Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 9 SO 23/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nothelfer im Sinne von § 25 SGB XII ist nur derjenige, der aktiv Hilfe leistet.
Nothelfer kann daher nur der Arzt sein, der Medikamente in seiner Praxis an einen bedürftigen Patienten verabreicht, nicht aber das Pharmaunternehmen, das diese Medikamente an den Arzt geliefert hat.
Nothelfer kann daher nur der Arzt sein, der Medikamente in seiner Praxis an einen bedürftigen Patienten verabreicht, nicht aber das Pharmaunternehmen, das diese Medikamente an den Arzt geliefert hat.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten, nach zwischenzeitlicher Reduzierung der Klagesumme, die Zahlung von EUR 1.972 nebst Zinsen. Sie macht geltend, dieser Betrag stünde ihr als Nothelferin nach § 25 SGB XII zu, weil der Zeuge Dr. C. die im Eigentum der Klägerin stehenden Medikamente "Helixate NexGen" seinem Patienten A. M. im Rahmen eines medizinischen "Eilfalls" verabreicht habe.
Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Arzneimittel herstellt und vertreibt.
Herr A. M., der syrischer Staatsangehöriger ist, kam im Sommer 2005 als ausländischer Flüchtling nach Deutschland. Er besaß zunächst eine ausländerrechtliche Aufenthaltsgestattung und bezog Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).Vom 4.7.2005 bis zum 25.5.2005 befand er sich aufgrund der Diagnosen "Posttraumatische Belastungsstörung" und "Hämophilie" im Evangelischen Krankenhaus C-Stadt. Bereits dort erhielt Herr M. das Medikament Helixate NexGen in Form einer Dauerbehandlung (dreimal pro Woche) verabreicht. Kostenträger für die dort ihm gegenüber erbrachten Leistungen war die im Zeitpunkt der Einweisung zuständige Bezirksregierung S-Stadt. Mit Bescheid vom 7.7.2005 wies die Bezirksregierung S-Stadt Herrn M. gemäß § 50 Abs. 4 i.V.m. § 50 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes der Beklagten zu.
Bereits am 21.7.2005 übersandte die Beklagte Herrn M. einen Krankenschein für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG, der den Hinweis erhält, dass Medikamente ab EUR 500 der vorherigen Genehmigung des Sozialleistungsträgers bedürfen.
Vor dem 28.7.2005 wandte sich das Evangelische Krankenhaus C-Stadt telefonisch an den Zeugen Dr. C. und vereinbarte mit diesem für Herrn M. für Donnerstag, den 28.7.2005, einen Termin in dessen Hämophilie-Sprechstunde. Im Rahmen dieses Gesprächs regte das Krankenhaus gegenüber dem Zeugen die Fortführung der Dauerbehandlung mit dem Medikament Helixate NexGen an.
Am 28.7.2005 begab Herr M. sich in die Hämophilie-Sprechstunde der Praxis Dr. med. C., wo er den ihm übersandten Krankenschein vorlegte. Einblutungen in den Gelenken bestanden bei ihm an diesem Tag nicht. Der Zeuge Dr. C. verabreichte ihm am 28.7.2005 und bei der darauf folgenden Behandlung am Montag, den 1.8.2005, jeweils 1 Dosis des Medikaments Helixate NexGen 1000 IE in intravenöser Form. Diese Medikamente, die die Klägerin hergestellt und an den Zeugen Dr. C. geliefert hatte, entnahm der Zeuge aus einem sich in seiner Praxis befindlichen Lager. Anschließend war Herr M. bei dem Zeugen Dr. C. weiter jeweils drei Mal pro Woche in Behandlung und erhielt weiterhin je eine Dosis des vorbenannten Medikaments verabreicht.
Seit dem 9.9.2005 ist Herr M. im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz.
Mit Schreiben vom 9.9.2005 wandte sich die X. GmbH an die Beklagte und teilte mit, sie sei von der Praxis Dr. C. mit der Abwicklung der beigefügten Verordnungen beauftragt worden. Sie überreichte eine Rechnung vom 1.9.2005, gerichtet an die Praxis Dr. C., betreffend 30 Dosen des Medikaments Helixate NexGen 1000 IE (30,000 PAK) über eine Gesamtbetrag von EUR 29.580 (einschließlich Mehrwertsteuer). Als Bestelldatum weist die Rechnung den 1.8.2005 aus. Als Preis für eine Dosis des Medikaments ergibt sich ein Betrag von EUR 850 (ohne Mehrwertsteuer). Zugleich reichte die Klägerin zwei Rezepte, datierend vom 28.7.2005 (über Helixate NexGen 1000 IE 10x) und vom 3.8.2005, über Helixate NexGen 1000 IE 20x, ein.
Am 4.1.2005 teilte die Beklagte dem Zeugen Dr. C. mit, die Kosten für die Medikation des Herrn M. könnten nicht übernommen werden, woraufhin der Zeuge Dr. C. die Behandlung beendete. Mit medizinischer Stellungnahme vom 7.11.2005 erklärte der Stadtarzt und Internist des Gesundheitsamtes der Beklagten, Dr. med. Y., bei einem erwachsenen, hämophiliekranken Patienten, der nicht arbeite, gebe es keine Indikation für eine prophylaktische Substitutionsbehandlung mit Faktor 8 (hier Präparat Helixate). Selbst im Fall einer prophylaktischen Substitution sei die Befürwortung unter Berücksichtigung des AsylbLG nicht vertretbar. Am 8.11.2005 wurde Herr M., auf Veranlassung des Zeugen Dr. C., erneut ins Krankenhaus eingewiesen und dort stationär behandelt. Aufgrund seines veränderten Aufenthaltsstatus war Herr M. zwischenzeitlich gesetzlich krankenversichert. Die entstehenden Behandlungskosten wurden durch die für ihn nunmehr zuständige gesetzliche Krankenversicherung getragen.
Mit Schreiben vom "25.8.2005" (wohl 25.11.2005), das an die Firma A. gerichtet und dem eine Rechtsbehelfsbelehrung angehängt war, lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten der Verordnung des Medikaments Helixate NexGen ab, da kein Indikation für eine prophylaktische Substitutionsbehandlung mit dem Medikament gegeben gewesen sei und im Übrigen selbst bei einer grundsätzlichen Indikation zur prophylaktischen Behandlung diese unter Berücksichtigung des AsylbLG nicht vertretbar sei.
Mit Schreiben vom 17.2.2006 wandte sich die Fa. A. erneut an die Beklagte und forderte diese auf, die Frage der Kostenerstattung nochmals zu überprüfen. Er reichte ein Schreiben des Zeugen Dr. C. vom 1.2.2006 ein, mit dem dieser die Verabreichung des Medikamentes Helixate NexGen näher begründete. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 1.2.2006, Bl. 64 und 65 der Gerichtsakte, verwiesen.
Mit Bescheid vom 3.3.2006 lehnte die Beklagte gegenüber Herrn M. die Übernahme der Kosten für die Medikamente, die ihm mit Rezepten vom 28.7.2005 und 3.8.2005 verordnet worden seien, ab, da die Notwendigkeit für die Art dieser Medikamente nach amtsärztlicher Feststellung nicht gegeben sei. Herr M. erhob gegen diesen Bescheid keinen Widerspruch.
Nach weiterem Schriftverkehr, bei dem auch über die Frage, ob das Schreiben vom 25.8.2005 ein Verwaltungsakt sei, gestritten wurde, lehnte die Beklagte mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben vom 18.9.2007 eine Übernahme der Kosten für die Medikamente erneut ab, da die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nach § 25 SGB XII nicht vorlägen. Gegen dieses Schreiben erhob die Klägerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26.9.2007 am 22.10.2007 Widerspruch. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.2.2008 als unbegründet zurück, da die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nach § 25 SGB XII nicht vorlägen. Es sei schon zweifelhaft, ob die Klägerin Nothelfer sei; jedenfalls liege kein Eilfall vor und es bestehe auch keine Verpflichtung, die entstandenen Aufwendungen im Rahmen des AsylbLG zu übernehmen, da hiernach eine Kostenübernahme nur bei der Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände in Betracht komme.
Die Klägerin hat am 20.3.2008 beim Sozialgericht Marburg Klage erhoben.
Sie hat zunächst beantragt, die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von EUR 29.580 nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Medikamente, die Herrn M. bei den Behandlungen am 28.7.2005 und am 1.8.2005 verabreicht worden seien, zu. Die Voraussetzungen des § 25 SGB XII, der hier analog anzuwenden sei, seien erfüllt. Sie sei, da sie Herrn M. das Medikament zur Verfügung gestellt habe, Nothelferin. Es liege auch ein Eilfall vor, da wegen des wesentlich zu niedrigen Faktor-VIII-Spiegels die sofortige Versorgung des Herrn M. medizinisch geboten gewesen sei. Die Beklagte wäre bei rechtzeitigem Einsetzen der Sozialhilfe auch nach § 4 AsylbLG, jedenfalls aber nach § 6 AsylbLG verpflichtet gewesen, die Kosten für das Medikament zu übernehmen. Die Übernahme der Kosten sei schließlich auch innerhalb angemessener Frist beantragt worden.
Die Klägerin beantragt,
unter Rücknahme der Klage im Übrigen, den Bescheid der Beklagten vom 18.9.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 21.2.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 1.972 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 20.3.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch bestehe nicht. Er scheitere schon daran, dass kein Anspruch des Herrn M. auf Übernahme der Kosten des Medikaments bestanden habe. Nach § 4 Abs. 1 AsylbLG bestehe ein Anspruch auf Leistungen nur zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Im Übrigen fehle es auch an der Stellung der Klägerin als Nothelferin sowie am Vorliegen eines Eilfalls.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Facharztes für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie Dr. med. C. als Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom heutigen Tage.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Behördenvorgänge (ein Ordner). Sämtliche dieser Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage war abzuweisen, denn sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat nach § 54 Abs. 1, 4 SGG keinen Anspruch darauf, dass das Gericht, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, die Beklagte verpflichtet, an die Klägerin EUR 1.972 nebst Zinsen zu zahlen. Der Bescheid vom 18.9.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.2.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt nur § 25 Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) – Sozialhilfe (SGB XII) in Betracht. Die Vorschrift ist hier, da es nicht um Leistungen der Sozialhilfe, sondern um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) geht, analog anzuwenden, da das AsylbLG insoweit eine planwidriges Regelungslücke enthält und im Rahmen dieses Gesetzes, in Bezug auf durch Dritte erbrachte Hilfeleistungen, verglichen mit dem SGB XII eine gleichartige Interessenlage besteht (vgl. nur Neumann in: SGB XII, Kommentar, 4. Erg.Lief. Stand I/2006, § 25 Rdnr. 4).
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch jedoch nicht zu, denn die Voraussetzungen des § 25 SGB XII sind nicht erfüllt.
Nach § 25 SGB XII sind jemandem, der in einem Eilfall einem Anderen Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe - bzw. hier Leistungen nach dem AsylbLG - nicht zu erbringen gewesen wären, die Aufwendungen in gebotenen Umfang zu erstatten, soweit er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Verpflichtung selbst zu tragen hat und die Erstattung innerhalb angemessener Frist bei zuständigen Träger beantragt wurde.
Die Klägerin ist weder "jemand" im Sinne der Vorschrift, der eine Leistung an einen Hilfebedürftigen erbracht hat noch liegt ein Eilfall vor.
Eine Leistung an Herrn M. erbracht hat nur der Zeuge Dr. C., indem er diesem jeweils eine Dosis des Medikaments Hexate NexGen am 28.7.2005 und am 1.8.2005 intravenös verabreicht hat. Das "Bereitstellen" des Medikamentes erfüllt den Leistungsbegriff nicht.
Wann eine "Leistung" vorliegt, muss, da es an einer Legaldefinition im Rahmen des SGB XII fehlt, unter Berücksichtigung der allgemeinen Bedeutung des Ausdrucks "Leistung", des Sinn und Zwecks des § 25 SGB XII sowie - da § 25 SGB XII ein spezieller Fall der (öffentlich-rechtlichen) Geschäftsführung ohne Auftrag ist (s. nur Groth in: AJ.`scher Online-Kommentar, Hrsg. v. Rolfs/GE./Kreikebohm/Udsching, § 25 Rdnr. 2) - unter Rückgriff auf den Geschäftsführungsbegriff der §§ 677 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestimmt werden. Schon nach dem allgemeinen Verständnis der Formulierung setzt eine Leistung ein aktives Tun voraus; ein bloßes Dulden einer Handlung durch einen Dritten oder ein Gewährenlassen genügt nicht. Es ist auch nicht das Ziel des § 25 SGB XII, passives Verhalten zu belohnen. Vielmehr will die Vorschrift verhindern, dass in Fällen, in denen jemand Hilfe benötigt, die erforderliche Hilfeleistung nur deswegen unterbleibt, weil die Frage der Kostentragung ungeklärt ist. Gefördert werden soll also das Tätigwerden des Dritten, d.h. sein aktives Eingreifen in einer Notsituation (s. nur Schoch in: LPK-SGB XII, § 25 Rdnr. 2). Dass ihm durch seine Hilfeleistung Aufwendungen, also Kosten, entstanden sind, ist zwar weitere Voraussetzungen für das Bestehen eines Anspruchs nach § 25 SGB XII, der Anfall von Kosten genügt für sich alleine aber gerade nicht, um den Anspruch zu begründen. Auch die Geschäftsführung ohne Auftrag setzt, wie sich schon aus dem Begriff "besorgen" ergibt, eine Tätigkeit im Sinne eines positiven Tuns voraus. Ein bloßes Unterlassen oder Dulden reicht dementsprechend nicht aus (vgl. hierzu nur Hönn in: jurisPK-BGB, 4. Aufl. 2008, Rdnr. 14; Sprau in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Auflage 2006, § 662 Rdnr. 6; Mansel in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl. 2009, Ziffer 3) b) aa); auch Seiler in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, Rdnr. 9, 15).
Handelt es sich um eine Leistungskette, kann nur derjenige Nothelfer sein, der die Leistung unmittelbar gegenüber dem Hilfebedürftigen erbracht hat. Dritte, die ihrerseits an den Nothelfer geleistet haben, müssen ihre Ansprüche diesem gegenüber geltend machen und ggfs. durchsetzen.
Die Klägerin ist nicht gegenüber Herrn M. tätig geworden. Mit der Lieferung der Medikamente an den Zeugen Dr. C. hat sie zwar diesem gegenüber eine Leistung erbracht, eine Leistung gegenüber Herrn M. war damit jedoch nicht verbunden. Soweit die Klägerin meint, sei habe bereits mit dem "Bereitstellen" der Medikamente" Nothilfe geleistet, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Es bestehen schon gewisse Zweifel, ob ein "Bereitstellen" überhaupt als Leistung im Sinne eines aktiven Tuns qualifiziert werden kann. Diese allgemeine Frage kann hier jedoch unbeantwortet bleiben, da die Klägerin jedenfalls gegenüber Herrn M. keine Medikamente bereitgestellt hat. Bereitgestellt hat sie die Medikamente nur für den Zeugen Dr. C., der sie eigenständig und ohne die Klägerin hiervon in Kenntnis zu setzen Herrn M. verabreicht hat, wie sich aus den glaubhaften Bekundungen des Zeugen und den eigenen Angaben der Klägerin ergibt. Der Klägerin war im Zeitpunkt der Verabreichung der Medikamente am 28.7.2005 und am 1.8.2005 weder bekannt, dass (möglicherweise) ein Fall der Nothilfe bei Herrn M. vorlag noch wusste sie von dem Handeln des Zeugen Dr. C ...
Das im Rahmen der mündlichen Verhandlung von der Klägerin vorgetragene Argument, bei ihr bestehe ein allgemeiner Wille, im Notfall durch zur Verfügung stellen ihrer Medikamente Hilfe zu leisten, rechtfertigt keine andere rechtliche Bewertung. Für die Kammer ist schon fraglich, ob bei der Klägerin als einem Wirtschaftsunternehmen ein solcher allgemeiner Wille, dass die von ihr gelieferten und noch nicht bezahlten Medikamente auch in solchen Fällen benutzt werden sollen, in denen die Kostentragung ungeklärt ist, existiert. Selbst wenn es aber einen solchen allgemeinen Willen gäbe, macht sie dieser noch nicht im konkreten Fall zum Nothelfer, denn neben der erforderlichen konkreten Kenntnis von der Lage des Herrn M. fehlt es eben auch an einem auf diesen bezogenen zielgerichteten Handeln der Klägerin.
Eine Leistung der Klägerin gegenüber Herrn M. lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Leistung, die der Zeuge Dr. C. an Herrn M. erbracht hat, als er diesem die Medikamente verabreichte, der Klägerin zuzurechnen wäre. Denn dafür müsste der Zeuge als Vertreter und Erfüllungsgehilfe der Klägerin tätig geworden sein. Dies würde jedoch voraussetzen, dass die Klägerin beabsichtigt hätte, unmittelbar mit den (nicht gesetzlich krankenversicherten) Patienten, denen die von ihr gelieferten Medikamente verabreicht werden, in Vertragsbeziehung zu treten. Hierzu wäre sie aufgrund der Vorgaben des Arzneimittelgesetzes (AMG) aber weder befugt gewesen noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass eine solche vertragliche Bindung gewollt war. Gegen einen entsprechenden Willen der Klägerin spricht bereits, dass die Rechnungen für die verabreichten Medikamente nicht an Herrn M., sondern an den Zeugen Dr. C. gerichtet waren, was darauf hindeutet, dass dieser als der Vertragspartner, der den Kaufpreis für die Arzneimittel schuldete, angesehen wurde. Hiervon abgesehen steht der Einstufung des Zeugen Dr. C. als Vertreter der Klägerin – unabhängig vom Vorhandensein einer Bevollmächtigung – schon entgegen, dass er nicht entsprechend § 164 Abs. 2 BGB in fremdem Namen gehandelt hat, als er Herrn M. mit den Medikamenten versorgte, denn wie der Zeuge glaubhaft dargelegt hat, hat er gegenüber seinem Patienten bereits aufgrund der Verständigungsschwierigkeiten zu keinem Zeitpunkt dargelegt, von wem die Medikamente stammten. Damit kann der Zeuge Dr. C. auch nicht Erfüllungsgehilfe der Klägerin gewesen sein, da keine fremde Verbindlichkeit, die er hätte erfüllen können, vorlag.
Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass die Medikamente in dem Zeitpunkt, als sie Herrn M. verabreicht wurden, nicht mehr im Eigentum der Klägerin gestanden haben dürften, so dass es auch im Hinblick auf den Eigentumsübergang an einer unmittelbaren Beziehung zwischen der Klägerin und Herrn M. fehlte. Denn es ist zwar davon auszugehen, dass die Medikamente, solange sie sich im Konsignationslager des Zeugen Dr. C. befanden, bis zur Entrichtung des Kaufpreises weiterhin im Eigentum der Klägerin verblieben. Mit der Entnahme der Medikamente aus dem Lager ging das Eigentum aber wohl auf den Zeugen über, da dies im Falle eines Konsignationslagers der üblichen Handhabung entspricht und andersweitige vertragliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Zeugen nicht existierten.
Neben dem Umstand, dass die Klägerin keine Leistung gegenüber Herrn M. erbracht hat, fehlt es auch am Vorliegen eines Eilfalls.
Ein Eilfall ist gegeben, wenn nach den Umständen des Einzelfalls sofort geholfen werden muss und eine rechtzeitige Einschaltung des öffentlich-rechtlichen Leistungsträgers nicht möglich ist. Das Vorliegen einer Notfallsituation im medizinischen Sinne reicht jedoch nicht aus, vielmehr wird weiter vorausgesetzt, dass nach Lage der Dinge eine rechtzeitige Hilfe des Trägers objektiv nicht zu erlangen gewesen wäre (vgl. nur Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31.5.2001, Az. 5 C 20/00, Rdnr. 11 zur mit § 25 SGB XII vergleichbaren Regelung des § 121 Bundessozialhilfegesetz; Groth in: AJ.`scher Online-Kommentar, § 25 Rdnr. 6).
Dass es hier nicht möglich war, die Beklagte über die beabsichtigte Behandlung zu informieren und eine zeitnahe Entscheidung herbeizuführen, ist nicht erkennbar. Der 28.7.2005 war ein Donnerstag, an dem die Beklagte ohne Einschränkungen erreichbar gewesen wäre. Für die Kammer bestehen keine Zweifel, dass es am 28.7.2005 medizinisch vertretbar und möglich gewesen wäre, die Behandlung zumindest auf einen späteren Zeitpunkt des gleichen Tages zu verschieben, um vorher die Kostenfrage mit der Beklagten zu klären. Dies ergibt sich schon aus den Bekundungen des Zeugen Dr. C., der selbst diese Auffassung vertreten hat und als Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie auch über hinreichende Sachkunde verfügt, um die Aufschiebbarkeit der Behandlung richtig beurteilen zu können. Der Zeuge hat gleichzeitig eingeräumt, er habe sich nicht an die Beklagte gewandt, weil ihm die "Problematik" betreffend die Kostenübernahme nicht bewusst gewesen sei. Objektive Gründe, die es verhindert hätten, mit der Beklagten kurzfristig Verbindung aufzunehmen, hat der Zeuge weder benannt noch sind diese aus sonstigen Umständen ersichtlich.
Hiervon abgesehen war dem Zeugen sogar schon vor dem 28.7.2005 aufgrund der Mitteilung des Evangelischen Krankenhauses C-Stadt bekannt, dass Herr M. nach Auffassung der Klinik eine dauerhafte Behandlung mit dem Medikament Helixate NexGen benötigte. Wie der Zeuge angegeben hat, war er bei diesem Gespräch auch über den Aufenthaltsstatus des Herrn M. als "Asylbewerber" informiert worden. In Anbetracht dessen gab es für den Zeugen sogar bereits vor dem 28.7.2005 Anlass, die Frage, ob die Kosten für das Medikament übernommen werden, zu klären. Dieser Umstand spricht erst recht dagegen, für den 28.7.2005 von einer plötzlich eingetretenen Notfallsitution auszugehen, zumal sich für diesen Tag bei Herrn M. auch keine medizinischen Änderungen ergeben hatten. Insbesondere lagen am 28.7.2005 keine Einblutungen in den Gelenken vor, die ein sofortiges Handeln notwendig gemacht hätten.
Erst recht kann nicht angenommen werden, auch am 1.8.2005 habe noch ein Eilfall vorgelegen.
Mangels Bestehen der geltend gemachten Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf die geforderten Zinsen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten, nach zwischenzeitlicher Reduzierung der Klagesumme, die Zahlung von EUR 1.972 nebst Zinsen. Sie macht geltend, dieser Betrag stünde ihr als Nothelferin nach § 25 SGB XII zu, weil der Zeuge Dr. C. die im Eigentum der Klägerin stehenden Medikamente "Helixate NexGen" seinem Patienten A. M. im Rahmen eines medizinischen "Eilfalls" verabreicht habe.
Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Arzneimittel herstellt und vertreibt.
Herr A. M., der syrischer Staatsangehöriger ist, kam im Sommer 2005 als ausländischer Flüchtling nach Deutschland. Er besaß zunächst eine ausländerrechtliche Aufenthaltsgestattung und bezog Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).Vom 4.7.2005 bis zum 25.5.2005 befand er sich aufgrund der Diagnosen "Posttraumatische Belastungsstörung" und "Hämophilie" im Evangelischen Krankenhaus C-Stadt. Bereits dort erhielt Herr M. das Medikament Helixate NexGen in Form einer Dauerbehandlung (dreimal pro Woche) verabreicht. Kostenträger für die dort ihm gegenüber erbrachten Leistungen war die im Zeitpunkt der Einweisung zuständige Bezirksregierung S-Stadt. Mit Bescheid vom 7.7.2005 wies die Bezirksregierung S-Stadt Herrn M. gemäß § 50 Abs. 4 i.V.m. § 50 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes der Beklagten zu.
Bereits am 21.7.2005 übersandte die Beklagte Herrn M. einen Krankenschein für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG, der den Hinweis erhält, dass Medikamente ab EUR 500 der vorherigen Genehmigung des Sozialleistungsträgers bedürfen.
Vor dem 28.7.2005 wandte sich das Evangelische Krankenhaus C-Stadt telefonisch an den Zeugen Dr. C. und vereinbarte mit diesem für Herrn M. für Donnerstag, den 28.7.2005, einen Termin in dessen Hämophilie-Sprechstunde. Im Rahmen dieses Gesprächs regte das Krankenhaus gegenüber dem Zeugen die Fortführung der Dauerbehandlung mit dem Medikament Helixate NexGen an.
Am 28.7.2005 begab Herr M. sich in die Hämophilie-Sprechstunde der Praxis Dr. med. C., wo er den ihm übersandten Krankenschein vorlegte. Einblutungen in den Gelenken bestanden bei ihm an diesem Tag nicht. Der Zeuge Dr. C. verabreichte ihm am 28.7.2005 und bei der darauf folgenden Behandlung am Montag, den 1.8.2005, jeweils 1 Dosis des Medikaments Helixate NexGen 1000 IE in intravenöser Form. Diese Medikamente, die die Klägerin hergestellt und an den Zeugen Dr. C. geliefert hatte, entnahm der Zeuge aus einem sich in seiner Praxis befindlichen Lager. Anschließend war Herr M. bei dem Zeugen Dr. C. weiter jeweils drei Mal pro Woche in Behandlung und erhielt weiterhin je eine Dosis des vorbenannten Medikaments verabreicht.
Seit dem 9.9.2005 ist Herr M. im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz.
Mit Schreiben vom 9.9.2005 wandte sich die X. GmbH an die Beklagte und teilte mit, sie sei von der Praxis Dr. C. mit der Abwicklung der beigefügten Verordnungen beauftragt worden. Sie überreichte eine Rechnung vom 1.9.2005, gerichtet an die Praxis Dr. C., betreffend 30 Dosen des Medikaments Helixate NexGen 1000 IE (30,000 PAK) über eine Gesamtbetrag von EUR 29.580 (einschließlich Mehrwertsteuer). Als Bestelldatum weist die Rechnung den 1.8.2005 aus. Als Preis für eine Dosis des Medikaments ergibt sich ein Betrag von EUR 850 (ohne Mehrwertsteuer). Zugleich reichte die Klägerin zwei Rezepte, datierend vom 28.7.2005 (über Helixate NexGen 1000 IE 10x) und vom 3.8.2005, über Helixate NexGen 1000 IE 20x, ein.
Am 4.1.2005 teilte die Beklagte dem Zeugen Dr. C. mit, die Kosten für die Medikation des Herrn M. könnten nicht übernommen werden, woraufhin der Zeuge Dr. C. die Behandlung beendete. Mit medizinischer Stellungnahme vom 7.11.2005 erklärte der Stadtarzt und Internist des Gesundheitsamtes der Beklagten, Dr. med. Y., bei einem erwachsenen, hämophiliekranken Patienten, der nicht arbeite, gebe es keine Indikation für eine prophylaktische Substitutionsbehandlung mit Faktor 8 (hier Präparat Helixate). Selbst im Fall einer prophylaktischen Substitution sei die Befürwortung unter Berücksichtigung des AsylbLG nicht vertretbar. Am 8.11.2005 wurde Herr M., auf Veranlassung des Zeugen Dr. C., erneut ins Krankenhaus eingewiesen und dort stationär behandelt. Aufgrund seines veränderten Aufenthaltsstatus war Herr M. zwischenzeitlich gesetzlich krankenversichert. Die entstehenden Behandlungskosten wurden durch die für ihn nunmehr zuständige gesetzliche Krankenversicherung getragen.
Mit Schreiben vom "25.8.2005" (wohl 25.11.2005), das an die Firma A. gerichtet und dem eine Rechtsbehelfsbelehrung angehängt war, lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten der Verordnung des Medikaments Helixate NexGen ab, da kein Indikation für eine prophylaktische Substitutionsbehandlung mit dem Medikament gegeben gewesen sei und im Übrigen selbst bei einer grundsätzlichen Indikation zur prophylaktischen Behandlung diese unter Berücksichtigung des AsylbLG nicht vertretbar sei.
Mit Schreiben vom 17.2.2006 wandte sich die Fa. A. erneut an die Beklagte und forderte diese auf, die Frage der Kostenerstattung nochmals zu überprüfen. Er reichte ein Schreiben des Zeugen Dr. C. vom 1.2.2006 ein, mit dem dieser die Verabreichung des Medikamentes Helixate NexGen näher begründete. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 1.2.2006, Bl. 64 und 65 der Gerichtsakte, verwiesen.
Mit Bescheid vom 3.3.2006 lehnte die Beklagte gegenüber Herrn M. die Übernahme der Kosten für die Medikamente, die ihm mit Rezepten vom 28.7.2005 und 3.8.2005 verordnet worden seien, ab, da die Notwendigkeit für die Art dieser Medikamente nach amtsärztlicher Feststellung nicht gegeben sei. Herr M. erhob gegen diesen Bescheid keinen Widerspruch.
Nach weiterem Schriftverkehr, bei dem auch über die Frage, ob das Schreiben vom 25.8.2005 ein Verwaltungsakt sei, gestritten wurde, lehnte die Beklagte mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben vom 18.9.2007 eine Übernahme der Kosten für die Medikamente erneut ab, da die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nach § 25 SGB XII nicht vorlägen. Gegen dieses Schreiben erhob die Klägerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26.9.2007 am 22.10.2007 Widerspruch. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.2.2008 als unbegründet zurück, da die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nach § 25 SGB XII nicht vorlägen. Es sei schon zweifelhaft, ob die Klägerin Nothelfer sei; jedenfalls liege kein Eilfall vor und es bestehe auch keine Verpflichtung, die entstandenen Aufwendungen im Rahmen des AsylbLG zu übernehmen, da hiernach eine Kostenübernahme nur bei der Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände in Betracht komme.
Die Klägerin hat am 20.3.2008 beim Sozialgericht Marburg Klage erhoben.
Sie hat zunächst beantragt, die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von EUR 29.580 nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Medikamente, die Herrn M. bei den Behandlungen am 28.7.2005 und am 1.8.2005 verabreicht worden seien, zu. Die Voraussetzungen des § 25 SGB XII, der hier analog anzuwenden sei, seien erfüllt. Sie sei, da sie Herrn M. das Medikament zur Verfügung gestellt habe, Nothelferin. Es liege auch ein Eilfall vor, da wegen des wesentlich zu niedrigen Faktor-VIII-Spiegels die sofortige Versorgung des Herrn M. medizinisch geboten gewesen sei. Die Beklagte wäre bei rechtzeitigem Einsetzen der Sozialhilfe auch nach § 4 AsylbLG, jedenfalls aber nach § 6 AsylbLG verpflichtet gewesen, die Kosten für das Medikament zu übernehmen. Die Übernahme der Kosten sei schließlich auch innerhalb angemessener Frist beantragt worden.
Die Klägerin beantragt,
unter Rücknahme der Klage im Übrigen, den Bescheid der Beklagten vom 18.9.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 21.2.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 1.972 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 20.3.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch bestehe nicht. Er scheitere schon daran, dass kein Anspruch des Herrn M. auf Übernahme der Kosten des Medikaments bestanden habe. Nach § 4 Abs. 1 AsylbLG bestehe ein Anspruch auf Leistungen nur zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Im Übrigen fehle es auch an der Stellung der Klägerin als Nothelferin sowie am Vorliegen eines Eilfalls.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Facharztes für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie Dr. med. C. als Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom heutigen Tage.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Behördenvorgänge (ein Ordner). Sämtliche dieser Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage war abzuweisen, denn sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat nach § 54 Abs. 1, 4 SGG keinen Anspruch darauf, dass das Gericht, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, die Beklagte verpflichtet, an die Klägerin EUR 1.972 nebst Zinsen zu zahlen. Der Bescheid vom 18.9.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.2.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt nur § 25 Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) – Sozialhilfe (SGB XII) in Betracht. Die Vorschrift ist hier, da es nicht um Leistungen der Sozialhilfe, sondern um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) geht, analog anzuwenden, da das AsylbLG insoweit eine planwidriges Regelungslücke enthält und im Rahmen dieses Gesetzes, in Bezug auf durch Dritte erbrachte Hilfeleistungen, verglichen mit dem SGB XII eine gleichartige Interessenlage besteht (vgl. nur Neumann in: SGB XII, Kommentar, 4. Erg.Lief. Stand I/2006, § 25 Rdnr. 4).
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch jedoch nicht zu, denn die Voraussetzungen des § 25 SGB XII sind nicht erfüllt.
Nach § 25 SGB XII sind jemandem, der in einem Eilfall einem Anderen Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe - bzw. hier Leistungen nach dem AsylbLG - nicht zu erbringen gewesen wären, die Aufwendungen in gebotenen Umfang zu erstatten, soweit er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Verpflichtung selbst zu tragen hat und die Erstattung innerhalb angemessener Frist bei zuständigen Träger beantragt wurde.
Die Klägerin ist weder "jemand" im Sinne der Vorschrift, der eine Leistung an einen Hilfebedürftigen erbracht hat noch liegt ein Eilfall vor.
Eine Leistung an Herrn M. erbracht hat nur der Zeuge Dr. C., indem er diesem jeweils eine Dosis des Medikaments Hexate NexGen am 28.7.2005 und am 1.8.2005 intravenös verabreicht hat. Das "Bereitstellen" des Medikamentes erfüllt den Leistungsbegriff nicht.
Wann eine "Leistung" vorliegt, muss, da es an einer Legaldefinition im Rahmen des SGB XII fehlt, unter Berücksichtigung der allgemeinen Bedeutung des Ausdrucks "Leistung", des Sinn und Zwecks des § 25 SGB XII sowie - da § 25 SGB XII ein spezieller Fall der (öffentlich-rechtlichen) Geschäftsführung ohne Auftrag ist (s. nur Groth in: AJ.`scher Online-Kommentar, Hrsg. v. Rolfs/GE./Kreikebohm/Udsching, § 25 Rdnr. 2) - unter Rückgriff auf den Geschäftsführungsbegriff der §§ 677 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestimmt werden. Schon nach dem allgemeinen Verständnis der Formulierung setzt eine Leistung ein aktives Tun voraus; ein bloßes Dulden einer Handlung durch einen Dritten oder ein Gewährenlassen genügt nicht. Es ist auch nicht das Ziel des § 25 SGB XII, passives Verhalten zu belohnen. Vielmehr will die Vorschrift verhindern, dass in Fällen, in denen jemand Hilfe benötigt, die erforderliche Hilfeleistung nur deswegen unterbleibt, weil die Frage der Kostentragung ungeklärt ist. Gefördert werden soll also das Tätigwerden des Dritten, d.h. sein aktives Eingreifen in einer Notsituation (s. nur Schoch in: LPK-SGB XII, § 25 Rdnr. 2). Dass ihm durch seine Hilfeleistung Aufwendungen, also Kosten, entstanden sind, ist zwar weitere Voraussetzungen für das Bestehen eines Anspruchs nach § 25 SGB XII, der Anfall von Kosten genügt für sich alleine aber gerade nicht, um den Anspruch zu begründen. Auch die Geschäftsführung ohne Auftrag setzt, wie sich schon aus dem Begriff "besorgen" ergibt, eine Tätigkeit im Sinne eines positiven Tuns voraus. Ein bloßes Unterlassen oder Dulden reicht dementsprechend nicht aus (vgl. hierzu nur Hönn in: jurisPK-BGB, 4. Aufl. 2008, Rdnr. 14; Sprau in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Auflage 2006, § 662 Rdnr. 6; Mansel in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl. 2009, Ziffer 3) b) aa); auch Seiler in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, Rdnr. 9, 15).
Handelt es sich um eine Leistungskette, kann nur derjenige Nothelfer sein, der die Leistung unmittelbar gegenüber dem Hilfebedürftigen erbracht hat. Dritte, die ihrerseits an den Nothelfer geleistet haben, müssen ihre Ansprüche diesem gegenüber geltend machen und ggfs. durchsetzen.
Die Klägerin ist nicht gegenüber Herrn M. tätig geworden. Mit der Lieferung der Medikamente an den Zeugen Dr. C. hat sie zwar diesem gegenüber eine Leistung erbracht, eine Leistung gegenüber Herrn M. war damit jedoch nicht verbunden. Soweit die Klägerin meint, sei habe bereits mit dem "Bereitstellen" der Medikamente" Nothilfe geleistet, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Es bestehen schon gewisse Zweifel, ob ein "Bereitstellen" überhaupt als Leistung im Sinne eines aktiven Tuns qualifiziert werden kann. Diese allgemeine Frage kann hier jedoch unbeantwortet bleiben, da die Klägerin jedenfalls gegenüber Herrn M. keine Medikamente bereitgestellt hat. Bereitgestellt hat sie die Medikamente nur für den Zeugen Dr. C., der sie eigenständig und ohne die Klägerin hiervon in Kenntnis zu setzen Herrn M. verabreicht hat, wie sich aus den glaubhaften Bekundungen des Zeugen und den eigenen Angaben der Klägerin ergibt. Der Klägerin war im Zeitpunkt der Verabreichung der Medikamente am 28.7.2005 und am 1.8.2005 weder bekannt, dass (möglicherweise) ein Fall der Nothilfe bei Herrn M. vorlag noch wusste sie von dem Handeln des Zeugen Dr. C ...
Das im Rahmen der mündlichen Verhandlung von der Klägerin vorgetragene Argument, bei ihr bestehe ein allgemeiner Wille, im Notfall durch zur Verfügung stellen ihrer Medikamente Hilfe zu leisten, rechtfertigt keine andere rechtliche Bewertung. Für die Kammer ist schon fraglich, ob bei der Klägerin als einem Wirtschaftsunternehmen ein solcher allgemeiner Wille, dass die von ihr gelieferten und noch nicht bezahlten Medikamente auch in solchen Fällen benutzt werden sollen, in denen die Kostentragung ungeklärt ist, existiert. Selbst wenn es aber einen solchen allgemeinen Willen gäbe, macht sie dieser noch nicht im konkreten Fall zum Nothelfer, denn neben der erforderlichen konkreten Kenntnis von der Lage des Herrn M. fehlt es eben auch an einem auf diesen bezogenen zielgerichteten Handeln der Klägerin.
Eine Leistung der Klägerin gegenüber Herrn M. lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Leistung, die der Zeuge Dr. C. an Herrn M. erbracht hat, als er diesem die Medikamente verabreichte, der Klägerin zuzurechnen wäre. Denn dafür müsste der Zeuge als Vertreter und Erfüllungsgehilfe der Klägerin tätig geworden sein. Dies würde jedoch voraussetzen, dass die Klägerin beabsichtigt hätte, unmittelbar mit den (nicht gesetzlich krankenversicherten) Patienten, denen die von ihr gelieferten Medikamente verabreicht werden, in Vertragsbeziehung zu treten. Hierzu wäre sie aufgrund der Vorgaben des Arzneimittelgesetzes (AMG) aber weder befugt gewesen noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass eine solche vertragliche Bindung gewollt war. Gegen einen entsprechenden Willen der Klägerin spricht bereits, dass die Rechnungen für die verabreichten Medikamente nicht an Herrn M., sondern an den Zeugen Dr. C. gerichtet waren, was darauf hindeutet, dass dieser als der Vertragspartner, der den Kaufpreis für die Arzneimittel schuldete, angesehen wurde. Hiervon abgesehen steht der Einstufung des Zeugen Dr. C. als Vertreter der Klägerin – unabhängig vom Vorhandensein einer Bevollmächtigung – schon entgegen, dass er nicht entsprechend § 164 Abs. 2 BGB in fremdem Namen gehandelt hat, als er Herrn M. mit den Medikamenten versorgte, denn wie der Zeuge glaubhaft dargelegt hat, hat er gegenüber seinem Patienten bereits aufgrund der Verständigungsschwierigkeiten zu keinem Zeitpunkt dargelegt, von wem die Medikamente stammten. Damit kann der Zeuge Dr. C. auch nicht Erfüllungsgehilfe der Klägerin gewesen sein, da keine fremde Verbindlichkeit, die er hätte erfüllen können, vorlag.
Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass die Medikamente in dem Zeitpunkt, als sie Herrn M. verabreicht wurden, nicht mehr im Eigentum der Klägerin gestanden haben dürften, so dass es auch im Hinblick auf den Eigentumsübergang an einer unmittelbaren Beziehung zwischen der Klägerin und Herrn M. fehlte. Denn es ist zwar davon auszugehen, dass die Medikamente, solange sie sich im Konsignationslager des Zeugen Dr. C. befanden, bis zur Entrichtung des Kaufpreises weiterhin im Eigentum der Klägerin verblieben. Mit der Entnahme der Medikamente aus dem Lager ging das Eigentum aber wohl auf den Zeugen über, da dies im Falle eines Konsignationslagers der üblichen Handhabung entspricht und andersweitige vertragliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Zeugen nicht existierten.
Neben dem Umstand, dass die Klägerin keine Leistung gegenüber Herrn M. erbracht hat, fehlt es auch am Vorliegen eines Eilfalls.
Ein Eilfall ist gegeben, wenn nach den Umständen des Einzelfalls sofort geholfen werden muss und eine rechtzeitige Einschaltung des öffentlich-rechtlichen Leistungsträgers nicht möglich ist. Das Vorliegen einer Notfallsituation im medizinischen Sinne reicht jedoch nicht aus, vielmehr wird weiter vorausgesetzt, dass nach Lage der Dinge eine rechtzeitige Hilfe des Trägers objektiv nicht zu erlangen gewesen wäre (vgl. nur Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31.5.2001, Az. 5 C 20/00, Rdnr. 11 zur mit § 25 SGB XII vergleichbaren Regelung des § 121 Bundessozialhilfegesetz; Groth in: AJ.`scher Online-Kommentar, § 25 Rdnr. 6).
Dass es hier nicht möglich war, die Beklagte über die beabsichtigte Behandlung zu informieren und eine zeitnahe Entscheidung herbeizuführen, ist nicht erkennbar. Der 28.7.2005 war ein Donnerstag, an dem die Beklagte ohne Einschränkungen erreichbar gewesen wäre. Für die Kammer bestehen keine Zweifel, dass es am 28.7.2005 medizinisch vertretbar und möglich gewesen wäre, die Behandlung zumindest auf einen späteren Zeitpunkt des gleichen Tages zu verschieben, um vorher die Kostenfrage mit der Beklagten zu klären. Dies ergibt sich schon aus den Bekundungen des Zeugen Dr. C., der selbst diese Auffassung vertreten hat und als Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie auch über hinreichende Sachkunde verfügt, um die Aufschiebbarkeit der Behandlung richtig beurteilen zu können. Der Zeuge hat gleichzeitig eingeräumt, er habe sich nicht an die Beklagte gewandt, weil ihm die "Problematik" betreffend die Kostenübernahme nicht bewusst gewesen sei. Objektive Gründe, die es verhindert hätten, mit der Beklagten kurzfristig Verbindung aufzunehmen, hat der Zeuge weder benannt noch sind diese aus sonstigen Umständen ersichtlich.
Hiervon abgesehen war dem Zeugen sogar schon vor dem 28.7.2005 aufgrund der Mitteilung des Evangelischen Krankenhauses C-Stadt bekannt, dass Herr M. nach Auffassung der Klinik eine dauerhafte Behandlung mit dem Medikament Helixate NexGen benötigte. Wie der Zeuge angegeben hat, war er bei diesem Gespräch auch über den Aufenthaltsstatus des Herrn M. als "Asylbewerber" informiert worden. In Anbetracht dessen gab es für den Zeugen sogar bereits vor dem 28.7.2005 Anlass, die Frage, ob die Kosten für das Medikament übernommen werden, zu klären. Dieser Umstand spricht erst recht dagegen, für den 28.7.2005 von einer plötzlich eingetretenen Notfallsitution auszugehen, zumal sich für diesen Tag bei Herrn M. auch keine medizinischen Änderungen ergeben hatten. Insbesondere lagen am 28.7.2005 keine Einblutungen in den Gelenken vor, die ein sofortiges Handeln notwendig gemacht hätten.
Erst recht kann nicht angenommen werden, auch am 1.8.2005 habe noch ein Eilfall vorgelegen.
Mangels Bestehen der geltend gemachten Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf die geforderten Zinsen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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