L 6 U 48/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 3 U 87/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 48/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Feststellung von Arbeitsunfallfolgen.

Die 1948 geborene Klägerin suchte am 11. Oktober 2006 den Durchgangsarzt Dr. O. de H. auf. Nach dessen Durchgangsarztbericht vom 12. Oktober 2006 bestand der Verdacht auf eine mediale Verletzung des linken Meniskus. Es bestand eine angedeu-tete periartikuläre Schwellung im Bereich des linken Kniegelenkes. Die Meniskuszei-chen waren links medial positiv, eine Instabilität oder ein Erguss waren nicht nach-weisbar. Ein Druckschmerz im Bereich der Kniescheibenrückseite war nicht auslösbar. Die Klägerin gab an, am 25. August 2006 um 14.00 Uhr im Arbeitsbereich gestolpert zu sein, wobei es durch eine reflexartige Bewegung zu einem Verdrehmechanismus im Bereich des linken Kniegelenkes gekommen sei. In der Unfallanzeige vom 11. Oktober 2006, mit der die Arbeitgeberin der Klägerin deren Schilderung einreichte, gab die Klägerin an, sie sei im Lager einer Kaufhalle beim Holen von Kartons über abgestellte Kisten gestolpert, habe sich aber an abgestellten Rollis fangen können. Dabei habe sie etliche blaue Flecke bekommen und sich ihr linkes Knie verdreht, das auch sofort angeschwollen sei. Sie habe bis zur Gegenwart weiter gearbeitet.

Nach dem Befund der am 11. Oktober 2006 durchgeführten Magnetresonanztomogra-phie des linken Kniegelenkes lag dort eine Verletzung dritten Grades des Innenmenis-kushinterhorns in Form einer strahlenförmigen Risskonfiguration vor. Es war ein mäs-siggradiger Kniegelenkserguss zu erkennen. Das mediale Seitenband war narbig ver-ändert, jedoch nicht gerissen. Es fand sich eine Knorpelerkrankung noch zweiten Grades mit beginnenden knöchernen Umbauveränderungen. Es bestanden Sehnen-ansatzerkrankungen der Patellarsehne und der Sehne des Muskulus semimembrano-sus. Es zeigte sich die Ausbildung einer Bakerzyste. Nach dem Bericht von Dr. O. de H. vom 1. November 2006 hätten sofort eine Schwellungsneigung und Belas-tungsschmerzen bestanden, die sich Anfang Oktober verstärkt hätten. Nach Angaben der Klägerin hätten sonstige Umstände mit Einwirkung auf das Kniegelenk nicht vorgelegen. Äußere Verletzungszeichen seien nicht zu finden gewesen. Im Bandappa-rat hätten Normalbefunde vorgelegen. Für eine Meniskusbeteiligung spreche ein Wandern des Druckschmerzes über den medialen Gelenkspalt bei einer Beugung rückwärts. Über dem medialen Gelenkspalt war auch ein Dehnungsschmerz auszulö-sen, daneben lag eine schmerzhafte Außendrehung vor. Die Behandlung erfolge konservativ mit Beschwerderückgang. Nach einem beschwerdefreien Zeitraum gab die Klägerin seit dem 12. Dezember 2006 wieder fortschreitende Schmerzen des Kniegelenks an.

Unter dem 24. November 2006 beantwortete die Klägerin Fragen der Beklagten dahingehend, der Unfall sei in aufrecht gehender Stellung erfolgt. Der Fuß oder Unterschenkel sei nicht ein- oder festgeklemmt gewesen. Es sei zu einer Verdrehung des Oberschenkels gegen den Unterschenkel gekommen. Das Knie sei sofort ge-schwollen gewesen. Eine Bewegungseinschränkung habe sofort bestanden; es sei dann aber mit den Beschwerden und der Schwellung gegangen.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Chirurgen Dr. P. vom 23. Januar 2007 ein, nach dessen Auffassung die MRT-Befunde nicht unfallbedingt seien. Gegen Unfallfolgen spräche auch der Zeitablauf zwischen dem Unfallereignis und ersten Vorstellung bei einem Arzt.

Mit Bescheid vom 1. März 2007 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 25. August 2006 als Arbeitsunfall an und machte weitere, ausdrücklich "informative" Ausführun-gen. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit schloss sie aus. Weiterhin lehnte sie die Anerkennung der mittels MRT erhobenen Befunde als Unfallfolgen ab. Sie vertrat die Auffassung, diese seien durch deutliche anlagebedingte Veränderungen entstanden. Bei dem Vorfall habe die Klägerin sich allenfalls eine Bagatellverletzung zugezogen, die ohne wesentliche Folgen ausheile.

Mit Bescheid vom 26. April 2007 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Sie führte erneut aus, ein Zusammenhang zwischen den fest-gestellten Veränderungen am linken Kniegelenk und dem Unfall vom 25. August 2006 könne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Auch gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 25. Mai 2007 Widerspruch. Dazu machte sie geltend, sie habe vor dem Unfall keinerlei Beschwerden gehabt und leide seitdem ständig unter Schmerzen und Bewegungseinschränkungen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. August 2007 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Er blieb im Wesentlichen bei der abgegebenen Begründung. Die Beklagte gab der Klägerin den Widerspruchsbescheid auf dem Postwege bekannt.

Mit der am 5. Oktober 2007 beim Sozialgericht Dessau eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ihre Beschwerden bestünden bereits seit dem Unfallereig-nis. Von der Beklagten geäußerte Zweifel, insbesondere im Hinblick auf eine nicht sofortige Behandlungsbedürftigkeit, genügten für eine Ablehnung nicht. Sie habe be-reits unmittelbar nach dem Unfall unter Beschwerden und einer starken Schwellung des linken Knies gelitten, die auch bezeugt werden könne. Die Beschwerden und wiederkehrende Schwellungen hätten auch angedauert. Die nachfolgend erhobenen ärztlichen Befunde stünden einem Unfallzusammenhang nicht entgegen. Entsprechen-des gelte für eventuell zusätzlich bestehende degenerative Veränderungen.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Chefarztes der K. für Unfall- und Handchi-rurgie des St. K. D. , Dr. Z. , vom 11. Februar 2008 einge-holt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 35 - 47 d. A. verwiesen wird. Dr. Z. ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, zwischen den erhobenen krankhaften Kniebefunden und dem Ereignis vom 25. August 2006 bestehe kein ursächlicher Zusammenhang. Ursächlich für die Bewegungseinschränkung wie auch die Schmer-zen der Klägerin sei eine Zusammenhangstrennung des Innenmeniskushinterhornes. Stürzen oder Ausrutschen ohne Feststellung des Fußes sei kein geeigneter Mecha-nismus zur isolierten Meniskusverletzung. Bei der Klägerin sei vielmehr aufgrund nachweisbarer abbaubedingter Veränderungen von einer erhöhten Rissbereitschaft des Innenmeniskus auszugehen, die anlässlich der Verdrehung aus innerer Ursache zu der Zusammenhangstrennung geführt habe. Gegen einen erheblichen Kniebinnen-schaden spreche zudem die verspätet aufgenommene ärztliche Behandlung und der fehlende Nachweis eines Knochenmarködems. Dem Ereignis vom 25. August 2006 komme allenfalls die Bedeutung eines Anlassgeschehens zu. Der Unfallschaden bestehe nur in einer Verstauchung.

Mit Urteil vom 23. April 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es ist dem Sachverständigen Dr. Z. in der Begründung gefolgt.

Gegen das ihr am 7. Mai 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin noch im gleichen Monat Berufung eingelegt. Sie bleibt bei ihrem Vorbringen. Sie sei mit den vorbeste-henden abbaubedingten Veränderungen im Bereich des Kniegelenkes versichert gewesen. Der Sachverständige äußere sich nicht dazu, ob das Unfallereignis durch alltägliche Ereignisse ersetzbar gewesen wäre. Er stelle selbst fest, die bei dem Unfallereignis eingetretene Verdrehung habe zur Zusammenhangstrennung des Innenmeniskus geführt. Zur Frage einer fristgerechten Klageerhebung trägt sie vor, der Widerspruchsbescheid sei ihr am 5. September 2007 zugegangen. Ein früherer Zu-gang sei auszuschließen, weil sie oder ihr Ehemann auch an den Vortagen den Briefkasten täglich geleert hätten.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 23. April 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 26. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2007 aufzuheben und festzustellen, dass eine Zusammenhangstrennung des Innenmeniskus des linken Kniegelenkes Folge des Arbeitsunfalls vom 25. August 2006 ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die abbaubedingten Veränderungen im Kniegelenk und ergänzt, bei dem Ereignis vom 25 August 2006 habe es sich allein um den Tropfen gehandelt, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Den Zeitpunkt der Absendung des Wider-spruchsbescheides könne ein namentlich benannter Sachbearbeiter bezeugen, der den Umschlag mit dem Widerspruchsbescheid vom 29. August 2007 vor acht Uhr morgens zur Poststelle gebracht habe. Wer den Umschlag zur Post gebracht habe, sei nicht mehr festzustellen. Sie weise auch darauf hin, dass die von der Hauptverwaltung zur Bezirksverwaltung in Dresden zurückgesandten Unterlagen am 30. August 2007 dort eingegangen seien.

Die Akte der Beklagten zu dem Ereignis – Az. 06/5/12800/00 – hat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Die Klage ist allerdings nicht schon wegen Versäumung der Klagefrist des § 87 Abs. 1 S. 1 SGG von einem Monat nach Bekanntgabe unzulässig. Die Klageerhebung am 5. Oktober 2007 liegt genau einen Monat nach der Bekanntgabe am 5. September 2007. Der Beweis einer früheren Bekanntgabe kann zu Gunsten der Beklagten nicht festgestellt werden, die gem. § 37 Abs. 2 S. 3, zweiter Halbsatz des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) die Feststellungslast trägt. Zweifel, die eine Beweis-führung erfordern, ergeben sich aus der substantiierten Behauptung der Klägerin, sie habe den Brief erst am 5. September in ihrem Briefkasten vorgefunden, obwohl sie bzw. ihr Ehemann diesen auch am Vortag geleert hätten. Weiterer Beweis zur Verein-barkeit dieser Behauptung mit Postlaufzeiten – wenn dies überhaupt sachgerecht wäre – war jedenfalls deshalb nicht zu erheben, weil auch die Aufgabe des Widerspruchsbe-scheides zur Post im Sinne von § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X nicht nachgewiesen ist. Eine eigenständige Urkunde darüber durch einen paraphierten Vermerk hat die Beklagte nicht angelegt. Zeugenbeweis ist nicht zu erheben, weil die Beklagte den Bediensteten, der die Aufgabe zur Post – damit ist nicht die eigene interne Poststelle gemeint – bewirkt hat, nicht mehr benennen kann.

Der Bescheid der Beklagten vom 26. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 24. August 2007 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, soweit die Beklagte darin die Feststellung der geltend gemachten Unfallfolgen abgelehnt hat. Denn darauf hatte die Klägerin keinen Anspruch, weil die als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit Folgen des Unfalls sind.

Für die Feststellung einer Verursachung eines Gesundheitsschadens durch den Versi-cherungsfall (vgl. § 26 Abs. 2 Nr. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches – SGB VII – v. 7.8.1996, BGBl. I S. 1254), hier den anerkannten Arbeitsunfall (zu den Versicherungsfällen § 7 Abs. 1 SGB VII), gilt der Maßstab der Wahrscheinlichkeit. Die-se liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – SozR 4 2700 § 8 Nr. 17 m.w.N.). Diese Beweisvoraussetzungen sind hier nicht erfüllt; der Senat hegt ernste Zweifel an dem Zusammenhang.

Die Zusammenhangstrennung des Innenmeniskushinterhorns muss nicht durch das Unfallereignis vom 25. August 2006 entstanden sein. Nach herrschender medizinischer Lehre kann sie auch als Folge abbaubedingter (degenerativer) Veränderungen auftre-ten, ohne Symptome zu verursachen (z.B. Ludolph/Schürmann/Gaidzik, Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, Kap. VI-1.2.1, S. 8). Solche Veränderungen sind bei der Klägerin nach der überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen Dr. Z. nachgewiesen.

Durch eine über sechswöchige Behandlungsfreiheit von Unfallfolgen fehlt es an jegli-chem Nachweis andauernder Verletzungsfolgen, die mittelbar den Schluss begründen könnten, die Mitte Oktober 2006 erhobenen, auf eine Innenmeniskusschädigung hin deutenden Befunde hätten schon unmittelbar nach dem Unfall bestanden. Die nach den ursprünglichen Angaben der Klägerin selbst anfänglich bestehenden Beschwerden in Form von Schwellung und Bewegungseinschränkung des Kniegelenkes sind auch durch eine bloße Stauchung zu erklären. Die Angabe der Klägerin gegenüber der Beklagten, in dieser Hinsicht sei es später "gegangen", deutet auf eine Besserung des anfänglichen Unfallschadens hin. Die spätere Verschlimmerung, die aus diesem Vortrag und der entsprechenden Mitteilung Dr. O. de H. abzuleiten ist, muss nicht mit den ursprünglichen Unfallfolgen, sondern kann mit abbaubedingten Vorgängen erklärbar sein. Eine bewertbare ärztliche Verlaufskontrolle gibt es dazu nicht.

Der Senat folgt nicht der Meinung Dr. Z. , der Innenmeniskusriss sei anlässlich des Arbeitsunfalls aufgetreten. Diese Auffassung entspricht aus den dargelegten Gründen nicht den Beweisanforderungen. Auf die Bewertung, ob der Arbeitsunfall dann wesentliche Ursache wäre, kommt es danach nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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