Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 130/08
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 80/09 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die sofortige Vollziehung des der Antragstellerin erteilten Bescheides vom 31.03.2008 über die Genehmigung einer Zweigpraxis wird angeordnet. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin ist ein Medizinisches Versorgungszentrum mit Sitz in C (MVZ der Klinik E GmbH (Fachrichtung Augenheilkunde)). Die Beigeladene ist eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis). Ihre Mitglieder sind als Fachärzte für Augenheilkunde zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und in Remscheid so wie in Solingen tätig. Die Beigeladene wendet sich mit der defensiven Konkurrentenklage gegen die der Antragstellerin erteilte Zweigpraxisgenehmigung.
Auf den Antrag der Antragstellerin vom 07.01.2008 genehmigte die Antragsgegnerin eine Zweigpraxis in Remscheid für die Tätigkeit der Ärztin S (Bescheid vom 31.03.2008). Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Beigeladenen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22.07.2008).
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Klage der Beigeladenen mit Urteil vom 20.05.2009 abgewiesen. Die Klage sei zulässig. Unzulässig sei ein Rechtsbehelf nur dann, wenn durch den angefochtenen Verwaltungsakt offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise Rechte des Klägers verletzt werden könnten. Die Überprüfung im Einzelnen, ob eine Rechtsnorm drittschützenden Charakter habe, erfolge erst im Rahmen der Begründetheit. Die Klage sei indes unbegründet. Eine Anfechtungsbefugnis sei nicht gegeben, denn der Regelung des § 24 Abs. 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) sei keine drittschützende Wirkung zu entnehmen. Eine Anfechtungsberechtigung lasse sich auch nicht aus einem Verstoß gegen das Willkürverbot herleiten. Eine inhaltliche Überprüfung auf solche schweren Rechtsfehler setze stets voraus, dass der angegriffenen Rechtseinräumung ein grundsätzlicher Nachrang gegenüber der Position des Anfechtenden innewohne. Fehle es daran, sei kein Ansatz für die Annahme einer drittschützenden Wirkung zugunsten der bereits tätigen Vertragsärzte gegeben und könne in einem Verfahren der defensiven Konkurrentenklage auch keine inhaltliche Überprüfung stattfinden. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass die angegriffene Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruhe.
Diese Entscheidung hat die Beigeladene mit der Berufung angegriffen. Das Verfahren ist seit dem 15.07.2009 zum Az. L 11 KA 42/09 vor dem Senat anhängig.
Mit Schreiben vom 11.12.2009 begehrt die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz. Sie macht geltend: Der Antrag sei zulässig. Die Anfechtungsklage der Beigeladenen habe aufschiebende Wirkung. Das Vollzugsinteresse überwiege das Aussetzungsinteresse bei weitem. Die Berufung der Beigeladenen könne keine Aussicht auf Erfolg haben, denn diese sei nicht berechtigt, die erteilte Zweigpraxisgenehmigung anzufechten. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seiner Sitzung vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - entschieden, dass die Zweigpraxisgenehmigung für den begünstigten Arzt keine statusbegründende Wirkung habe, sondern in tatsächlicher Hinsicht lediglich die Behandlungsmöglichkeiten erweitere. Darüber hinaus bestehe im Gegensatz zur Erteilung von Ermächtigungen bzw. Sonderbedarfszulassungen zwischen der Zweigpraxisgenehmigung und der Zulassung des konkurrierenden Vertragsarztes kein Über-Unterordnungsverhältnis, da eine Bedarfsprüfung nicht stattfinde. Diese Entscheidung und deren Bedeutung für den von ihr geführten Rechtsstreit habe die Beigeladene erkannt, dennoch die Klage bislang nicht zurückgenommen.
Die Antragstellerin beantragt,
die sofortige Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin über die Erteilung der Genehmigung für die Antragsstellerin, eine Zweigpraxis am Standort Leichlingen zu errichten, anzuordnen.
Die Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Die Antragsgegnerin verweist darauf, angesichts der Entscheidung des BSG vom 28.10.2009 sei der Antragstellerin nunmehr die Möglichkeit zu geben, ihre Tätigkeit in der Zweigpraxis aufzunehmen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen ist auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug zu nehmen.
II.
1. Der statthafte und im Übrigen zulässige Antrag ist begründet. Der Senat ist zuständig. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache die dort unter den Nrn. 1 bis 3 gelisteten vorläufigen Maßnahmen treffen. Gericht der Hauptsache ist das LSG Nordrhein-Westfalen, denn das Hauptsacheverfahren ist vor dem Senat anhängig.
2. Rechtsgrundlage für die begehrte einstweilige Regelung ist § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG, denn nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG hat der Widerspruch der Beigeladenen gegen die erteilte Zweigpraxisgenehmigung aufschiebende Wirkung.
a) Voraussetzung für den Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung ist ein Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist die Zulässigkeit der Antragstellung nicht an ein irgendwie geartetes Vorverfahren geknüpft. Indessen gilt auch hier, dass im Interesse der Entlastung der Gerichte das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen ist, wenn der Beteiligte sein Begehren erkennbar auch außergerichtlich durchsetzen kann oder der Versuch, eine Aussetzung durch die Behörde zu erreichen, nicht von vornherein aussichtslos erscheint (vgl. Düring in Jansen, SGG, 3. Auflage, 2009, § 86b Rdn. 3). Ausgehend hiervon könnte erwogen werden, ein etwaiges Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin deswegen zu verneinen, weil sie keinen Antrag nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG gestellt hat. Ein solcher Antrag wäre auch noch nach Klageerhebung zulässig, denn ab diesem Zeitpunkt können sowohl die Verwaltung als auch das Gericht die sofortige Vollziehung anordnen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86a Rdn. 21). Dieser Ansatz wiederum ist dahin einzuschränken, dass zwar beide Stellen zuständig sind, indessen die sofortige Vollziehung zunächst bei der Verwaltung zu beantragen ist. Erst wenn ein solcher Antrag erkennbar aussichtslos ist, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung des Gerichts. Der gegenteiligen Entscheidung des BSG vom 17.01.2007 - B 6 KA 4/07 R - folgt der Senat nicht. Zwar führt das BSG aus, § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG setze im Gegensatz zu § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gerade nicht voraus, dass sich der Antragsteller zunächst an die Verwaltung wenden muss, um eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu erhalten. Das trifft zwar zu, greift indessen zu kurz. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass § 80 Abs. 6 VwGO das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis lediglich normativ konkretisiert. Hieraus lässt sich nicht schlussfolgern, dass für das SGG Abweichendes gilt. Das Rechtsschutzbedürfnis ist Grundvoraussetzung dafür, dass ein Gericht sich in der Sache mit dem angetragenen Rechtsstreit befasst, denn jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. Keller, a.a.O., vor § 51 Rdn. 16; vgl. auch Jung in Jansen, a.a.O., § 51 Rdn. 8f.), mithin ist ein Antrag nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG vorrangig.
Vorliegend ist das Rechtsschutzinteresse im Ergebnis (noch) zu bejahen. Zwar hat die Antragstellerin keinen Antrag nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG gestellt. Indessen ist den schriftsätzlichen Einlassungen der Antragsgegnerin im anhängigen Verfahren zu entnehmen, dass sie die Voraussetzungen für die Anordnung einer sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG nicht als gegeben ansieht. Das mag zwar als zweifelhaft erscheinen, denn das überwiegende Interesse der Antragstellerin am Sofortvollzug ist zu bejahen (dazu nachfolgend). Auch das besondere Interesse am Sofortvollzug einer Zweigpraxisgenehmigung kann im Einzelfall je nach Sachlage gegeben sein. Letztlich kann dies dahinstehen, denn die Antragstellerin kann grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden, einen Antrag auf Sofortvollzug nach Maßgabe des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu stellen, wenn dieser - wie hier - angesichts einer entsprechenden Erklärung der zuständigen Behörde offenkundig negativ beschieden werden wird (vgl. auch Keller, a.a.O., § 86b Rdn. 26b zur Regelungsanordnung)
b) Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen. Bei den Entscheidungen nach § 86b Abs. 1 SGG hat eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen stattzufinden. Dabei steht eine Prüfung der Erfolgsaussichten zunächst im Vordergrund. Auch wenn das Gesetz keine materiellen Kriterien für die Entscheidung nennt, kann als Richtschnur für die Entscheidung davon ausgegangen werden, dass das Gericht dann die aufschiebende Wirkung wiederherstellt, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene durch ihn in subjektiven Rechten verletzt wird. Umgekehrt besteht am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein öffentliches Interesse (Senat, Beschluss vom 02.04.2009 - L 11 KA 2/09 ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.08.2006 - L 10 B 11/06 KA ER -; Düring a.a.O. Rdn. 11). Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die Regelung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu beachten, wonach in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG die Vollziehung ausgesetzt werden soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Auch über diese ausdrückliche Regelung hinaus ist das aus den Regelungen des §86a SGG hervorgehende gesetzliche Regel-Ausnahmeverhältnis zu berücksichtigen. In den Fallgruppen des § 86a Abs. 2 Nr. 2 bis 4 SGG ist maßgebend, dass der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine davon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 - zu § 80 Abs. 2 Nrn.1 bis 3 VwGO). In den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG haben Widerspruch und Klage hingegen grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Es ist ein öffentliches Vollzugsinteresse oder ein überwiegendes Interesse eines Beteiligten erforderlich. Nur dann wird (ausnahmsweise) die sofortige Vollziehung angeordnet. Das Gericht hat insbesondere zu erwägen, wie schwerwiegend die Beeinträchtigung durch die aufschiebende Wirkung gerade im grundrechtsrelevanten Bereich ist. Bei Eingriffen in die Berufsfreiheit müssen die Gründe für den Sofortvollzug in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen und ein Zuwarten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptverfahrens ausschließen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 28.08.2007 - 1 BvR 2157/07 - und vom 11.02.2005 - 1 BvR 276/05 -; BVerfG, NJW 2003 S. 3618, 3619; Senat, Beschluss vom 02.04.2009 - L 11 KA 2/09 ER -; vgl. auch Düring a.a.O.).
c) Ausgehend hiervon ergibt sich:
Die Antragstellerin hat ein überwiegendes Interesse am Sofortvollzug. Die Antragsgegnerin tritt dem nicht entgegen. Gegenläufige Interessen der Beigeladenen sind nicht rechtserheblich.
aa) Die Berufung der Beigeladenen hat bei summarischer Prüfung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Nach der Entscheidung des BSG vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - ist ein Dritter nicht berechtigt, die Erteilung der Genehmigung für eine Zweigpraxis anzufechten. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen, die das BSG, anknüpfend an die Entscheidung des BVerfG vom 17.08.2004 - 1 BvR 378/00 -, in seinen Urteilen vom 07.02.2007 - B 6 KA 8/06 R -, vom 17.10.2007 - B 6 KA 42/06 R - und vom 17.06.2009 - B 6 KA 38/08 R - heraus gestellt hat.
Die Genehmigung einer Zweigpraxis gemäß § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV begründet für den begünstigten Arzt keinen Status, sondern erweitert in tatsächlicher Hinsicht seine Behandlungsmöglichkeiten. Auch ist die dem begünstigten Arzt gewährte Berechtigung, einen zweiten Standort zu unterhalten, nicht nachrangig gegenüber dem Status der an diesem Ort bereits tätigen Ärzte, denn eine Bedarfsprüfung wie bei Ermächtigungen und Sonderbedarfszulassungen findet insoweit nicht statt. Der Gesetzgeber des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes vom 22.12.2006 (BGBl. I 3439) wollte die Versorgung der Versicherten optimieren und die Möglichkeit des Betriebes von Zweigpraxen im Unterschied zum früher geltenden Recht nicht auf Fälle der Behebung von Versorgungsengpässen beschränken. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, wenn das bestehende Leistungsangebot zum Vorteil für die Versicherten in qualitativer, unter Umständen auch in quantitativer Hinsicht erweitert wird. Die Kassenärztliche Vereinigung wird allerdings gerade in einem überversorgten Planungsbereich im Rahmen des ihr bei Entscheidungen nach § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV zustehenden Beurteilungsspielraumes die Versorgungssituation an dem "weiteren Ort" nicht außer Betracht lassen dürfen. Diese Entscheidung des BSG wurde bisher zwar lediglich in Kurzform als Pressemitteilung im Terminbericht Nr. 59/09 vorgestellt. Erst nach Vorlage der vollständigen Entscheidungsgründe wird zu bewerten sein, ob nach Auffassung des BSG eine Anfechtungsberechtigung des Dritten unter keinen Umständen in Betracht kommt oder ob es ungeachtet einer nicht drittschützenden Wirkung des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV einem Vertragsarzt möglich sein muss, eine Zweigpraxisgenehmigung unter dem Gesichtspunkt des willkürlichen Eingriffs in die Berufsausübung anfechten und überprüfen zu lassen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass weder im Hauptsacheverfahren noch im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes behauptet worden ist, die Antragsgegnerin habe die Zweigpraxis willkürlich i.S.d. Entscheidung des BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 32/01 R - genehmigt. Hierzu ist nach Aktenlage auch nichts ersichtlich.
bb) Wird die Beigeladene im Hauptsacheverfahren nach derzeitiger Einschätzung offensichtlich unterliegen, bleibt für die Prüfung eines Anordnungsgrundes wenig Raum. Das ergibt sich wie folgt: Den Anordnungsgrund definiert § 86b Abs. 2 SGG für die Sicherungsanordnung einerseits und Regelungsanordnung andererseits jeweils eigenständig. Die Sicherungsanordnung setzt die Gefahr voraus, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustand die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), hingegen verlangt die Regelungsanordnung, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Hierunter fallen die praktisch häufigen Fälle eines Verpflichtungs- oder Leistungsbegehrens (vgl. Düring a.a.O. § 86b Rdn. 11). Ein striktes "Entweder/Oder" zwischen Regelungs- und Sicherungsanordnung besteht nicht (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.12.2006 - L 10 B 21/06 KA ER -, so im Ergebnis wohl auch OVG Münster vom 02.05.1979 - XV B 578/79 -). Für die Prüfung, ob und inwieweit die streitige Regelung wesentliche Nachteile zur Folge hat oder eine Rechtsverwirklichung vereitelt bzw. wesentlich erschwert, ist in beiden Varianten grundsätzlich auf die wirtschaftlichen Folgen der in geschützte Rechtsgüter (z.B. Art. 12, 14 Grundgesetz (GG)) eingreifenden Regelung abzustellen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.11.2007 - L 10 B 11/07 KA ER -).
Diese Anforderungen sind auf Verfahren nach § 86b Abs. 1 SGG nur eingeschränkt zu übertragen. Das ergibt sich daraus, dass diese Norm - anders als § 86b Abs. 2 SGG - eine Differenzierung in Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch nicht vornimmt. Ungeachtet dessen kommt es im Rahmen der Interessenabwägung für eine Entscheidung nach § 86b Abs. 1 SGG ggf. auch auf wirtschaftliche Beeinträchtigungen an. Diese haben indessen keine solche Bedeutung wie im Anwendungsbereich des § 86b Abs. 2 SGG, da sie dort in der Form des Anordnungsgrundes gleichrangig neben dem Anordnungsanspruch stehen. Für § 86b Abs. 1 SGG sind wirtschaftliche Interessen ein Kriterium neben einer Vielzahl anderer in die Abwägung u.U. einzubeziehender Umstände. Je nach Sachlage können wirtschaftliche Interessen auch von untergeordneter Bedeutung sein. So liegt es hier. Die Antragstellerin hat hinreichend dargelegt, durch weiteres Zuwarten nicht unerhebliche finanzielle Nachteile zu erleiden (z.B. Mietkosten). Das reicht aus, denn angesichts der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass die Beigeladene im Hauptsacheverfahren unterliegen wird, treten finanzielle Beeinträchtigungen in den Hintergrund.
Der Antrag musste nach alledem Erfolg haben.
III.
Die Entscheidung über den Streitwert erfolgt durch gesonderten Beschluss.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 162 Abs. 1 SGG. Der Senat hat erwogen, der Beigeladenen die Kosten ganz oder zum Teil aufzuerlegen, denn in der Sache ist sie unterlegen. Hiervon war abzusehen. Nach § 154 Abs. 3 VwGO können einem Beigeladenen nur dann Kosten auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat. Das ist nicht der Fall. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Kosten durch das Verschulden der Beigeladenen entstanden wären (§§ 154 Abs. 3, 155 Abs. 4 VwGO). "Verschuldet" können Kosten vornehmlich durch das prozessuale Verhalten eines Beteiligten sein (Rennen in Eyermann, VwGO, 12. Auflage, 2006, § 155 Rdn. 12). Das könnte hier insoweit in Betracht kommen, als die fragliche Entscheidung des BSG bereits vom 28.10.2009 datiert, die Beigeladene in ihrer prozessualen Stellung als Berufungsführerin des Hauptsacheverfahrens die Berufung bislang nicht zurückgenommen und damit letztlich den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz "verursacht" hat. Dem steht indessen entgegen, dass die Entscheidung des BSG bislang nicht veröffentlicht ist und lediglich in Kurzform als Pressemitteilung im Terminbericht Nr. 59/09 vorgestellt wurde. Insoweit ist es aus Gründen anwaltlicher Sorgfalt zumindest vertretbar, zunächst die schriftlichen Urteilsgründe abzuwarten, um sodann zeitnah ggf. notwendige prozessuale Erklärungen abzugeben. Andererseits entspricht es deshalb nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen dem Antragsteller oder der Antragsgegnerin aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO). Letztlich verbleibt damit nur die Möglichkeit, die prozessuale Beteiligtenstellung als maßgebend anzusehen. Hiernach sind der Antragsgegnerin, auch wenn sie dem Begehren der Antragstellerin nicht entgegengetreten ist, die Kosten aufzuerlegen, da sie als Hauptbeteiligte insoweit unterlegen ist.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin ist ein Medizinisches Versorgungszentrum mit Sitz in C (MVZ der Klinik E GmbH (Fachrichtung Augenheilkunde)). Die Beigeladene ist eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis). Ihre Mitglieder sind als Fachärzte für Augenheilkunde zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und in Remscheid so wie in Solingen tätig. Die Beigeladene wendet sich mit der defensiven Konkurrentenklage gegen die der Antragstellerin erteilte Zweigpraxisgenehmigung.
Auf den Antrag der Antragstellerin vom 07.01.2008 genehmigte die Antragsgegnerin eine Zweigpraxis in Remscheid für die Tätigkeit der Ärztin S (Bescheid vom 31.03.2008). Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Beigeladenen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22.07.2008).
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Klage der Beigeladenen mit Urteil vom 20.05.2009 abgewiesen. Die Klage sei zulässig. Unzulässig sei ein Rechtsbehelf nur dann, wenn durch den angefochtenen Verwaltungsakt offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise Rechte des Klägers verletzt werden könnten. Die Überprüfung im Einzelnen, ob eine Rechtsnorm drittschützenden Charakter habe, erfolge erst im Rahmen der Begründetheit. Die Klage sei indes unbegründet. Eine Anfechtungsbefugnis sei nicht gegeben, denn der Regelung des § 24 Abs. 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) sei keine drittschützende Wirkung zu entnehmen. Eine Anfechtungsberechtigung lasse sich auch nicht aus einem Verstoß gegen das Willkürverbot herleiten. Eine inhaltliche Überprüfung auf solche schweren Rechtsfehler setze stets voraus, dass der angegriffenen Rechtseinräumung ein grundsätzlicher Nachrang gegenüber der Position des Anfechtenden innewohne. Fehle es daran, sei kein Ansatz für die Annahme einer drittschützenden Wirkung zugunsten der bereits tätigen Vertragsärzte gegeben und könne in einem Verfahren der defensiven Konkurrentenklage auch keine inhaltliche Überprüfung stattfinden. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass die angegriffene Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruhe.
Diese Entscheidung hat die Beigeladene mit der Berufung angegriffen. Das Verfahren ist seit dem 15.07.2009 zum Az. L 11 KA 42/09 vor dem Senat anhängig.
Mit Schreiben vom 11.12.2009 begehrt die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz. Sie macht geltend: Der Antrag sei zulässig. Die Anfechtungsklage der Beigeladenen habe aufschiebende Wirkung. Das Vollzugsinteresse überwiege das Aussetzungsinteresse bei weitem. Die Berufung der Beigeladenen könne keine Aussicht auf Erfolg haben, denn diese sei nicht berechtigt, die erteilte Zweigpraxisgenehmigung anzufechten. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seiner Sitzung vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - entschieden, dass die Zweigpraxisgenehmigung für den begünstigten Arzt keine statusbegründende Wirkung habe, sondern in tatsächlicher Hinsicht lediglich die Behandlungsmöglichkeiten erweitere. Darüber hinaus bestehe im Gegensatz zur Erteilung von Ermächtigungen bzw. Sonderbedarfszulassungen zwischen der Zweigpraxisgenehmigung und der Zulassung des konkurrierenden Vertragsarztes kein Über-Unterordnungsverhältnis, da eine Bedarfsprüfung nicht stattfinde. Diese Entscheidung und deren Bedeutung für den von ihr geführten Rechtsstreit habe die Beigeladene erkannt, dennoch die Klage bislang nicht zurückgenommen.
Die Antragstellerin beantragt,
die sofortige Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin über die Erteilung der Genehmigung für die Antragsstellerin, eine Zweigpraxis am Standort Leichlingen zu errichten, anzuordnen.
Die Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Die Antragsgegnerin verweist darauf, angesichts der Entscheidung des BSG vom 28.10.2009 sei der Antragstellerin nunmehr die Möglichkeit zu geben, ihre Tätigkeit in der Zweigpraxis aufzunehmen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen ist auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug zu nehmen.
II.
1. Der statthafte und im Übrigen zulässige Antrag ist begründet. Der Senat ist zuständig. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache die dort unter den Nrn. 1 bis 3 gelisteten vorläufigen Maßnahmen treffen. Gericht der Hauptsache ist das LSG Nordrhein-Westfalen, denn das Hauptsacheverfahren ist vor dem Senat anhängig.
2. Rechtsgrundlage für die begehrte einstweilige Regelung ist § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG, denn nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG hat der Widerspruch der Beigeladenen gegen die erteilte Zweigpraxisgenehmigung aufschiebende Wirkung.
a) Voraussetzung für den Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung ist ein Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist die Zulässigkeit der Antragstellung nicht an ein irgendwie geartetes Vorverfahren geknüpft. Indessen gilt auch hier, dass im Interesse der Entlastung der Gerichte das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen ist, wenn der Beteiligte sein Begehren erkennbar auch außergerichtlich durchsetzen kann oder der Versuch, eine Aussetzung durch die Behörde zu erreichen, nicht von vornherein aussichtslos erscheint (vgl. Düring in Jansen, SGG, 3. Auflage, 2009, § 86b Rdn. 3). Ausgehend hiervon könnte erwogen werden, ein etwaiges Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin deswegen zu verneinen, weil sie keinen Antrag nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG gestellt hat. Ein solcher Antrag wäre auch noch nach Klageerhebung zulässig, denn ab diesem Zeitpunkt können sowohl die Verwaltung als auch das Gericht die sofortige Vollziehung anordnen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86a Rdn. 21). Dieser Ansatz wiederum ist dahin einzuschränken, dass zwar beide Stellen zuständig sind, indessen die sofortige Vollziehung zunächst bei der Verwaltung zu beantragen ist. Erst wenn ein solcher Antrag erkennbar aussichtslos ist, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung des Gerichts. Der gegenteiligen Entscheidung des BSG vom 17.01.2007 - B 6 KA 4/07 R - folgt der Senat nicht. Zwar führt das BSG aus, § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG setze im Gegensatz zu § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gerade nicht voraus, dass sich der Antragsteller zunächst an die Verwaltung wenden muss, um eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu erhalten. Das trifft zwar zu, greift indessen zu kurz. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass § 80 Abs. 6 VwGO das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis lediglich normativ konkretisiert. Hieraus lässt sich nicht schlussfolgern, dass für das SGG Abweichendes gilt. Das Rechtsschutzbedürfnis ist Grundvoraussetzung dafür, dass ein Gericht sich in der Sache mit dem angetragenen Rechtsstreit befasst, denn jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. Keller, a.a.O., vor § 51 Rdn. 16; vgl. auch Jung in Jansen, a.a.O., § 51 Rdn. 8f.), mithin ist ein Antrag nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG vorrangig.
Vorliegend ist das Rechtsschutzinteresse im Ergebnis (noch) zu bejahen. Zwar hat die Antragstellerin keinen Antrag nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG gestellt. Indessen ist den schriftsätzlichen Einlassungen der Antragsgegnerin im anhängigen Verfahren zu entnehmen, dass sie die Voraussetzungen für die Anordnung einer sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG nicht als gegeben ansieht. Das mag zwar als zweifelhaft erscheinen, denn das überwiegende Interesse der Antragstellerin am Sofortvollzug ist zu bejahen (dazu nachfolgend). Auch das besondere Interesse am Sofortvollzug einer Zweigpraxisgenehmigung kann im Einzelfall je nach Sachlage gegeben sein. Letztlich kann dies dahinstehen, denn die Antragstellerin kann grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden, einen Antrag auf Sofortvollzug nach Maßgabe des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu stellen, wenn dieser - wie hier - angesichts einer entsprechenden Erklärung der zuständigen Behörde offenkundig negativ beschieden werden wird (vgl. auch Keller, a.a.O., § 86b Rdn. 26b zur Regelungsanordnung)
b) Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen. Bei den Entscheidungen nach § 86b Abs. 1 SGG hat eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen stattzufinden. Dabei steht eine Prüfung der Erfolgsaussichten zunächst im Vordergrund. Auch wenn das Gesetz keine materiellen Kriterien für die Entscheidung nennt, kann als Richtschnur für die Entscheidung davon ausgegangen werden, dass das Gericht dann die aufschiebende Wirkung wiederherstellt, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene durch ihn in subjektiven Rechten verletzt wird. Umgekehrt besteht am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein öffentliches Interesse (Senat, Beschluss vom 02.04.2009 - L 11 KA 2/09 ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.08.2006 - L 10 B 11/06 KA ER -; Düring a.a.O. Rdn. 11). Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die Regelung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu beachten, wonach in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG die Vollziehung ausgesetzt werden soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Auch über diese ausdrückliche Regelung hinaus ist das aus den Regelungen des §86a SGG hervorgehende gesetzliche Regel-Ausnahmeverhältnis zu berücksichtigen. In den Fallgruppen des § 86a Abs. 2 Nr. 2 bis 4 SGG ist maßgebend, dass der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine davon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 - zu § 80 Abs. 2 Nrn.1 bis 3 VwGO). In den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG haben Widerspruch und Klage hingegen grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Es ist ein öffentliches Vollzugsinteresse oder ein überwiegendes Interesse eines Beteiligten erforderlich. Nur dann wird (ausnahmsweise) die sofortige Vollziehung angeordnet. Das Gericht hat insbesondere zu erwägen, wie schwerwiegend die Beeinträchtigung durch die aufschiebende Wirkung gerade im grundrechtsrelevanten Bereich ist. Bei Eingriffen in die Berufsfreiheit müssen die Gründe für den Sofortvollzug in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen und ein Zuwarten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptverfahrens ausschließen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 28.08.2007 - 1 BvR 2157/07 - und vom 11.02.2005 - 1 BvR 276/05 -; BVerfG, NJW 2003 S. 3618, 3619; Senat, Beschluss vom 02.04.2009 - L 11 KA 2/09 ER -; vgl. auch Düring a.a.O.).
c) Ausgehend hiervon ergibt sich:
Die Antragstellerin hat ein überwiegendes Interesse am Sofortvollzug. Die Antragsgegnerin tritt dem nicht entgegen. Gegenläufige Interessen der Beigeladenen sind nicht rechtserheblich.
aa) Die Berufung der Beigeladenen hat bei summarischer Prüfung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Nach der Entscheidung des BSG vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - ist ein Dritter nicht berechtigt, die Erteilung der Genehmigung für eine Zweigpraxis anzufechten. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen, die das BSG, anknüpfend an die Entscheidung des BVerfG vom 17.08.2004 - 1 BvR 378/00 -, in seinen Urteilen vom 07.02.2007 - B 6 KA 8/06 R -, vom 17.10.2007 - B 6 KA 42/06 R - und vom 17.06.2009 - B 6 KA 38/08 R - heraus gestellt hat.
Die Genehmigung einer Zweigpraxis gemäß § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV begründet für den begünstigten Arzt keinen Status, sondern erweitert in tatsächlicher Hinsicht seine Behandlungsmöglichkeiten. Auch ist die dem begünstigten Arzt gewährte Berechtigung, einen zweiten Standort zu unterhalten, nicht nachrangig gegenüber dem Status der an diesem Ort bereits tätigen Ärzte, denn eine Bedarfsprüfung wie bei Ermächtigungen und Sonderbedarfszulassungen findet insoweit nicht statt. Der Gesetzgeber des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes vom 22.12.2006 (BGBl. I 3439) wollte die Versorgung der Versicherten optimieren und die Möglichkeit des Betriebes von Zweigpraxen im Unterschied zum früher geltenden Recht nicht auf Fälle der Behebung von Versorgungsengpässen beschränken. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, wenn das bestehende Leistungsangebot zum Vorteil für die Versicherten in qualitativer, unter Umständen auch in quantitativer Hinsicht erweitert wird. Die Kassenärztliche Vereinigung wird allerdings gerade in einem überversorgten Planungsbereich im Rahmen des ihr bei Entscheidungen nach § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV zustehenden Beurteilungsspielraumes die Versorgungssituation an dem "weiteren Ort" nicht außer Betracht lassen dürfen. Diese Entscheidung des BSG wurde bisher zwar lediglich in Kurzform als Pressemitteilung im Terminbericht Nr. 59/09 vorgestellt. Erst nach Vorlage der vollständigen Entscheidungsgründe wird zu bewerten sein, ob nach Auffassung des BSG eine Anfechtungsberechtigung des Dritten unter keinen Umständen in Betracht kommt oder ob es ungeachtet einer nicht drittschützenden Wirkung des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV einem Vertragsarzt möglich sein muss, eine Zweigpraxisgenehmigung unter dem Gesichtspunkt des willkürlichen Eingriffs in die Berufsausübung anfechten und überprüfen zu lassen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass weder im Hauptsacheverfahren noch im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes behauptet worden ist, die Antragsgegnerin habe die Zweigpraxis willkürlich i.S.d. Entscheidung des BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 32/01 R - genehmigt. Hierzu ist nach Aktenlage auch nichts ersichtlich.
bb) Wird die Beigeladene im Hauptsacheverfahren nach derzeitiger Einschätzung offensichtlich unterliegen, bleibt für die Prüfung eines Anordnungsgrundes wenig Raum. Das ergibt sich wie folgt: Den Anordnungsgrund definiert § 86b Abs. 2 SGG für die Sicherungsanordnung einerseits und Regelungsanordnung andererseits jeweils eigenständig. Die Sicherungsanordnung setzt die Gefahr voraus, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustand die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), hingegen verlangt die Regelungsanordnung, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Hierunter fallen die praktisch häufigen Fälle eines Verpflichtungs- oder Leistungsbegehrens (vgl. Düring a.a.O. § 86b Rdn. 11). Ein striktes "Entweder/Oder" zwischen Regelungs- und Sicherungsanordnung besteht nicht (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.12.2006 - L 10 B 21/06 KA ER -, so im Ergebnis wohl auch OVG Münster vom 02.05.1979 - XV B 578/79 -). Für die Prüfung, ob und inwieweit die streitige Regelung wesentliche Nachteile zur Folge hat oder eine Rechtsverwirklichung vereitelt bzw. wesentlich erschwert, ist in beiden Varianten grundsätzlich auf die wirtschaftlichen Folgen der in geschützte Rechtsgüter (z.B. Art. 12, 14 Grundgesetz (GG)) eingreifenden Regelung abzustellen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.11.2007 - L 10 B 11/07 KA ER -).
Diese Anforderungen sind auf Verfahren nach § 86b Abs. 1 SGG nur eingeschränkt zu übertragen. Das ergibt sich daraus, dass diese Norm - anders als § 86b Abs. 2 SGG - eine Differenzierung in Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch nicht vornimmt. Ungeachtet dessen kommt es im Rahmen der Interessenabwägung für eine Entscheidung nach § 86b Abs. 1 SGG ggf. auch auf wirtschaftliche Beeinträchtigungen an. Diese haben indessen keine solche Bedeutung wie im Anwendungsbereich des § 86b Abs. 2 SGG, da sie dort in der Form des Anordnungsgrundes gleichrangig neben dem Anordnungsanspruch stehen. Für § 86b Abs. 1 SGG sind wirtschaftliche Interessen ein Kriterium neben einer Vielzahl anderer in die Abwägung u.U. einzubeziehender Umstände. Je nach Sachlage können wirtschaftliche Interessen auch von untergeordneter Bedeutung sein. So liegt es hier. Die Antragstellerin hat hinreichend dargelegt, durch weiteres Zuwarten nicht unerhebliche finanzielle Nachteile zu erleiden (z.B. Mietkosten). Das reicht aus, denn angesichts der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass die Beigeladene im Hauptsacheverfahren unterliegen wird, treten finanzielle Beeinträchtigungen in den Hintergrund.
Der Antrag musste nach alledem Erfolg haben.
III.
Die Entscheidung über den Streitwert erfolgt durch gesonderten Beschluss.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 162 Abs. 1 SGG. Der Senat hat erwogen, der Beigeladenen die Kosten ganz oder zum Teil aufzuerlegen, denn in der Sache ist sie unterlegen. Hiervon war abzusehen. Nach § 154 Abs. 3 VwGO können einem Beigeladenen nur dann Kosten auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat. Das ist nicht der Fall. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Kosten durch das Verschulden der Beigeladenen entstanden wären (§§ 154 Abs. 3, 155 Abs. 4 VwGO). "Verschuldet" können Kosten vornehmlich durch das prozessuale Verhalten eines Beteiligten sein (Rennen in Eyermann, VwGO, 12. Auflage, 2006, § 155 Rdn. 12). Das könnte hier insoweit in Betracht kommen, als die fragliche Entscheidung des BSG bereits vom 28.10.2009 datiert, die Beigeladene in ihrer prozessualen Stellung als Berufungsführerin des Hauptsacheverfahrens die Berufung bislang nicht zurückgenommen und damit letztlich den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz "verursacht" hat. Dem steht indessen entgegen, dass die Entscheidung des BSG bislang nicht veröffentlicht ist und lediglich in Kurzform als Pressemitteilung im Terminbericht Nr. 59/09 vorgestellt wurde. Insoweit ist es aus Gründen anwaltlicher Sorgfalt zumindest vertretbar, zunächst die schriftlichen Urteilsgründe abzuwarten, um sodann zeitnah ggf. notwendige prozessuale Erklärungen abzugeben. Andererseits entspricht es deshalb nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen dem Antragsteller oder der Antragsgegnerin aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO). Letztlich verbleibt damit nur die Möglichkeit, die prozessuale Beteiligtenstellung als maßgebend anzusehen. Hiernach sind der Antragsgegnerin, auch wenn sie dem Begehren der Antragstellerin nicht entgegengetreten ist, die Kosten aufzuerlegen, da sie als Hauptbeteiligte insoweit unterlegen ist.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
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