L 5 AS 350/09 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 2 AS 2345/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 350/09 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Prozesskostenhilfe - vollständiger Antrag - Bewilligung - Zeitpunkt - Erledigung
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.
Die Antragsteller und Beschwerdeführer wenden sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau, das die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein von ihnen betriebenes, mittlerweile erledigtes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt hat.

Die Antragsteller beziehen laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Die Antragsgegnerin hatte ihnen mit bestandskräftigem Bescheid vom 10. Oktober 2008 ein Darlehen für eine Mietkaution i.H.v. 807,32 EUR bewilligt und ab November 2008 eine Aufrechnung in Höhe von 63,20 EUR/Monat vorgenommen. Am 26. Juni 2009 stellten die Antragsteller einen Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) und wendeten sich gegen die vorgenommene Aufrechnung.

Am 10. Juli 2009 haben die anwaltlich vertretenen Antragsteller beim Sozialgericht Dessau-Roßlau einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel der Einstellung der monatlichen Aufrechung und der Auszahlung der einbehaltenen Beträge gestellt. Gleichzeitig haben sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt und angekündigt, eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse umgehend nachzureichen.

Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 20. Juli 2009 und Bescheid vom gleichen Tag dem Begehren der Antragsteller in vollem Umfang entsprochen. Sie hat den Bescheid vom 10. Oktober 2008 hinsichtlich der Aufrechnung des Darlehens zurückgenommen und einen Betrag von 568,80 EUR erstattet. Sie hat sich ferner bereit erklärt, 1/10 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Das Sozialgericht hat dieses Schreiben am 22. Juli 2009 an die Antragsteller gesendet mit der Bitte um Stellungnahme, ob der Eilantrag für erledigt erklärt wird. Am 30. Juli 2009 ist eine Erinnerung erfolgt.

Die Antragsteller haben mit Schreiben vom 31. Juli 2009, das am gleichen Tag per Fax übersandt worden ist, das Anerkenntnis angenommen und den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Mit Schreiben vom selben Tag, eingegangen am 3. August 2009, haben sie eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen vorgelegt. Mit Schreiben vom 3. August 2009 hat das Sozialgericht wegen der bis zur Beendigung des Verfahrens nicht vorgelegten Unterlagen zur Prozesskostenhilfe angefragt, ob der Antrag zurückgenommen werde.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 12. August 2009 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussichten sei der vollständige Antrag auf Prozesskostenhilfe. Der Antrag vom 10. Juli 2009 sei erst am 3. August 2009 vervollständigt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Rechtsstreit nicht mehr anhängig gewesen und hätten keine Erfolgsaussichten mehr bestanden. Nach Beendigung des Rechtsstreits sei auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht mehr erforderlich gewesen. Eine ausnahmsweise rückwirkende Bewilligung scheide hier aus. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe sei nicht vor Erledigung des Rechtsstreits entscheidungsreif gewesen. Auch eine rückwirkende Bewilligung für die Zeit vor der vollständigen Antragstellung komme nicht in Betracht. Anhaltspunkte für eine rechtswidrig unterlassene Belehrung über eine mögliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe lägen nicht vor. Ebenfalls sei nicht ersichtlich, dass die Antragsteller aus persönlichen, nicht zu vertretenden Gründen an einer vollständigen Antragstellung gehindert gewesen wären.

Gegen den ihnen am 28. August 2009 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 28. September 2009 Beschwerde beim erkennenden Senat eingelegt. Das Sozialgericht habe bereits bei der Antragstellung Kenntnis von ihrer wirtschaftlichen Bedürftigkeit gehabt, da sie Leistungen nach dem SGB II bezögen. Die Antragstellung sei auch nicht mutwillig gewesen. Erstmals unter dem 3. August 2009 habe das Sozialgericht auf die Unvollständigkeit der Prozesskostenhilfeunterlagen hingewiesen. Wegen der Weigerung der Antragsgegnerin, die vollständigen Prozesskosten zu übernehmen, hätte das Sozialgericht eine wirksame Frist oder Nachfrist zur Vorlage der Unterlagen setzen müssen. Die Antragsgegnerin hätte in früheren Verfahren regelmäßig eine vollständige Kostenübernahme erklärt. Nach einem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln sei die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch noch nach Instanzende bei Einhaltung der danach abgelaufenen Nachfrist möglich.

II.

Die Beschwerde ist form- und fristgerecht erhoben gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und statthaft gemäß § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Der Wert des Beschwerdegegenstands gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG für ein Berufungsverfahren würde hier den Betrag von 750,00 EUR übersteigen. Die Antragsteller haben in ihrem Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes vom 10. Juli 2009 die Einstellung der Aufrechnung in Höhe von 63,20 EUR/Monat sowie die Auszahlung der bisher einbehaltenen Raten geltend gemacht. Insgesamt hat es sich um einen streitgegenständlichen Betrag von 807,32 EUR gehandelt.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da den Antragstellern für das abgeschlossene Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe zusteht.

Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 115 ZPO für die Prozessführung sein Einkommen und Vermögen einzusetzen, soweit ihm dies nicht aufgrund der dort genannten Tatbestände unzumutbar ist.

Zu diesem Zweck sind nach § 117 Abs. 2 ZPO dem Antrag auf Prozesskostenhilfe eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den entsprechenden Belegen beizufügen. Dabei hat der Antragsteller den nach § 117 Abs. 3, 4 ZPO vorgesehen Vordruck vollständig und sorgfältig auszufüllen. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt nach § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO für jeden Rechtszug besonders. Grundsätzlich beginnt die Wirksamkeit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Zustellung des Beschlusses. Rückwirkend kann das Gericht frühestens zu dem Zeitpunkt Prozesskostenhilfe bewilligen, in dem ihm der Antrag samt den erforderlichen Erklärungen und Unterlagen vollständig vorgelegen hat (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 30. September 1981 - IVb ZR 694/80, NJW 1982, S. 446; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18. November 2008, L 5 B 246/07 AS, nicht veröffentlicht).

Als am 3. August 2009 erstmals eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt worden ist, war das Verfahren der ersten Instanz im Sinne des § 119 ZPO bereits abgeschlossen. Mit der am 31. Juli 2009 per Fax eingegangenen Erklärung der Annahme des Anerkenntnisses der Antragsgegnerin ist das Verfahren erledigt worden (§ 101 Abs. 2 SGG).

Darüber hinaus käme eine mögliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab dem Zeitpunkt des Eingangs der vollständigen Unterlagen am 3. August 2009 nicht in Betracht. Sinn der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 122 S. 1 Nr. 3 ZPO die Befreiung des Antragstellers von Vergütungsansprüchen des beigeordneten Rechtsanwalts. Davon erfasst werden jedoch nur die Vergütungsansprüche für die Prozesshandlungen, die ab dem Zeitpunkt der - unter Umständen rückwirkenden - Bewilligung vorgenommen werden (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, a.a.O.). Am 3. August 2009 war jedoch kein Verfahren mehr beim Sozialgericht anhängig, für das Prozesshandlungen vorgenommen werden konnten.

Die Auffassung der Antragsteller, das Sozialgericht habe wegen ihres Bezugs von Leistungen nach dem SGB II die wirtschaftliche Bedürftigkeit gekannt, geht fehl. Keinesfalls führt der Bezug von Leistungen nach dem SGB II "automatisch" zum Vorliegen von Bedürftigkeit im Sinne von § 114 ZPO. Nach § 2 Abs. 2 der Verordnung zur Einführung eines Vordrucks für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozesskostenhilfe kann lediglich beim Bezug von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII) auf die Angaben zu den Punkten E bis J im vorgeschriebenen Formular verzichtet werden. Die Frage des zumutbaren Vermögenseinsatzes richtet sich zudem bei der Prozesskostenhilfe nach den Bestimmungen des SGB XII, das weitaus geringere Freibeträge vorsieht als das SGB II.

Das Sozialgericht durfte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegend auch ablehnen, ohne eine Frist zur Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu setzen. Denn mit der Ankündigung, diese Erklärung nachzureichen, haben die anwaltlich vertretenen Antragsteller in der Antragsschrift selbst zum Ausdruck gebracht, sich über diese Verpflichtung im Klaren zu sein. Dabei erscheint hier gerechtfertigt, die Antragsteller an dem mit der Stellung ihres Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz bei gleichzeitiger Vorlage eines unvollständigen Antrags auf Prozesskostenhilfe eingegangenen Risiko der Erledigung der Hauptsache vor Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags festzuhalten. Denn sie mussten aufgrund der vorliegenden Umstände nicht davon ausgehen, dass sich das Verfahren noch über einen längeren Zeitraum hinziehen würde (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. November 2008, L 8 SO 27/08 SO).

Der vorliegende Sachverhalt entspricht auch keiner der Fallgruppen, für die die Möglichkeit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch nach Erledigung der Hauptsache anerkannt sind. Der Senat nimmt hierzu auf die ausführlichen und umfassenden Erwägungen des Sozialgerichts Bezug. Insbesondere hatte die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens ihre Ursache nicht in einer zögerlichen Bearbeitung eines entscheidungsreifen Antrags durch das Sozialgericht. Vielmehr ist die mangelnde Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags allein auf das Verhalten der Antragsteller zurückzuführen. Dabei sind auch im Beschwerdeverfahren keinerlei Gründe vorgetragen worden, weshalb sie daran gehindert gewesen sein sollten, zeitgleich mit dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz oder unmittelbar danach eine vollständige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorzulegen.

Der Einwand der Antragsteller, die Antragsgegnerin hätte in früheren Verfahren regelmäßig eine vollständige Kostenübernahme erklärt, betrifft nicht die Frage der Prozesskostenhilfe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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