L 4 KR 279/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KR 376/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 279/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die nach § 1587g BGB i.V.m. § 3a VAHRG zu zahlende Ausgleichsrente eines Versorgungsbezuges an die geschiedene Ehefrau fällt unter § 229 SGB SGB V.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19. August 2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung einer regelmäßigen Zahlung aus der Versorgungskasse der Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke System AG - RWE - bei der Beitragsbemessung der klägerischen Krankenversicherungsbeiträge.

Die 1952 geschlossene Ehe der 1922 geborenen Klägerin, die bei der Beklagten in der KVdR versichert ist, wurde am 20.07.1988 geschieden und der vormalige Ehemann R. F. - R.F. - verurteilt, an die Klägerin eine monatliche Rente von 3.121,65 DM zu bezahlen. Dazu wurde nach Ziffer III des Urteilstenors die Verpflichtung zur Abtretung seiner Betriebsrentenansprüche gegenüber der RWE in gleicher Höhe ausgesprochen. Das Urteil wurde anschließend reibungslos ausgeführt. R.F. verstarb am 20.08.2006.

Das Versorgungswerk sieht in § 10 seiner Ruhegeldrichtlinien eine Hinterbliebenenversorgung vor, wenn die Ehe bis zum Todestag von R.F. bestanden hätte und in § 11 ein Witwengeld für geschiedene Ehefrauen. Demgemäß hat das Familiengericht C-Stadt am 20.12.2006 beschlossen, dass die Altersversorgung der RWE im Wege des sog. verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs der Klägerin ab 01.09.2006 eine monatliche Zahlung von 1.908,96 EUR zukommen lassen muss. Die Mitteilung davon erreichte die Beklagte am 31.01.2007.Diese entschied noch am gleichen Tage gegenüber der Klägerin, dass sie aus diesen "Versorgungsbezügen" Beiträge erheben und deren Überweisung direkt bei der Zahlstelle veranlassen werde und wiederholte dies im Bescheid vom 28.03.2007, wie auch im Widerspruchsbescheid vom 09.11.2007. In dessen Begründung weist die Beklagte die Auffassung der Klägerin zurück, dass die Zahlungen der RWE lediglich einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich beinhalten, zu der ihr verstorbener Ehemann verpflicht worden sei. Die Beklagte rückt vielmehr den nunmehr eigenen Zahlungsausspruch der Klägerin gegen das Versorgungswerk in den Vordergrund. Mit dem Tod von R.F. sei an die Stelle seiner Ausgleichsverpflichtung ein Anspruch aus eigenem Recht gegenüber dem Versorgungswerk entstanden, der als Versorgungsbezug im Sinne des Krankenkassenbeitragsrechts zu bewerten sei.

Die dagegen gerichtete Klage blieb ebenfalls erfolglos. Auch das Sozialgericht Würzburg kommt in seinem Urteil vom 19.08.2008 zu dem Ergebnis, dass mit dem Tode von R.F. sich der Charakter der Zahlungen geändert habe, als diese nicht mehr von ihm geschuldet würden, sondern direkt vom Versorgungswerk, dessen Zahlungspflicht durch besondere Entscheidung des Familiengerichts bestätigt worden sei.

Dagegen hat die Klägerin Berufung einlegen und vortragen lassen: Die Beklagte habe noch zu Lebzeiten von R.F. mit Bescheid vom 17.09.1990 bestandskräftig festgestellt, dass es sich bei den damaligen Ausgleichszahlungen nicht um Versorgungsbezüge handle und diese somit nicht zur Beitragsbemessung herangezogen wurden. Durch den Tod habe sich der Rechtscharakter der laufenden Zahlungen nicht geändert. Weil die Klägerin gerade keine eigene Hinterbliebenenversorgung, sondern nur weiterhin die Ausgleichszahlungen erhalte, sei keine Änderung bei der Beitragspflicht eingetreten, vielmehr handle es sich weiterhin um einen unveränderten privatrechtlichen Anspruch, also nicht um eine Unterart einer betrieblichen Altersversorgung, somit sei er als Nachlassverbindlichkeit zu werten.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19.08.2008 und die zu Grunde liegenden Bescheide der Beklagten vom 31.01.2007 und 28.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2007 aufzuheben und festzustellen, dass die vom Versorgungswerk der RWE gezahlte Ausgleichsrente nicht der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie leitet aus der nunmehrigen Eigenständigkeit des Anspruchs gegenüber dem Versorgungswerk weiterhin die Beitragspflicht ab. So wie im Rahmen eines Versorgungsausgleichs abgetretene Versorgungsbezüge dem Grunde nach beitragspflichtig für den Inhaber des Rentenrechts seien, müsse dies auch für die an ihre Stelle getretenen nunmehrigen Zahlungen gelten.

Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Tatbestandes auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze bzw. den der beigezogenen Akten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG). Der Senat kann auch, ohne das Versorgungswerk förmlich am Verfahren zu beteiligen, entscheiden (BSG vom 06.12.1992 - BSGE 70, 105).

Dass die Klägerin nicht lediglich die Aufhebung der sie belastenden Verwaltungsakte begehrt, sondern auch die ausdrückliche Feststellung, dass die Beklagte die Zahlungen der RWE unangetastet lassen solle, ist eine zulässige Form der Klage nach § 55 SGG.

Diese ist aber in der Sache selbst nicht begründet. Die von der RWE an die Klägerin seit 01.09.2006 ausgezahlten, an die Stelle der vormaligen Zahlung getretenen Geldleistungen sind Versorgungsbezüge im Sinne des § 229 SGB V, die gemäß § 237 SGB V bei der Bemessung der klägerischen Krankenversicherungsbeiträge zu berücksichtigen sind, was gemäß § 256 SGB V durch Einbehaltung und Weiterleitung durch die Zahlstelle zu geschehen hat.

Die Zweifel der Klägerin an dieser Berücksichtigung sind nicht begründet. Auch ihre wirtschaftliche Schlechterstellung dadurch führt zu keinem anderen Ergebnis, selbst wenn sich die Ausgleichszahlung seit dem Tode von R.F. verringert hat und nunmehr noch die Beitragsabführung hinzunehmen ist. Dies entspricht aber dem Inhalt und Sinn der oben angesprochenen gesetzlichen Regelung.

Für die Subsumtion der von der RWE geleisteten Zahlung unter § 229 Abs.1 Nr.5 SGB V ist es zunächst unerheblich, dass diese Leistungen privatrechtlicher Natur sind. Dieses von der Klägerseite so herausgestellte Merkmal gilt für die meisten der betrieblichen Zusatzversicherungen zum Beispiel bei Kapitalzahlungen aus Direktversicherung oder für die Betriebsrenten der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder - VBL -, ohne dass sie deswegen ihre Eigenschaft als Versorgungsbezug einbüßen würden.

Das Familiengericht hat seinerzeit den geschiedenen Ehemann der Klägerin verpflichtet, auf Grund seiner Einkünfte an die Klägerin monatlich eine bestimmte Summe zu bezahlten und zur Sicherstellung dieser Zahlung weiter verfügt, dass in dieser Höhe sein Anspruch auf Betriebsrente auf die Klägerin überging. Dass diese Betriebsrente im Falle einer bestehenden gesetzlichen Krankenversicherung unter § 229 SGB V zu subsumieren und dem R.F. zuzurechnen gewesen wäre, ist unbestritten und ergibt sich aus den den Beteiligten bekannten Urteilen des BSG vom 21.12.1993 SozR 3-2500 § 237 Nr.4 und vom 28.01.1999 a.a.O. Nr.7.

Auch ist unbestritten, dass die Unterhaltszahlungen des vormaligen Ehemanns als Folge des Versorgungsausgleichs - auch wenn sie im Wege der Abtretung der Klägerin zuflossen - für diese keine ihrer Rente vergleichbarer Einnahmen waren, was die Beklagte seinerzeit auch so entschieden hatte. Diese Feststellung vom 17.09.1990 bezieht sich jedoch nicht mehr auf die nunmehr erhaltene Leistung.

Dem Grunde nach war der klägerische Unterhaltsanspruch gegenüber R.F. mit dessen Tod erloschen, eine sinnvolle Rechtsfolge, die zwar vom Gesetz nicht ausdrücklich genannt ist, gleichwohl aber der herrschenden Meinung entspricht (vgl. Palandt, BGB, § 1587k Anm.3 unter Bezug auf BGH in der Familienrechtszeitung 89, 950 und Rehme in Staudinger BGB Anm.8 zu § 1587k). Die Ausnahme des § 1586b BGB (Fortbestehen des Anspruchs als Nachlassverbindlichkeit bis zur Höhe eines fiktiven Pflichtteils) ist hier nicht gegeben.

Um die mit dem Wegfall der Ausgleichsrente verbundene Härte abzumildern, ist seit 01.01.1987 in § 3a VAHRG eine besondere Regelung getroffen worden, die der Klägerin zu dem nunmehr neu entstandenen Anspruch gegenüber dem Versorgungswerk verhilft, der den bis zum 20.08.1986 aus abgeleitetem Recht bestehenden Anspruch ablöst. Die Weiterzahlung des bisherigen schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs soll nach der Intention des Gesetzgebers die entstehende Versorgungslücke schließen, auch wenn das Versorgungswerk und nicht mehr der ehemalige Ehegatte damit belastet wird. Dadurch wird zwar der nacheheliche Unterhalt ersetzt, ohne dass diese Zahlungen selbst noch Unterhaltscharakter besitzen (vgl. Märkle in Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, 9. Auflage Rdnr.4078). Der Anspruch selbst ist nach eigenen Größen festzusetzen und zu berechnen. Es handelt sich um einen neuen Anspruch, der zwar aus dem vormaligen Unterhaltsanspruch gegenüber R.F. abgeleitet ist, jedoch auf eigene Grundlage und nach eigener Berechnung, nämlich anhand der Hinterbliebenenregeln des Versorgungswerkes bestimmt wird. "Der Versicherungsträger ist nicht Rechtsnachfolger des verstorbenen Verpflichteten; der Anspruch des Berechtigten gegen ihn entsteht vielmehr originär bei Eintritt der selbständigen Voraussetzungen des § 3a VAHRG (Zusage einer Hinterbliebenenversorgung, Tod des Verpflichteten, Erfüllung der Fälligkeitsvoraussetzungen in der Person des Berechtigten)."So Hahne in Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Auflage S.882." Die durch § 3a angeordnete "Verlängerung" des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs führt daher grundsätzlich zu einer Teilhabe des Ausgleichsberechtigten an den von ausgleichspflichtigen herrührenden Hinterbliebenenleistungen." So Rehme a.a.O. § 3a VAHRG Anm.1.

Der Wechsel mit einem neuen eigenen Anspruch gegenüber einem neuen Schuldner, dessen Leistungen eine betriebliche Altersversorgung gewährleisten soll (vgl. § 11 der Hinterbliebenenrichtlinien RWE) führt auch zu einer eigenen Bewertung auf der Grundlage des § 229 SGB V. Dessen Normzweck ist darauf gerichtet, Leistungen mit Einkommensersatzfunktion, die einer aus dem Arbeitsleben herrührenden Rente vergleichbar sind, mit in die Beitragspflicht einzubeziehen. Das Ergebnis entspricht auch dem Gedanken der sog. Institutionellen Abgrenzung, die sich daran orientiert, ob die Rente von einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung gewährt wird, wobei die Modalitäten des individuellen Rechtserwerbs unberücksichtigt bleiben (so BSG in ständiger Rechtsprechung zum Beispiel vom 25.04.2004 - B 12 KR 26/05 R, USK 2007 - 6; vom 12.12.2007 - B 12 KR 6/06 R, USK 2008, 98). Der Gesetzgeber hat das Versorgungswerk verpflichtet, an Stelle der an sich zu gewährenden Hinterbliebenenversorgung eine eigene Leistung zu bezahlen. Diese ist aber im Charakter und dem Grunde nach ein Versorgungsbezug und hat sich von den ursprünglichen unterhaltsrechtlichen Ansprüchen abgelöst, was zu ihrer Berücksichtigung im Rahmen des § 229 SGB V führt.

Angesichts des Verfahrensausgangs besteht kein Anlass, der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten. (§ 193 SGG)

Die in § 160 SGG aufgezählten Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich und werden auch von den Beteiligten nicht angeführt.
Rechtskraft
Aus
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