Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 22 SB 35/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 SB 72/09 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zurückverweisung einer Beschwerde wegen fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung der Widerspruchsbehörde
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 30. Juni 2009 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Anträge der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts an das Sozialgericht Halle zurückverwiesen.
Gründe:
I. Die Beschwerdeführerin und Klägerin (im Folgenden: Klägerin) wendet sich gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) in einem Schwerbehindertenverfahren, mit dem sie die Feststellung eines Grades der Behinderung von mindestens 50 begehrt.
Der Beklagte stellte auf Antrag der 1954 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 26. Januar 2004 einen Grad der Behinderung von 30 und mit Bescheid vom 25. August 2008 von 40 fest. Den gegen den Bescheid vom 25. August 2008 am 29. September 2008 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2009 zurück. In der Rechtsbehelfserklärung wurde ausgeführt, dass dagegen innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim Sozialgericht Halle Klage zu erheben sei. Der Widerspruchsbescheid trägt den Absendevermerk vom 14. Januar 2009.
Am 19. Februar 2009 hat die Klägerin beim Sozialgericht Halle Klage erhoben und im Klageantrag als Adresse "Kurze Straße 3, 37114 Duderstadt" angegeben. Außerdem hat sie PKH beantragt.
Mit Beschluss vom 30. Juni 2009 hat das Sozialgericht den Antrag auf PKH abgelehnt, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Sie sei nicht innerhalb der einmonatigen Klagefrist nach § 87 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erhoben worden. Der Widerspruchsbescheid gelte nach § 37 Abs. 2 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) als am dritten Tag nach der Absendung - also am 17. Januar 2009 - zugegangen. Der Umstand, dass der Zugang des Widerspruchsbescheids nach der Fiktion hier auf einen Sonnabend falle, ändere an der Fristberechnung nichts. Daher sei die Klagefrist nach § 64 Abs. 2 SGG am 17. Februar 2009 abgelaufen.
Die Klägerin hat gegen den am 10. September 2009 zugestellten Beschluss am 2. Oktober 2009 Beschwerde erhoben. Sie hat zur Begründung ausgeführt, die Behauptung, der Beklagte habe den Widerspruchsbescheid am 14. Januar 2009 zur Post gegeben, werde hier mit Nichtwissen bestritten. Maßgeblich sei jedenfalls, dass der Widerspruchsbescheid am 19. Januar 2009 eingegangen sei. Es möge sein, dass der Widerspruchsbescheid am Samstag, den 17. Januar 2009 eingeworfen worden sei. Der Zugang sei aber erst am Montag, den 19. Januar 2009 erfolgt, da Samstag kein Kanzleibetrieb stattfinde.
Die Berichterstatterin hat um Vorlage der Meldebescheinigung und ggf. um Mitteilung gebeten, woraus sich die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Halle ergeben solle. Daraufhin hat die Klägerin die Meldebescheinigung vorgelegt, wonach sie am 27. September 2008 in die Kurze Straße 3, 37115 Duderstadt eingezogen ist. Außerdem hat sie vorgetragen, sie habe Klage zum Sozialgericht Halle erhoben, da dieses in der Rechtsbehelfsbelehrung des Beklagten bezeichnet gewesen sei.
II.
Die zulässige Beschwerde ist im Sinne einer Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 SGG analog begründet.
Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, sofern die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Der ablehnende Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 30. Juni 2008 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben. Das Sozialgericht hat PKH abgelehnt, weil nach seiner Ansicht die Klagefrist am 19. Februar 2009 abgelaufen war und somit die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt habe. Doch war die Klagefrist nicht abgelaufen, denn hier beträgt die Klagefrist gemäß § 87 Abs. 2 i. V. m. § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG ein Jahr. Die Jahresfrist für die Klageerhebung gilt nach dieser Vorschrift, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist. Hier ist die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig, da in dieser fehlerhaft das Sozialgericht Halle als zuständiges Sozialgericht bezeichnet wurde. Örtlich zuständig ist für die zur Klagerhebung in Duderstadt wohnhafte Klägerin nach § 57 SGG aber das Sozialgericht Hildesheim. Da nur die objektive Fehlerhaftigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung maßgeblich ist, kommt es auch nicht darauf an, dass die Klägerin bereits bei Widerspruchserhebung ihren Wohnsitzwechsel hätte mitteilen können. Ein Verschulden des Beklagten für die Fehlerhaftigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht notwendig.
Die Sache war in analoger Anwendung von § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG in Ausübung des eingeräumten Ermessens an das Sozialgericht Halle zurückzuverweisen. Nach dieser Vorschrift kann die Sache an das Sozialgericht zurückverwiesen werden, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Im Beschwerdeverfahren ist diese Vorschrift analog anwendbar (vgl. nur Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23. Februar 2009, L 3 B 740/08; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 3. Dezember 2008, L 6 B 218/08). Im Rahmen des ausgeübten Ermessens hat der Senat berücksichtigt, dass eine Zurückverweisung gerechtfertigt ist, weil das Sozialgericht sich zur Erfolgsaussicht in der Sache nicht geäußert hat und der Klägerin durch die Entscheidung eine Tatsacheninstanz genommen werden würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I. Die Beschwerdeführerin und Klägerin (im Folgenden: Klägerin) wendet sich gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) in einem Schwerbehindertenverfahren, mit dem sie die Feststellung eines Grades der Behinderung von mindestens 50 begehrt.
Der Beklagte stellte auf Antrag der 1954 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 26. Januar 2004 einen Grad der Behinderung von 30 und mit Bescheid vom 25. August 2008 von 40 fest. Den gegen den Bescheid vom 25. August 2008 am 29. September 2008 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2009 zurück. In der Rechtsbehelfserklärung wurde ausgeführt, dass dagegen innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim Sozialgericht Halle Klage zu erheben sei. Der Widerspruchsbescheid trägt den Absendevermerk vom 14. Januar 2009.
Am 19. Februar 2009 hat die Klägerin beim Sozialgericht Halle Klage erhoben und im Klageantrag als Adresse "Kurze Straße 3, 37114 Duderstadt" angegeben. Außerdem hat sie PKH beantragt.
Mit Beschluss vom 30. Juni 2009 hat das Sozialgericht den Antrag auf PKH abgelehnt, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Sie sei nicht innerhalb der einmonatigen Klagefrist nach § 87 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erhoben worden. Der Widerspruchsbescheid gelte nach § 37 Abs. 2 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) als am dritten Tag nach der Absendung - also am 17. Januar 2009 - zugegangen. Der Umstand, dass der Zugang des Widerspruchsbescheids nach der Fiktion hier auf einen Sonnabend falle, ändere an der Fristberechnung nichts. Daher sei die Klagefrist nach § 64 Abs. 2 SGG am 17. Februar 2009 abgelaufen.
Die Klägerin hat gegen den am 10. September 2009 zugestellten Beschluss am 2. Oktober 2009 Beschwerde erhoben. Sie hat zur Begründung ausgeführt, die Behauptung, der Beklagte habe den Widerspruchsbescheid am 14. Januar 2009 zur Post gegeben, werde hier mit Nichtwissen bestritten. Maßgeblich sei jedenfalls, dass der Widerspruchsbescheid am 19. Januar 2009 eingegangen sei. Es möge sein, dass der Widerspruchsbescheid am Samstag, den 17. Januar 2009 eingeworfen worden sei. Der Zugang sei aber erst am Montag, den 19. Januar 2009 erfolgt, da Samstag kein Kanzleibetrieb stattfinde.
Die Berichterstatterin hat um Vorlage der Meldebescheinigung und ggf. um Mitteilung gebeten, woraus sich die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Halle ergeben solle. Daraufhin hat die Klägerin die Meldebescheinigung vorgelegt, wonach sie am 27. September 2008 in die Kurze Straße 3, 37115 Duderstadt eingezogen ist. Außerdem hat sie vorgetragen, sie habe Klage zum Sozialgericht Halle erhoben, da dieses in der Rechtsbehelfsbelehrung des Beklagten bezeichnet gewesen sei.
II.
Die zulässige Beschwerde ist im Sinne einer Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 SGG analog begründet.
Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, sofern die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Der ablehnende Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 30. Juni 2008 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben. Das Sozialgericht hat PKH abgelehnt, weil nach seiner Ansicht die Klagefrist am 19. Februar 2009 abgelaufen war und somit die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt habe. Doch war die Klagefrist nicht abgelaufen, denn hier beträgt die Klagefrist gemäß § 87 Abs. 2 i. V. m. § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG ein Jahr. Die Jahresfrist für die Klageerhebung gilt nach dieser Vorschrift, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist. Hier ist die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig, da in dieser fehlerhaft das Sozialgericht Halle als zuständiges Sozialgericht bezeichnet wurde. Örtlich zuständig ist für die zur Klagerhebung in Duderstadt wohnhafte Klägerin nach § 57 SGG aber das Sozialgericht Hildesheim. Da nur die objektive Fehlerhaftigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung maßgeblich ist, kommt es auch nicht darauf an, dass die Klägerin bereits bei Widerspruchserhebung ihren Wohnsitzwechsel hätte mitteilen können. Ein Verschulden des Beklagten für die Fehlerhaftigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht notwendig.
Die Sache war in analoger Anwendung von § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG in Ausübung des eingeräumten Ermessens an das Sozialgericht Halle zurückzuverweisen. Nach dieser Vorschrift kann die Sache an das Sozialgericht zurückverwiesen werden, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Im Beschwerdeverfahren ist diese Vorschrift analog anwendbar (vgl. nur Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23. Februar 2009, L 3 B 740/08; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 3. Dezember 2008, L 6 B 218/08). Im Rahmen des ausgeübten Ermessens hat der Senat berücksichtigt, dass eine Zurückverweisung gerechtfertigt ist, weil das Sozialgericht sich zur Erfolgsaussicht in der Sache nicht geäußert hat und der Klägerin durch die Entscheidung eine Tatsacheninstanz genommen werden würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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