L 9 KR 1022/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 400/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 1022/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Beantragt ein Versicherter bei seiner Krankenkasse unter Vorlage einer vertragsärztlichen „Verordnung von Krankenhausbehandlung“ die Versorgung mit einer Operation, bezieht sich die Ablehnungsentscheidung der Krankenkasse im Regelfall auf die stationäre Erbringung dieser Operation. Lässt der Versicherte während des Gerichtsverfahrens diese Operation ambulant durchführen, liegt auch dann ein Aliud vor, wenn diese Behandlung im Krankenhaus erfolgte. Ein Kostenerstattungsanspruch ist in diesem Fall ausgeschlossen.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. Mai 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Kostenerstattung für eine ambulant durchgeführte Mastektomie.

Der Kläger, der seit der Rechtskraft des Beschlusses des Amtsgerichts Schöneberg vom 16. September 2003 (AZ: 70 III 239/01) nicht mehr den Vornamen S, sondern die Vornamen M P führt, beantragte am 15. Juli 2002 bei der Beklagten die Durchführung einer Mastektomie beidseits bei bestehendem Transsexualismus. Beigefügt hatte er eine vom Frauenarzt Dr. H V ausgestellte Verordnung von Krankenhausbehandlung vom 8. Juli 2002. Diese Behandlung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Oktober 2002 und Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2003 ab. Auch das Klageverfahren blieb ohne Erfolg (Gerichtsbescheid vom 4. Mai 2005, der Klägerseite zugestellt am 4. Juli 2005). Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, wegen der Weigerung des Klägers, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, habe nicht festgestellt werden können, dass bei dem Kläger tatsächlich Transsexualität vorliege und deshalb die gewünschte Operation medizinisch notwendig sei. Während des Verfahrens über die am 14. Juli 2005 eingelegte Berufung ließ der seit dem 1. Februar 2006 bei der Beigeladenen versicherte Kläger am 19. April 2006 eine beidseitige Mastektomie ambulant auf eigene Kosten durchführen.

Der Kläger bringt vor, die Transidentität sei seit dem 16. März 2004 durch § 116 b Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) als Krankheit anerkannt. Die mehrjährige gegengeschlechtliche Hormonbehandlung habe bei ihm zu einem hohen Krebsrisiko geführt. Es habe ein Notfall vorgelegen, da mehr als 30 % aller Transidenten suizidgefährdet seien. Sein Antrag habe sich von Anfang an auf eine stationäre oder ambulante Behandlung bezogen. Der angefochtene Bescheid vom 15. Oktober 2002 lehne diesen Antrag nicht nur bezüglich einer stationären Durchführung ab. Im Übrigen sei auch die ambulante Behandlung als Krankenhausbehandlung erfolgt. Der Begriff der Leistung in § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sei dahin auszulegen, dass er nur auf die inhaltliche Erbringung einer Behandlung verweise, nicht jedoch auf die Art die der Durchführung (stationär / ambulant).

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. Mai 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die am 19. April 2006 ambulant durchgeführte beidseitige Mastektomie zu erstatten,

hilfsweise, die Beigeladene zu verurteilen, die Kosten für die am 19. April 2006 ambulant durchgeführte beidseitige Mastektomie zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Leistung hätten nicht vorgelegen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Der Senat hat im Erörterungstermin vom 27. Januar 2006 die den Kläger behandelnde Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie/Fachärztin für Psychotherapie B als Zeugin vernommen; wegen der Zeugenaussage wird auf Blatt 167 bis 170 der Gerichtsakte verwiesen. Mit Beschluss vom 5. Mai 2009 haben die Berufsrichter des Senats gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Rechtsstreit dem Berichterstatter übertragen, um ihn zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme, wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat durfte aufgrund des Übertragungsbeschlusses vom 5. Mai 2009 in der Besetzung durch den Berichterstatter und zwei ehrenamtliche Richter entscheiden (§ 153 Abs. 5 SGG)

Der Senat durfte ohne mündliche Verhandlung (124 Abs. 2 SGG) entscheiden, nachdem sich die Beklagte und Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2009 und der Kläger mit Schriftsatz vom 19. August 2009 hiermit einverstanden erklärt haben. Einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung steht nicht entgegen, dass sich die Klägerseite mit Schriftsatz vom 9. September 2009 nochmals zum Verfahren geäußert hat. Zwar steht die Erklärung gemäß § 124 Abs. 2 SGG regelmäßig unter dem Vorbehalt der im Wesentlichen unveränderten Sach-, Beweis- und Rechtslage. Eine wesentliche Änderung der Prozesslage entzieht dem bereits erklärten Verzicht auf die mündliche Verhandlung die Grundlage, sodass die Einverständniserklärung verbraucht ist und neu eingeholt werden muss, will das Gericht weiterhin ohne mündliche Verhandlung entscheiden (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 11. November 2003, Az.: B 2 U 32/02 R, veröffentlicht in juris). Durch den Schriftsatz vom 9. September 2009 hat sich die Tatsachen- oder Rechtsgrundlage für diesen Rechtsstreit jedoch nicht verändert, da sich der Kläger in diesem Schriftsatz auf rechtliche Überlegungen beschränkt. Unabhängig hiervon wäre es rechtsmissbräuchlich, wenn sich der Kläger auf einen Verstoß gegen § 124 Abs. 2 SGG berufen wollte. Denn er hat mit dem Schriftsatz vom 19. August 2009 zwar eine weitere Stellungnahme angekündigt, zugleich einschränkungslos das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Es wäre daher widersprüchlich, wenn der rechtskundig vertretene Kläger nunmehr die Auffassung verträte, durch seinen Schriftsatz vom 9. September 2009 sei der zuvor erklärte Verzicht auf eine mündliche Verhandlung verbraucht.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

I. Streitgegenstand ist nur noch ein Anspruch auf Kostenerstattung. Nachdem sich der Kläger die zunächst als Sachleistung begehrte beidseitige Mastektomie im April 2006 selbst beschafft hatte, wandelte sich der Sachleistungs- in einen Kostenerstattungsanspruch um. Stellt der Kläger dementsprechend seinen Klageantrag um, handelt es sich um eine zulässige Klageänderung gemäß § 99, § 153 Abs. 1 SGG.

Nicht mehr Streitgegenstand sind Ansprüche auf Schmerzensgeld, nach § 5 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sowie auf "Feststellung der Notwendigkeit der beantragten Behandlung". Solche Ansprüche hat der Kläger in den Zeiträumen des Berufungsverfahrens geltend gemacht, in denen er nicht oder nicht durch eine Person mit Befähigung zum Richteramt (vgl. § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGG) vertreten war. Seit der Kläger (wieder) anwaltlich vertreten ist, hat er derlei Ansprüche nicht mehr thematisiert. Der Senat geht daher davon aus, dass diese Ansprüche nicht mehr weiter verfolgt werden sollten. Dies entspricht dem Prinzip, dass bei unklarem Klagebegehren ein Kläger im Zweifel den Antrag stellen will, der ihm am besten zum Ziel verhilft (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer Sozialgerichtsgesetz, 9.A., § 123 RdNr. 3 m.w.N.). Hier¬bei ist davon auszugehen, dass ein Kläger alles zugesprochen haben möchte, was ihm aufgrund des Sachverhalts zusteht, er jedoch gleichzeitig keine offensichtlich aussichtslosen Anträge stellen möchte. Die o.g. Ansprüche wären im vorliegenden Verfahren offensichtlich aussichtslos gewesen: Schmerzensgeldansprüche gegenüber einer Körperschaft des öffentlichen Rechts können im Wege der Amtshaftung (Art. 34 Grundgesetz i.V.m. § 839 Bürgerliches Gesetzbuch) nur vor dem Landgericht (§ 71 Abs. 2 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz) in zulässiger Weise verfolgt werden. Aus der nur programmatische Ziele umreißenden Vorschrift des § 5 SGB I lassen sich nicht unmittelbar Ansprüche ableiten; diese ergeben sich vielmehr aus den (u.a. in § 68 SGB I aufgeführten) besonderen Teilen des Sozialgesetzbuches (Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht/Seewald § 5 SGB I RdNr. 2). Für das nach § 55 Abs. 1 SGG erforderliche berechtigte Interesse an der "Feststellung der Notwendigkeit der beantragten Behandlung" ist nichts ersichtlich.

II. Der Leistungsantrag des Klägers ist zulässig. Insbesondere durfte der Senat auch ohne Bezifferung des Kostenerstattungsanspruches der Höhe nach entscheiden. Zwar sind Kostenerstattungsansprüche oder sonstige Zahlungsforderungen grundsätzlich soweit als möglich zu beziffern, um der Gefahr von Folgeprozessen über die Höhe dieser Forderung vorzubeugen und ggf. die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen (BSG, Urteil vom 26. Januar 2006, Az.: B 3 KR 4/05 R, veröffentlicht in juris). Hiervon kann jedoch abgesehen werden, wenn ein Kostenerstattungsanspruch bereits dem Grunde nach ausgeschlossen ist.

III. Ein Zahlungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten besteht nicht. Als Anspruchsgrundlage hierfür kommt nur § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Danach sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und hierdurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Dieser Kostenerstattungsanspruch tritt, wie sich aus § 13 Abs. 1 SGB V ergibt, an die Stelle des bis zur Selbstbeschaffung bestehenden Sachleistungsanspruchs. Die Voraussetzungen von § 13 Abs. 3 SGB V liegen im Falle des Klägers jedoch nicht vor.

1. Die im April 2006 durchgeführte ambulante beidseitige Mastektomie war nicht unaufschiebbar im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V. Unaufschiebbarkeit liegt nicht vor, wenn der Versicherte ausreichend Zeit gehabt hätte oder hat, sich einen der zugelassenen Leistungserbringer auszusuchen und sich von ihm behandeln zu lassen (BSG, Urteil vom 18. Juli 2006, Az.: B 1 KR 24/05 R, veröffentlicht in Juris). Dass der Kläger vor dem April 2006 außerstande gewesen sein soll, sich einen Leistungserbringer auszusuchen, ist weder von der Klägerseite behauptet worden noch anderweitig ersichtlich noch nach dem Geschehensablauf wahrscheinlich. Darüber hinaus ist auch nicht erkennbar, dass der Kläger vor der Durchführung der ambulanten Mastektomie gehindert war, die Beklagte zu einer kurzfristigen Entscheidung über einen diesbezüglichen Antrag aufzufordern, nachdem das Verfahren seit der erstmaligen Beantragung einer stationären Mastektomie bereits über 3 Jahre andauerte.

2. Die Voraussetzungen von § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative SGB V liegen bereits deswegen nicht vor, weil weder die Beklagte noch die Beigeladene die selbst beschaffte Leistung, d.h. die Durchführung der Mastektomie, abgelehnt haben. Einen diesbezüglichen Antrag hat der Kläger - soweit ersichtlich - bei keiner der beiden am Rechtsstreit beteiligten Krankenkassen gestellt. Ein auf eine ambulant durchgeführte Mastektomie gerichtetes Verwaltungsverfahren hat demzufolge nicht stattgefunden.

a. Dass der Kläger bei der Beklagten die Durchführung einer Mastektomie beantragte und dieser Antrag durch die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 15. Oktober 2002 und 28. Mai 2003 abgelehnt wurde, genügt für einen Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative SGB V nicht, da die stationäre Durchführung einer Behandlungsmaßnahme gegenüber der ambulanten Durchführung ein rechtliches Aliud darstellt (vgl. Entscheidung des Senats vom 25. September 2008, Az.: L 9 KR 22/08, veröffentlicht in Juris). Dies folgt aus den unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen, den (in der Regel) unterschiedlichen Leistungserbringern sowie den unterschiedlichen Vergütungs- und Qualitätssicherungsvoraussetzungen der beiden Leistungssektoren.

Einen ergebnisoffenen, d.h. auf beide Durchführungsformen gerichteten Antrag, der ggf. einen Beratungsanspruch der Beklagten nach sich gezogen hätte (vgl. BSG, Urteil vom 04. April 2006, Az.: B 1 KR 5/05 R, veröffentlicht in juris), hat der Kläger nicht gestellt, wie sich aus der seinem Antrag beigefügten ärztlichen Verordnung von Krankenhausbehandlung vom 08. Juli 2002 ergibt.

b. Die vom Kläger hiergegen vorgebrachten Einwände überzeugen nicht.

Der Kläger hat keinen auch auf ambulante (Krankenhaus-)Behandlung gerichteten Antrag gestellt. Er reichte am 15. Juli 2002 – per Post oder persönlich – bei der Beklagten lediglich die o.g. ärztliche Verordnung vom 8. Juli 2002 sowie ein "Fachpsychologisches Gutachten zur Vorlage bei der Krankenkasse zur Kostenübernahme nach dem Transsexuellengesetz für die operative Geschlechtsumwandlung" der Diplompsychologin F ein. Insbesondere die ärztliche Verordnung vom 8. Juli 2002 verdeutlicht, dass der Kläger eine stationäre Krankenhausleistung begehrte. Zwar kann Krankenhausbehandlung nach § 115 b und § 116 b SGB V auch ambulant erbracht werden; darüber hinaus kommt die ambulante Behandlung durch einen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Krankenhausarzt (§ 116 SGB V) oder - bei Unterversorgung - ein zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigtes Krankenhaus (§ 116 a SGB V) in Betracht. Die Verordnung von Krankenhausbehandlung auf einem im vertragsärztlichen Bereich vorgesehenen Vordruck (vgl. die Vordruckmustersammlung unter www.kbv.de/rechts¬quellen/6253.html) ist jedoch nach § 7 der vom Gemeinsamen Bundesausschuss - GBA - auf der Grundlage von § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassenen Krankenhausbehandlungsrichtlinien (veröffentlicht z.B. unter http://www.g-ba.de/informationen/richtlinien/16/) nur für die stationäre Krankenhausbehandlung vorgesehen. Aufgrund der eingereichten Unterlagen durfte die Beklagte daher zu Recht davon ausgehen, dass der Kläger nur eine stationäre Behandlung begehrt.

Dahinstehen kann daher, ob die auch im Rahmen der Kostenerstattung zu prüfenden einzelnen Voraussetzungen für eine ambulante Leistungserbringung im Krankenhaus - gleich, auf welcher der o.g. Vorschriften (§ 115 b bis § 116 b SGB V) sie beruht - gegeben waren.

IV. Einem Kosterstattungsanspruch gerade gegenüber der Beklagten steht ferner § 19 Abs. 1 SGB V entgegen.

Nach dieser Vorschrift erlischt der Anspruch auf Leistungen mit dem Ende der Mitgliedschaft, soweit keine abweichenden Bestimmungen entgegenstehen. Durch den grundsätzlichen Ausschluss von Rechtswirkungen des Mitgliedschaftsverhältnisses für die Zeit nach seiner Beendigung wird der mögliche Zusammenhang zwischen der Erkrankung (Versicherungsfall) und der Kostenbelastung durch die einzelne Behandlungsmaßnahme krankenversicherungsrechtlich je¬denfalls dann für unerheblich erklärt, wenn der Versicherte zwischenzeitlich die Mitgliedschaft verliert. Dementsprechend kann (umgekehrt) einem neu aufgenommenen Mitglied nicht entgegengehalten werden, es dürfe Versicherungsleistungen nicht in Anspruch nehmen, weil sie auf einer vor der Mitgliedschaft festgestellten Behandlungsnotwendigkeit beruhten (vgl. zum früheren Recht: Bundessozialgericht SozR 2200 § 182b Nr. 32). Das zwingt ganz generell zu der Annahme, dass die Leistungspflicht der Krankenkasse für eine konkrete Behandlungsmaßnahme nicht von der Mitgliedschaft im Zeitpunkt des Versicherungsfalls, sondern von der Mitgliedschaft im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung abhängt (BSG SozR 3-2500 § 19 Nr. 3 und Nr. 4).

§ 19 SGB V gilt auch für den Verlust der Mitgliedschaft bei einer Kasse und den gleichzeitigen Beitritt zu einer anderen (Kassenwechsel). Der Wortlaut bezieht sich nicht nur auf das Ausscheiden aus der gesetzlichen Krankenversicherung schlechthin (Urteil des Senats vom 19. De¬zem¬ber 2007, Az.: L 9 KR 150/03, veröffentlicht in Juris). Mit dem Wechsel der Krankenkasse ist deshalb ein Wechsel der Leistungszuständigkeit für alle danach durchgeführten Behandlungen verknüpft, auch wenn der sie veranlassende Versicherungsfall schon vorher eingetreten war und unabhängig davon, ob sich der krankheitsbedingte Behandlungsbedarf bereits gezeigt hatte und ärztlich festgestellt war. Der Zeitpunkt der Behandlungsmaßnahme vor oder nach dem Beginn der Mitgliedschaft (§ 186 Abs. 10 SGB V) entscheidet darüber, ob die neue oder die alte Krankenkasse leistungspflichtig ist.

Demnach besteht ein Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten auch deshalb nicht, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung als dem für die Entstehung des Kostenerstattungsanspruchs maßgeblichem Zeitpunkt nicht mehr bei ihr versichert war.

V. Aber auch von der Beigeladenen kann der Kläger keine Kostenerstattung verlangen.

Allerdings führt abweichend von der soeben zitierten Rechtsprechung des 1. Senats des BSG der Kassenwechsel nach einem Urteil des 3. Senats des BSG vom 23. Januar 2003 nicht zum Ende der Leistungspflicht der alten Krankenkasse, wenn der Leistungsanspruch des Versicherten schon vor dem Kassenwechsel bestanden, die frühere Krankenkasse den geltend gemachten Versorgungsanspruch deshalb zu Unrecht abgelehnt hat und sich mit der Leistungserbringung im Zeitpunkt des Kassenwechsels in Verzug befindet. In solchen Fällen bleibt die frühere Kran¬kenkasse weiterhin leistungspflichtig, weil sie es sonst in der Hand hätte, sich durch Leistungsverzögerung ihrer Verpflichtung zu entledigen (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr. 1).

Doch selbst wenn im vorliegenden Fall zugunsten des Klägers unterstellt würde, dass diese Voraussetzungen vorlägen, führte dies nicht zur Zahlungsverpflichtung der Beigeladenen. Denn diese hatte zur Frage, ob der Kläger Anspruch auf Versorgung mit einer (ambulant oder stationär durchzuführenden) Mastektomie hat, bis zur Selbstbeschaffung im April 2006 überhaupt kein Verwaltungsverfahren durchgeführt, sodass die dem Kläger entstandenen Kosten nicht durch eine rechtswidrige Ablehnungsentscheidung der Beigeladenen verursacht sein konnten.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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