L 6 U 145/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 15 U 23/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 145/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob bei der Klägerin eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) – Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- und Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können – (BK 2101) anzuerkennen ist.

Die 1954 geborene Klägerin erlernte den Beruf einer BMSR-Technikerin (Betrieb-liche Mess-, Steuer- und Regelungstechnik), war in diesem bis Ende September 1982 tätig und hierbei mit der Wartung und Reparatur von Messanlagen befasst. Nach einer entsprechenden Erwachsenenqualifizierung übte sie von Anfang Oktober 1982 bis En-de Dezember 1990 die Tätigkeit einer Materialökonomin aus und verrichtete insoweit vorwiegend Bürotätigkeiten. Anschließend war sie bis Ende September 1991 ohne Arbeit und nachfolgend bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 25. September 2001 als Kassiererin in einem Großmarkt (Metro) beschäftigt.

Am 21. April 2002 erreichte die Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft (Rechtsvorgängerin der Beklagten; nachfolgend einheitlich als die Beklagte bezeich-net) das Schreiben der Klägerin vom 19. April 2002, mit dem diese die Prüfung einer BK begehrte. Aufgrund ihrer Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule und der Hand-gelenke sei sie nicht mehr in der Lage, ihrer bisherigen Tätigkeit nachzugehen.

Die Beklagte zog medizinische Befunde bei: Der Facharzt für Chirurgie Dipl.-Med. R., von dem die Klägerin während der Zeit vom 19. Juni bis zum 3. Juli 2000 behandelt worden war, hatte bei seiner Untersuchung am 19. Juni 2000 eine schmerzhafte Handbewegung rechts gefunden und eine Tendovaginitis (Sehnenscheidenentzün-dung) diagnostiziert. Röntgenologisch sei das rechte Handgelenk unauffällig gewesen. Die von dem Facharzt für Chirurgie und Plastische Chirurgie Dr. B. am 21. Au-gust 2000 vorgenommene Befunderhebung hatte keine Anhaltspunkte für entzündliche Veränderungen im Bereich der Sehnenscheiden der Streck- und Beugesehnen sowie für eine Synovialitis (Gelenkhautentzündung) ergeben. Ein Magnetresonanzto-mogramm (MRT) des rechten Handgelenkes vom 18. September 2000 war bis auf eine diskrete Gelenkspaltverschmälerung im Radiocarpalgelenk (Handgelenk zwischen un-terem Speichenende und Handwurzel) sowie eine sehr zarte Kantenausziehung im Sinne einer beginnenden Arthrose unauffällig gewesen. Durch ein am 18. Dezember 2000 gefertigtes Computertomogramm (CT) des rechten Handgelenkes war eine chro-nische Styloiditis (Entzündung im Bereich der unteren Unterarmenden) nicht zu bele-gen gewesen. Auf Grundlage der ambulanten Vorstellung in der Klinik für Plastische und Handchirurgie der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannstrost am 10. September 2001 hatten deren Direktor Privatdozent (PD) Dr. St. und die Oberärztin Dr. Sch. einen ellenseitig betonten Schmerz an den Handgelenken sowie eine intakte Durchblutung, Motorik und Sensibilität festgestellt. Die mitgereichten bildgeben-den Befunde seien im Wesentlichen unauffällig gewesen. Anamnestisch habe die Klä-gerin mitgeteilt, 1997 auf das rechte Handgelenk gestürzt zu sein. Im Jahre 1999 hät-ten sich die Handgelenksbeschwerden dann verstärkt. Seither seien eine Vielzahl kon-servativer Behandlungen durchgeführt worden (Bericht vom 14. September 2001). Die am 26. September 2001 vorgenommene Arthroskopie hatte eine Ruptur des Discus ulnocarpalis (Riss der Knorpelscheibe zwischen Ellenende und Handwurzel) sowie eine erstgradige Arthrose im Bereich der rechten Radiusgelenkfläche ergeben. Am 31. Januar 2002 war eine Denervation (operative Unterbrechung schmerzleitender Ner-venbahnen) im Bereich des rechten Handgelenkes erfolgt (Berichte vom 4. Februar 2002 und 23. Juni 2003). In der Zeit vom 27. Februar bis zum 20. März 2002 hatte sich die Klägerin stationär zur medizinischen Rehabilitation in der T. Fachklinik B. be-funden. Aus dem hierzu erstellten Entlassungsbericht vom 21. März 2002 war u.a. eine chronische Polyarthritis hervorgegangen. Beschwerden in den Händen, vorwiegend in den Fingergelenken, bestünden laut Angaben der Klägerin seit 1995. Später seien dann schmerzende Handgelenke hinzugekommen. Anlässlich der Wiedervorstellung bei PD Dr. St. am 18. Juni 2002 hatte dieser einen Druckschmerz im gesamten Handgelenk, eine in allen Ebenen eingeschränkte Handgelenksbeweglichkeit sowie positive Zeichen einer Diskusschädigung vorgefunden (Bericht vom 20. Juni 2002). Gegenüber dem Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I der Martin-Luther-Universität Halle PD Dr. K. hatte die Klägerin bei ihrer ambulanten Vor-stellung am 12. Dezember 2002 angegeben, seit 1995 Schwellungen im Bereich der Finger- und Handgelenke, verbunden mit Steifheit, bemerkt zu haben. Die Schwellun-gen dauerten etwa ein bis zwei Wochen und träten einmal monatlich auf (Bericht vom 28. Januar 2003).

In ihrer gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 6. Oktober 2003 empfahl Dr. F. , keine BK 2101 anzuerkennen. Die Klägerin leide an einer Polyarthrose sowie einer Diskusruptur. Beides seien keine BKen.

Mit Bescheid vom 11. November 2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 2101 ab. Auch die Feststellung der Discusruptur wie eine BK sei nicht möglich. An-sprüche auf Leistungen bestünden daher nicht. Den hiergegen am 8. Dezember 2003 erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2004, der der Klägerin auf dem Postweg übermittelt wurde, als unbe-gründet zurück.

Am 23. Februar 2004 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass sie seit Mai 2000 wegen einer Sehnenschei-denentzündung behandelt worden sei. Dagegen leide sie nicht an einer Polyarthritis oder an rheumatischen Beschwerden. Während ihrer Tätigkeit als Großmarkt-Kassiererin habe sie zum Abscannen mit der rechten Hand häufig schwere Gegen-stände anheben müssen.

Das SG hat aus einem parallelen Rentenverfahren (S 13 RA 682/03) das von dem Di-rektor der Kl. und P. für Orthopädie und Physikalische Medizin der Universität H. Prof. Dr. H. gefertigte Gutachten vom 2. Mai 2005 beigezogen und diesen dann nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 25. Oktober 2005 das Gutachten vom 28. Dezember 2005 erstellen lassen. Prof. Dr. H. hat bei der klinischen Be-funderhebung keine Rötung, Schwellung und Temperaturerhöhung im Bereich der Handgelenke feststellen können. Wenngleich die Klägerin angegeben habe, die rechte Hand nicht mehr gebrauchen zu können, sprächen die erhobenen Befunde, vor allem die seitengleich ausgeprägte Muskulatur und die Verschwielung der Hände, für einen Gebrauch beider Hände. Eine Sehnenscheidenentzündung akuter oder chronischer Form sei nicht nachzuweisen. Auch das Sehnengleitgewebe sei unauffällig und weise keine Hinweise auf Entzündungen auf. Röntgenologisch sei im Bereich des rechten Handgelenkes bis auf eine Gelenkspaltverschmälerung im Sinne einer beginnenden Arthrose im Wesentlichen ein unauffälliger Befund zu erkennen. Die Aufnahmen des linken Handgelenkes zeigten regelrechte Verhältnisse ohne Veränderungen, die über die altersphysiologische Norm hinausgehen würden. Das Vorliegen einer BK 2101 sei daher nicht zu begründen.

Im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 6. Oktober 2006 hat die Klä-gerin zu ihren Arbeitsbedingungen als Kassiererin im Großmarkt ergänzend dargelegt: Seit dem Jahre 1995 habe sie noch sieben Stunden täglich gearbeitet. Die Waren hät-ten über einen Mittelsteg, in dem ein Scanner integriert gewesen sei, gezogen werden müssen. In der Zeit davor habe es Handscanner gegeben, die sie mit der rechten Hand bedient habe. In die Kasse eingetippt worden seien nur schriftliche Dinge, wie z.B. Ver-träge. Gelegentlich hätten auch Artikelnummern oder Wechselgeld eingegeben werden müssen. Eine Ablagefläche für die Hände habe es an den sehr engen Kassen nicht gegeben.

Mit Urteil vom 6. Oktober 2006 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Eine Sehnenscheidenerkrankung sei nicht (voll) nachgewiesen. Hierfür habe Dr. B. schon bei seiner Untersuchung am 21. August 2000 keine Hinweise mehr gefunden, was mit den bildgebenden Befunden übereinstimme. Auch Prof. Dr. H. habe in dieser Richtung keine spezifischen Symptome gefunden. Erkrankungen leichterer bzw. vorübergehender Art kämen nicht als BK 2101 in Be-tracht. Ferner seien auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2101 nicht erfüllt. Die Tätigkeit einer Kassiererin lasse sich aufgrund der notwendigen Handgriffe wie das Sortieren und Zuführen der Ware auf dem Fließband, das Scannen und gele-gentliche Eintippen der Preise, das Abkassieren und die Herausgabe von Wechselgeld nicht als einseitige, lang andauernde mechanische Beanspruchung derselben Muskel- und Sehnengruppen auffassen. Fehle aber eine Summation sich ständig wiederholen-der Bewegungen, scheide eine relevante Belastung aus. Im Übrigen sei auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen der Klägerin und der von ihr geltend gemachten Erkrankung nicht hinreichend wahrscheinlich. Denn der zeitliche Abstand zwischen dem Auftreten der Beschwerden im Jahre 1995 und dem Beginn ihrer Tätigkeit als Kassiererin im Oktober 1991 sei zu lang.

Gegen das am 9. November 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. Dezember 2006 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und zur Begrün-dung nochmals vorgetragen, dass bei ihr sehr wohl eine Sehnenscheidenentzündung vorliege. Zudem sei die Tätigkeit einer Kassiererin an einer Scanner-Kasse entgegen der Ansicht des SG auch mit einer einseitigen und lang andauernden mechanischen Beanspruchung derselben Muskel- und Sehnengruppen verbunden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 6. Oktober 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2004 aufzuheben und mit Wirkung vom 25. September 2001 an festzustellen, dass eine Sehnenscheidenentzündung im Bereich ihres rechten Handgelenkes eine Berufskrankheit nach Nr. 2101 der Anlage 1 zur Berufs-krankheiten-Verordnung ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ihre angefochtenen Bescheide und das diese bestätigende Urteil des SG für richtig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteilig-ten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat ihr Begehren, welches sie gemäß den §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässigerweise als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage verfolgen kann, zu Recht abgewiesen. Denn die von der Beklagten im Bescheid vom 11. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2004 getroffene Entscheidung, bei der Klägerin liege keine BK 2101 vor, ist rechtmäßig und verletzt sie damit nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).

Der von der Klägerin verfolgte Anspruch richtet sich nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII). Denn der gel-tend gemachte Versicherungsfall (BK), zu dem hier auch die tatsächliche Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit gehört, kann erst nach dem In-Kraft-Treten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten sein (vgl. Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996, BGBl. I, 1254 ff., §§ 212 ff. SGB VII).

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregie-rung durch Rechtsverordnung (BKV) mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Die näheren Einzelheiten zum Erlass der BKV regelt § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 sowie Abs. 6 SGB VII. Der Versicherungsfall einer in der Anlage zur BKV aufgelisteten BK setzt voraus, dass die Verrichtung der versi-cherten Tätigkeit eine belastende berufliche Einwirkung auf die Gesundheit bewirkt (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkung die vom jeweiligen BK-Tatbestand er-fasste Erkrankung wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 9/08 R – juris). Während für die Beurteilung der haftungsbegündenden Kausalität der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrschein-lichkeit gilt, müssen die Grundlagen dieser Ursachenbeurteilung – die versicherte Tä-tigkeit, die Art und der Umfang der belastenden beruflichen Einwirkungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (arbeitstechnische Voraussetzungen) und die (geltend ge-machte) Erkrankung – mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein (so genannter Vollbeweis). Dieser Beweisgrad ist erfüllt, wenn kein vernünftiger die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt, wenn also das Ge-fühl des Zweifels beseitigt ist (siehe etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 5/05 RSozR 4-5671 § 6 Nr. 2).

Ausgehend hiervon ist zwischen den Beteiligten zwar unstrittig, dass die Klägerin wäh-rend der Zeit ihrer Tätigkeit als Kassiererin als Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert war. Es ist jedoch schon nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrschein-lichkeit erwiesen, dass bei ihr eine Erkrankung im Sinne der BK 2101 vorliegt.

Erfasst werden insoweit Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitge-webes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze. An den Sehnenscheiden und den Gleitgeweben oder an den Sehnen- und Muskelansätzen kommt es zu entzündlichen Reaktionen mit ödematöser Quellung des Bindegewebes. Hierbei können eine Tendovaginitis (Paratenonitis crepitans), Periostosen (Knochenwallbildungen) an Sehnenan-sätzen (Epicondylitis und Styloiditis) und in seltenen Fällen eine Tendovaginitis steno-sans (Wandveränderungen mit Einengungen des Sehnenfachs) auftreten. Bei der erst-genannten Fallgruppe handelt es sich im Wesentlichen um eine Erkrankung des Seh-nengleitgewebes mit Druck- und Bewegungsschmerz sowie fühlbarem schneeballarti-gen Knirschen über dem betreffenden Sehnengebiet. Bevorzugt ist die Umgebung der Strecksehnen der Finger, besonders des Daumens, betroffen. Bei den Periostosen finden sich Druckschmerzen am Muskelursprung bzw. Knochenansatzpunkt sowie eine Infiltration im Bereich des betroffenen Epicondylus (Knochenvorsprung) und Spontanschmerzen im erkrankten Gebiet. Von einer Tendovaginitis stenosans sind vorwiegend die Sehnenscheiden der Daumen betroffen (siehe Merkblatt zur BK 2101, Bekanntma-chung des damaligen Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales vom 1. De-zember 2007, GMBl. 2008, 2).

Zwar diagnostizierte Dipl.-Med. R. eine Tendovaginitis, ohne dass allerdings eine Gelenkschwellung, ein Gelenkerguss oder eine Rötung als typische Symptome einer Sehnenscheidenerkrankung vorgelegen hatten. Schon bei seiner Untersuchung am 21. August 2000 hatte Dr. B. aber keinen Anhalt mehr für entzündliche Verände-rungen im Bereich der Sehnenscheiden der Streck- und Beugesehnen sowie für eine Synovialitis gefunden, wie das SG zutreffend hervorgehoben hat. Hinweise auf krank-hafte Sehnenveränderungen konnten auch dem MRT vom 18. September 2000 nicht entnommen werden. Darüber hinaus war bei dem drei Monate später gefertigten CT ebenfalls keine chronische Styloiditis zu belegen gewesen. Auch sonst hat kein im Verfahren gehörter Mediziner das für eine Tendovaginitis crepitans charakteristische schneeballartige Knirschen über dem betreffenden Sehnengebiet beschrieben oder eine Epicondylitis bzw. Styloiditis diagnostiziert. Vielmehr hatten PD Dr. St. und Dr. S. am 10. September 2001 eine intakte Durchblutung, Motorik und Sensibilität festgestellt sowie die bildgebenden Befunde als regelrecht ausgewertet. Schließlich hat auch Prof. Dr. H. am 25. Oktober 2005 klinisch und radiologisch keine Entzün-dungsreaktionen wie Rötungen, Schwellungen und Temperaturerhöhungen im Bereich der Handgelenke feststellen können und eine Sehnenscheidenentzündung akuter oder chronischer Form folgerichtig ausgeschlossen. Damit steht lediglich fest, dass die Klä-gerin in der Zeit vom 19. Juni bis zum 3. Juli 2000 wegen einer – möglicherweise aku-ten – Sehnenscheidenentzündung behandelt worden ist. Zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 25. September 2001 als ersten möglichen Zeitpunkt einer BK-Feststellung ist dagegen keine Sehnenscheidenentzündung mehr gesichert. Damit stellt sich auch nicht mehr die Frage, ob die geltend gemachte Erkrankung zur Unterlassung der ge-fährdenden Tätigkeit gezwungen hat, was jedenfalls im Hinblick auf lediglich leichtere und vorübergehende Erkrankungen als sehr zweifelhaft erscheint (vgl. hierzu Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand November 2008, M 2101, S. 3; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Abschn. 20.1, S. 1239).

Selbst wenn jedoch zugunsten der Klägerin vom Vorliegen einer relevanten Sehnenscheidenentzündung im Bereich ihres rechten Handgelenkes ausgegangen würde, wären die vorliegenden beruflichen Einwirkungen nach dem insoweit einschlägigen Beweismaßstab nicht als wesentliche (Mit)-Ursache einer solchen Erkrankung hinrei-chend wahrscheinlich zu machen.

Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Um-stände mehr für als gegen den geltend gemachten Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt dagegen nicht. Dabei setzt die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltende "Theorie der wesentlichen Bedingung" in Eingrenzung der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jede nicht hinwegzudenkende Bedingung (conditio-sine-qua-non) kausal ist, voraus, dass die versicherte Einwirkung bei wertender Betrachtung nicht nur irgendeine Bedingung in der Kette der Faktoren für die Entstehung der Erkrankung, sondern wegen ihrer besonderen Beziehung zur geltend gemachten Krankheit wesentlich mitgewirkt hat (vgl. KassKomm-Ricke, Stand April 2009, § 8 SGB VII Rn. 4 und 15, m.w.N.). Dabei ist "wesentlich" nicht gleichbedeutend mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rech-nerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keinen überwiegenden Einfluss hat (haben). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Erfolges (hier der Erkrankung) wertend abgeleitet werden. Gesichtspunkte hierfür sind insbesondere die Art und das Ausmaß der versicherten Einwirkung sowie der konkurrierenden Ursachen, der zeitliche Verlauf und die Krankheitsgeschichte unter Berücksichtigung der aktuellen medizinischen Erkenntnisse sowie ergänzend auch der Schutzzweck der Norm (siehe BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17; Urteil vom 30. Januar 2007, a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dessen ist hier schon keine geeignete berufliche Einwirkung vollbeweislich zu sichern. Gefährdend im Sinne der BK 2101 können alle einseitigen, lang dauernden mechanischen Beanspruchungen und ungewohnte Arbeiten aller Art sein, die bei fehlender oder gestörter Anpassung entstehen (siehe Merkblatt zur BK 2101, a.a.O.). Als geeignet werden kurzzyklische, repetitive, feinmotorische Handtätigkeiten mit sehr hoher Bewegungsfrequenz von mindestens drei Bewegungsabläufen pro Sekunde (z.B. Klavierspielen oder Schreibtätigkeit mit Tastatur), hochfrequente, gleichförmige, feinmotorische Verrichtungen bei unphysiologischer, achsenungünstiger Auslenkung im Handgelenk (z.B. Stricken oder Handnähen), repetitive Manipulationen mit statischen und dynamischen Anteilen, mit hoher Auslenkung des Handgelenkes bei gleichzeitig hohem Kraftaufwand (z.B. Drehen oder Montieren), forcierte Dorsalexten-sionen der Hand (z.B. Hämmern oder Rückhandschlag beim Tennis) sowie monoton wiederholte oder plötzlich einsetzende Aus- und Einwärtsdrehungen der Hand und des Vorderarms (z.B. Betätigen eines Schraubendrehers) angesehen. Entscheidend sind demnach ständig wiederkehrende monotone Bewegungen sowie kurzfristige, übermäßige oder ungewohnte Betätigungen, d.h. es müssen durch die versicherte Tätigkeit immer wieder in jeder Einzelbewegung die gleichen Muskeln und Sehnen in stets glei-cher Weise beansprucht werden. Demgegenüber gelten langjährige Schwer- oder ein-tönige Fließbandarbeiten nicht als maßgeblich. Gerade bei langfristiger Ausübung der gleichen Tätigkeit, an die eine rasche Gewöhnung erwartet werden kann, ist nämlich alsbald mit einem Kräfte sparenden Arbeiten und einer Verhinderung der Störung des Anpassungsgleichgewichts zu rechnen (siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.; Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., S. 5 und 6).

Dass diese Voraussetzungen durch die Tätigkeit der Klägerin als Kassiererin im Großmarkt erfüllt werden, unterliegt nicht unerheblichen Zweifeln. Zwar beinhaltete die ge-nannte Tätigkeit eine gewisse Belastung der beteiligten Muskel- und Sehnenstrukturen, nicht jedoch eine lang dauernde und einseitige biomechanische Beanspruchung in der zuvor beschriebenen Art. Denn entsprechend ihren Angaben hatte die Klägerin ver-schiedene Handgriffe, etwa die Positionierung der Ware auf dem Band, ihre Aufnahme zum Abscannen (bis 1995) bzw. ihr Bewegen über einen integrierten Scanner, das gelegentliche Eintippen von Preisen oder Vertragsbestandteilen, das Abkassieren und die Herausgabe von Wechselgeld vorzunehmen. Die Kombination dieser verschiedenen Verrichtungen geht zwangsläufig mit einer unterschiedlichen Beanspruchung der beteiligten Muskeln und Sehnen einher, beinhaltet aber weder hochfrequente oder re-petitive Bewegungen, unphysiologische Stellungen mit gleichzeitig hohem Kraftaufwand noch monoton wiederholte oder plötzlich einsetzende Aus- und Einwärts-drehungen der rechten Hand und des Vorderarms. Gerade das von der Klägerin in ihrer Klagebegründung geschilderte häufige Anheben schwerer Gegenstände weckt Zweifel an einer entscheidenden Einflussnahme auf das Anpassungsgleichgewicht.

Überdies spricht der zeitliche Verlauf gegen die Verursachung einer unterstellten Seh-nenscheidenentzündung durch die beruflichen Belastungen der Klägerin als Kassiere-rin. Wie bereits das SG zutreffend hervorgehoben hat, ist der Abstand zwischen dem ersten Auftreten der Beschwerden der Klägerin im Jahre 1995 und dem Beginn ihrer Tätigkeit als Kassiererin im Oktober 1991 erheblich zu lang. Denn nach medizinischen Erkenntnissen treten entzündliche Veränderungen nach ungewohnter einseitiger Be-lastung bei fehlender Anpassung relativ kurzfristig auf, womit das erste halbe Jahr nach Aufnahme der gefährdenden Tätigkeit gemeint ist (siehe Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., S. 11).

Sind demnach die Feststellungsvoraussetzungen einer BK 2101 nicht erfüllt, konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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