Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3881/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 11 KR 843/09 durch die Berufungsrücknahme seitens des Klägers am 05. August 2009 erledigt ist.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Fortsetzung des Berufungsverfahrens mit dem Aktenzeichen L 11 KR 843/09, nachdem er im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 05. August 2009 die Berufung zurückgenommen hat.
Der 1943 geborene Kläger erhob am 17. Oktober 2008 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) gegen das Justizministerium Baden-Württemberg (Beklagter zu 1) sowie gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt der Justiz in Berlin (Beklagte zu 2), wegen der "Nichterfüllung und Abführung von Rentenversicherungsbeiträge für Strafgefangene in der Haftzeit". Er machte geltend, er habe während seiner 19-jährigen Haftzeit sozialversicherungspflichtig gearbeitet. Der Beklagte zu 1 bzw die jeweilige Haftanstalt hätten jedoch keine Rentenversicherungsbeiträge abgeführt, obwohl jede Vollzugsanstalt als Arbeits-, Erwerbs- und Gewerbebetrieb geführt werde. Es seien lediglich Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt worden. Für die 19 Jahre, in denen er in Haft gewesen sei, müssten entsprechend dem jeweils geltenden Tariflohn Rentenversicherungsbeiträge nachgezahlt werden. Zur weiteren Begründung legte er das Schreiben des Beklagten zu 1 vom 04. September 2008 vor, wonach es zutreffend sei, dass in der Zeit der Inhaftierung keine Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt worden seien. Die Gesetzeslage sehe dies nicht vor.
Der Beklagte zu 1 trat der Klage entgegen und rügte zunächst die fehlende Zulässigkeit des Rechtswegs. Das Begehren des Klägers betreffe die öffentlich-rechtlichen Beziehungen des Gefangenen zur Vollzugsbehörde. Zuständig für den Rechtsschutz in diesem Verhältnis seien daher gemäß den §§ 109 Abs 1, 110 Strafvollzugsgesetz (StVollzG), § 78a Abs 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) die Strafvollstreckungskammern, hier die Strafvollstreckungskammern des Landgerichts Freiburg. Das Verfahren sei daher an das Landgericht Freiburg zu verweisen. Im Übrigen bestehe für die Nachzahlung von Rentenversicherungsbeiträgen für die während der Haftzeit geleistete Arbeit keine Rechtsgrundlage. Der Einbeziehung Strafgefangener in die Rentenversicherung sei nach §§ 193, 198 Abs 3 StVollzG gesetzlich nicht vorgesehen. Das Bundesverfassungsgericht habe diese Gesetzeslage nicht beanstandet.
Nach Anhörung der Beteiligten wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2009 ab. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei gegeben, da streitgegenständlich die Frage sei, ob während der Haft ein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe. Dafür seien die Sozialgerichte zuständig und nicht die Strafvollstreckungskammern. Die Klage sei jedoch unzulässig, da es derzeit an einem Rechtsschutzinteresse des Klägers fehle. Ihm stehe der einfachere Weg offen, sich an eine zuständige gesetzliche Krankenkasse zu wenden, die als Einzugsstelle über die Frage, ob einer der Beklagten als Arbeitgeber eines rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses für den Kläger Rentenversicherungsbeiträge zu entrichten habe, eine Verwaltungsentscheidung (Verwaltungsakt) herbeizuführen habe. Ob der Beklagte zu 1 Rentenversicherungsbeiträge zu entrichten habe, hänge von einer Entscheidung der Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragspflicht ab. Dazu gehöre auch die Entscheidung über die Beitragspflicht, die Beitragszahlungspflicht und die Geltendmachung der Beiträge. Solange bei einem Streit um die Versicherungs- und Beitragspflicht zur Rentenversicherung eine positive Entscheidung der Einzugsstelle nicht vorliege, fehle für eine gegen den angeblichen Arbeitgeber gerichtete Klage auf Beitragsentrichtung das Rechtsschutzinteresse. Aus diesem Grund sei eine Entscheidung in der Sache nicht möglich.
Hiergegen hat der Kläger am 11. Februar 2009 beim SG Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt (Az: L 11 KR 843/09) und geltend gemacht, die Justiz sei als Arbeitgeber und als Aufsichts- bzw Fürsorgeträger verpflichtet, Rentenversicherungsbeiträge abzuführen, wenn gleichzeitig Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt würden. Gleiches gelte auch für Unternehmen in der freien Wirtschaft. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe seine Ansicht auf Nachfrage bestätigt.
Die Beklagten sind der Berufung unter Hinweis auf die Entscheidung des SG entgegengetreten, wobei der Beklagte zu 1 zusätzlich darauf hingewiesen hat, dass ein Vorverfahren im Sinne des § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht stattgefunden habe.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 05. August 2009 hat der Kläger erklärt, dass er die Berufung zurücknehme; ausweislich der Niederschrift (Bl. 35/36 der LSG-Akte) wurde diese Erklärung dem Kläger vorgespielt und von diesem genehmigt.
Mit dem am 12. August 2009 beim LSG eingegangenen Schreiben des Klägers hat dieser mitgeteilt, dass er seine Entscheidung vom 05. August 2009 zurückziehe. Gleichzeitig bat er um "Zurücksetzung des Verfahrens in den alten Stand", da er eine Entscheidung des Senats wolle. Auf Hinweis des Senats, dass die Rücknahme der Berufung eine Prozesserklärung sei, die nicht widerrufen werden könne, hat der Kläger am 26. August 2009 mitgeteilt, dass er auf die Fortführung des Verfahrens bestehe. Das Verfahren wird seitdem unter dem Az: L 11 KR 3881/09 fortgeführt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Fortsetzung des Verfahrens L 11 KR 843/09 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Januar 2009 aufzuheben und entweder den Beklagten zu 1 oder die Beklagte zu 2 zu verurteilen, für die während seiner Haftzeit ausgeübten Beschäftigungen in Justizvollzugsanstalten entsprechende Rentenversicherungsbeiträge an den zuständigen Rentenversicherungsträger nachzuentrichten.
Die Beklagten beantragen sinngemäß,
festzustellen, dass das Berufungsverfahren durch die seitens des Klägers am 05. August 2009 erklärte Berufungsrücknahme erledigt ist.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Berufungsakten (Az: L 11 KR 843/09 und L 11 KR 3881/09) und auf die Gerichtsakte erster Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG). Über die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Sozialgerichten musste der Senat wegen § 17a Abs 5 GVG nicht mehr entscheiden. Denn danach prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Das Begehren des Klägers hat keinen Erfolg. Der Rechtsstreit L 11 KR 843/09 ist aufgrund der vom Kläger formwirksam und ohne Einschränkungen erklärten Berufungsrücknahme am 05. August 2009 erledigt. Über die Wirksamkeit der Berufungsrücknahme war in Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 11 KR 843/09 zu entscheiden, in dem diese erklärt wurde (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 26. Juli 1989 - B 11 RAr 31/88 = SozR 1500 § 73 Nr 6). Gemäß § 156 Abs 1 Satz 1 SGG kann die Berufung bis zur Rechtskraft des Urteils oder eines nach § 153 Abs 4 oder § 158 Satz 2 SGG ergangenen Beschlusses zurückgenommen werden. Die Rücknahme bewirkt den Verlust des Rechtsmittels (§ 156 Abs 2 Satz 1 SGG). Diese Rechtswirkung ist vorliegend eingetreten. Der prozessfähige Kläger hat im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 05. August 2009 die Berufung wirksam zurückgenommen. Dies ergibt sich bereits aus der Niederschrift über diesen Termin (Bl 35/36 der LSG-Akte), der insofern Beweiskraft zukommt (vgl § 122 SGG iVm § 165 Zivilprozessordnung [ZPO]). Die maßgeblichen Protokollierungsvorschriften des § 122 SGG iVm §§ 160 Abs 3 Nr 8, 162 Abs 1 Satz 2 und 3 ZPO sind gewahrt worden. Der Berichterstatter hat die seitens des Klägers erklärte Berufungsrücknahme protokolliert und anschließend vermerkt, dass die vorläufige Aufzeichnung vorgespielt und genehmigt wurde. Ob die Einhaltung dieser Vorschriften für die Wirksamkeit der protokollierten Prozesshandlung erforderlich ist (bejahend LSG Rheinland-Pfalz, Entscheidungen vom 14. Januar - L 2 J 32/73 - und 04. Februar 1974 - L 2 J 65/73 = Breithaupt 1974, 906 ff, 993 ff; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 156 RdNr 2; Bley in Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 156 RdNr 18; aA BSG, Urteil vom 12. März 1981 - 11 RA 52/80 = SozR 1500 § 102 Nr 4), brauchte der Senat deshalb nicht zu entscheiden. Für die Abgabe der Berufungsrücknahmeerklärung spricht auch, dass der Kläger einen Antrag auf Berichtigung der Niederschrift (§ 122 SGG iVm § 164 Abs 1 ZPO) nicht gestellt hat und im Übrigen nicht bezweifelt, diese Erklärung abgegeben zu haben. Als den Rechtsstreit beendende Prozesserklärung kann die vom Kläger zu Protokoll erklärte Berufungsrücknahme weder frei widerrufen noch entsprechend den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften wegen Irrtums (§ 119 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) angefochten werden (BSG, Beschluss vom 24. April 2003 - B 11 AL 33/03 B mwN, veröffentlicht in juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 156 RdNr 2a). Zwar können auch Prozesshandlungen grundsätzlich im Verlauf des weiteren Verfahrens widerrufen, ergänzt, geändert oder berichtigt werden, dies gilt jedoch nur solange der Rechtsstreit anhängig ist (Putzo in Thomas/Putzo, ZPO, Einleitung III, RdNr 21). Unwiderruflich und nicht abänderungsfähig sind darüber hinaus solche Prozesshandlungen, durch die der Prozessgegner eine Rechtsstellung erlangt oder aufgrund derer er seine Rechtsstellung eingerichtet hat (Bundesfinanzhof [BFH], Beschluss vom 08. August 1991- VI B 134/90 = BFH/NV 1992, 49; Bayerisches LSG, Urteil vom 16. Oktober 2001 - L 15 V 37/01- veröffentlicht in juris). Dies ist bei der Berufungsrücknahme der Fall. Für eine Anfechtung der Rücknahme in entsprechender Anwendung des § 123 BGB ist schon deshalb kein Raum, weil der Vortrag des Klägers hierzu völlig unsubstantiiert ist, abgesehen davon, dass auch insoweit die Anfechtung der Berufungsrücknahme ausgeschlossen wäre (vgl BSG, Beschluss vom 12. August 1961 - 3 RK 13/59 = SozR Nr 6 zu § 102 SGG). Auch ein Widerruf der Berufungsrücknahme entsprechend den Regeln über die Wiederaufnahmeklage (vgl BSG, Urteil vom 24. April 1980 - 9 RV 16/79- veröffentlicht in juris) kommt nicht in Betracht, da ein gesetzlicher Restitutionsgrund im Sinne des § 179 Abs 1 SGG iVm § 580 ZPO (insbesondere: falsche eidliche Aussage des gegnerischen Prozessbeteiligten, Urkundenfälschung, strafbares falsches Zeugnis oder Gutachten, Urteilserschleichung, strafbare Amtspflichtverletzung eines Richters, Auffinden einer bisher unbekannten Urkunde) weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich ist; abgesehen davon wären auch die Voraussetzungen des § 581 Abs 1 ZPO nicht erfüllt. Ob ein Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 579 ZPO ebenfalls einen Widerruf rechtfertigen könnte, kann dahingestellt bleiben, denn die in § 579 Abs 1 ZPO aufgeführten Nichtigkeitsgründe (unvorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts, Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen oder wegen Befangenheit abgelehnten Richters, den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechende Vertretung eines Beteiligten) liegen ebenfalls nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Fortsetzung des Berufungsverfahrens mit dem Aktenzeichen L 11 KR 843/09, nachdem er im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 05. August 2009 die Berufung zurückgenommen hat.
Der 1943 geborene Kläger erhob am 17. Oktober 2008 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) gegen das Justizministerium Baden-Württemberg (Beklagter zu 1) sowie gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt der Justiz in Berlin (Beklagte zu 2), wegen der "Nichterfüllung und Abführung von Rentenversicherungsbeiträge für Strafgefangene in der Haftzeit". Er machte geltend, er habe während seiner 19-jährigen Haftzeit sozialversicherungspflichtig gearbeitet. Der Beklagte zu 1 bzw die jeweilige Haftanstalt hätten jedoch keine Rentenversicherungsbeiträge abgeführt, obwohl jede Vollzugsanstalt als Arbeits-, Erwerbs- und Gewerbebetrieb geführt werde. Es seien lediglich Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt worden. Für die 19 Jahre, in denen er in Haft gewesen sei, müssten entsprechend dem jeweils geltenden Tariflohn Rentenversicherungsbeiträge nachgezahlt werden. Zur weiteren Begründung legte er das Schreiben des Beklagten zu 1 vom 04. September 2008 vor, wonach es zutreffend sei, dass in der Zeit der Inhaftierung keine Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt worden seien. Die Gesetzeslage sehe dies nicht vor.
Der Beklagte zu 1 trat der Klage entgegen und rügte zunächst die fehlende Zulässigkeit des Rechtswegs. Das Begehren des Klägers betreffe die öffentlich-rechtlichen Beziehungen des Gefangenen zur Vollzugsbehörde. Zuständig für den Rechtsschutz in diesem Verhältnis seien daher gemäß den §§ 109 Abs 1, 110 Strafvollzugsgesetz (StVollzG), § 78a Abs 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) die Strafvollstreckungskammern, hier die Strafvollstreckungskammern des Landgerichts Freiburg. Das Verfahren sei daher an das Landgericht Freiburg zu verweisen. Im Übrigen bestehe für die Nachzahlung von Rentenversicherungsbeiträgen für die während der Haftzeit geleistete Arbeit keine Rechtsgrundlage. Der Einbeziehung Strafgefangener in die Rentenversicherung sei nach §§ 193, 198 Abs 3 StVollzG gesetzlich nicht vorgesehen. Das Bundesverfassungsgericht habe diese Gesetzeslage nicht beanstandet.
Nach Anhörung der Beteiligten wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2009 ab. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei gegeben, da streitgegenständlich die Frage sei, ob während der Haft ein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe. Dafür seien die Sozialgerichte zuständig und nicht die Strafvollstreckungskammern. Die Klage sei jedoch unzulässig, da es derzeit an einem Rechtsschutzinteresse des Klägers fehle. Ihm stehe der einfachere Weg offen, sich an eine zuständige gesetzliche Krankenkasse zu wenden, die als Einzugsstelle über die Frage, ob einer der Beklagten als Arbeitgeber eines rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses für den Kläger Rentenversicherungsbeiträge zu entrichten habe, eine Verwaltungsentscheidung (Verwaltungsakt) herbeizuführen habe. Ob der Beklagte zu 1 Rentenversicherungsbeiträge zu entrichten habe, hänge von einer Entscheidung der Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragspflicht ab. Dazu gehöre auch die Entscheidung über die Beitragspflicht, die Beitragszahlungspflicht und die Geltendmachung der Beiträge. Solange bei einem Streit um die Versicherungs- und Beitragspflicht zur Rentenversicherung eine positive Entscheidung der Einzugsstelle nicht vorliege, fehle für eine gegen den angeblichen Arbeitgeber gerichtete Klage auf Beitragsentrichtung das Rechtsschutzinteresse. Aus diesem Grund sei eine Entscheidung in der Sache nicht möglich.
Hiergegen hat der Kläger am 11. Februar 2009 beim SG Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt (Az: L 11 KR 843/09) und geltend gemacht, die Justiz sei als Arbeitgeber und als Aufsichts- bzw Fürsorgeträger verpflichtet, Rentenversicherungsbeiträge abzuführen, wenn gleichzeitig Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt würden. Gleiches gelte auch für Unternehmen in der freien Wirtschaft. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe seine Ansicht auf Nachfrage bestätigt.
Die Beklagten sind der Berufung unter Hinweis auf die Entscheidung des SG entgegengetreten, wobei der Beklagte zu 1 zusätzlich darauf hingewiesen hat, dass ein Vorverfahren im Sinne des § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht stattgefunden habe.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 05. August 2009 hat der Kläger erklärt, dass er die Berufung zurücknehme; ausweislich der Niederschrift (Bl. 35/36 der LSG-Akte) wurde diese Erklärung dem Kläger vorgespielt und von diesem genehmigt.
Mit dem am 12. August 2009 beim LSG eingegangenen Schreiben des Klägers hat dieser mitgeteilt, dass er seine Entscheidung vom 05. August 2009 zurückziehe. Gleichzeitig bat er um "Zurücksetzung des Verfahrens in den alten Stand", da er eine Entscheidung des Senats wolle. Auf Hinweis des Senats, dass die Rücknahme der Berufung eine Prozesserklärung sei, die nicht widerrufen werden könne, hat der Kläger am 26. August 2009 mitgeteilt, dass er auf die Fortführung des Verfahrens bestehe. Das Verfahren wird seitdem unter dem Az: L 11 KR 3881/09 fortgeführt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Fortsetzung des Verfahrens L 11 KR 843/09 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Januar 2009 aufzuheben und entweder den Beklagten zu 1 oder die Beklagte zu 2 zu verurteilen, für die während seiner Haftzeit ausgeübten Beschäftigungen in Justizvollzugsanstalten entsprechende Rentenversicherungsbeiträge an den zuständigen Rentenversicherungsträger nachzuentrichten.
Die Beklagten beantragen sinngemäß,
festzustellen, dass das Berufungsverfahren durch die seitens des Klägers am 05. August 2009 erklärte Berufungsrücknahme erledigt ist.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Berufungsakten (Az: L 11 KR 843/09 und L 11 KR 3881/09) und auf die Gerichtsakte erster Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG). Über die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Sozialgerichten musste der Senat wegen § 17a Abs 5 GVG nicht mehr entscheiden. Denn danach prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Das Begehren des Klägers hat keinen Erfolg. Der Rechtsstreit L 11 KR 843/09 ist aufgrund der vom Kläger formwirksam und ohne Einschränkungen erklärten Berufungsrücknahme am 05. August 2009 erledigt. Über die Wirksamkeit der Berufungsrücknahme war in Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 11 KR 843/09 zu entscheiden, in dem diese erklärt wurde (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 26. Juli 1989 - B 11 RAr 31/88 = SozR 1500 § 73 Nr 6). Gemäß § 156 Abs 1 Satz 1 SGG kann die Berufung bis zur Rechtskraft des Urteils oder eines nach § 153 Abs 4 oder § 158 Satz 2 SGG ergangenen Beschlusses zurückgenommen werden. Die Rücknahme bewirkt den Verlust des Rechtsmittels (§ 156 Abs 2 Satz 1 SGG). Diese Rechtswirkung ist vorliegend eingetreten. Der prozessfähige Kläger hat im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 05. August 2009 die Berufung wirksam zurückgenommen. Dies ergibt sich bereits aus der Niederschrift über diesen Termin (Bl 35/36 der LSG-Akte), der insofern Beweiskraft zukommt (vgl § 122 SGG iVm § 165 Zivilprozessordnung [ZPO]). Die maßgeblichen Protokollierungsvorschriften des § 122 SGG iVm §§ 160 Abs 3 Nr 8, 162 Abs 1 Satz 2 und 3 ZPO sind gewahrt worden. Der Berichterstatter hat die seitens des Klägers erklärte Berufungsrücknahme protokolliert und anschließend vermerkt, dass die vorläufige Aufzeichnung vorgespielt und genehmigt wurde. Ob die Einhaltung dieser Vorschriften für die Wirksamkeit der protokollierten Prozesshandlung erforderlich ist (bejahend LSG Rheinland-Pfalz, Entscheidungen vom 14. Januar - L 2 J 32/73 - und 04. Februar 1974 - L 2 J 65/73 = Breithaupt 1974, 906 ff, 993 ff; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 156 RdNr 2; Bley in Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 156 RdNr 18; aA BSG, Urteil vom 12. März 1981 - 11 RA 52/80 = SozR 1500 § 102 Nr 4), brauchte der Senat deshalb nicht zu entscheiden. Für die Abgabe der Berufungsrücknahmeerklärung spricht auch, dass der Kläger einen Antrag auf Berichtigung der Niederschrift (§ 122 SGG iVm § 164 Abs 1 ZPO) nicht gestellt hat und im Übrigen nicht bezweifelt, diese Erklärung abgegeben zu haben. Als den Rechtsstreit beendende Prozesserklärung kann die vom Kläger zu Protokoll erklärte Berufungsrücknahme weder frei widerrufen noch entsprechend den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften wegen Irrtums (§ 119 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) angefochten werden (BSG, Beschluss vom 24. April 2003 - B 11 AL 33/03 B mwN, veröffentlicht in juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 156 RdNr 2a). Zwar können auch Prozesshandlungen grundsätzlich im Verlauf des weiteren Verfahrens widerrufen, ergänzt, geändert oder berichtigt werden, dies gilt jedoch nur solange der Rechtsstreit anhängig ist (Putzo in Thomas/Putzo, ZPO, Einleitung III, RdNr 21). Unwiderruflich und nicht abänderungsfähig sind darüber hinaus solche Prozesshandlungen, durch die der Prozessgegner eine Rechtsstellung erlangt oder aufgrund derer er seine Rechtsstellung eingerichtet hat (Bundesfinanzhof [BFH], Beschluss vom 08. August 1991- VI B 134/90 = BFH/NV 1992, 49; Bayerisches LSG, Urteil vom 16. Oktober 2001 - L 15 V 37/01- veröffentlicht in juris). Dies ist bei der Berufungsrücknahme der Fall. Für eine Anfechtung der Rücknahme in entsprechender Anwendung des § 123 BGB ist schon deshalb kein Raum, weil der Vortrag des Klägers hierzu völlig unsubstantiiert ist, abgesehen davon, dass auch insoweit die Anfechtung der Berufungsrücknahme ausgeschlossen wäre (vgl BSG, Beschluss vom 12. August 1961 - 3 RK 13/59 = SozR Nr 6 zu § 102 SGG). Auch ein Widerruf der Berufungsrücknahme entsprechend den Regeln über die Wiederaufnahmeklage (vgl BSG, Urteil vom 24. April 1980 - 9 RV 16/79- veröffentlicht in juris) kommt nicht in Betracht, da ein gesetzlicher Restitutionsgrund im Sinne des § 179 Abs 1 SGG iVm § 580 ZPO (insbesondere: falsche eidliche Aussage des gegnerischen Prozessbeteiligten, Urkundenfälschung, strafbares falsches Zeugnis oder Gutachten, Urteilserschleichung, strafbare Amtspflichtverletzung eines Richters, Auffinden einer bisher unbekannten Urkunde) weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich ist; abgesehen davon wären auch die Voraussetzungen des § 581 Abs 1 ZPO nicht erfüllt. Ob ein Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 579 ZPO ebenfalls einen Widerruf rechtfertigen könnte, kann dahingestellt bleiben, denn die in § 579 Abs 1 ZPO aufgeführten Nichtigkeitsgründe (unvorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts, Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen oder wegen Befangenheit abgelehnten Richters, den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechende Vertretung eines Beteiligten) liegen ebenfalls nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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