschaft habe 2001 Mieteinnahmen i.H.v. 219.520,00 DM, Zinseinnahmen i.H.v. 7.243,35 DM und steuerfreie Veräußerungsgewinne i.H.v. 1.598,82 DM erzielt. Hieraus seien 18.634,00 EUR als Überschussbeteiligung an den Ehemann der Klägerin ausgezahlt worden.
Mit Bescheid vom 17.03.2003 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alhi für die Zeit vom 26.11.2002 bis 25.11.2003, und zwar bis 31.12.2002 in Höhe von 203,28 EUR wöchentlich bzw. 29,04 EUR täglich und ab 01.01.2003 202,23 EUR wöchentlich bzw. 28,89 EUR täglich. In der Folgezeit bezog die Klägerin Alhi, und zwar vom 26.11.2002 bis 31.12.2002 insgesamt 1.045,44 EUR und vom 01.01.2003 bis 25.11.2003 insgesamt 9.504,81 EUR.
Im am 01.03.2004 bei der Beklagten eingegangenen Antrag auf Fortzahlung der Alhi gab die Klägerin an, sie und ihr Ehemann verfügten über Kapitallebensversicherungen/private Rentenversicherungen mit einer Versicherungssumme von 101.777 EUR und 82.233 EUR mit Auszahlungsbeträgen bei Rückkauf von 32.527 EUR bzw. 28.585 EUR. Sie legte weiter u.a. eine Lebensversicherung ihres Mannes bei der Signal Iduna - Versicherungsnummer 13.330.975/4 - mit Ablaufdatum 30.11.2025 und einem Rückvergütungsanspruch zum 01.04.2004 in Höhe von 46.506,94 EUR vor.
Mit Bescheid vom 14.04.2004 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alhi über den 25.11.2003 hinaus ab. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 14.04.2004 hörte die Beklagte die Klägerin nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) wegen einer beabsichtigten Aufhebung und Rückforderung der Alhi sowie der Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an. Eine Äußerung der Klägerin hierauf erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 19.05.2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 26.11.2002 bis 25.11.2003 auf und setzte die Erstattung der für diese Zeit gewährten Alhi in Höhe von 10.550,25 EUR sowie der in diesem Zeitraum gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 1.799,70 EUR fest. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe die Lebensversicherung ihres Mannes bei der Signal-Iduna nicht angegeben. Mit dieser übersteige ihr Vermögen zum 26.11.2002 in Höhe von 64.130,55 EUR den Freibetrag in Höhe von 46.280 EUR. Demzufolge sei sie nicht bedürftig und habe keinen Anspruch auf Leistungen. Die fehlerhafte Bewilligung sei erfolgt, weil sie im Antrag vom 20.10.2002 zumindest grob fahrlässig falsche und unvollständige Angaben gemacht habe.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, sie habe ihrem erstmaligen Antrag auf Alhi sämtliche relevanten Unterlagen beigelegt, insbesondere auch die Unterlagen zur Lebensversicherung ihres Mannes. Diese diene darüber hinaus der Altersvorsorge, da ihr Mann keine Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben habe. Zudem stünden den Lebensversicherungen und den Vermögenswerten Darlehensverbindlichkeiten gegenüber, die in der Summe zu einem Negativguthaben führten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2004, auf den Bezug genommen wird, wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 07.07.2004 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, die Lebensversicherung bei der Signal-Iduna stelle keine Geldanlage dar, sondern sei zur Alterssicherung ihres 1955 geborenen Mannes bestimmt und deshalb nicht verwertbar. Dessen Rentenanwartschaften entsprächen ausweislich der Renteninformation der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 25.09.2003 nach heutigem Stand einer monatlichen Altersrente von 43,70 EUR. Das erwirtschaftete Vermögen diene ausschließlich der Altersvorsorge und sei damit im Rahmen einer Härtefallprüfung als nicht zu berücksichtigendes Schonvermögen anzusehen. Darüber hinaus sei auch nicht berücksichtigt worden, dass für die beiden Kinder Freibeträge zusätzlich zu berücksichtigen seien. Im Übrigen sei die Forderung verjährt.
Mit Urteil vom 11.07.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei der Klägerin habe im streitigen Zeitraum keine Bedürftigkeit vorgelegen. Die Lebensversicherungen, deren vertragliche Dauer nach Vollendung des 60. Lebensjahres ende, seien als Vermögen nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 der Alhi-Verordnung in der hier maßgeblichen Fassung vom 13.12.2001 (BGBl. I S. 3734) (Alhi-V 2002) nicht auf die Alhi anzurechnen. Dies seien die Versicherungen
Allianz Nr. 24890432 10.403,40 EUR Allianz Nr. 248498215 4.933,40 EUR Signal-Iduna Nr. 13.330.975/04 42.800,00EUR ¬¬¬¬ 58.136,80 EUR Der Rückkaufswert der übrigen Lebensversicherungen, deren vertragliche Dauer nicht nach Vollendung des 60. Lebensjahres ende, sei demgegenüber wie folgt bei der Alhi zu berücksichtigen: Klägerin, Signal-Iduna Nr. 662238510 6.390,17 EUR Klägerin, Württembergische Lebensversicherung 3.760,98 EUR Ehemann, Allianz Nr. 248199 5.486,20 EUR 15.637,45 EUR Nach dem Lebensalter der Eheleute (40 und 48 Jahre) ergebe sich entsprechend § 1 Abs. 2 Satz 1 Alhi-VO 2002 ein Freibetrag von 45.760 EUR. Der für die Alterssicherung eingeräumte Freibetrag von 58.136,80 EUR übersteige diesen Betrag, so dass lediglich noch der Mindestfreibetrag von zweimal 4.100 EUR nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Alhi-VO 2002 einzuräumen sei. Das anrechenbare Vermögen übersteige auch diesen verbleibenden Freibetrag von 8.200 EUR um 7.437,45 EUR, weshalb die Klägerin nicht bedürftig sei. Durch die Berücksichtigung des Freibetrages in Höhe von 58.136,80 EUR sei der Härteklausel auch ausreichend Rechnung getragen.
Die Klägerin könne sich gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X auch nicht auf Vertrauen berufen, da sie in ihrem Antrag zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht habe und die Bewilligung auch darauf beruhe. Sie habe nämlich im Rahmen des am 21.10.2002 abgegebenen schriftlichen Antrags nur Lebensversicherungen in Höhe von 13.127 EUR, nicht jedoch die bei der Signal-Iduna abgeschlossene Lebensversicherung Nr. 13.330.975/04 ihres Ehemannes angegeben. Schließlich sei auch die einjährige Handlungsfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X noch nicht abgelaufen, da der Beklagten erst im Rahmen des Alhi-Fortzahlungsantrages vom Januar 2004 die Lebensversicherung des Ehemannes bei der Signal-Iduna bekannt geworden sei.
Gegen das am 27.07.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13.08.2007 Berufung eingelegt. Sie hat vorgetragen, die Lebensversicherung ihres Ehemannes bei der Signal-Iduna stelle Schonvermögen dar und sei deshalb nicht verwertbar. Auch seien höhere Freibeträge für eine angemessene Alterssicherung zu berücksichtigen. Schließlich habe die Beklagte keine Härtefallprüfung durchgeführt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Juli 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juni 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie trägt vor, die Einnahmen des Ehemannes aus Vermietung und Zinsen aus Kapitalvermögen i.H.v. monatlich 1.552,83 EUR seien bei der Bedürftigkeitsprüfung bereits berücksichtigt worden. Diese Einnahmen hätten der Bedürftigkeit nicht entgegengestanden, es habe sich nicht einmal ein Anrechnungsbetrag zu Lasten der Klägerin ergeben.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch begründet.
Die Bewilligung von Alhi war zwar von Anfang an rechtswidrig, da der Klägerin aufgrund des anrechenbaren Vermögens im streitigen Zeitraum kein Anspruch auf Alhi zugestanden hat. Insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bewilligung nach § 45 SGB X liegen jedoch nicht vor, da sich die Klägerin auf Vertrauensschutz berufen kann. Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, gem. § 45 Abs. 1 SGB X nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Liegen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vor, ist der Verwaltungsakt abweichend von den allgemeinen Regelungen zwingend mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 330 Abs. 2 SGB III).
Die Klägerin hat die erbrachten Leistungen verbraucht. Ihr Vertrauen ist auch schutzwürdig. Einem Vertrauensschutz stehen nicht die in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X geregelten Tatbestände entgegen.
Eine arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung durch die Klägerin ist nicht erfolgt.
Zur Überzeugung des Senats hat auch keine zumindest grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin bezüglich der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes vorgelegen (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Denn sie ist davon ausgegangen, dass zumindest alle Lebensversicherungen ihres Ehemannes, die nach Vollendung dessen 65. Lebensjahres fällig werden, zu dessen Alterssicherung dienen und deshalb als Schonvermögen nicht als verwertbares Vermögen anrechenbar sind, so dass es insoweit nicht darauf ankommt, ob die bei der Signal Iduna geführte Lebensversicherung ihres Ehemannes bei der erstmaligen Bewilligung von Alhi der Beklagten vorgelegen hat.
Einem Vertrauensschutz der Klägerin steht schließlich auch nicht die Regelung des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X entgegen. Denn der Verwaltungsakt hat nicht auf Angaben beruht, welche die Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Dahingestellt bleiben kann, ob die Klägerin die bei der Signal Iduna geführte Lebensversicherung ihres Ehemannes bei der erstmaligen Beantragung von Alhi vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig nicht angegeben hat. Die Klägerin hat hierzu angegeben, nach ihrer Erinnerung habe sie alle Vermögenswerte mitgeteilt. Auch hat sie bei der Beantragung der Weiterbewilligung der Alhi diese Lebensversicherung mitgeteilt.
Voraussetzung ist nämlich darüber hinaus, dass die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts auf diesen unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruht (Steinwedel in KassKomm, § 45 SGB X Rn. 38). Dies ist dann der Fall, wenn unter Zugrundelegung der bei der Antragstellung gemachten Angaben die Bewilligung rechtmäßig gewesen wäre. Vorliegend ist es jedoch so, dass schon aufgrund der Angaben, welche die Klägerin bei der erstmaligen Antragstellung von Alhi gemacht hat, eine Bewilligung nicht hätte erfolgen dürfen. Sie hat hierbei mitgeteilt, dass ihr Ehemann über weiteres Vermögen verfügt, und zwar in Form seiner Anteile an der Grundstücksgemeinschaft D.-S ... Ausweislich der von der Klägerin am 29.01.2003 vorgelegten Auflistung des Steuerberaters hat diese Grundstücksgemeinschaft neben Mieteinnahmen auch Zinseinnahmen erzielt; von dem Überschuss sind auf den Anteil des Klägers in Höhe von 18,5 % für das Jahr 2001 18.634 EUR ausgezahlt worden. Weitere Nachfragen über die Zusammensetzung dieses Vermögens hat die Beklagte nicht angestellt. Den im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen (Bl. 45 f. der SG-Akten) kann entnommen werden, dass die Grundstücksgesellschaft neben dem Grundbesitz auch über Kapitalvermögen verfügt hat, und zwar im Jahr 2002 über 49.256,66 EUR kurzfristig angelegte Mittel und 73.114,74 EUR längerfristig angelegte Mittel. Auf den Anteil des Klägers von 18,5 % sind danach 22.638 EUR an Barvermögen entfallen. Die Grundstücksgemeinschaft war darüber hinaus Eigentümerin einer Immobilie, aus der sie im Jahr 2001 Mieteinnahmen von 219.520 DM erzielt hat.
Dieses Vermögen war auch verwertbar. Soweit die Beklagte hierzu vorgetragen hat, die Miet- und Zinseinnahmen des Ehemannes aus der Grundstücksgemeinschaft seien berücksichtigt worden, diese hätten der Bedürftigkeit nicht entgegengestanden, es habe sich nicht einmal ein Anrechnungsbetrag zu Lasten der Klägerin ergeben, kann dahingestellt bleiben, ob die Berechnung der Beklagten zutreffend ist. Die Beklagte hat ihrer Berechnung nämlich allein das erzielte Einkommen zugrundegelegt. Sie hat jedoch das diesem Einkommen zugrunde liegende Vermögen außer Acht gelassen.
Nach § 1 Abs. 1 der am 01.01.2002 in Kraft getretenen Alhi-V 2002 ist das gesamte verwertbare Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit der Wert des Vermögens den Freibetrag übersteigt.
Der Anteil des Ehemanns der Klägerin an der Grundstücksgemeinschaft stellt kein Schonvermögen nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 Alhi-V dar, wonach nachweislich für die Alterssicherung bestimmte Sachen und Rechte des Arbeitslosen und seines Partners, wenn diese nach § 231 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, nicht als Vermögen zu berücksichtigen sind.
Die Vorschriften der Alhi-V 2002 standen mit der Ermächtigungsnorm des § 206 Nr. 1 SGB III nicht in Einklang, weil die Alhi-V 2002 keine allgemeine Härteklausel enthielt. Es ist deshalb eine sich unmittelbar aus § 193 SGB III ergebende Härteklausel anzuwenden, wonach die Beträge, die der Altersvorsorge zu dienen bestimmt waren, von der Anrechnung als Vermögen auszunehmen sind (vgl. BSG Urteil vom 20.10.2005 - B 7 a/7 AL 76/04 R - SozR 4-4300 § 193 Nr. 10). Die Erwerbsbiographie des Ehemannes der Klägerin spricht für eine atypische Vorsorgesituation, welche die Annahme eines Härtefalls rechtfertigt. Denn er war während seines Berufslebens überwiegend selbständig tätig und hat bis zum Jahr 2003 Rentenanwartschaften in Höhe von lediglich 43,70 EUR monatlich erworben. Er war deshalb gezwungen, sich freiwillig abzusichern und durfte dafür private Versicherungsunternehmen einschalten. Die Beklagte ist in nicht zu beanstandender Weise insoweit auch davon ausgegangen, dass alle Lebensversicherungen des Ehemannes, deren Fälligkeitszeitpunkt nach Vollendung von dessen 60. Lebensjahr liegt, der Alterssicherung dienen und deshalb Schonvermögen darstellen. Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sein Anteil an der Grundstücksgemeinschaft in gleicher Weise zur Alterssicherung bestimmt war.
Der Anteil ist auch kein Schonvermögen gem. § 1 Abs. 3 Nr. 5 Alhi-V 2002, wonach ein Hausgrundstück von angemessener Größe, das der Arbeitslose selbst bewohnt, nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist. Danach ausgenommen ist lediglich das von der Familie der Klägerin bewohnte Haus mit einer Wohnfläche von 122 m², nicht dagegen das - bereits im Alhi-Antrag angegebene - weitere, mit einem Bürogebäude bebaute Grundstück.
Der Anteil an der Grundstücksgemeinschaft war auch in zumutbarer Weise verwertbar. Der Begriff der Verwertbarkeit ist ein rein wirtschaftlicher und beurteilt sich sowohl nach den tatsächlichen als auch nach den rechtlichen Verhältnissen (BSG, Urteil vom 30.05.1990 - 11 RAr 33/88).
Rechtlich nicht verwertbar ist ein Vermögensgegenstand, für den Verfügungsbeschränkungen bestehen, deren Aufhebung der Hilfebedürftige nicht erreichen kann (vgl. im Einzelnen Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 12 Rn. 30, 32). Es sind keine Gründe ersichtlich, die einer alsbaldigen Verwertung des Anteils an der Grundstücksgemeinschaft durch Verfügung über den Gemeinschaftsanteil gem. § 747 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder Aufhebung der Gemeinschaft gem. § 749 BGB hätten entgegenstehen können.
Tatsächlich nicht verwertbar sind Vermögensbestandteile, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, sei es, dass Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder dass z.B. ein Grundstück infolge sinkender Immobilienpreise über den Marktwert hinaus belastet ist (BSG, Urteil vom 16.05.2007 - B 11b AS 37/06 R). Das Grundstück der Grundstücksgemeinschaft ist ausweislich der im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen lediglich mit einer Grundschuld in Höhe von 90.000,00 EUR belastet, die zur Absicherung eines Kredits für den Ausbau des Dachgeschosses aufgenommen worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass ein Bürogebäude, das - vor dem Ausbau des Dachgeschosses - mit einem jährlichen Mietzins von 291.520,00 EUR vermietet ist, nicht marktgängig ist, sind für den Senat nicht ersichtlich. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Gemeinschaft über ca. 78.000,00 EUR längerfristig angelegte Mittel und 43.342,24 EUR kurzfristig angelegte Mittel verfügt hat, von denen 18,5 % auf den Anteil des Ehemannes der Klägerin entfallen sind.
Wenn somit schon aufgrund der von der Klägerin mitgeteilten Einkommens- und Vermögensverhältnisse die Bedürftigkeit zu verneinen war, so kommt es nicht mehr darauf an, dass sie bzw. ihr Ehemann noch über weitere, bei der erstmaligen Antragstellung nicht angegebene Vermögensgegenstände verfügt haben, zumal es sich hierbei um Schonvermögen gehandelt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rücknahme der Bewilligung und die Erstattung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 26.11.2002 bis 25.11.2003 sowie der für diese Zeit gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung streitig.
Die 1963 geborene Klägerin war vom 01.12.1991 bis 31.03.1999 und vom 01.11.1999 bis 31.10.2001 als Kauffrau bzw. Assistentin der Geschäftsleitung in der Firma Z., Schuhe und Mode, ihres Ehemanns versicherungspflichtig beschäftigt. Danach bezog sie bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 25.11.2002 Arbeitslosengeld.
Am 20.10.2002 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung von Alhi. Im schriftlichen Antrag gab sie u.a. an, sie und ihr im Oktober 1955 geborener Ehemann verfügten über Kapitallebensversicherungen - private Rentenversicherungen - mit einer Versicherungssumme von 13.568,82 EUR bzw. einem Auszahlungsbetrag bei Rückkauf von 13.127 EUR. Hierzu legte sie folgende auf sie lautende Versicherungsverträge vor:
Signal Iduna Nr. 6622 385-10 Ablauf 01.04.2028, Rückkaufswert zum 01.12.2002: 6.390,17 EUR Württembergische Nr. 0-2192159-76 Ablauf der Versicherung 30.11.2025, Rückvergütung zum 31.12.2002: 3.760,98 EUR,
Darüber hinaus legte sie Nachweise über folgende weitere Lebensversicherungen ihres Mannes vor: Allianz 0987 248 190 432 Ablauf 01.02.2021 Rückkaufswert zum 01.04.2003: 10.430,40 EUR. Allianz 0987 248498199 Ablauf 01.07.2011, Rückkaufswert zum 01.04.2003: 5.486,20 EUR Allianz 0987 248498215 Ablauf 01.07.2016, Rückkaufswert zum 01.04.2003: 4.933,40 EUR.
Weiter gab sie an, sie und ihr Ehegatte verfügten über ein selbst bewohntes Haus mit einer Wohnfläche von 122 m² und ein weiteres Grundstück mit einer Wohnfläche von 180 m² mit einem Verkehrswert von 18.000,00 EUR, das mit 14.000,00 EUR belastet sei und aus dem Mieteinnahmen von 10.000,00 EUR erzielt würden. Im am 28.11.2002 bei der Beklagten eingegangenen Zusatzfragebogen gab die Klägerin an, ihr Mann sei Miteigentümer eines Bürogebäudes in L., von 1.130 m² Gesamtfläche entfielen 209 m² auf die eigene Wohnung, hieraus würden Mieteinnahmen in Höhe von mtl. 1.520 EUR erzielt. Mit Schreiben vom 28.01.2003 teilte die Steuerberaterin der Klägerin mit, deren Ehemann sei an der Grundstücksgemeinschaft D.-S. Bahnhofstr. 57 in L. mit 18,5 % beteiligt. Die Gemeinschaft habe 2001 Mieteinnahmen i.H.v. 219.520,00 DM, Zinseinnahmen i.H.v. 7.243,35 DM und steuerfreie Veräußerungsgewinne i.H.v. 1.598,82 DM erzielt. Hieraus seien 18.634,00 EUR als Überschussbeteiligung an den Ehemann der Klägerin ausgezahlt worden.
Mit Bescheid vom 17.03.2003 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alhi für die Zeit vom 26.11.2002 bis 25.11.2003, und zwar bis 31.12.2002 in Höhe von 203,28 EUR wöchentlich bzw. 29,04 EUR täglich und ab 01.01.2003 202,23 EUR wöchentlich bzw. 28,89 EUR täglich. In der Folgezeit bezog die Klägerin Alhi, und zwar vom 26.11.2002 bis 31.12.2002 insgesamt 1.045,44 EUR und vom 01.01.2003 bis 25.11.2003 insgesamt 9.504,81 EUR.
Im am 01.03.2004 bei der Beklagten eingegangenen Antrag auf Fortzahlung der Alhi gab die Klägerin an, sie und ihr Ehemann verfügten über Kapitallebensversicherungen/private Rentenversicherungen mit einer Versicherungssumme von 101.777 EUR und 82.233 EUR mit Auszahlungsbeträgen bei Rückkauf von 32.527 EUR bzw. 28.585 EUR. Sie legte weiter u.a. eine Lebensversicherung ihres Mannes bei der Signal Iduna - Versicherungsnummer 13.330.975/4 - mit Ablaufdatum 30.11.2025 und einem Rückvergütungsanspruch zum 01.04.2004 in Höhe von 46.506,94 EUR vor.
Mit Bescheid vom 14.04.2004 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alhi über den 25.11.2003 hinaus ab. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 14.04.2004 hörte die Beklagte die Klägerin nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) wegen einer beabsichtigten Aufhebung und Rückforderung der Alhi sowie der Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an. Eine Äußerung der Klägerin hierauf erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 19.05.2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 26.11.2002 bis 25.11.2003 auf und setzte die Erstattung der für diese Zeit gewährten Alhi in Höhe von 10.550,25 EUR sowie der in diesem Zeitraum gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 1.799,70 EUR fest. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe die Lebensversicherung ihres Mannes bei der Signal-Iduna nicht angegeben. Mit dieser übersteige ihr Vermögen zum 26.11.2002 in Höhe von 64.130,55 EUR den Freibetrag in Höhe von 46.280 EUR. Demzufolge sei sie nicht bedürftig und habe keinen Anspruch auf Leistungen. Die fehlerhafte Bewilligung sei erfolgt, weil sie im Antrag vom 20.10.2002 zumindest grob fahrlässig falsche und unvollständige Angaben gemacht habe.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, sie habe ihrem erstmaligen Antrag auf Alhi sämtliche relevanten Unterlagen beigelegt, insbesondere auch die Unterlagen zur Lebensversicherung ihres Mannes. Diese diene darüber hinaus der Altersvorsorge, da ihr Mann keine Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben habe. Zudem stünden den Lebensversicherungen und den Vermögenswerten Darlehensverbindlichkeiten gegenüber, die in der Summe zu einem Negativguthaben führten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2004, auf den Bezug genommen wird, wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 07.07.2004 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, die Lebensversicherung bei der Signal-Iduna stelle keine Geldanlage dar, sondern sei zur Alterssicherung ihres 1955 geborenen Mannes bestimmt und deshalb nicht verwertbar. Dessen Rentenanwartschaften entsprächen ausweislich der Renteninformation der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 25.09.2003 nach heutigem Stand einer monatlichen Altersrente von 43,70 EUR. Das erwirtschaftete Vermögen diene ausschließlich der Altersvorsorge und sei damit im Rahmen einer Härtefallprüfung als nicht zu berücksichtigendes Schonvermögen anzusehen. Darüber hinaus sei auch nicht berücksichtigt worden, dass für die beiden Kinder Freibeträge zusätzlich zu berücksichtigen seien. Im Übrigen sei die Forderung verjährt.
Mit Urteil vom 11.07.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei der Klägerin habe im streitigen Zeitraum keine Bedürftigkeit vorgelegen. Die Lebensversicherungen, deren vertragliche Dauer nach Vollendung des 60. Lebensjahres ende, seien als Vermögen nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 der Alhi-Verordnung in der hier maßgeblichen Fassung vom 13.12.2001 (BGBl. I S. 3734) (Alhi-V 2002) nicht auf die Alhi anzurechnen. Dies seien die Versicherungen
Allianz Nr. 24890432 10.403,40 EUR Allianz Nr. 248498215 4.933,40 EUR Signal-Iduna Nr. 13.330.975/04 42.800,00EUR ¬¬¬¬ 58.136,80 EUR Der Rückkaufswert der übrigen Lebensversicherungen, deren vertragliche Dauer nicht nach Vollendung des 60. Lebensjahres ende, sei demgegenüber wie folgt bei der Alhi zu berücksichtigen: Klägerin, Signal-Iduna Nr. 662238510 6.390,17 EUR Klägerin, Württembergische Lebensversicherung 3.760,98 EUR Ehemann, Allianz Nr. 248199 5.486,20 EUR 15.637,45 EUR Nach dem Lebensalter der Eheleute (40 und 48 Jahre) ergebe sich entsprechend § 1 Abs. 2 Satz 1 Alhi-VO 2002 ein Freibetrag von 45.760 EUR. Der für die Alterssicherung eingeräumte Freibetrag von 58.136,80 EUR übersteige diesen Betrag, so dass lediglich noch der Mindestfreibetrag von zweimal 4.100 EUR nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Alhi-VO 2002 einzuräumen sei. Das anrechenbare Vermögen übersteige auch diesen verbleibenden Freibetrag von 8.200 EUR um 7.437,45 EUR, weshalb die Klägerin nicht bedürftig sei. Durch die Berücksichtigung des Freibetrages in Höhe von 58.136,80 EUR sei der Härteklausel auch ausreichend Rechnung getragen.
Die Klägerin könne sich gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X auch nicht auf Vertrauen berufen, da sie in ihrem Antrag zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht habe und die Bewilligung auch darauf beruhe. Sie habe nämlich im Rahmen des am 21.10.2002 abgegebenen schriftlichen Antrags nur Lebensversicherungen in Höhe von 13.127 EUR, nicht jedoch die bei der Signal-Iduna abgeschlossene Lebensversicherung Nr. 13.330.975/04 ihres Ehemannes angegeben. Schließlich sei auch die einjährige Handlungsfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X noch nicht abgelaufen, da der Beklagten erst im Rahmen des Alhi-Fortzahlungsantrages vom Januar 2004 die Lebensversicherung des Ehemannes bei der Signal-Iduna bekannt geworden sei.
Gegen das am 27.07.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13.08.2007 Berufung eingelegt. Sie hat vorgetragen, die Lebensversicherung ihres Ehemannes bei der Signal-Iduna stelle Schonvermögen dar und sei deshalb nicht verwertbar. Auch seien höhere Freibeträge für eine angemessene Alterssicherung zu berücksichtigen. Schließlich habe die Beklagte keine Härtefallprüfung durchgeführt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Juli 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juni 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie trägt vor, die Einnahmen des Ehemannes aus Vermietung und Zinsen aus Kapitalvermögen i.H.v. monatlich 1.552,83 EUR seien bei der Bedürftigkeitsprüfung bereits berücksichtigt worden. Diese Einnahmen hätten der Bedürftigkeit nicht entgegengestanden, es habe sich nicht einmal ein Anrechnungsbetrag zu Lasten der Klägerin ergeben.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch begründet.
Die Bewilligung von Alhi war zwar von Anfang an rechtswidrig, da der Klägerin aufgrund des anrechenbaren Vermögens im streitigen Zeitraum kein Anspruch auf Alhi zugestanden hat. Insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bewilligung nach § 45 SGB X liegen jedoch nicht vor, da sich die Klägerin auf Vertrauensschutz berufen kann. Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, gem. § 45 Abs. 1 SGB X nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Liegen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vor, ist der Verwaltungsakt abweichend von den allgemeinen Regelungen zwingend mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 330 Abs. 2 SGB III).
Die Klägerin hat die erbrachten Leistungen verbraucht. Ihr Vertrauen ist auch schutzwürdig. Einem Vertrauensschutz stehen nicht die in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X geregelten Tatbestände entgegen.
Eine arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung durch die Klägerin ist nicht erfolgt.
Zur Überzeugung des Senats hat auch keine zumindest grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin bezüglich der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes vorgelegen (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Denn sie ist davon ausgegangen, dass zumindest alle Lebensversicherungen ihres Ehemannes, die nach Vollendung dessen 65. Lebensjahres fällig werden, zu dessen Alterssicherung dienen und deshalb als Schonvermögen nicht als verwertbares Vermögen anrechenbar sind, so dass es insoweit nicht darauf ankommt, ob die bei der Signal Iduna geführte Lebensversicherung ihres Ehemannes bei der erstmaligen Bewilligung von Alhi der Beklagten vorgelegen hat.
Einem Vertrauensschutz der Klägerin steht schließlich auch nicht die Regelung des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X entgegen. Denn der Verwaltungsakt hat nicht auf Angaben beruht, welche die Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Dahingestellt bleiben kann, ob die Klägerin die bei der Signal Iduna geführte Lebensversicherung ihres Ehemannes bei der erstmaligen Beantragung von Alhi vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig nicht angegeben hat. Die Klägerin hat hierzu angegeben, nach ihrer Erinnerung habe sie alle Vermögenswerte mitgeteilt. Auch hat sie bei der Beantragung der Weiterbewilligung der Alhi diese Lebensversicherung mitgeteilt.
Voraussetzung ist nämlich darüber hinaus, dass die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts auf diesen unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruht (Steinwedel in KassKomm, § 45 SGB X Rn. 38). Dies ist dann der Fall, wenn unter Zugrundelegung der bei der Antragstellung gemachten Angaben die Bewilligung rechtmäßig gewesen wäre. Vorliegend ist es jedoch so, dass schon aufgrund der Angaben, welche die Klägerin bei der erstmaligen Antragstellung von Alhi gemacht hat, eine Bewilligung nicht hätte erfolgen dürfen. Sie hat hierbei mitgeteilt, dass ihr Ehemann über weiteres Vermögen verfügt, und zwar in Form seiner Anteile an der Grundstücksgemeinschaft D.-S ... Ausweislich der von der Klägerin am 29.01.2003 vorgelegten Auflistung des Steuerberaters hat diese Grundstücksgemeinschaft neben Mieteinnahmen auch Zinseinnahmen erzielt; von dem Überschuss sind auf den Anteil des Klägers in Höhe von 18,5 % für das Jahr 2001 18.634 EUR ausgezahlt worden. Weitere Nachfragen über die Zusammensetzung dieses Vermögens hat die Beklagte nicht angestellt. Den im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen (Bl. 45 f. der SG-Akten) kann entnommen werden, dass die Grundstücksgesellschaft neben dem Grundbesitz auch über Kapitalvermögen verfügt hat, und zwar im Jahr 2002 über 49.256,66 EUR kurzfristig angelegte Mittel und 73.114,74 EUR längerfristig angelegte Mittel. Auf den Anteil des Klägers von 18,5 % sind danach 22.638 EUR an Barvermögen entfallen. Die Grundstücksgemeinschaft war darüber hinaus Eigentümerin einer Immobilie, aus der sie im Jahr 2001 Mieteinnahmen von 219.520 DM erzielt hat.
Dieses Vermögen war auch verwertbar. Soweit die Beklagte hierzu vorgetragen hat, die Miet- und Zinseinnahmen des Ehemannes aus der Grundstücksgemeinschaft seien berücksichtigt worden, diese hätten der Bedürftigkeit nicht entgegengestanden, es habe sich nicht einmal ein Anrechnungsbetrag zu Lasten der Klägerin ergeben, kann dahingestellt bleiben, ob die Berechnung der Beklagten zutreffend ist. Die Beklagte hat ihrer Berechnung nämlich allein das erzielte Einkommen zugrundegelegt. Sie hat jedoch das diesem Einkommen zugrunde liegende Vermögen außer Acht gelassen.
Nach § 1 Abs. 1 der am 01.01.2002 in Kraft getretenen Alhi-V 2002 ist das gesamte verwertbare Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit der Wert des Vermögens den Freibetrag übersteigt.
Der Anteil des Ehemanns der Klägerin an der Grundstücksgemeinschaft stellt kein Schonvermögen nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 Alhi-V dar, wonach nachweislich für die Alterssicherung bestimmte Sachen und Rechte des Arbeitslosen und seines Partners, wenn diese nach § 231 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, nicht als Vermögen zu berücksichtigen sind.
Die Vorschriften der Alhi-V 2002 standen mit der Ermächtigungsnorm des § 206 Nr. 1 SGB III nicht in Einklang, weil die Alhi-V 2002 keine allgemeine Härteklausel enthielt. Es ist deshalb eine sich unmittelbar aus § 193 SGB III ergebende Härteklausel anzuwenden, wonach die Beträge, die der Altersvorsorge zu dienen bestimmt waren, von der Anrechnung als Vermögen auszunehmen sind (vgl. BSG Urteil vom 20.10.2005 - B 7 a/7 AL 76/04 R - SozR 4-4300 § 193 Nr. 10). Die Erwerbsbiographie des Ehemannes der Klägerin spricht für eine atypische Vorsorgesituation, welche die Annahme eines Härtefalls rechtfertigt. Denn er war während seines Berufslebens überwiegend selbständig tätig und hat bis zum Jahr 2003 Rentenanwartschaften in Höhe von lediglich 43,70 EUR monatlich erworben. Er war deshalb gezwungen, sich freiwillig abzusichern und durfte dafür private Versicherungsunternehmen einschalten. Die Beklagte ist in nicht zu beanstandender Weise insoweit auch davon ausgegangen, dass alle Lebensversicherungen des Ehemannes, deren Fälligkeitszeitpunkt nach Vollendung von dessen 60. Lebensjahr liegt, der Alterssicherung dienen und deshalb Schonvermögen darstellen. Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sein Anteil an der Grundstücksgemeinschaft in gleicher Weise zur Alterssicherung bestimmt war.
Der Anteil ist auch kein Schonvermögen gem. § 1 Abs. 3 Nr. 5 Alhi-V 2002, wonach ein Hausgrundstück von angemessener Größe, das der Arbeitslose selbst bewohnt, nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist. Danach ausgenommen ist lediglich das von der Familie der Klägerin bewohnte Haus mit einer Wohnfläche von 122 m², nicht dagegen das - bereits im Alhi-Antrag angegebene - weitere, mit einem Bürogebäude bebaute Grundstück.
Der Anteil an der Grundstücksgemeinschaft war auch in zumutbarer Weise verwertbar. Der Begriff der Verwertbarkeit ist ein rein wirtschaftlicher und beurteilt sich sowohl nach den tatsächlichen als auch nach den rechtlichen Verhältnissen (BSG, Urteil vom 30.05.1990 - 11 RAr 33/88).
Rechtlich nicht verwertbar ist ein Vermögensgegenstand, für den Verfügungsbeschränkungen bestehen, deren Aufhebung der Hilfebedürftige nicht erreichen kann (vgl. im Einzelnen Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 12 Rn. 30, 32). Es sind keine Gründe ersichtlich, die einer alsbaldigen Verwertung des Anteils an der Grundstücksgemeinschaft durch Verfügung über den Gemeinschaftsanteil gem. § 747 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder Aufhebung der Gemeinschaft gem. § 749 BGB hätten entgegenstehen können.
Tatsächlich nicht verwertbar sind Vermögensbestandteile, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, sei es, dass Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder dass z.B. ein Grundstück infolge sinkender Immobilienpreise über den Marktwert hinaus belastet ist (BSG, Urteil vom 16.05.2007 - B 11b AS 37/06 R). Das Grundstück der Grundstücksgemeinschaft ist ausweislich der im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen lediglich mit einer Grundschuld in Höhe von 90.000,00 EUR belastet, die zur Absicherung eines Kredits für den Ausbau des Dachgeschosses aufgenommen worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass ein Bürogebäude, das - vor dem Ausbau des Dachgeschosses - mit einem jährlichen Mietzins von 291.520,00 EUR vermietet ist, nicht marktgängig ist, sind für den Senat nicht ersichtlich. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Gemeinschaft über ca. 78.000,00 EUR längerfristig angelegte Mittel und 43.342,24 EUR kurzfristig angelegte Mittel verfügt hat, von denen 18,5 % auf den Anteil des Ehemannes der Klägerin entfallen sind.
Wenn somit schon aufgrund der von der Klägerin mitgeteilten Einkommens- und Vermögensverhältnisse die Bedürftigkeit zu verneinen war, so kommt es nicht mehr darauf an, dass sie bzw. ihr Ehemann noch über weitere, bei der erstmaligen Antragstellung nicht angegebene Vermögensgegenstände verfügt haben, zumal es sich hierbei um Schonvermögen gehandelt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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