Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 R 146/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 235/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Rente wegen voller Erwerbsminderung, Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 3 R 235/07 S 13 R 146/06 (Sozialgericht Halle) Aktenzeichen
Beschluss in dem Rechtsstreit
– Kläger, Berufungskläger und Antragsteller – gegen Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland, vertreten durch die Geschäftsfüh-rung, Paracelsusstraße 21, 06114 Halle – Beklagte und Berufungsbeklagte –
Der 3. Senat des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt in Halle hat am 22. Oktober 2009 durch den Richter am Landessozialgericht Fischer als Vorsitzenden, die Richterin am Landessozialgericht Müller-Rivinius und den Richter am Amtsgericht Frank be-schlossen: Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beru-fungsverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI).
Der am 1956 geborene Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2003 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer (Bescheid vom 13. Mai 2004). Seit dem 13. Mai 2003 ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 anerkannt.
Der Kläger beantragte am 9. November 2004 die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung und verwies u.a. auf eine starke Verschlechterung seines allgemei-nen Gesundheitszustandes, insbesondere der orthopädischen Erkrankungen.
Die Beklagte zog zunächst die im Rahmen des erfolglos gebliebenen Rentenantrags vom 23. April 2003 erstellten medizinischen Unterlagen bei. Sowohl in dem Rehabilita-tionsentlassungsbericht der T. Fachklinik vom 29. April 2003 als auch in dem Gutach-ten der Fachärztin für Orthopädie/Chirotherapie Dipl.-Med. H. vom 8. Oktober 2003 wurde der Kläger als in der Lage erachtet, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung von zusätzlichen Leistungseinschränkungen vollschichtig auszuüben.
In dem hier zugrunde liegenden Rentenverfahren ließ die Beklagte den Chefarzt der Orthopädischen Klinik II des S. Krankenhauses M.-M. Dr. K. das Gutachten vom 18. Februar 2005 erstatten. Dieser diagnostizierte auf orthopädischem Fachgebiet ein chronisch rezidivierendes degeneratives Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom (HWS-, BWS- und LWS-Syndrom) mit lumbalbetonten Schmerzen bei fehlenden neurologischen Defiziten und geringen funktionellen Einschränkungen sowie einer radiologisch polisegmentalen Osteochondrose und Spondylarthrose und darüber hinaus einen Kniebinnenschaden mit zweimalig operativer Behandlung. Der Kläger sei für körperlich leichte und zeitweilig kurzfristig mittelschwere Arbeiten möglichst im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen vollschichtig einsetzbar. Schweres Heben und Tragen sowie das Verharren in Zwangshaltungen sollten vermieden werden. Ferner sei der Kläger wegefähig.
Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 29. März 2005 den Rentenantrag des Klägers abgelehnt hatte, veranlasste sie im Widerspruchsverfahren zwei weitere Begutachtungen des Klägers. Die Internistin Dr. N. führte in dem aufgrund der Unter-suchung des Klägers am 23. August 2005 erstellten Gutachten als Diagnosen an:
1. Adipositas, inkomplettes metabolisches Syndrom. 2. Arterielle Hypertonie. 3. Hyperlipoproteinämie. 4. Hyperurikämie. 5. Hörminderung beidseits, Hörgeräteversorgung rechts. 6. Wirbelsäulen- und Gelenkleiden, Kniebinnenschaden rechts.
Der Kläger habe sich altersentsprechend, kardiopulmonal kompensiert, jedoch psy-chisch auffällig präsentiert. Es sei ein arterieller Hypertonus zu berücksichtigen, der kardial initiale Folgen zeige, die linksventrikuläre Auswurfleistung sei nach echokar- diografischen Kriterien gut. Röntgenologisch habe sich das Herz linksbelastet, aorten-konfiguriert dargestellt; Stauungszeichen seien nicht vorhanden. Der bestehende Medikamentenspiegel liege im Normbereich. Die Atemfunktion sei ungestört. Eine ergometrische Untersuchung habe der Kläger wegen Schmerzen nicht toleriert. Er sei täglich sechs Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne erhöhte Unfallgefahr und ohne Lärmexposition auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar. Eine Besserung sei unwahrscheinlich. Wegefähigkeit liege vor.
Die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. J.-T. zeigte in dem Gutachten vom 16. November 2005 eine leichte reaktive depressive Verstimmung ohne wesentlichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Klägers auf. Dieser sei vollschichtig leistungsfähig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und führte zur Begründung an, bei dem Kläger bestehe ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne starken Zeitdruck (z.B. Akkord), Nachtschicht, eine Gefährdung durch Lärm, häufiges Bücken, Hocken, Knien, häufige Überkopfarbeiten, häufiges Klettern und Steigen sowie ohne erhöhte Unfallge-fahr (z.B. Absturzgefahr, ungesicherte Maschinen).
Hiergegen hat sich der Kläger mit der am 16. Februar 2006 vor dem Sozialgericht Halle erhobenen Klage gewandt und seinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsmin-derung weiterverfolgt. Nach seiner Auffassung seien seine chronischen Erkrankungen unterbewertet worden.
Das Sozialgericht hat zunächst das sozialmedizinische Gutachten von Dr. K. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) vom 8. November 2005 beigezogen. Der Kläger habe in allen Wirbelsäulenabschnitten, in beiden Knie-, Hüft- und oberen Sprunggelenken sowie im rechten Schultergelenk Dauerschmerzen angegeben. Bei der körperlichen Untersuchung sei eine deutliche Einschränkung der Beweglichkeit in allen Wirbelsäulenabschnitten nachvollziehbar und außerdem sei die Beweglichkeit im rechten Schulter- und Kniegelenk eingeschränkt gewesen. Folgende Diagnosen seien zu berücksichtigen:
1. Posttraumatische Gonarthrose rechts ohne Besserungstendenz. 2. Kniegelenksarthrose links, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, besonders im LWS-Bereich mit Beschwerden im Bereich der Schulter-Nacken-Region, im Be-reich der BWS und im Bereich des LWS. 3. Hüftgelenksschmerz beidseits, rechts ausgeprägter als links. 4. Sprunggelenksschmerz beidseits. 5. Inkomplettes metabolisches Syndrom. 6. Hypakusis beidseits.
In der Gesamtschau aller vorliegenden Befunde könne ein Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten von über drei Stunden pro Tag nicht festgestellt werden. Dem Kläger würden dringlich eine ambulante Psychotherapie und eine spezielle Schmerztherapie empfohlen.
Das Sozialgericht hat sodann Befund- und Behandlungsberichte eingeholt. Die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sch. hat unter dem 23. März 2006 mitgeteilt, bei Fixierung auf die körperliche Symptomatik bestehe eine subdepressive, dysphorische Grundstimmung mit diskreter Antriebsminderung. Der Kläger zeige ausreichende soziale Kompetenzen und eine ausreichende Tagesstruktu-rierung. Konzentration und Aufmerksamkeit seien ausreichend bei durchschnittlicher intellektueller Befähigung vorhanden. Sie hat einen Clusterkopfschmerz, eine kompli-zierte Migräne und eine Somatisierungsstörung diagnostiziert. Aufgrund der bestehen-den Medikation habe sich das Schlafverhalten deutlich gebessert. Ein Cluster-kopfschmerz würde kaum noch auftreten. Der Kläger falle durch eine sehr zwanghaft strukturierte Persönlichkeitsakzentuierung auf. Eine Psychotherapiebehandlung sei vergeblich empfohlen worden. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. B. hat in dem Befundbericht vom 27. März 2006 mitgeteilt, die Beschwerden des Klägers lägen vor allem im orthopädischen Bereich. Von November 2005 bis März 2006 sei der Kläger lediglich wegen Überweisungsscheinen vorstellig gewesen. Als Diagnosen hat sie zusätzlich auf eine arterielle Hypertonie, eine Schwerhörigkeit mit Hörgeräteversor-gung rechts, eine Hyperlipidämie, eine Hyperurikämie, einen komplizierten Migräne-kopfschmerz, einen Exophthalmus rechts ohne eine in der Magnetresonanztomogra-phie (MRT) nachweisbare Raumforderung, eine Refluxösophagitis, eine axiale Hiatus-hernie, eine Steatosis hepatis und eine Struma diffusa angeführt. Dipl.-Med. H. hat in dem Befundbericht vom 26. April 2006 von einer Verminderung der Beweglichkeit der HWS und LWS sowie der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke berichtet.
Das Sozialgericht hat daraufhin eine orthopädische Begutachtung des Klägers durch den Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie der M. H.-W. Prof. Dr. H. veran-lasst. Dieser hat in dem Gutachten vom 16. Februar 2007 als Gesundheitsstörungen angeführt:
1. Wirbelsäulenbeschwerden bei deutlich verstärkter Brustkyphose und partiell hypertropher Spondylose im Krümmungsscheitel der Kyphose als Zustand nach Morbus Scheuermann. Diskrete degenerative Veränderungen im Bereich der HWS und im Bereich der LWS. 2. Deutliche Rumpfmuskelinsuffizienz. 3. Gonarthrose rechts. 4. Beginnende Coxarthrose beidseits, rechts deutlicher als links.
Prof. Dr. H. hat aufgezeigt, die Wirbelsäule weise deutliche Veränderungen auf. Sowohl im Bereich der HWS als auch im Bereich speziell der BWS, andeutungsweise auch im Bereich der LWS, zeigten sich erhebliche degenerative Veränderungen. Durch eine in der Jugend durchgemachte so genannte aseptische Nekrose im Bereich der Wirbelsäule (Morbus Scheuermann) sei es zu einer erheblichen Kyphosierung (Rund-rücken) gekommen. Es fänden sich im Krümmungsscheitel dieser Kyphose spondyloti-sche Randwulstbildungen, welche die Zwischenwirbelräume komplett überbrückten. Jedoch sei die Restfunktion der BWS noch gut erhalten. Dafür spreche das Ott’sche Zeichen mit 30/34 cm und die Atembreite von 5 cm. Die degenerativen Veränderungen der HWS und LWS seien bei einem Fingerbodenabstand von 23 cm und bei einem Schober’sche Zeichen mit 10/17 cm nicht gravierend. Ferner bestehe eine erhebliche Insuffizienz der gesamten Rumpfmuskulatur, d.h. sowohl der Rücken- als auch der Bauchmuskulatur. Es seien Veränderungen der großen Gelenke und zwar sowohl der Knie- als auch der Hüftgelenke zu verzeichnen. Das rechte Kniegelenk zeige eine deutliche Irritation und zwar sowohl im Sinne einer Funktionsstörung als auch im Sinne einer deutlichen Instabilität mit radiologischen Veränderungen im Sinne einer deutli-chen Arthrose. Das linke Kniegelenk zeige noch einen weitgehend klinischen unauffäl-ligen Befund. Radiologisch zeigten sich anfängliche arthrotische Veränderungen. Veränderungen an den oberen Extremitäten seien nicht festzustellen. Die Hände seien seitengleich kräftig und die Verschwielung der Hände seien seitengleich entwickelt gewesen, sodass davon auszugehen sei, dass die Hände auch physisch gebraucht würden. Das rechte Bein weise eine erhebliche muskuläre Insuffizienz auf, d.h. sowohl Ober- als auch Unterschenkelmuskulatur seien in ihrem Umfang als Zeichen einer geringeren Belastung und Belastbarkeit eingeschränkt. Eine Zunahme der degenerati-ven Veränderungen, speziell in radiologischer Hinsicht am deutlichsten im Bereich der Hüftgelenke, sei zu verzeichnen. Es sei davon auszugehen, dass sich der Kläger in einem überschaubaren Zeitraum sowohl an den Hüft- als auch an den Kniegelenken einer operativen Behandlung unterziehen müsse. Die organischen Befunde und die Funktionsstörungen seien jedoch nicht so ausgeprägt, als dass der Kläger nicht in der Lage wäre, leichte körperliche Arbeiten in einer gewissen Regelmäßigkeit durchzufüh-ren. Zu bevorzugen sei eine Tätigkeit im Wechsel von gehender, stehender und sitzender Tätigkeit. Die vom Kläger geäußerten Schmerzen seien medikamentös sowie durch entsprechende psychotherapeutische und krankengymnastische Maßnahmen behandelbar.
Mit Schreiben vom 15. März 2007 hat der Kläger mitgeteilt, die Diagnosen seien richtig gestellt worden, allerdings sei die Leistungseinschätzung unverständlich. Ferner seien weiter die nichtorthopädischen Diagnosen wie Speisenröhrenverengung, chronische Speisenröhrenentzündung, chronische Nasenscheidewandentzündung, beidseitige Schwerhörigkeit, beidseitiger Tinnitus und Cluster nicht berücksichtigt worden.
Das Sozialgericht Halle hat sodann mit Urteil vom 19. April 2007 die Klage abgewie-sen. Der Kläger verfüge über ein noch mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen unter Berücksichtigung der überzeugenden ausführlichen Feststellungen des Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 16. Februar 2007. Er könne noch eine leichte Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung, vorwiegend im Sitzen, ohne starken Zeitdruck, Nachtschicht, eine Gefährdung durch Lärm, häufiges Bücken, Hocken, Knien, häufige Überkopfarbeiten, häufiges Klettern und Steigen sowie ohne erhöhte Unfallgefahr sechs Stunden und mehr täglich ausüben.
Gegen das ihm am 8. Mai 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. Juni 2007 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und den Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung weiterverfolgt.
Auf Nachfrage des Senats hat die D. AG & Co.KGaA unter dem 11. Januar 2008 mitgeteilt, der Kläger sei seit dem 1. August 2006 als geringfügig Beschäftigter tätig und arbeite in der Regel montags bis freitags jeweils drei Stunden. Er sei in der Warenannahme im G.-Markt H.-B. eingesetzt. Dort bewege er auf Paletten verpackte Waren mittels eines Elektro-Hubwagens in die einzelnen Abteilungen (Frischeabtei-lung, Warensortiment trocken). Dort würden diese Paletten von anderen Arbeitneh-mern des Unternehmens verräumt. Bei den ausgewogen im Gehen und Stehen verrichteten Tätigkeiten sei der Kläger mittelschwer belastet. Er entspreche den Anforderungen. Arbeitsunfähigkeit habe vom 13. bis 15. Dezember 2007 bestanden.
Der Senat hat Befund- und Behandlungsberichte eingeholt. Dipl.-Med. H. hat unter dem 30. Januar 2008 berichtet, die Schultergelenksschmerzen hätten zugenommen, die Beweglichkeit der Hüft- und Schultergelenke im Vergleich zur Untersuchung von 2006 abgenommen. Der Facharzt für Chirurgie Dr. W. hat eine deutliche Verschlechte-rung des allgemeinen Gesundheitszustandes des Klägers aufgezeigt, wobei eine psychische Alteration aufgrund der lang bestehenden Krankheitsgeschichte in Form einer depressiven Stimmungslage zu beobachten sei.
Die Beklagte hat dem Senat den Rehabilitationsentlassungsbericht vom 21. Juli 2008 über die medizinische Rehabilitation des Klägers vom 19. Juni bis zum 10. Juli 2008 in der Rehabilitationsklinik G. vorgelegt. Danach ist der Kläger seit 2008 beidseits mit einem Hörgerät versorgt. Als Diagnosen werden angeführt:
1. Schmerzhafte Funktionseinschränkung beider Kniegelenke; rechtes Knie bei posttraumatischer Gonarthrose links, Knie bei Femoropatellar- und lateraler Gonarthrose. 2. Chronisches pseudoradikuläres Schmerz-Syndrom der LWS beidseits mit muskulä-rer Dysbalance und leichtgradigen degenerativen Veränderungen. 3. Chronisches Schmerz-Syndrom der BWS bei muskulärer Dysbalance, verstärkter BWS-Kyphose und degenerativen Veränderungen, Zustand nach Morbus Scheuer-mann. 4. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung. 5. Mittelgradige depressive Störung.
Der Kläger leide unter psychisch überlagerten Schmerzen und multiplen Beschwerden, die durch Schonhaltung und mangelnde Bewältigungsstrategien weiter verstärkt würden. Es sei ferner eine zunehmend depressive Verarbeitung bei mangelndem Vertrauen gegenüber den behandelnden Ärzten und Psychologen festzustellen. Die Beschwerden könnten nur auf das Rentenbegehren zurückgeführt werden. Ein psychosomatisches Krankheitsverständnis sei vorhanden. Es bestünde ein hoher Somatisierungsgrad bei Verstärkung der Beschwerden durch erhöhte Stressbelastung. Ein Effekt der Rehabilitation in Bezug auf die Schmerzen habe nicht erreicht werden können. Für eine Gehstrecke von 500 Metern auf ebenem Gelände habe der Kläger insgesamt 15 Minuten benötigt. Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten, überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen in Tages-, Früh- und Spätschicht verrichten. Häufiges Treppen- und Leiternsteigen, Zwangshal-tungen für die Kniegelenke, wie Hocken oder Knien, und Kälte- und Nässeexpositionen sollten nicht mehr zugemutet werden. Zusätzlich seien Arbeiten mit überwiegend einseitiger Körperhaltung, häufigem Bücken, häufigen Torsionsbewegungen der Wirbelsäule oder Gefährdung durch starke Vibrationsbelastung sowie häufige Über-kopfarbeiten zu meiden. Aus psychologischer Sicht bestehe derzeit ein Leistungsbild von drei bis sechs Stunden. Es seien zunehmend Einschränkungen hinsichtlich der Konzentrations- und Ausdauerfähigkeit aufgrund bestehender Depressionen festzustel-len. Auf Blatt 1 a des Entlassungsberichts "Sozialmedizinische Leistungsbeurteilung" war das Kästchen angekreuzt, "3 bis unter 6 Stunden".
Nach Einholung eines Befundberichts der Fachärztin für Neurolo-gie/Psychiatrie/Psychotherapie Dr. Sch. vom 4. September 2008, bei welcher der Kläger zuletzt am 9. Oktober 2006 in Behandlung gewesen war, hat der Senat die Fachärztin für Psychiatrie Dr. A. das Gutachten vom 22. April 2009 erstatten lassen. Bei der psychiatrischen Untersuchung am 30. Januar 2009 habe der Kläger angege-ben, von der mehrfach empfohlenen Inanspruchnahme von psychotherapeutischer Hilfe erwarte er keine Veränderung seiner Situation. Dr. A. hat als Diagnosen ange-führt:
1. Chronifizierte Schmerzstörung bei langjähriger Erkrankung des Bewegungsappa-rates mit Verdacht auf sekundäre Fehlverarbeitung mit Somatisierungstendenz und zunehmender Symptomfixierung. 2. Anpassungsstörung mit rezidivierenden Verstimmungszuständen in komplexer psychosozialer Konflikt- und Belastungssituation.
Aus rein psychiatrischer Sicht bestünde keine rentenrelevante Einschränkung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben. Es sollten vordergründig die Möglichkeiten für eine berufliche Rehabilitation bzw. berufsfördernde Maßnahme mit dem Ziel der Wiedereingliederung in einen Arbeitsprozess geprüft werden. Der Kläger könne körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne besonderen Zeit- und Leistungs-druck mit der Möglichkeit zum selbstständigen und eigenverantwortlichen Arbeiten in einem begrenzenden überschaubaren Arbeitsfeld regelmäßig ausüben. Allerdings seien die Einschätzungen seitens des orthopädischen Fachgebiets weiterhin zu berücksichtigen. Aufgrund der Krankheitsvorgeschichte mit der inzwischen mehrjähri-gen Arbeitslosigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit sei dem Kläger eine stufenweise Wieder-eingliederung in einem Arbeitsprozess mit schrittweiser Erhöhung bis hin zu Vollschich-tigkeit zu ermöglichen. Eine längerfristige psychotherapeutische Bearbeitung sei sinnvoll und notwendig.
Der Kläger hat dem Ergebnis des Gutachtens entgegengehalten, seine Leiden lägen überhauptsächlich auf orthopädischem Fachgebiet.
Am 2. Juni 2009 hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiord-nung von Rechtsanwalt H. beantragt und den Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwal-tungsakte der Beklagten, welche sämtlich Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Prozesskostenhilfe für das Beru-fungsverfahren vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit den §§ 114 ff. Zivilprozessord-nung (ZPO). Danach erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirt-schaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfol-gung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Bei der Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Rahmen der Prozesskosten-hilfe erfolgt lediglich eine summarische Prüfung vor dem Hintergrund des verfassungs-rechtlichen Rahmens des Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3 und 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG). Hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers auf Grund seiner Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 73a RdNr. 7 f. m.w.N.). Aus Gründen der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten sind keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 7. April 2000 - 1 BvR 81/00 -, NJW 2000, 1936). Prozesskostenhilfe kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlos-sen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Februar 1989 - B 13 RJ 83/97 R -; BSG, Urteil vom 17. Februar 1989 - B 13 RJ 83/97 R -, SozR 1500 § 72 Nr. 19).
Zur Prüfung der Erfolgsaussicht in der Sache ist auf den Zeitpunkt der Entscheidungs-reife des Prozesskostenhilfeantrages abzustellen und damit auf den Zeitpunkt, zu dem der Antrag frühestens hätte beschieden werden können (Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim, Beschluss vom 23. November 2004, - 7 S 22197/04 - VBlBW 2005,196).
Zum Zeitpunkt der Einreichung des vollständigen Prozesskostenhilfeantrages am 2. Juni 2009 bestand keine hinreichende Erfolgsaussicht des Berufungsverfahrens.
Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger ist bei summarischer Prüfung nicht voll erwerbsgemindert, weil er nach dem Ergebnis der von dem Sozialgericht und der Beklagten durchgeführten Ermittlungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.
Dabei geht der Senat von folgendem Leistungsbild aus: Der Kläger ist in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen, teilweise im Gehen und Stehen sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Arbeiten mit Zwangshaltungen für die Kniegelenke, wie Hocken oder Knien, mit überwiegend einseitiger Körperhaltung, häufigem Bücken, häufigen Torsionsbewegungen der Wirbelsäule oder Gefährdung durch starken Vibrationsbelastungen, in Nachtschicht sowie häufige Überkopfarbeiten sollen gemieden werden. Ferner sind dem Kläger Arbeiten mit häufigem Treppensteigen, Steigen auf Leitern, mit erhöhter Unfallgefahr und Kälte-, Nässe- und Lärmexpositionen sowie unter besonderem Zeitdruck nicht mehr zuzumuten.
Dieses Leistungsbild ergibt sich aus den überzeugenden Feststellungen in den Gutachten von Dr. A. vom 22. April 2009, von Prof. Dr. H. vom 16. Februar 2007, von Dr. N. vom 23. August 2005, von Dr. J.-T. vom 16. November 2005 und von Dr. K. vom 18. Februar 2005 sowie im Rehabilitationsentlassungsbericht vom 21. Juli 2008.
Auf orthopädischem Gebiet leidet der Kläger an einem chronischen pseudoradikulären Schmerz-Syndrom der LWS, BWS und HWS sowie an einer Gonarthrose und Coxar- throse beidseits. Daraus resultieren degenerative Erscheinungen mit mäßigen Funkti-onseinschränkungen durch die Abnutzungen der HWS, BWS, LWS, den Knien und Hüften bei einer erheblichen Insuffizienz der gesamten Rumpfmuskulatur. Trotz einer verstärkten BWS-Kyphose sind die Restfunktionen der BWS noch gut erhaltenen. Motorische Ausfälle oder Sensibilitätsstörungen konnten beim Kläger nicht festgestellt werden. Seit dem Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 9. November 2004 bis zur Rehabilitationsmaßnahme im Sommer 2008 ist eine Zunahme der degenerativen Veränderungen, insbesondere im Bereich der Hüftgelenke, festzustellen. Unter Berücksichtigung der objektiven klinischen Parameter und der funktionellen Einschrän-kungen des Bewegungsapparates sind nach übereinstimmender Einschätzung der Gutachter Prof. Dr. H. vom 16. Februar 2007 und Dr. K. vom 18. Februar 2005 sowie der Leistungsbeurteilung im Rehabilitationsentlassungsbericht vom 21. Juli 2008 noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen, im Wechsel von Stehen und Gehen sechs Stunden und mehr täglich möglich. Zu meiden sind allerdings Überkopfarbeiten sowie Arbeiten in Zwangshaltungen, mit häufigem Bücken Knien und Hocken, überwiegend einseitiger Körperhaltung, häufigem Treppen und Leitersteigen sowie häufigen Torsionsbelastungen der Wirbelsäule sowie starken Vibrationsbelas-tungen.
Dr. K. hat zwar in seinem Gutachten vom 8. November 2005 ein unter dreistündiges Leistungsvermögen selbst für körperlich leichte Tätigkeiten angegeben. Letztendlich fehlt es jedoch an einer medizinischen Begründung für diese isolierte Einschätzung. Die von Dr. K. beschriebenen Bewegungseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule und im Bereich des rechten Schulter- und Kniegelenks bedingen nach der überein-stimmenden Einschätzung von Prof. Dr. H., Dr. K. und den Ärzten der Rehabilitations-klinik G. lediglich qualitative Einschränkungen. Die bei Dr. K. vom Kläger beschriebe-nen Schmerzen am gesamten Körper sind vom Ausmaß her nicht objektivierbar. Eine quantitative Leistungseinschränkung ergibt sich daraus nicht.
Ferner leidet der Kläger auf psychiatrischem Gebiet an einer chronifizierten Schmerz-störung bei langjähriger Erkrankung des Bewegungsapparates und einer Anpassungs-störung mit rezidivierenden Verstimmungszuständen in komplexer psychosozialer Konflikt- und Belastungssituation. Diese Erkrankungen beeinträchtigen den Kläger zwar in seiner Alltags- und Sozialkompetenz sowie seinen Lebensaktivitäten, jedoch bestehen nach den Feststellungen von Dr. A. und Dr. J.-T. in ihren Gutachten vom 22. April 2009 bzw. 16. November 2005 keine Einschränkungen für eine mindestens sechsstündige Tätigkeit. Auch nach der im Rehabilitationsentlassungsbericht angege-benen Einschätzung ist der Kläger in der Lage, noch sechs Stunden täglich erwerbstä-tig zu sein. Die dort aus psychiatrischer Sicht beschränkte tägliche Leistungsfähigkeit auf drei bis sechs Stunden wegen zunehmender Einschränkungen hinsichtlich der Konzentrations- und Ausdauerfähigkeit ist für den Senat jedoch nicht überzeugend. Schließlich werden im psychischen Befund gerade eine intakte Konzentration und Mnestik beschrieben. Zudem haben Dr. A. und Dr. J.-T. keine Störungen der kognitiven und mnestischen Funktionen aufgezeigt.
Die beim Kläger schon langjährig vorliegenden Erkrankungen, insbesondere die arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie, Hyperurikämie, Refluxösophagitis, axiale Hiatus-hernie, Nasenscheidewandentzündung, Leberverfettung, Schilddrüsenvergrößerung und der Clusterkopfschmerz, sind unter ärztlicher Kontrolle und werden medikamentös behandelt. Weitere Leistungseinschränkungen sind damit nicht verbunden.
Die Schwerhörigkeit beidseits wird mit Hörgeräten rechts und links kompensiert und macht Arbeiten unter Lärmexposition unzumutbar. Anhaltspunkte für eine Beeinträchti-gung der Sehfähigkeit durch das Hervortreten des Augapfels rechts bestehen nicht.
Insbesondere die mehr als zwei Jahre verrichtete körperlich mittelschwere Tätigkeit in der Warenannahme der Firma G. im Umfang von drei Stunden an fünf Wochentagen lässt auf ein nicht unerhebliches Restleistungsvermögen des Klägers schließen, zumal er in der Zeit von August 2006 bis Januar 2008 lediglich für drei Tage arbeitsunfähig war. Der Senat ist davon überzeugt, dass dem Kläger erst recht eine Verrichtung von "lediglich" körperlich leichten bis mittelschweren Tätigkeiten unter Berücksichtigung der oben angeführten weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen in einem täglichen Umfang von mindestens sechs Stunden möglich ist.
Mit dem verbliebenen mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen ist der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar. Insbesondere liegen keine Anhaltspunk-te für eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung unge-wöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. für einen Seltenheits- oder Katalogfall vor. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen.
Bei dieser Sachlage ist für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kein Raum.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, § 177 SGG.
gez. Fischer gez. Müller-Rivinius gez. Frank
Beschluss in dem Rechtsstreit
– Kläger, Berufungskläger und Antragsteller – gegen Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland, vertreten durch die Geschäftsfüh-rung, Paracelsusstraße 21, 06114 Halle – Beklagte und Berufungsbeklagte –
Der 3. Senat des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt in Halle hat am 22. Oktober 2009 durch den Richter am Landessozialgericht Fischer als Vorsitzenden, die Richterin am Landessozialgericht Müller-Rivinius und den Richter am Amtsgericht Frank be-schlossen: Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beru-fungsverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI).
Der am 1956 geborene Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2003 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer (Bescheid vom 13. Mai 2004). Seit dem 13. Mai 2003 ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 anerkannt.
Der Kläger beantragte am 9. November 2004 die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung und verwies u.a. auf eine starke Verschlechterung seines allgemei-nen Gesundheitszustandes, insbesondere der orthopädischen Erkrankungen.
Die Beklagte zog zunächst die im Rahmen des erfolglos gebliebenen Rentenantrags vom 23. April 2003 erstellten medizinischen Unterlagen bei. Sowohl in dem Rehabilita-tionsentlassungsbericht der T. Fachklinik vom 29. April 2003 als auch in dem Gutach-ten der Fachärztin für Orthopädie/Chirotherapie Dipl.-Med. H. vom 8. Oktober 2003 wurde der Kläger als in der Lage erachtet, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung von zusätzlichen Leistungseinschränkungen vollschichtig auszuüben.
In dem hier zugrunde liegenden Rentenverfahren ließ die Beklagte den Chefarzt der Orthopädischen Klinik II des S. Krankenhauses M.-M. Dr. K. das Gutachten vom 18. Februar 2005 erstatten. Dieser diagnostizierte auf orthopädischem Fachgebiet ein chronisch rezidivierendes degeneratives Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom (HWS-, BWS- und LWS-Syndrom) mit lumbalbetonten Schmerzen bei fehlenden neurologischen Defiziten und geringen funktionellen Einschränkungen sowie einer radiologisch polisegmentalen Osteochondrose und Spondylarthrose und darüber hinaus einen Kniebinnenschaden mit zweimalig operativer Behandlung. Der Kläger sei für körperlich leichte und zeitweilig kurzfristig mittelschwere Arbeiten möglichst im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen vollschichtig einsetzbar. Schweres Heben und Tragen sowie das Verharren in Zwangshaltungen sollten vermieden werden. Ferner sei der Kläger wegefähig.
Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 29. März 2005 den Rentenantrag des Klägers abgelehnt hatte, veranlasste sie im Widerspruchsverfahren zwei weitere Begutachtungen des Klägers. Die Internistin Dr. N. führte in dem aufgrund der Unter-suchung des Klägers am 23. August 2005 erstellten Gutachten als Diagnosen an:
1. Adipositas, inkomplettes metabolisches Syndrom. 2. Arterielle Hypertonie. 3. Hyperlipoproteinämie. 4. Hyperurikämie. 5. Hörminderung beidseits, Hörgeräteversorgung rechts. 6. Wirbelsäulen- und Gelenkleiden, Kniebinnenschaden rechts.
Der Kläger habe sich altersentsprechend, kardiopulmonal kompensiert, jedoch psy-chisch auffällig präsentiert. Es sei ein arterieller Hypertonus zu berücksichtigen, der kardial initiale Folgen zeige, die linksventrikuläre Auswurfleistung sei nach echokar- diografischen Kriterien gut. Röntgenologisch habe sich das Herz linksbelastet, aorten-konfiguriert dargestellt; Stauungszeichen seien nicht vorhanden. Der bestehende Medikamentenspiegel liege im Normbereich. Die Atemfunktion sei ungestört. Eine ergometrische Untersuchung habe der Kläger wegen Schmerzen nicht toleriert. Er sei täglich sechs Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne erhöhte Unfallgefahr und ohne Lärmexposition auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar. Eine Besserung sei unwahrscheinlich. Wegefähigkeit liege vor.
Die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. J.-T. zeigte in dem Gutachten vom 16. November 2005 eine leichte reaktive depressive Verstimmung ohne wesentlichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Klägers auf. Dieser sei vollschichtig leistungsfähig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und führte zur Begründung an, bei dem Kläger bestehe ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne starken Zeitdruck (z.B. Akkord), Nachtschicht, eine Gefährdung durch Lärm, häufiges Bücken, Hocken, Knien, häufige Überkopfarbeiten, häufiges Klettern und Steigen sowie ohne erhöhte Unfallge-fahr (z.B. Absturzgefahr, ungesicherte Maschinen).
Hiergegen hat sich der Kläger mit der am 16. Februar 2006 vor dem Sozialgericht Halle erhobenen Klage gewandt und seinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsmin-derung weiterverfolgt. Nach seiner Auffassung seien seine chronischen Erkrankungen unterbewertet worden.
Das Sozialgericht hat zunächst das sozialmedizinische Gutachten von Dr. K. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) vom 8. November 2005 beigezogen. Der Kläger habe in allen Wirbelsäulenabschnitten, in beiden Knie-, Hüft- und oberen Sprunggelenken sowie im rechten Schultergelenk Dauerschmerzen angegeben. Bei der körperlichen Untersuchung sei eine deutliche Einschränkung der Beweglichkeit in allen Wirbelsäulenabschnitten nachvollziehbar und außerdem sei die Beweglichkeit im rechten Schulter- und Kniegelenk eingeschränkt gewesen. Folgende Diagnosen seien zu berücksichtigen:
1. Posttraumatische Gonarthrose rechts ohne Besserungstendenz. 2. Kniegelenksarthrose links, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, besonders im LWS-Bereich mit Beschwerden im Bereich der Schulter-Nacken-Region, im Be-reich der BWS und im Bereich des LWS. 3. Hüftgelenksschmerz beidseits, rechts ausgeprägter als links. 4. Sprunggelenksschmerz beidseits. 5. Inkomplettes metabolisches Syndrom. 6. Hypakusis beidseits.
In der Gesamtschau aller vorliegenden Befunde könne ein Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten von über drei Stunden pro Tag nicht festgestellt werden. Dem Kläger würden dringlich eine ambulante Psychotherapie und eine spezielle Schmerztherapie empfohlen.
Das Sozialgericht hat sodann Befund- und Behandlungsberichte eingeholt. Die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sch. hat unter dem 23. März 2006 mitgeteilt, bei Fixierung auf die körperliche Symptomatik bestehe eine subdepressive, dysphorische Grundstimmung mit diskreter Antriebsminderung. Der Kläger zeige ausreichende soziale Kompetenzen und eine ausreichende Tagesstruktu-rierung. Konzentration und Aufmerksamkeit seien ausreichend bei durchschnittlicher intellektueller Befähigung vorhanden. Sie hat einen Clusterkopfschmerz, eine kompli-zierte Migräne und eine Somatisierungsstörung diagnostiziert. Aufgrund der bestehen-den Medikation habe sich das Schlafverhalten deutlich gebessert. Ein Cluster-kopfschmerz würde kaum noch auftreten. Der Kläger falle durch eine sehr zwanghaft strukturierte Persönlichkeitsakzentuierung auf. Eine Psychotherapiebehandlung sei vergeblich empfohlen worden. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. B. hat in dem Befundbericht vom 27. März 2006 mitgeteilt, die Beschwerden des Klägers lägen vor allem im orthopädischen Bereich. Von November 2005 bis März 2006 sei der Kläger lediglich wegen Überweisungsscheinen vorstellig gewesen. Als Diagnosen hat sie zusätzlich auf eine arterielle Hypertonie, eine Schwerhörigkeit mit Hörgeräteversor-gung rechts, eine Hyperlipidämie, eine Hyperurikämie, einen komplizierten Migräne-kopfschmerz, einen Exophthalmus rechts ohne eine in der Magnetresonanztomogra-phie (MRT) nachweisbare Raumforderung, eine Refluxösophagitis, eine axiale Hiatus-hernie, eine Steatosis hepatis und eine Struma diffusa angeführt. Dipl.-Med. H. hat in dem Befundbericht vom 26. April 2006 von einer Verminderung der Beweglichkeit der HWS und LWS sowie der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke berichtet.
Das Sozialgericht hat daraufhin eine orthopädische Begutachtung des Klägers durch den Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie der M. H.-W. Prof. Dr. H. veran-lasst. Dieser hat in dem Gutachten vom 16. Februar 2007 als Gesundheitsstörungen angeführt:
1. Wirbelsäulenbeschwerden bei deutlich verstärkter Brustkyphose und partiell hypertropher Spondylose im Krümmungsscheitel der Kyphose als Zustand nach Morbus Scheuermann. Diskrete degenerative Veränderungen im Bereich der HWS und im Bereich der LWS. 2. Deutliche Rumpfmuskelinsuffizienz. 3. Gonarthrose rechts. 4. Beginnende Coxarthrose beidseits, rechts deutlicher als links.
Prof. Dr. H. hat aufgezeigt, die Wirbelsäule weise deutliche Veränderungen auf. Sowohl im Bereich der HWS als auch im Bereich speziell der BWS, andeutungsweise auch im Bereich der LWS, zeigten sich erhebliche degenerative Veränderungen. Durch eine in der Jugend durchgemachte so genannte aseptische Nekrose im Bereich der Wirbelsäule (Morbus Scheuermann) sei es zu einer erheblichen Kyphosierung (Rund-rücken) gekommen. Es fänden sich im Krümmungsscheitel dieser Kyphose spondyloti-sche Randwulstbildungen, welche die Zwischenwirbelräume komplett überbrückten. Jedoch sei die Restfunktion der BWS noch gut erhalten. Dafür spreche das Ott’sche Zeichen mit 30/34 cm und die Atembreite von 5 cm. Die degenerativen Veränderungen der HWS und LWS seien bei einem Fingerbodenabstand von 23 cm und bei einem Schober’sche Zeichen mit 10/17 cm nicht gravierend. Ferner bestehe eine erhebliche Insuffizienz der gesamten Rumpfmuskulatur, d.h. sowohl der Rücken- als auch der Bauchmuskulatur. Es seien Veränderungen der großen Gelenke und zwar sowohl der Knie- als auch der Hüftgelenke zu verzeichnen. Das rechte Kniegelenk zeige eine deutliche Irritation und zwar sowohl im Sinne einer Funktionsstörung als auch im Sinne einer deutlichen Instabilität mit radiologischen Veränderungen im Sinne einer deutli-chen Arthrose. Das linke Kniegelenk zeige noch einen weitgehend klinischen unauffäl-ligen Befund. Radiologisch zeigten sich anfängliche arthrotische Veränderungen. Veränderungen an den oberen Extremitäten seien nicht festzustellen. Die Hände seien seitengleich kräftig und die Verschwielung der Hände seien seitengleich entwickelt gewesen, sodass davon auszugehen sei, dass die Hände auch physisch gebraucht würden. Das rechte Bein weise eine erhebliche muskuläre Insuffizienz auf, d.h. sowohl Ober- als auch Unterschenkelmuskulatur seien in ihrem Umfang als Zeichen einer geringeren Belastung und Belastbarkeit eingeschränkt. Eine Zunahme der degenerati-ven Veränderungen, speziell in radiologischer Hinsicht am deutlichsten im Bereich der Hüftgelenke, sei zu verzeichnen. Es sei davon auszugehen, dass sich der Kläger in einem überschaubaren Zeitraum sowohl an den Hüft- als auch an den Kniegelenken einer operativen Behandlung unterziehen müsse. Die organischen Befunde und die Funktionsstörungen seien jedoch nicht so ausgeprägt, als dass der Kläger nicht in der Lage wäre, leichte körperliche Arbeiten in einer gewissen Regelmäßigkeit durchzufüh-ren. Zu bevorzugen sei eine Tätigkeit im Wechsel von gehender, stehender und sitzender Tätigkeit. Die vom Kläger geäußerten Schmerzen seien medikamentös sowie durch entsprechende psychotherapeutische und krankengymnastische Maßnahmen behandelbar.
Mit Schreiben vom 15. März 2007 hat der Kläger mitgeteilt, die Diagnosen seien richtig gestellt worden, allerdings sei die Leistungseinschätzung unverständlich. Ferner seien weiter die nichtorthopädischen Diagnosen wie Speisenröhrenverengung, chronische Speisenröhrenentzündung, chronische Nasenscheidewandentzündung, beidseitige Schwerhörigkeit, beidseitiger Tinnitus und Cluster nicht berücksichtigt worden.
Das Sozialgericht Halle hat sodann mit Urteil vom 19. April 2007 die Klage abgewie-sen. Der Kläger verfüge über ein noch mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen unter Berücksichtigung der überzeugenden ausführlichen Feststellungen des Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 16. Februar 2007. Er könne noch eine leichte Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung, vorwiegend im Sitzen, ohne starken Zeitdruck, Nachtschicht, eine Gefährdung durch Lärm, häufiges Bücken, Hocken, Knien, häufige Überkopfarbeiten, häufiges Klettern und Steigen sowie ohne erhöhte Unfallgefahr sechs Stunden und mehr täglich ausüben.
Gegen das ihm am 8. Mai 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. Juni 2007 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und den Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung weiterverfolgt.
Auf Nachfrage des Senats hat die D. AG & Co.KGaA unter dem 11. Januar 2008 mitgeteilt, der Kläger sei seit dem 1. August 2006 als geringfügig Beschäftigter tätig und arbeite in der Regel montags bis freitags jeweils drei Stunden. Er sei in der Warenannahme im G.-Markt H.-B. eingesetzt. Dort bewege er auf Paletten verpackte Waren mittels eines Elektro-Hubwagens in die einzelnen Abteilungen (Frischeabtei-lung, Warensortiment trocken). Dort würden diese Paletten von anderen Arbeitneh-mern des Unternehmens verräumt. Bei den ausgewogen im Gehen und Stehen verrichteten Tätigkeiten sei der Kläger mittelschwer belastet. Er entspreche den Anforderungen. Arbeitsunfähigkeit habe vom 13. bis 15. Dezember 2007 bestanden.
Der Senat hat Befund- und Behandlungsberichte eingeholt. Dipl.-Med. H. hat unter dem 30. Januar 2008 berichtet, die Schultergelenksschmerzen hätten zugenommen, die Beweglichkeit der Hüft- und Schultergelenke im Vergleich zur Untersuchung von 2006 abgenommen. Der Facharzt für Chirurgie Dr. W. hat eine deutliche Verschlechte-rung des allgemeinen Gesundheitszustandes des Klägers aufgezeigt, wobei eine psychische Alteration aufgrund der lang bestehenden Krankheitsgeschichte in Form einer depressiven Stimmungslage zu beobachten sei.
Die Beklagte hat dem Senat den Rehabilitationsentlassungsbericht vom 21. Juli 2008 über die medizinische Rehabilitation des Klägers vom 19. Juni bis zum 10. Juli 2008 in der Rehabilitationsklinik G. vorgelegt. Danach ist der Kläger seit 2008 beidseits mit einem Hörgerät versorgt. Als Diagnosen werden angeführt:
1. Schmerzhafte Funktionseinschränkung beider Kniegelenke; rechtes Knie bei posttraumatischer Gonarthrose links, Knie bei Femoropatellar- und lateraler Gonarthrose. 2. Chronisches pseudoradikuläres Schmerz-Syndrom der LWS beidseits mit muskulä-rer Dysbalance und leichtgradigen degenerativen Veränderungen. 3. Chronisches Schmerz-Syndrom der BWS bei muskulärer Dysbalance, verstärkter BWS-Kyphose und degenerativen Veränderungen, Zustand nach Morbus Scheuer-mann. 4. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung. 5. Mittelgradige depressive Störung.
Der Kläger leide unter psychisch überlagerten Schmerzen und multiplen Beschwerden, die durch Schonhaltung und mangelnde Bewältigungsstrategien weiter verstärkt würden. Es sei ferner eine zunehmend depressive Verarbeitung bei mangelndem Vertrauen gegenüber den behandelnden Ärzten und Psychologen festzustellen. Die Beschwerden könnten nur auf das Rentenbegehren zurückgeführt werden. Ein psychosomatisches Krankheitsverständnis sei vorhanden. Es bestünde ein hoher Somatisierungsgrad bei Verstärkung der Beschwerden durch erhöhte Stressbelastung. Ein Effekt der Rehabilitation in Bezug auf die Schmerzen habe nicht erreicht werden können. Für eine Gehstrecke von 500 Metern auf ebenem Gelände habe der Kläger insgesamt 15 Minuten benötigt. Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten, überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen in Tages-, Früh- und Spätschicht verrichten. Häufiges Treppen- und Leiternsteigen, Zwangshal-tungen für die Kniegelenke, wie Hocken oder Knien, und Kälte- und Nässeexpositionen sollten nicht mehr zugemutet werden. Zusätzlich seien Arbeiten mit überwiegend einseitiger Körperhaltung, häufigem Bücken, häufigen Torsionsbewegungen der Wirbelsäule oder Gefährdung durch starke Vibrationsbelastung sowie häufige Über-kopfarbeiten zu meiden. Aus psychologischer Sicht bestehe derzeit ein Leistungsbild von drei bis sechs Stunden. Es seien zunehmend Einschränkungen hinsichtlich der Konzentrations- und Ausdauerfähigkeit aufgrund bestehender Depressionen festzustel-len. Auf Blatt 1 a des Entlassungsberichts "Sozialmedizinische Leistungsbeurteilung" war das Kästchen angekreuzt, "3 bis unter 6 Stunden".
Nach Einholung eines Befundberichts der Fachärztin für Neurolo-gie/Psychiatrie/Psychotherapie Dr. Sch. vom 4. September 2008, bei welcher der Kläger zuletzt am 9. Oktober 2006 in Behandlung gewesen war, hat der Senat die Fachärztin für Psychiatrie Dr. A. das Gutachten vom 22. April 2009 erstatten lassen. Bei der psychiatrischen Untersuchung am 30. Januar 2009 habe der Kläger angege-ben, von der mehrfach empfohlenen Inanspruchnahme von psychotherapeutischer Hilfe erwarte er keine Veränderung seiner Situation. Dr. A. hat als Diagnosen ange-führt:
1. Chronifizierte Schmerzstörung bei langjähriger Erkrankung des Bewegungsappa-rates mit Verdacht auf sekundäre Fehlverarbeitung mit Somatisierungstendenz und zunehmender Symptomfixierung. 2. Anpassungsstörung mit rezidivierenden Verstimmungszuständen in komplexer psychosozialer Konflikt- und Belastungssituation.
Aus rein psychiatrischer Sicht bestünde keine rentenrelevante Einschränkung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben. Es sollten vordergründig die Möglichkeiten für eine berufliche Rehabilitation bzw. berufsfördernde Maßnahme mit dem Ziel der Wiedereingliederung in einen Arbeitsprozess geprüft werden. Der Kläger könne körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne besonderen Zeit- und Leistungs-druck mit der Möglichkeit zum selbstständigen und eigenverantwortlichen Arbeiten in einem begrenzenden überschaubaren Arbeitsfeld regelmäßig ausüben. Allerdings seien die Einschätzungen seitens des orthopädischen Fachgebiets weiterhin zu berücksichtigen. Aufgrund der Krankheitsvorgeschichte mit der inzwischen mehrjähri-gen Arbeitslosigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit sei dem Kläger eine stufenweise Wieder-eingliederung in einem Arbeitsprozess mit schrittweiser Erhöhung bis hin zu Vollschich-tigkeit zu ermöglichen. Eine längerfristige psychotherapeutische Bearbeitung sei sinnvoll und notwendig.
Der Kläger hat dem Ergebnis des Gutachtens entgegengehalten, seine Leiden lägen überhauptsächlich auf orthopädischem Fachgebiet.
Am 2. Juni 2009 hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiord-nung von Rechtsanwalt H. beantragt und den Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwal-tungsakte der Beklagten, welche sämtlich Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Prozesskostenhilfe für das Beru-fungsverfahren vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit den §§ 114 ff. Zivilprozessord-nung (ZPO). Danach erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirt-schaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfol-gung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Bei der Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Rahmen der Prozesskosten-hilfe erfolgt lediglich eine summarische Prüfung vor dem Hintergrund des verfassungs-rechtlichen Rahmens des Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3 und 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG). Hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers auf Grund seiner Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 73a RdNr. 7 f. m.w.N.). Aus Gründen der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten sind keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 7. April 2000 - 1 BvR 81/00 -, NJW 2000, 1936). Prozesskostenhilfe kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlos-sen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Februar 1989 - B 13 RJ 83/97 R -; BSG, Urteil vom 17. Februar 1989 - B 13 RJ 83/97 R -, SozR 1500 § 72 Nr. 19).
Zur Prüfung der Erfolgsaussicht in der Sache ist auf den Zeitpunkt der Entscheidungs-reife des Prozesskostenhilfeantrages abzustellen und damit auf den Zeitpunkt, zu dem der Antrag frühestens hätte beschieden werden können (Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim, Beschluss vom 23. November 2004, - 7 S 22197/04 - VBlBW 2005,196).
Zum Zeitpunkt der Einreichung des vollständigen Prozesskostenhilfeantrages am 2. Juni 2009 bestand keine hinreichende Erfolgsaussicht des Berufungsverfahrens.
Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger ist bei summarischer Prüfung nicht voll erwerbsgemindert, weil er nach dem Ergebnis der von dem Sozialgericht und der Beklagten durchgeführten Ermittlungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.
Dabei geht der Senat von folgendem Leistungsbild aus: Der Kläger ist in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen, teilweise im Gehen und Stehen sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Arbeiten mit Zwangshaltungen für die Kniegelenke, wie Hocken oder Knien, mit überwiegend einseitiger Körperhaltung, häufigem Bücken, häufigen Torsionsbewegungen der Wirbelsäule oder Gefährdung durch starken Vibrationsbelastungen, in Nachtschicht sowie häufige Überkopfarbeiten sollen gemieden werden. Ferner sind dem Kläger Arbeiten mit häufigem Treppensteigen, Steigen auf Leitern, mit erhöhter Unfallgefahr und Kälte-, Nässe- und Lärmexpositionen sowie unter besonderem Zeitdruck nicht mehr zuzumuten.
Dieses Leistungsbild ergibt sich aus den überzeugenden Feststellungen in den Gutachten von Dr. A. vom 22. April 2009, von Prof. Dr. H. vom 16. Februar 2007, von Dr. N. vom 23. August 2005, von Dr. J.-T. vom 16. November 2005 und von Dr. K. vom 18. Februar 2005 sowie im Rehabilitationsentlassungsbericht vom 21. Juli 2008.
Auf orthopädischem Gebiet leidet der Kläger an einem chronischen pseudoradikulären Schmerz-Syndrom der LWS, BWS und HWS sowie an einer Gonarthrose und Coxar- throse beidseits. Daraus resultieren degenerative Erscheinungen mit mäßigen Funkti-onseinschränkungen durch die Abnutzungen der HWS, BWS, LWS, den Knien und Hüften bei einer erheblichen Insuffizienz der gesamten Rumpfmuskulatur. Trotz einer verstärkten BWS-Kyphose sind die Restfunktionen der BWS noch gut erhaltenen. Motorische Ausfälle oder Sensibilitätsstörungen konnten beim Kläger nicht festgestellt werden. Seit dem Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 9. November 2004 bis zur Rehabilitationsmaßnahme im Sommer 2008 ist eine Zunahme der degenerativen Veränderungen, insbesondere im Bereich der Hüftgelenke, festzustellen. Unter Berücksichtigung der objektiven klinischen Parameter und der funktionellen Einschrän-kungen des Bewegungsapparates sind nach übereinstimmender Einschätzung der Gutachter Prof. Dr. H. vom 16. Februar 2007 und Dr. K. vom 18. Februar 2005 sowie der Leistungsbeurteilung im Rehabilitationsentlassungsbericht vom 21. Juli 2008 noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen, im Wechsel von Stehen und Gehen sechs Stunden und mehr täglich möglich. Zu meiden sind allerdings Überkopfarbeiten sowie Arbeiten in Zwangshaltungen, mit häufigem Bücken Knien und Hocken, überwiegend einseitiger Körperhaltung, häufigem Treppen und Leitersteigen sowie häufigen Torsionsbelastungen der Wirbelsäule sowie starken Vibrationsbelas-tungen.
Dr. K. hat zwar in seinem Gutachten vom 8. November 2005 ein unter dreistündiges Leistungsvermögen selbst für körperlich leichte Tätigkeiten angegeben. Letztendlich fehlt es jedoch an einer medizinischen Begründung für diese isolierte Einschätzung. Die von Dr. K. beschriebenen Bewegungseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule und im Bereich des rechten Schulter- und Kniegelenks bedingen nach der überein-stimmenden Einschätzung von Prof. Dr. H., Dr. K. und den Ärzten der Rehabilitations-klinik G. lediglich qualitative Einschränkungen. Die bei Dr. K. vom Kläger beschriebe-nen Schmerzen am gesamten Körper sind vom Ausmaß her nicht objektivierbar. Eine quantitative Leistungseinschränkung ergibt sich daraus nicht.
Ferner leidet der Kläger auf psychiatrischem Gebiet an einer chronifizierten Schmerz-störung bei langjähriger Erkrankung des Bewegungsapparates und einer Anpassungs-störung mit rezidivierenden Verstimmungszuständen in komplexer psychosozialer Konflikt- und Belastungssituation. Diese Erkrankungen beeinträchtigen den Kläger zwar in seiner Alltags- und Sozialkompetenz sowie seinen Lebensaktivitäten, jedoch bestehen nach den Feststellungen von Dr. A. und Dr. J.-T. in ihren Gutachten vom 22. April 2009 bzw. 16. November 2005 keine Einschränkungen für eine mindestens sechsstündige Tätigkeit. Auch nach der im Rehabilitationsentlassungsbericht angege-benen Einschätzung ist der Kläger in der Lage, noch sechs Stunden täglich erwerbstä-tig zu sein. Die dort aus psychiatrischer Sicht beschränkte tägliche Leistungsfähigkeit auf drei bis sechs Stunden wegen zunehmender Einschränkungen hinsichtlich der Konzentrations- und Ausdauerfähigkeit ist für den Senat jedoch nicht überzeugend. Schließlich werden im psychischen Befund gerade eine intakte Konzentration und Mnestik beschrieben. Zudem haben Dr. A. und Dr. J.-T. keine Störungen der kognitiven und mnestischen Funktionen aufgezeigt.
Die beim Kläger schon langjährig vorliegenden Erkrankungen, insbesondere die arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie, Hyperurikämie, Refluxösophagitis, axiale Hiatus-hernie, Nasenscheidewandentzündung, Leberverfettung, Schilddrüsenvergrößerung und der Clusterkopfschmerz, sind unter ärztlicher Kontrolle und werden medikamentös behandelt. Weitere Leistungseinschränkungen sind damit nicht verbunden.
Die Schwerhörigkeit beidseits wird mit Hörgeräten rechts und links kompensiert und macht Arbeiten unter Lärmexposition unzumutbar. Anhaltspunkte für eine Beeinträchti-gung der Sehfähigkeit durch das Hervortreten des Augapfels rechts bestehen nicht.
Insbesondere die mehr als zwei Jahre verrichtete körperlich mittelschwere Tätigkeit in der Warenannahme der Firma G. im Umfang von drei Stunden an fünf Wochentagen lässt auf ein nicht unerhebliches Restleistungsvermögen des Klägers schließen, zumal er in der Zeit von August 2006 bis Januar 2008 lediglich für drei Tage arbeitsunfähig war. Der Senat ist davon überzeugt, dass dem Kläger erst recht eine Verrichtung von "lediglich" körperlich leichten bis mittelschweren Tätigkeiten unter Berücksichtigung der oben angeführten weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen in einem täglichen Umfang von mindestens sechs Stunden möglich ist.
Mit dem verbliebenen mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen ist der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar. Insbesondere liegen keine Anhaltspunk-te für eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung unge-wöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. für einen Seltenheits- oder Katalogfall vor. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen.
Bei dieser Sachlage ist für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kein Raum.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, § 177 SGG.
gez. Fischer gez. Müller-Rivinius gez. Frank
Rechtskraft
Aus
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SAN
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