L 4 P 776/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 P 629/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 776/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Bescheidung eines Widerspruchs gegen die Ablehnung eines Antrags auf höheres Pflegegeld.

Die Beklagte hatte dem am 1930 geborenen Kläger ab dem 01. Juni 2004 Pflegegeld nach Pflegestufe I gewährt. Die Pflegeleistungen erbringt die Ehefrau des Klägers, die Zeugin A ...

Mit Schreiben vom 25. Mai 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten Geldleistungen der Pflegeversicherung nach einer höheren Pflegestufe. Den Antrag unterschrieb der Kläger selbst. Im Auftrag der Beklagten erstellte Pflegefachkraft R.-H. vom MDK nach Hausbesuch das Gutachten vom 09. August 2007. Sie ermittelte einen Grundpflegebedarf von 62 Minuten (Körperpflege 37 Minuten, Ernährung null Minuten, Mobilität 25 Minuten) täglich. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 17. August 2007 ab. In dem Bescheid verwies die Beklagte auf den Widerspruch als zulässigen Rechtsbehelf, außerdem wies sie den Kläger darauf hin, er könne jederzeit einen neuen Antrag stellen, sollte sich sein Hilfebedarf ändern.

Mit Schreiben vom 12. September 2007, das der Kläger selbst unterschrieben hatte, wurde Widerspruch erhoben. Im Auftrag der Beklagten erstellte Pflegefachkraft S. vom MDK das Gutachten nach Aktenlage vom 19. September 2007. Sie ermittelte einen Grundpflegebedarf von 95 Minuten (Körperpflege 55 Minuten, Ernährung null Minuten, Mobilität 40 Minuten) täglich. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2007 übersandte die Beklagte dem Kläger dieses Gutachten, teilte mit, dass sie weiterhin von Pflegestufe I ausgehe und bat um Mitteilung, ob der Widerspruch aufrecht erhalten werde oder als gegenstandslos betrachtet werden könne. Sollte bis zum 07. November 2007 keine Nachricht des Klägers eingegangen sein, werde sie (die Beklagte) davon ausgehen, dass ein formelles Widerspruchsverfahren nicht eingeleitet werden solle. Nachdem eine Äußerung des Klägers nicht eingegangen war, teilte sie ihm im Schreiben vom 12. November 2007 mit, dass sie davon ausgehe, ein formelles Widerspruchsverfahren solle nicht eingeleitet werden, andernfalls bitte sie um schriftliche oder telefonische Mitteilung.

Am 14. November 2007 rief die Zeugin bei der zuständigen Geschäftsstelle der Beklagten an. Die Person des Gesprächspartners und der Inhalt des Gesprächs sind streitig. Unter demselben Datum fertigte der Zeuge Sc., ein Mitarbeiter in der zuständigen Geschäftsstelle, eine Aktennotiz an, in der er festhielt, die Zeugin habe ihn angerufen und mitgeteilt, dass der Widerspruch nicht weiter aufrechterhalten werde; da sich der Zustand des Klägers in der Zwischenzeit weiter verschlechtert habe, habe er ihr einen neuen Höherstufungsantrag zugeschickt.

Der von der Beklagten am 14. November 2007 an den Kläger übersandte Vordruck war ein (Erst)Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung. Dieser ging - mit dem Datum 15. November 2007 - ausgefüllt am 19. November 2007 wieder bei der Beklagten ein. Unterschrieben hatte ihn ohne Hinweis auf ein Vertretungsverhältnis - die Zeugin. Die Beklagte beauftragte den MDK mit der Erstellung eines neuen Gutachtens mit Hausbesuch und unterrichtete den Kläger hierüber mit Schreiben vom 21. November 2007. Unter dem 05. Dezember 2007 teilte der MDK der Beklagten mit, "die Angehörigen" des Klägers hätten nach schriftlicher Anmeldung des Hausbesuchs mitgeteilt, dass der Höherstufungsantrag zurückgezogen werde. Am 13. Dezember 2007 ging bei der Beklagten ein Schreiben vom 11. Dezember 2007 mit der Unterschrift "Fam. A." ein, in dem mitgeteilt wurde, dass der Höherstufungsantrag zurückgezogen werde, und die Beklagte gebeten wurde, dem MDK mitzuteilen, dass "eine derzeitige Begutachtung nicht nötig sei".

Am 08. Februar 2008 erhob der Kläger Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Er beantragte, die Beklagte zur Bescheidung seines Widerspruchs vom 12. September 2007 zu verurteilen und bestritt, dass seine Ehefrau (die Zeugin) am 14. November 2007 telefonisch mitgeteilt habe, der Widerspruch werde nicht weiter aufrechterhalten. Der Ablauf, wie er sich hier darstelle, sei "meistens der, wie er sich ergibt, wenn eine Beratung seitens der Pflegekassen erfolgt, nämlich Widersprüche zurückzunehmen und Neuanträge zu stellen".

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie behauptete, die Ehefrau des Klägers (die Zeugin) habe am 14. November 2007 telefonisch mitgeteilt, dass der Widerspruch hinsichtlich des bisherigen Höherstufungsantrags nicht weiter aufrecht erhalten werde.

Mit Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2009 wies das SG die Klage ab. Die Untätigkeitsklage sei unzulässig, denn es fehle schon an einem Widerspruch, über den die Beklagte noch zu entscheiden hätte. Die Rücknahme des zweiten Höherstufungsantrags vom 15. November 2007 habe nach den für Willenserklärungen allgemein geltenden Auslegungsvorschriften nur so verstanden werden können, dass damit das Höherstufungsbegehren insgesamt für erledigt werde sollte, also auch dasjenige vom 25. Mai 2005.

Der Kläger beantragte am 18. Februar 2009 bei der Beklagten erneut Pflegegeld nach einer höheren Pflegestufe. Pflegefachkraft S. vom MDK stellte nach einem Hausbesuch am 15. April 2009 in ihrem Gutachten vom 20. April 2009 einen Grundpflegebedarf von 121 Minuten (Körperpflege 78 Minuten, Ernährung acht Minuten, Mobilität 35 Minuten) täglich fest. Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin zum einen mit Bescheid vom 19. Mai 2009 Pflegegeld nach Pflegestufe I und zum anderen mit Bescheid vom 20. Mai 2009 Pflegegeld nach Pflegestufe II, jeweils ab dem 01. März 2009. Beide Bescheide enthielten eine Rechtsbehelfsbelehrung über den Widerspruch. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 25. und 26. Mai 2009, beide am 26. Mai 2009 bei der Beklagten eingegangen, jeweils Widerspruch gegen die beiden Bescheide vom 19. und 20. Mai 2009. Er begehrte, das bewilligte (höhere) Pflegegeld bereits ab dem Höherstufungsantrag vom 25. Mai 2007 zu gewähren. Er trug in seinen Widersprüchen im Wesentlichen vor, unter dem 30. März 2009 sei ein Überprüfungsantrag hinsichtlich der ablehnenden Bescheide aus dem Jahre 2007 gestellt worden, vor diesem Hintergrund sei die Entscheidung, ab 01. März 2009 (höheres) Pflegegeld zu zahlen, "rechtswegabschneidend". Die Widerspruchsstelle der Beklagten hob den Bescheid vom 19. Mai 2009 insoweit auf, als er lediglich eine Zubilligung von Leistungen der Pflegestufe I enthalte, und wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. Mai 2009 zurück (Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2010).

Ebenfalls am 18. Februar 2009 hat der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des SG Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er trägt vor, es sei nicht der Widerspruch, sondern lediglich "der Untersuchungstermin zurückgenommen" und mitgeteilt worden, dass die Gutachterin nicht zu erscheinen brauche. Bei dem Schreiben vom 11. Dezember 2007 dürfte sich um ein vollmachtloses Schreiben der Sozialstation handeln. Es trage keine Unterschrift und sei damit nicht autorisiert. Der Zusatz "Fam. A." sei keine Unterschrift. Der Inhalt der Aktennotiz über das vermeintlich stattgefundene Gespräch am 14. November 2007 werde bestritten. Zu den neuen Bescheiden vom 19. und 20. Mai 2009 trägt der Kläger vor, er habe sie mit Widersprüchen angefochten, da die Bewilligung von Leistungen ab dem 01. März 2009 konkludent (die Behauptung) enthalten könne, dass für den Zeitraum zuvor kein Anspruch bestehe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Januar 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den am 12. September 2007 erhobenen Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. August 2007 zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an Ihren Behauptungen aus dem Klagverfahren fest und verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid des SG.

Der Berichterstatter des Senats hat die Ehefrau des Klägers und den Mitarbeiter der Beklagten Sc. als Zeugen schriftlich vernommen. Auf die schriftlichen Aussagen vom 22. Oktober 2009 (Zeuge Sc.) und ohne Datum, beim LSG eingegangen am 02. Dezember 2009 (Ehefrau des Klägers), wird verwiesen.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.

1. Gegenstand des Verfahrens ist nach wie vor nur das Begehren des Klägers hinsichtlich einer Entscheidung der Beklagten über seinen Widerspruch vom 12. September 2007 gegen den Bescheid vom 17. August 2007.

Die Bescheide vom 19. und 20. Mai 2009, insbesondere jener vom 20. Mai 2009, mit denen dem inhaltlichen Begehren des Klägers, höheres Pflegegeld zu erhalten, ab dem 01. März 2009 entsprochen wurde, sind nicht in das anhängige Gerichtsverfahren einbezogen worden. Eine Einbeziehung findet nach § 96 Abs. 1 SGG in der seit dem 01. April 2008 geltenden und daher hier schon anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGÄndG) vom 26. März 2008 (BGBl. I, S. 444) nur statt, wenn ein neuer Verwaltungsakt nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Bereits der Wortlaut der Norm zeigt, dass sie nur im Rahmen von Anfechtungsklagen eingreift, auch in Kombination mit Verpflichtungs-, Leistungs- und Feststellungsklagen. Gegenstand des Rechtsstreits muss also ein Verwaltungsakt sein (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 96 Rn. 2a). Dies ist bei der Untätigkeitsklage nicht der Fall, weil mit ihr erst der Erlass eines Bescheides begehrt wird.

Der Kläger hat seine Klage nach Erlass jener beiden Bescheide und auch des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2010 nicht - etwa in Verbindung mit einer Erklärung des bisherigen Streitgegenstandes für erledigt - umgestellt, sondern an seinem Bescheidungsbegehren festgehalten.

2. Vor diesem Hintergrund ist die Berufung zwar zulässig. Sie ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie war auch nicht nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig. Hierbei kann offen bleiben, ob diese Zulassungsschranke, die dem Wortlaut nach Klagen auf Leistungen mit einer Beschwer unter EUR 750,00 betrifft, bei Untätigkeitsklagen - im Hinblick auf den Inhalt des begehrten Bescheids - überhaupt anwendbar ist (bejahend LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 05. September 2008, L 1 KR 13/08 NZB, veröffentlicht in Juris, Rn. 11; verneinend LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08. November 2007, L 15 B 174/07 SO NZB, veröffentlicht in Juris, Rn. 2). Die Zulassungsschranke griffe auch dann nicht ein, wenn sie auf eine Untätigkeitsklage wie hier anwendbar wäre. In der Sache geht es dem Kläger nämlich um die Bewilligung höherer laufender Leistungen für (voraussichtlich) mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Nach der Bewilligung von Pflegegeld nach Pflegestufe II ab dem 01. März 2009 wäre zumindest noch der Zeitraum von Mai 2007, dem Antragsmonat, bis Februar 2009, in Streit.

3. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Untätigkeitsklage des Klägers abgewiesen.

a) Ist über einen Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von drei Monaten seit dem Eingang des Widerspruchs bei der Behörde zulässig (§ 88 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG). Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Widerspruch stattgegeben, ist die Hauptsache für erledigt zu erklären (§ 88 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGG). Wird der Widerspruch dagegen zurückgewiesen, ist die Hauptsache ebenfalls erledigt, der Kläger kann jedoch im Wege der Klageänderung zu einer (Anfechtungs- und) Verpflichtungs- bzw. Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG) übergehen.

b) Zur Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage gehört es auch, dass der Kläger überhaupt Widerspruch eingelegt hat (Leitherer, a.a.O., Rn. 3). Ansonsten hat die Klage keinen Gegenstand, es fehlt dann an dem Rechtsbehelf, über den die Behörde entscheiden soll. Das Gleiche gilt, wenn der Kläger zwar zunächst Widerspruch erhoben, diesen dann aber (wirksam) wieder zurückgenommen hat. In diesem Fall ist die Behörde nicht zu einer Entscheidung verpflichtet. Etwas anders kann nur dann gelten, wenn der Kläger - nach der Rücknahme eines Widerspruchs - später erneut konkludent oder ausdrücklich Widerspruch erhoben hat. Dies ist grundsätzlich möglich, weil die Rücknahme eines Widerspruchs keinen Verzicht auf diesen Rechtsbehelf darstellt (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Dezember 2005, L 16 B 82/05 KR, veröffentlicht in Juris, Rn. 13). In einer solchen Situation ist allerdings oftmals die Widerspruchsfrist abgelaufen.

c) Nach diesem Maßstab war die Untätigkeitsklage des Klägers unzulässig.

aa) Der Widerspruch vom 12. September 2007 war vor Klagerhebung wirksam zurückgenommen worden. Wie das SG geht der Senat davon aus, dass die späteren Erklärungen des Klägers aus der Sicht eines objektiven Empfängers (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) so verstanden werden durften, dass der Widerspruch zurückgenommen sei.

(1) Der Senat ist davon überzeugt, dass die Zeugin A. am 14. November 2007 in einem Telefonat mit dem Zeugen Sc. den Widerspruch mündlich zurückgenommen hat.

Der Zeuge Sc. hat in seiner schriftlichen Aussage vom 22. Oktober 2009 bekundet, er frage zum Schluss eines Gesprächs nach Übersendung des Gutachtens des MDK grundsätzlich immer, ob der Widerspruch weiterhin aufrechterhalten oder zurückgenommen werde; die Zeugin A. müsse geantwortet haben, dass sie den Widerspruch zurücknehmen wolle, denn ansonsten hätte er dies nicht in der Aktennotiz vom 14. November 2007 niedergeschrieben. Zwar hat die Zeugin A. in ihrer am 02. Dezember 2007 eingegangenen schriftlichen Aussage bestritten, eine derartige Mitteilung gemacht zu haben, sie hat überhaupt bestritten, mit dem Zeugen Sc. telefoniert zu haben, sie habe am 14. November 2007 mit einer Mitarbeiterin der Beklagten telefoniert und lediglich mitgeteilt, dass der MDK-Termin vorerst hinfällig sei. Der Senat kann dieser Aussage jedoch nicht folgen. Sie widerspricht dem tatsächlichen Ablauf, wie er sich aus den vorliegenden Verwaltungsakten ergibt. Die Zeugin A. räumt ein Telefonat am 14. November 2007 ein. Die Absage eines Hausbesuchs durch den MDK kann nicht Gegenstand dieses Telefonats gewesen sein. Das nach Aktenlage erstellte Gutachten des MDK vom 19. September 2007 lag bereits vor. Da auch dieses Gutachten den für die Pflegestufe II erforderlichen Zeitaufwand für den Verrichtungen der Grundpflege von mindestens 120 Minuten nicht ergab, erfolgte die Anfrage der Beklagten, ob der Widerspruch aufrechterhalten werde, zuletzt im Schreiben vom 12. November 2007. Eine erneute Begutachtung des Klägers durch den MDK gab die Beklagte erst auf den neuen Antrag des Klägers vom 15. November 2007 in Auftrag, nämlich mit Schreiben an den MDK vom 21. November 2007. Der MDK kann sich erst nach Erhalt dieses Schreibens, also frühestens am 22. November 2007, an den Kläger gewandt und einen Hausbesuch angekündigt haben. Entsprechend hatte der MDK der Beklagten unter dem 05. Dezember 2007 auch mitgeteilt, die "Angehörigen" des Klägers hätten - nachdem nunmehr ein Hausbesuch angekündigt worden sei - den Höherstufungsantrag zurückgezogen. Einwände gegen die Aussage des Zeugen Sc. sind nicht ersichtlich. Seine Angabe, er habe der Zeugin A. auf Grund des Telefonats einen neuen Höherstufungsantrag zugeschickt, wird durch die Akte bestätigt. Dieser Antrag enthält oben unter der Überschrift das Datum "14.11.2007". Diesen Antrag hat der Kläger bereits am 15. November 2007 ausgefüllt. Für den Kläger hätte es keinen Sinn gehabt, einen weiteren Höherstufungsantrag zu stellen, wenn er seinen Widerspruch nicht zurückgenommen hätte, weil dann noch nicht über den Höherstufungsantrag vom 25. Mai 2007 entschieden gewesen wäre.

Die Rücknahme des Widerspruchs war wirksam. Widersprüche können schriftlich oder zur Niederschrift der Behörde zurückgenommen werden (Leitherer, a.a.O., § 83 Rn. 5). Es reicht aber eine telefonische Rücknahme aus, wenn die angerufene Behörde hierüber eine Niederschrift anfertigt und insoweit keine Zweifel an der Person des Anrufers bestehen (Leitherer, a.a.O., § 84 Rn. 3a f. m.w.N.). Diese Niederschrift liegt hier in dem vom Zeugen Sc. gefertigten Aktenvermerk vom 14. November 2007. Der Senat zweifelt nicht daran, dass die Zeugin A. bei dem Zeugen Sc. angerufen hat. Sie selbst hat in ihrer schriftlichen Aussage ein Telefonat am 14. November 2007 eingeräumt. Sie hat zwar bekundet, mit einer Frau gesprochen zu haben. Nachdem aber keine weiteren telefonischen Kontakte zwischen ihr und der Beklagten dokumentiert sind und die Angaben der Zeugin A. über den Inhalt des Telefonats nicht zutreffen können, folgt der Senat insoweit den Angaben des Zeugen Sc ... Weiterhin hat die Zeugin A. den Kläger wirksam nach § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB vertreten, als sie den Widerspruch zurücknahm. Bei Ehegatten ist im Rahmen des § 13 Abs. 1 Satz 3 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) in Verwaltungs- und Vorverfahren in der Regel zu vermuten, dass sie bevollmächtigt sind (v. Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 13 Rn. 5 mit Hinweis auf Bundestagsdrucksache [BT-Drs.] 8/2034, S. 31; a.A. Krasney-Kasseler Kommentar, § 13 SGB X Rn. 5; offenlassend BSG SozR 2200 § 1303 Nr. 22). Dies galt jedenfalls bis zum 30. Juni nach § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG für alle Verfahren nach dem SGG, also auch für das in §§ 78 ff. SGG geregelte Vorverfahren.

(2) Unabhängig hiervon trifft auch die Erwägung des SG zu, dass der Widerspruch auch - spätestens - zusammen mit dem erneuten Höherstufungsantrag zurückgenommen wurde.

Aus der telefonischen Mitteilung an den MDK, der Höherstufungsantrag werde zurückgenommen und vor allem aus dem Schreiben vom 11. Dezember 2007 war aus der berechtigten Sicht der Beklagten zu entnehmen, dass der Kläger an seinem Höherstufungsbegehren vom 25. Mai 2007 überhaupt nicht mehr festhalten wollte. Es wäre unverständlich gewesen, wenn der Kläger nur den zweiten Höherstufungsantrag vom 15. November 2007 zurückziehen wollte, jedoch an seinem Widerspruch festhalten wollte, weil gerade der Widerspruch nach den Mitteilungen des Zeugen Sc. (von ihm unterzeichnete Schreiben der Beklagten vom 10. Oktober und 12. November 2007 sowie Telefonat vom 14. November 2007) keine Erfolgsaussichten hatte.

Auch hierbei wurde der Kläger wirksam vertreten. Der Senat zweifelt nicht daran, dass das Schreiben vom 11. Dezember 2007 von der Zeugin unterschrieben ist und die - im Übrigen durch nichts belegte - Mutmaßung des Klägers im Berufungsverfahren, es handle sich um ein vollmachtloses Schreiben einer Sozialstation, nicht zutrifft. Die Unterschrift auf dem Schreiben "A." entspricht vollständig jener auf dem Höherstufungsantrag vom 15. November 2007. Dass der Name nicht mit einem Vornamen, sondern mit dem Zusatz "Fam." versehen war, schadet nicht, denn der Urheber ist erkennbar.

cc) Der Kläger hatte auch später nicht erneut Widerspruch eingelegt. Als erneuter Widerspruch könnte allenfalls die Klage vom 08. Februar 2008 angesehen werden, denn zwischen dem Eingang des Schreibens vom 11. Dezember 2007 bei der Beklagten und der Klagerhebung hatte der Kläger keine Erklärungen gegenüber der Beklagten abgegeben. Die Klage jedoch war ausdrücklich auf Untätigkeit und Bescheidung des Widerspruchs vom 12. September 2007 gerichtet. Sie musste nicht so verstanden werden, dass der Kläger mit ihr erneut Widerspruch erhob, dies wäre gegenüber den weiteren Ausführungen in der Klage auch widersprüchlich gewesen.

d) Die Klage ist auch später nicht durch Erhebung eines Widerspruchs zulässig geworden. Der Kläger hat zwar nach der Bewilligung von Leistungen nach Pflegestufe II ab dem 01. März 2009 am 26. Mai 2009 Widersprüche erhoben. Diese Widersprüche betreffen jedoch ausdrücklich die Bescheide vom 19. und 20. Mai 2009 und nicht - wie der hier streitige Widerspruch vom 12. September 2007 - den Bescheid vom 17. August 2007.

4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved