L 6 R 174/09

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
S 10 R 585/08
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 6 R 174/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. § 31 Abs. 1 S. 1 FRG bietet keine Rechtsgrundlage für die Anrechnung einer fiktiven, tatsächlich nicht bezogenen Auslandsrente (hier: Rumänien) auf eine nach den Vorschriften des FRG festgestellte Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung.
2. Weder durch das am 01.06.2006 in Kraft getretene Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien über Soziale Sicherheit noch durch den Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union zum 01.01.2007 hat sich an dieser Rechtslage etwas geändert.
3. Die Wahrnehmung des Rechts aus Art. 44 Abs. 2 EGVO 1408/71, die Feststellung von Leistungsansprüchen anderer Mitgliedsstaaten aufzuschieben, stellt keinen Verzicht auf die Leistung i.S.d. § 46 Abs. 1 SGB I dar.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Koblenz vom 24.03.2009 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Kürzung einer Altersrente nach § 31 Fremdrentengesetz (FRG).

Der 1945 in R geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und Inhaber des Vertriebenenausweises A.

In R war der Kläger von 1962 bis 1975, unterbrochen von Ausbildungszeiten, erwerbstätig. Im August 1975 zog er in die Bundesrepublik Deutschland zu.

Im Februar 2008 stellte der Kläger den Antrag auf Gewährung einer Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des dreiundsechzigsten Lebensjahres. Im Rentenformantrag war die Frage, ob eine Rente aus eigener Versicherung (auch in der ehemaligen DDR oder im Ausland) bereits bezogen werde oder beantragt worden sei, verneint.

Durch Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 07.03.2008 beantragte der Kläger die "Verschiebung der Antragsgleichstellung" gemäß Art 44 der EWG-Verordnung (VOEWG 1408/71) und bat um Bestätigung, dass in R ein Rentenverfahren nicht durchgeführt werde.

Mit Schreiben vom 18.03.2008 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, dass beabsichtigt sei, die ihm aus R zustehende Rente in voraussichtlicher Höhe anzurechnen, auch wenn der Kläger diese tatsächlich nicht beziehen sollte. Sie führte dazu aus, das FRG gelte nach § 2 S 1b FRG nicht für Versicherungs- und Beschäftigungszeiten, die nach der VOEWG Nr 1408/71 einem bilateralen Versicherungsabkommen oder der innerstaatlichen Vorschriften eines Vertragsstaates anrechenbar seien. Damit sei bestimmt worden, dass die Entschädigung der ausländischen Versicherungszeiten vorrangig vom Träger des Staates zu erfolgen habe, nach dessen Rechtsvorschriften sie zurückgelegt worden seien, also vom Rentenversicherungsträger in R. Das FRG sei insoweit nachrangig.
Aus Gründen des Vertrauensschutzes würden die in R zurückgelegten Versicherungszeiten jedoch weiterhin nach dem FRG in der deutschen Rente berücksichtigt. Damit es hierdurch zu keiner ungerechtfertigten Doppelleistung komme, sehe § 31 FRG vor, dass die deutsche Rente um die ausländische Rente vermindert werde, soweit sie auf denselben Versicherungszeiten beruhe. Den Vertrauensschutz durch die weitere Anrechnung der ausländischen Zeiten nach dem FRG habe der Gesetzgeber in Erwartung eingeräumt, dass eine ausländische Rente bezogen werde und diese nach § 31 Abs 1 FRG angerechnet werden könne. Im Ergebnis werde also die ausländische Rentenleistung auf das Niveau des FRG aufgestockt. Die Anrechnung der ausländischen Rente diene auch der Entlastung der deutschen Rentenversicherung, die für die nach dem FRG berücksichtigten Zeiten keine Beiträge erhalten habe. Der Anrechnungsbetrag sei auf Basis eines r Rentenpunktes für die Altersrente eines durchgehend beschäftigten Durchschnittsverdieners ermittelt worden und entspreche umgerechnet 33,92 EUR Monatsrente für deckungsgleiche deutsche und r Zeiten nach Art 107 VOEWG Nr 574/72.

Mit Bescheid vom 28.04.2008 gewährte die Beklagte dem Kläger daraufhin - als vorläufige Leistung im Sinne des Art 45 VOEWG Nr 574/72 - ab dem 01.04.2008 eine Altersrente für langjährig Versicherte. Ab dem 01.05.2008 wurde die Rente um 33,92 EUR gemindert, sodass sich ein Zahlbetrag von 397,11 EUR ergab. In Anlage 7 wurde dazu ausgeführt, die Rente ruhe in Höhe des Brutto-Betrages der Leistung aus der ausländischen Sozialversicherung.

Der Kläger erhob dagegen Widerspruch mit der Begründung, eine Rentenkürzung nach § 31 FRG dürfe nur vorgenommen werden, wenn die ausländische Rente tatsächlich ausgezahlt werde, was hier nicht der Fall sei.

Durch Widerspruchsbescheid vom 17.07.2008 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach § 2 S 2 FRG sei das FRG bei Abkommensstaaten weiterhin anzuwenden, sofern dieses durch eine entsprechende Weitergeltungsbestimmung im über- und zwischenstaatlichen Recht ausdrücklich geregelt sei. Dieser Vertrauensschutz sei vom Gesetzgeber in der Erwartung eingeräumt worden, dass der durch das entsprechende Abkommensrecht ermöglichte Bezug einer ausländischen Rente nach § 31 FRG angerechnet werden könne. Dieser Zusammenhang zwischen den §§ 2 und 31 FRG ergebe sich aus der entsprechenden Gesetzesbegründung zu Art 5 Zustimmungsgesetz zum Abkommen vom 08.12.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit vom 18.06.1991 (BT-Drucks 12/470). Dieses Abkommen sei Anlass für die Ergänzung des § 2 FRG um den Satz 2 gewesen. Die Ausnahmeregelung des § 2 S 2 FRG und der damit verbundene Vertrauensschutz beschränke sich jedoch nicht auf Polen, sondern sei im Verhältnis zu mehreren Staaten anzuwenden. So sei die weitere Anwendung des FRG im Verhältnis zu R ausdrücklich in Nr 13 Schlussprotokoll zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und R über Soziale Sicherheit vom 08.04.2005 geregelt und gelte im Rahmen des Europäischen Gemeinschaftsrechtes durch den Eintrag im Anhang III A Nr 20b der VOEWG Nr 1408/71 weiter.

Aus dieser Vertrauensschutzregelung ergebe sich eine besondere Verpflichtung für den Berechtigten, seinen ausländischen Rentenanspruch zu realisieren. Tue er dies nicht, sei der deutsche Rentenversicherungsträger im Hinblick auf den Sinn und Zweck der abkommensrechtlichen FRG-Weitergeltungsbestimmung berechtigt, seine FRG-Leistung auf den Umfang zu beschränken, der dem Berechtigten bei Erhalt der zustehenden ausländischen Rente verbleiben würde.
Etwas anderes ergebe sich nicht aus dem von dem Kläger in Anspruch genommenen Dispositionsrecht des Art 44 Abs 2 S 2 VOEWG Nr 1408/71, den r Rentenanspruch auf unbestimmte Zeit aufzuschieben. Dies könne nicht dazu führen, die Anrechnungsvorschrift des § 31 FRG zu umgehen.
Als fiktiver Anrechnungsbetrag sei vorrangig ein gegebenenfalls aktenkundiger individueller ausländischer Rentenbetrag zu berücksichtigen. Sei wie im vorliegenden Fall ein solcher Betrag nicht bekannt, werde dieser bezogen auf R entsprechend der dortigen Rentenformel unter Zugrundelegung des Wertes eines r Rentenpunktes für die Altersrente eines durchgehend beschäftigten Durchschnittsverdieners in Höhe von 416 Leu (Stand 01.09.2007) in Abhängigkeit zur Anzahl der deckungsgleichen Zeiten des Berechtigten berechnet.

Der Kläger hat dagegen Klage beim Sozialgericht (SG) Koblenz erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, § 31 FRG regele ausschließlich die Anrechnung von Leistungen von Versicherungsträgern, die auch tatsächlich ausgezahlt würden. Ein Fiktivabzug sei daher rechtswidrig. Es bestehe keine Verpflichtung, die r Rente zu beantragen, da eine solche gesetzlich nicht vorgeschrieben sei. Im Übrigen habe er nicht auf die Antragstellung verzichtet, sondern nur den Aufschub beantragt.

Die Beklagte hat dazu vorgetragen: Es sei zwar zutreffend, dass die Anrechnung der zustehenden Rente (so genannter Fiktivabzug) im Wortlaut des § 31 FRG keine Erwähnung finde, jedoch könnten sich auch ohne konkret normierte Einzelregelungen Einschränkungen der Rechtsansprüche aus den Grundsätzen des Fremdrentenrechts ergeben. Regelungsabsicht und Entstehungsgeschichte des § 31 FRG sowie der Kontext, in dem diese Vorschrift zu den übrigen FRG-Regelungen und zum über- und zwischenstaatlichen Recht stehe, böten eine solche ausreichende Rechtsgrundlage. Das FRG sei von Beginn an unter anderem vom Prinzip der Subsidiarität geprägt gewesen, was in den Regelungen der §§ 2 und 31 FRG zum Ausdruck komme. § 2 S 1b FRG schließe die Anwendung des FRG komplett aus, soweit Versicherungs- und Beschäftigungszeiten nach der VOEWG Nr 1408/71, einem bilateralen Sozialversicherungsabkommen oder der innerstaatlichen Vorschriften eines Vertragsstaates anrechnungsfähig seien. Dabei komme es nicht darauf an, ob diese Zeiten im Einzelfall tatsächlich der Berechnung der Leistung zu Grunde gelegt würden.
Im Vergleich hierzu sei § 31 FRG eine mildere Einschränkung. Die Vorschrift sehe zur Vermeidung von Doppelleistungen die Kürzung der nach dem FRG festgestellten Rente um entsprechende ausländische Leistungen vor. Der Wortlaut müsse im Zusammenhang mit seiner Entstehung und den damaligen Verhältnissen gesehen werden. § 31 FRG habe ursprünglich (als Folge der damaligen Fassung von § 2 FRG) nur Fälle ohne Anwendung über- und zwischenstaatlichen Rechts erfasst. Angesichts der damaligen Verhältnisse in den FRG-Herkunftsländern habe es für die FRG-Berechtigten praktisch kaum Möglichkeiten gegeben, ausländische Rentenleistungen zu erhalten. Vor diesem Hintergrund sei es konsequent, wenn in Ablösung des zuvor geltenden § 1 Abs 5 Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FAG) § 31 FRG beim Ruhen auf "ausgezahlte" Geldleistungen abstelle. Dies spiegele sich auch in den damaligen Kommentierungen zum FRG wider.
Diese ursprüngliche Rechtslage habe inzwischen durch die Ergänzung des § 2 FRG um einen S 2 eine wesentliche Änderung erfahren. Danach sei auch bei Anwendung über- und zwischenstaatlichen Rechts die Weitergeltung des FRG möglich, wenn dies in den entsprechenden Abkommen ausdrücklich geregelt werde. Dies stelle eine deutliche Abschwächung der Ausschlussregelung dar, die der Gesetzgeber angesichts des häufig noch deutlich niedrigeren Rentenniveaus in den Herkunftsländern und damit aus Vertrauensschutzgründen getroffen habe. Anlass sei das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit vom 08.12.1990 gewesen. Die Regelung sei aber im Verhältnis zu allen FRG-Herkunftsländern anzuwenden, mit denen später vergleichbare Versicherungsabkommen geschlossen wurden, etwa mit R. Der Gesetzgeber habe den Vertrauensschutz in Erwartung entsprechender ausländischer Rentenleistungen und der daraus folgenden Anwendung des § 31 FRG eingeräumt. Wenn die Berechtigten weiterhin die Rechtsvorteile des FRG in Anspruch nehmen könnten, sollten aber zumindest die vorrangigen ausländischen Renten angerechnet werden. Die weitere Anwendung des FRG sei also insoweit auf den verbleibenden Differenzbetrag beschränkt. Diese Regelungsabsicht komme in der entsprechenden Gesetzesbegründung (BT-Drucks 12/470) deutlich zum Ausdruck: "Die Ergänzung des § 2 des FRG stellt die Anwendbarkeit des FRG her, soweit ein zwischenstaatliches Abkommen die Vorschriften über Leistungen nach dem FRG in umfassender Weise unberührt läßt. Die Ergänzung ermöglicht für Aussiedler die Gewährung einer Rente nach dem FRG, auf die allerdings eine polnische Exportrente anzurechnen ist. Im Ergebnis wird also die polnische Rentenleistung auf das Niveau des FRG aufgestockt werden."
Die hierin beschriebene Anrechnung der polnischen Exportrente stelle entgegen der von der Gegenseite vertretenen Auffassung auch keine Beschränkung auf tatsächlich gezahlte Leistungen dar. Dies ergebe sich aus der im Rahmen der deutsch-polnischen Abkommen verwandten Terminologie. Der Begriff "Exportrente" bezeichne allgemein Rentenleistungen nach dem Abkommen von 1990, um diese von "Integrations- bzw Eingliederungsrente" nach dem Abkommen von 1975 abzugrenzen.
Die Änderung des § 2 FRG habe Auswirkungen auf § 31 FRG. Die Vorschrift betreffe jetzt auch und insbesondere Fälle des über- und zwischenstaatlichen Rechtes. Im Verhältnis zu den EU-Mitgliedsstaaten und den Vertragsstaaten - im vorliegenden Fall R - hätten sich die früher allenfalls theoretischen, aber nicht durchsetzbaren Rentenansprüche nunmehr in rechtlich gesicherte und von den Berechtigten auf zumutbare Weise realisierbare Ansprüche auf Rentenzahlungen gewandelt. Da es für den Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Änderung des § 2 FRG nicht absehbar gewesen sei, dass die FRG-Berechtigten die ihnen zustehenden ausländischen Rentenansprüche nicht in Anspruch nehmen würden, habe keine Veranlassung bestanden, für solche Fälle eine gesetzliche Regelung zu schaffen. Diese Verhaltensweise der FRG-Berechtigten habe sich erst in letzter Zeit ergeben, sodass dadurch eine planwidrige Regelungslücke entstanden sei, die auch ohne ausdrückliche gesetzliche Klarstellung einer entsprechenden Rechtsauslegung zugänglich sei. Angesichts der heute völlig veränderten Rahmenbedingungen sei es zumindest gerechtfertigt, die Rechtsauslegung des § 31 FRG entsprechend den geänderten Verhältnissen fortzuentwickeln.
Die bisherige Auslegung treffe nur noch im Verhältnis zu den FRG-Herkunftsländern zu, mit denen Deutschland keine vertraglichen Beziehungen auf dem Gebiet der Sozialen Sicherheit unterhalte. Im Rahmen der Sozialversicherungsabkommen bzw des Europäischen Gemeinschaftsrechts sei es dem Berechtigten dagegen zuzumuten, die ihnen zustehenden ausländischen Rentenbeträge zu realisieren, um damit die in § 31 FRG vorgesehene Entlastung der deutschen Rentenversicherung zu ermöglichen. Würden diese das trotz ihrer entsprechenden Möglichkeit nicht tun, hielten sich die deutschen Rentenversicherungsträger für berechtigt, die FRG-Leistung entsprechend § 31 FRG auf den Umfang zu beschränkten, der den Berechtigten bei Erhalt der zustehenden originären Rente verbleiben würde. Eine weiterhin ausschließliche Anwendung des § 31 FRG auf die tatsächlich ausgezahlten Rentenleistungen sei nicht mehr gerechtfertigt, wenn die FRG-Berechtigten die Nichtzahlung selbst zu vertreten hätten. Dies gelte auch dann, wenn die Zahlung auf unbestimmte Zeit aufgeschoben werde. Das Europäische Gemeinschaftsrecht stehe einer solchen Kürzung von Rentenansprüchen bei einem praktisch unbegrenzten Aufschub der Rentenansprüche eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union zu Lasten eines anderen Mitgliedsstaates nicht entgegen. Generell löse ein Rentenantrag im Rahmen des Gemeinschaftsrechtes nach Art 44 Abs 2 VOWEG Nr 1408/71 in allen Mitgliedsstaaten die Feststellung der Rentenansprüche aus. Als Ausnahme von diesem Grundsatz eröffne S 2 der Regelung zwar das vom Kläger genutzte Dispositionsrecht, die Feststellung des Leistungsanspruches in anderen Mitgliedsstaaten aufzuschieben. Dem Sinn und Zweck sollten mit dieser überstaatlichen Regelung aber lediglich Nachteile vermieden werden, die durch unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen zur Altersrente in den einzelnen Mitgliedsstaaten entstehen könnten, zB im Fall von Rentenabschlägen bei Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente. Das Dispositionsrecht beziehe sich deshalb auch ausschließlich auf Altersrenten.
Gründe, die gegen eine Realisierung der r Rentenansprüche sprechen könnten, seien vom Kläger nicht ansatzweise vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Dem Kläger entstünden auch keine Nachteile, weil die deutsche Rente maximal um den Betrag des auf die deckungsgleichen Zeiten entfallenden Teils der ausländischen Rente gemildert werde, sodass im Saldo beider Renten gerade keine Rentenminderung eintrete. Der Aufschub der r Rentenleistung diene offensichtlich allein dazu, die Anwendung des § 31 FRG zu umgehen und belaste damit einseitig und unangemessen ausschließlich die deutsche Rentenversicherung. Insoweit sehe die Beklagte das in Anspruch genommene Dispositionsrecht des Aufschubes als rechtsmissbräuchlich an. Der r Versicherungsträger (C ) habe im August 2008 auf seiner Homepage über die Möglichkeit der Rentenzahlung ins Ausland ab August 2008 informiert. Zudem liege der Beklagten eine Information des Bezirksrentenamtes A vor, aus der hervorgehe, dass nunmehr r Renten in das Ausland und somit auch auf Konten der in Deutschland lebenden Berechtigten gezahlt würden. Mittlerweile seien der Beklagten auch zahlreiche Fälle bekannt, in denen die C tatsächlich die r Renten auch für zurückliegende Zeiträume auf deutsche Konten der Berechtigten gezahlt habe.

Der Kläger hat vorgetragen, die Auslegung der Beklagten würde die Möglichkeit des Antragsaufschubes bei Leistungen wegen Alters gemäß Art 44 der VOEWG Nr 1408/71 aushöhlen.

Durch Urteil vom 24.03.2009 hat das SG Koblenz die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger die Rente ohne Anwendung des § 31 Abs 1 FRG ungekürzt auszuzahlen. Die Rechtsnorm des § 31 Abs 1 S 1 FRG bilde keine ausreichende Rechtsgrundlage für eine so genannte Fiktivanrechnung. Angesichts des klaren Wortlautes der Regelung könne diese nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie auch für eine genau gegenteilige Fallkonstellation gelten solle, also im Falle der Nichtgewährung und Nichtauszahlung einer ausländischen Leistung. Eine solche Auslegung ließe sich mit dem Wortsinn der Worte "gewährt" und "ausgezahlt wird" mit der Vorschrift keinesfalls mehr vereinbaren. Eine Auslegung gegen den eindeutigen Gesetzeswortlaut sei nicht zulässig.
Auch eine analoge Anwendung des § 31 Abs 1 S 1 FRG auf einen Fall der Nichtgewährung und Nichtauszahlung einer ausländischen Leistung komme nicht in Betracht. Eine entsprechende Regelungslücke sei nicht erkennbar; das Gericht schließe sich insoweit den Ausführungen des SG Koblenz im Urteil vom 07.05.2008 (Az.: S 1 R 1232/07) an.

Gegen das ihr am 02.04.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23.04.2009 Berufung eingelegt.

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt sie vor, das SG messe (durch Bezugnahme auf die Entscheidung des SG Koblenz vom 07.05.2008) dem Vergleich zur Vorgängervorschrift § 1 Abs 5 FAG eine zu große und nicht belegbare Bedeutung bei. Die Neuregelung müsse im Zusammenhang mit der damaligen politischen Situation eher als Anpassung an die Realitäten im Verhältnis zu den FRG-Herkunftsländern gesehen werden. Dies sei mit der heutigen Situation nicht mehr vergleichbar.
Die zustehenden ausländischen Rentenleistungen seien unabhängig davon anzurechnen, mit welchen Mitteln die Berechtigten deren Auszahlung verhinderten. Im Hinblick auf angebliche Schwierigkeiten im Zahlungsverkehr mit R sei auf Folgendes hinzuweisen: Es sei zutreffend, dass der r Versicherungsträger nicht dazu in der Lage gewesen sei, Renten ins Ausland zu zahlen und den Betroffenen daher die Einrichtung eines Kontos in R empfohlen hatte. Inzwischen seien diese Schwierigkeiten ausgeräumt und eine Überweisung der Rentenleistungen nach Deutschland sei möglich. Der Deutschen Rentenversicherung sei am Rande eines deutsch-r Treffens zur Frage der Sozialversicherung in B vom 18.03.2009 bis 19.03.2009 seitens der C bestätigt worden, dass die C R inzwischen zirka eintausend r Renten auf Konten der Berechtigten in Deutschland überweise. Der behauptete Aufschubgrund existiere daher nicht mehr.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 24.03.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Prozessakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Beklagte im angefochtenen Urteil zu Recht verurteilt, dem Kläger die Rente ohne Anwendung des § 31 Abs 1 FRG ungekürzt auszuzahlen. An einer Entscheidung in der Sache ist weder das Sozialgericht noch der Senat gehindert, weil im angefochtenen Bescheid die Rente nur als vorläufige Leistung im Sinne des Art 45 EWG VO 574/72 gezahlt wird. Art 45 Abs 4 EWG VO 574/72 verhindert nicht, dass vor den zuständigen innerstaatlichen Gerichten Klage wegen Nichterfüllung erhoben wird (EuGH Urt. vom 14.02.1980 Az.: 53/79).

Das SG hat sich den Ausführungen der ersten Kammer des SG Koblenz im Urteil vom 07.05.2008 (Az.: S 1 R 1232/07) angeschlossen. Auch der Senat teilt die darin vertretene Rechtsauffassung, dass es für die von der Beklagten vorgenommene Rentenkürzung an einer tragfähigen Rechtsgrundlage fehlte:

Die Anrechnung einer fiktiven rumänischen Rente auf die deutsche Altersrente des Klägers würde einen diesen belastenden Eingriff in seine nach deutschem Rentenrecht begründete Rechtsposition auf Auszahlung der ihm durch bindend gewordenen Verwaltungsakt zugestandenen Sozialleistung bewirken. Hierzu bedarf es nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes einer Ermächtigungsgrundlage. Eine solche ist nicht ersichtlich.

Dass der als Vertriebener anerkannte Kläger über die Vorschriften des FRG einen Anspruch auf Berücksichtigung ihrer in Rumänien zurückgelegten Versicherungszeiten bei der Berechnung ihrer deutschen Altersrente hat, ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Der Kläger wird als durch das FRG Begünstigter so gestellt, als wäre er im Bundesgebiet beschäftigt gewesen. Dies ist Ausfluss des durch das FRG geregelten Eingliederungsprinzips, das bewirkt, dass die rumänischen Zeiten zu einer nicht unerheblichen Erhöhung der deutschen Altersrente führen.

Durch das am 01.06.2006 in Kraft getretene Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien über Soziale Sicherheit wurde keine Änderung der Rechtslage bewirkt. Denn in Nr. 13 des Schlussprotokolls zum Abkommen wurde ausdrücklich bestimmt, dass die deutschen Rechtsvorschriften über Leistungen für nach dem Fremdrentenrecht anrechenbare Versicherungszeiten von dem Abkommen unberührt bleiben.
Auch durch den Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union zum 01.01.2007 hat sich bezüglich der Geltung des FRG im vorliegenden Fall nichts entscheidend geändert. Zwar ist seitdem grundsätzlich die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 an die Stelle des vorgenannten Sozialversicherungsabkommens getreten (Art. 6 der Verordnung). Das gilt jedoch nicht für die im Anhang III zur Verordnung aufgeführten Bestimmungen der dort genannten Abkommen über soziale Sicherheit ( Art. 6 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 Buchstabe c) der Verordnung ). Nach Buchstabe A. Nr. 20 Buchstabe b) des Anhangs III gilt Nr. 13 des Schlussprotokolls zu dem deutsch-rumänischen Sozialversicherungsabkommen (s.o.) weiterhin.

Die Beklagte beabsichtigt, die von dem Kläger gewünschte und auf Art. 22 Abs. 3 des deutsch-rumänischen Sozialversicherungsabkommens bzw Art. 44 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EWG) gestützte Aufschiebung der rumänischen Altersrente gleichsam durch einen Fiktivabzug zu sanktionieren und sich zur Rechtfertigung der in Aussicht gestellten Anrechnung einer fiktiven rumänischen Rente des Klägers auf dessen deutsche Altersrente auf § 31 Abs. 1 Satz 1 FRG zu stützen. Diese Rechtsnorm bietet jedoch keine tragfähige Rechtgrundlage für eine sogenannte Fiktivanrechnung.
§ 31 Abs. 1 Satz 1 FRG regelt: Wird dem Berechtigten von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder an Stelle einer solchen eine andere Leistung gewährt, so ruht die Rente in Höhe des in Euro umgerechneten Betrags, der als Leistung des Trägers der Sozialversicherung oder der anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt wird. Aus dem Wortlaut ergibt sich eindeutig, dass das Ruhen eines Teils der deutschen Rente nur für den Fall der tatsächlichen Auszahlung einer ausländischen Leistung angeordnet wird. Im Falle des Klägers wird eine rumänische Rente ersichtlich nicht gezahlt. Gleichwohl will sich die Beklagte bei einer Fiktivanrechnung auf § 31 Abs. 1 Satz 1 FRG stützen. Die genannte Rechtsnorm kann angesichts ihres klaren Wortlauts aber gerade nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie auch im Falle der Nichtgewährung und Nichtauszahlung einer ausländischen Leistung gelten soll. Eine solche Auslegung ließe sich mit dem Wortsinn der Worte "gewährt" und "ausgezahlt wird" keinesfalls mehr vereinbaren.

Auch eine analoge Anwendung des § 31 Abs. 1 Satz 1 FRG auf einen Fall der Nichtgewährung und Nichtauszahlung einer ausländischen Leistung kommt nicht in Betracht. Es ist insoweit keine planwidrige Regelungslücke zu erkennen, zu deren Schließung die Rechtsprechung berufen wäre. Eine solche Gesetzeslücke ist nach der Rechtsprechung des BSG (vgl zB Urteil vom 03.12.2002, Az: B 2 U 12/02 R, in SozR 3-5919 § 76 Nr. 4 mwN) nur dann anzunehmen, wenn das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es der Rechtsprechung insoweit die Rechtsfindung überlassen wollte, wenn es den betreffenden Sachverhalt auf Grund eines Versehens nicht erfasst oder wenn sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat (vgl zB auch BSG, Urteil vom 23.11.1995, Az: 1 RK 11/95, in SozR 3-2500 § 38 Nr. 1 mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor.

§ 31 Abs. 1 Satz 1 FRG ist seit seiner Ursprungsfassung durch das als Art. 1 des FANG vom 25.02.1960 (BGBl I, 93) verkündete und am 01.01.1959 in Kraft getretene FRG nur zweimal geändert worden (vgl Art. 14 Nr. 25 des Rentenüberleitungsgesetzes ( RÜG ) vom 25.07.1991, BGBl I, 1606, 1695 und Art. 47 Nr. 4 des 4. Euro-Einführungsgesetzes ( 4. EuroEinfG )). In diesem Zusammenhang wurden die Worte "des Geltungsbereichs dieses Gesetzes" und "Deutsche Mark" durch die Worte "der Bundesrepublik Deutschland" und "Euro" ersetzt. Im Übrigen ist die Regelung unverändert geblieben.

Die Begründung zum Entwurf des § 31 FRG, der schließlich auch so normiert wurde (vgl BT-Drucksache III, 1109, Seite 46), zeigt, dass der Gesetzgeber eine klare Vorstellung davon hatte, was mit der Regelung bezweckt werden sollte: "Die Vorschrift dient der Vermeidung von Doppelleistungen. Das Ausmaß des Ruhens ist so festgelegt, dass der Berechtigte mit der Rente des ursprünglich verpflichteten Versicherungsträgers insgesamt nicht weniger erhält als vor der Zubilligung dieser Rente." Der einzige Zweck des § 31 FRG war und ist also die Vermeidung von Doppelleistungen für ein und dieselbe rentenrechtliche Versicherungszeit. Mehr oder etwas anderes wollte der Gesetzgeber nicht erreichen (so auch BSG, Urteil vom 26.04.1977, Az: B 4 RJ 61/76, in BSGE 43, 274). Das Ruhen (oder Anrechnen) tritt kraft Gesetzes in dem Zeitpunkt ein, in dem die deutsche Rente mit der ausländischen Rente tatsächlich zusammentrifft.

In diesem Zusammenhang kann nicht angenommen werden, der Gesetzgeber hätte absichtlich die Möglichkeit einer Fiktivanrechnung nicht geregelt, um eine solche Rechtsgestaltung der Rechtsprechung zu überlassen, oder der Gesetzgeber hätte versehentlich die Möglichkeit einer Fiktivanrechnung nicht geregelt. Denn das FRG hat das Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz (FAG) vom 07.08.1953 (BGBl I, 848) abgelöst. Dort war in § 1 Abs. 5 geregelt, dass ein Leistungsanspruch nach § 1 Abs. 1 FAG "erlischt", wenn für denselben Versicherungsfall von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb des Bundesgebiets oder des Landes Berlin eine Leistung "gewährt wird oder auf Antrag gewährt würde". Damals war also eine Fiktivanrechnung ausdrücklich vorgesehen. Das BSG hatte allerdings schon in seinem Urteil vom 04.09.1958 (Az: 4 RJ 192/56, in BSGE 8, 101) klargestellt, dass das Erlöschen des Leistungsanspruchs nur anzunehmen war, wenn und soweit die Fremdleistung für denselben Versicherungsfall, d.h. für dieselbe Versicherungszeit tatsächlich gewährt und ausgezahlt wurde, weil nur in einem solchen Fall eine (nicht gewünschte, also zu vermeidende) Doppelleistung vorliege.

Dies zeigt im Übrigen, dass dem Gesetzgeber die Möglichkeit, dass Leistungsansprüche gegen einen ausländischen Versicherungsträger oder eine ausländische andere Stelle bei einer entsprechenden Antragstellung bestünden, durchaus bewusst war.

Darüber hinaus hatte der Gesetzgeber nach der Ablösung des FAG durch das FRG jederzeit und vielfach die Möglichkeit, § 31 Abs. 1 Satz 1 FRG zu modifizieren, und zwar nicht nur bei den o.g. Gelegenheiten 1991 und 2001, sondern zB auch nach dem Inkrafttreten der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 oder im Zusammenhang mit der Aufhebung des Abs. 2 Satz 2 und des Abs. 3 des § 31 FRG ab dem 01.01.1981 durch Art. II § 13 des SGB ( Verwaltungsverfahren ) (SGB X) vom 18.08.1980 (BGBl I, 1469). Er hat es gleichwohl nicht getan. Hieran sind die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Leistungsträger und die Gerichte gebunden. Selbst wenn der Gesetzgeber im Rahmen des Rechtsetzungsverfahrens bei der amtlichen Begründung zu einer Vorschrift eine bestimmt Erwartungshaltung zum Ausdruck bringt (die Beklagte verweist insoweit auf die BT-Drucksache 12/470, Begründung zu Art. 5 Zusatzabkommen zum deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen von 1990), so ersetzt diese keine dahingehende gesetzliche Regelung.

Das Gericht vermag auch ansonsten keine Rechtsgrundlage für einen von der Beklagten beabsichtigten Fiktivabzug einer ausländischen Rente zu erkennen. Insbesondere kann ein solches Vorgehen nicht auf § 46 Abs. 2 SGB I gestützt werden. Dort ist geregelt, dass ein grundsätzlich nach Abs. 1 der Vorschrift zulässiger Verzicht auf eine Sozialleistung unwirksam ist, soweit durch den Verzicht andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden.

In diesem Zusammenhang ist zunächst festzustellen, dass der Kläger nicht auf eine ihm dem Grunde nach zustehende rumänische Altersrente verzichtet hat. Er hat vielmehr lediglich sein Recht auf Aufschiebung der rumänischen Rente, das ausdrücklich in Art. 22 Abs. 3 des deutsch-rumänischen Sozialversicherungsabkommens bzw in Art. 44 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EWG) normiert ist, wahrgenommen. In einem solchen Fall kann nicht davon gesprochen werden, dass durch die Aufschiebung der ausländischen Rente Rechtsvorschriften (zB § 31 Abs. 1 Satz 1 FRG) "umgangen" würden. Denn eine Rechtsvorschrift wird im Sinne des § 46 Abs. 2 SGB I nur dann "umgangen", wenn das Verhalten des Verzichtenden von unredlichen, von der Rechtsordnung nicht gebilligten Motiven getragen ist. Davon kann aber bei der Wahrnehmung der vorliegend rechtlich normierten Gestaltungsmöglichkeit nicht die Rede sein.

Im Übrigen kann bei einem Aufschieben der Rentenleistung nach Art. 22 Abs. 3 des deutsch-rumänischen Sozialversicherungsabkommens bzw Art. 44 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EWG) nicht von einem Verzicht im Sinne des § 46 SGB I ausgegangen werden. Vielmehr kommt dem Aufschieben allenfalls die Wirkung des Aufschubs der Einleitung eines ausländischen (hier: rumänischen) Rentenfeststellungsverfahrens oder der unterlassenen Stellung eines Leistungsantrags zu.
Zwar regelt Art. 22 Abs. 3 des deutsch-rumänischen Sozialversicherungsabkommens bzw Art. 44 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EWG) zugunsten des Versicherten, dass ein bei einem Leistungsträger gestellter Leistungsantrag grundsätzlich auch als Leistungsantrag an den rumänischen Leistungsträger bzw an alle anderen einschlägigen Leistungsträger in den Mitgliedsstaaten gilt und den angegangenen Leistungsträger grundsätzlich verpflichtet, das Feststellungsverfahren bei dem rumänischen bzw ausländischen Leistungsträger einzuleiten. Es ist allerdings allgemein anerkannt, dass dem grundsätzlich Leistungsberechtigten gegen seinen Willen keine Leistungen zB aus der Rentenversicherung gleichsam aufgedrängt werden dürfen (vgl zB Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 46 SGB I Rn 2). Auch deshalb werden solche Leistungen grundsätzlich nur auf einen entsprechenden Antrag erbracht. Wird ein solcher Antrag ( aus welchen Gründen auch immer ) nicht gestellt, fehlt es an einer Leistungsvoraussetzung, die den Sozialleistungsträger an der Leistung hindert. Es ist ihm grundsätzlich verwehrt, von Amts wegen über einen fehlenden Antrag hinwegzusehen und gleichwohl zu leisten. Das Recht, einen Sozialleistungsantrag nicht zu stellen oder zB (vor Eintritt der Bindungswirkung eines Bewilligungsbescheids ( vgl hierzu zB auch LSG Berlin, Urteil vom 21.09.1976, Az: L 12 An 65/75 )) zurückzunehmen oder nur eine Teilleistung zu beantragen, ist grundsätzlich durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) auch dann geschützt, wenn es wirtschaftlich unvernünftig erscheint. In diesen Fällen ist auch die Anwendbarkeit des § 46 Abs. 2 SGB I grundsätzlich ausgeschlossen (vgl auch Seewald, aaO, Rn 9). Das muss auch für den Fall gelten, dass der Aufschub nach Art. 22 Abs. 3 des deutsch-rumänischen Sozialversicherungsabkommens bzw Art. 44 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EWG) nicht die Antragsfiktion beseitigt, etwa weil diese der Disposition des Berechtigten entzogen ist, sondern lediglich bewirkt, dass der erstangegangene Sozialleistungsträger (hier: Beklagte) daran gehindert wird, das ausländische Rentenverfahren einzuleiten.
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass hierdurch benachteiligte Sozialleistungsträger das Unterlassen eines Leistungsantrages schlicht hinzunehmen haben, muss jedenfalls gesetzlich ausdrücklich geregelt sein. Eine solche Ausnahmeregelung gibt es zB für die Sozialhilfeträger (§ 95 SGB XII), Krankenkassen (§ 51 SGB V) oder die Bundesagentur für Arbeit (§ 125 SGB III; vgl zu alledem auch Wagner in JurisPraxiskommentar, SGB I, § 46 Rn 21 ff). Eine die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechend begünstigende Rechtsnorm ist hingegen nicht ersichtlich. Insbesondere kann in diesem Zusammenhang nicht der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch ( BGB )) herangezogen werden, weil der Kläger mit der Aufschiebung der rumänischen Rente ein ihm ausdrücklich eingeräumtes Gestaltungsrecht ausübt. Deshalb kann ihm insoweit kein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden.

Der Senat sieht sich auch nicht durch das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24.04.2003 (Az: L 10 RA 4929/00) zu einer anderen Rechtauffassung veranlasst. Das LSG hat darin u.a. entscheiden, dass der Verzicht (mit Wirkung für die Zukunft) auf eine bewilligte (und in der Vergangenheit für einen bestimmten Zeitraum auch bezogene) polnische Rente zu Lasten der deutschen Versichertengemeinschaft gehe und deshalb in entsprechender Anwendung des § 31 FRG die dort (in Abs. 1 Satz 1) normierte Rechtsfolge (Ruhen) auslöse. Diese Fallgestaltung unterscheidet sich jedoch wesentlich von der vorliegend zur Entscheidung gestellten: Im vorliegenden Fall hat der rumänische Versicherungsträger noch keine Altersrente bewilligt und erst recht noch keine solche Rente zur Auszahlung gebracht. Darüber hinaus hatte (im Gegensatz zum vorliegenden Fall) die Klägerin in dem vom LSG (aaO) zu entscheidenden Fall tatsächlich gegenüber dem polnischen Versicherungsträger schriftlich und ausdrücklich auf die weitere (zukünftige) Auszahlung der polnischen Rente verzichtet. Im Übrigen hat das LSG (aaO) in seinen Entscheidungsgründen nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb es die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 31 Abs. 1 Satz 1 FRG bejaht und weshalb es § 46 Abs. 2 SGB I auf einen Verzicht gegenüber einem ausländischen Sozialversicherungsträger auf eine ausländische Rentenleistung anwendet, obwohl § 46 Abs. 1 SGB I nur Sozialleistungen und Leistungsträger nach dem SGB, also deutsche Sozialleistungen und Leistungsträger betrifft und aus der Systematik des § 46 SGB I zu entnehmen ist, dass sich Abs. 2 der Vorschrift auf Abs. 1 bezieht. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Kommentierung von Seewald (aa0, Rn 4) zum Anwendungsbereich des § 46 SGB I zu verweisen. Im Übrigen hat das BSG entschieden, dass eine analoge Anwendung des § 46 SGB I derart, dass auch Leistungen von außerhalb des SGB existierenden Sicherungssysteme erfasst werden, nicht möglich sei (vgl Urteil vom 24.07.2003, Az: B 4 RA 13/03 R, in SozR 4-1200 § 46 Nr. 1).

Falls der Gesetzgeber in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden (aus durchaus nachvollziehbaren Gründen) die Anrechnung einer fiktiven ausländischen Rentenleistung auf die deutsche Rente will, muss er selbst tätig werden und die rechtlichen Rahmenbedingungen (in Deutschland) entsprechend ändern bzw (auf europäischer Ebene) darauf hinwirken, dass sie geändert werden. Bis dahin muss die Beklagte die Wirkung des Aufschiebens der rumänischen Rente (Fehlen der rechtlich gestalteten Möglichkeit, die rumänische Rente auf die deutsche Rente anzurechnen) hinnehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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