Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 KR 312/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 328/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 2/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Liegedreirad ist kein Hilfsmittel der GKV.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 2. November 2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Versorgung des Klägers mit einem Liegedreirad.
Der 1956 geborene Kläger ist nach einem schweren Motorradunfall im Jahr 1997 berentet; es besteht ein GdB von 100. Bedingt durch den Unfall bestehen erhebliche Gesundheitsschäden an beiden Beinen, eine zunehmende Coxarthrose, Durchblutungsstörungen mit Erschöpfung sowie Arthrose an Ellenbogen und Handgelenken; insbesondere in seiner Gehfähigkeit ist der Kläger dadurch massiv eingeschränkt. Weiter leidet der Kläger an starken chronischen Schmerzen mit Depressionen und Suizidgedanken.
Am 01.05.2007 beantragte er bei der Beklagten die Versorgung mit einem Liegedreirad zuzüglich Tretkurbel (Marke Acura 20"/24") zum Preis von insgesamt 3.508,12 Euro. Später legte der Kläger auch eine vertragsärztliche Verordnung des behandelnden Arztes Dr. L. vor. Nach Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.09.2007 den Antrag ab, da der MDK festgestellt hatte, dass die Versorgung von Dreirädern als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung bei Erwachsenen nicht möglich sei.
Nach ausführlichem Widerspruch des Klägers und nochmaliger Befassung des MDK wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2008 den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass ein Hilfsmittel zur Gewährleistung der Mobilität derzeit nicht erforderlich sei. Innerhalb der Wohnung und dem unmittelbaren Nahbereich könne sich der Kläger noch ausreichend selbst zu Fuß fortbewegen. Zur Überwindung längerer Strecken stehe ein Pkw zur Verfügung. Sofern erforderlich, könne zukünftig ein Greifreifenrollstuhl zweckmäßig sein. Gegenwärtig stehe für den Kläger die Bewegungstherapie und das Muskeltraining im Vordergrund, für das von Seiten des MDK Maßnahmen der physikalischen Therapie oder Ergotherapie, Ernährungsberatung und ein Übungsprogramm in Eigenregie empfohlen würden. Unter Umständen könne ein Bewegungstrainer in Betracht kommen.
Am 12.08.2008 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg. Er gab an, dass es kein mechanisches Hilfsmittel gebe, dass es ihm schmerzfrei ermögliche, sich mehr als 500 Meter alleine fortzubewegen. Alleine das beantragte Liegedreirad könne seine Krankheitsbeschwerden lindern, eine Verschlimmerung verhüten und die Behinderung soweit wie möglich ausgleichen. Es sei kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, da die Spezialtretkurbel bereits im Bruttoverkaufspreis enthalten sei und das Rad weder als Sportrad noch für beingesunde Menschen konzipiert sei. Herr Dr. L. bescheinigte später gegenüber dem Gericht, dass der Kläger einen Heimtrainer wegen unzureichender Beugemöglichkeit der Knie nicht nutzen könne. Die Verordnung von Krankengymnastik und Ergotherapie sei langfristig sicher erheblich aufwändiger als die Genehmigung eines Liegedreirades, da der Kläger zur Krankengymnastik transportiert werden müsste.
Mit Urteil vom 12.11.2008 wies das Sozialgericht die Klage ab. In seiner Begründung führte das Gericht aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein Liegedreirad kein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung darstelle, sondern einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Allenfalls könne eine behindertengerechte Zusatzausrüstung Gegenstand der Leistungspflicht einer Krankenkasse sein.
Mit seiner Berufung vom 17.12.2008 führt der Kläger sein Klagebegehren fort und trägt vor, dass für ihn die Eigenrehabilitation im Mittelpunkt stehe. Er wolle alles tun, um einer weiteren Verschlechterung seines Gesundheitszustandes entgegenzuwirken. Im Übrigen werde er als Erwachsener gegenüber Kinder diskriminiert, denen man ein Dreirad zum Spielen zubillige.
Nach intensiven telefonischen Verhandlungen des Vorsitzenden mit der Beklagten über eine Kostenbeteiligung beantragt der Kläger in der mündlichen Verhandlung,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 02.11.2008 und den zugrunde liegen- den Bescheid der Beklagten vom 11.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbe-
scheids vom 14.07.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit ei-
nem behindertengerecht angepassten Liegedreirad zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren bisherigen Vortrag sowie das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten sowie der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG - form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet.
Das Urteil des SG Nürnberg vom 12.11.2008 entspricht der Sach- und Rechtslage, da die zugrunde liegenden Bescheide der Beklagten vom 11.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.07.2008 nicht zu beanstanden sind. Der Senat sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren ausführlichen Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich ein Sachleistungsanspruch des Klägers auch nicht aus § 31 SGB IX ergibt. Die Vorschriften des SGB IX zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen gewähren den Versicherten im Bereich der Hilfsmittelversorgung keinen über die Leistungspflichten des § 33 SGB V hinausreichenden Leistungsanspruch (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- , vgl. Urteil vom 26.03.2003, Az.: B 3 KR 23/02 R, SozR 4-2500 § 33 Nr. 3). Hinsichtlich der Zuständigkeit und der Voraussetzungen für eine Leistung zur Teilhabe wird nämlich auf die für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetze verwiesen (§ 7 SGB IX).
Auch eine rechtswidrige Diskriminierung des Klägers als Behinderter ist nicht ersichtlich. Zum einen folgt aus dem verfassungsrechtlichen Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) kein weitergehender Leistungsanspruch bei der Hilfsmittelversorgung. Der hieraus ergebende Handlungsauftrag an den Staat auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen hinzuwirken, begründet keine konkreten Leistungsansprüche (Urteil des BSG vom 26.03.2003, a.a.O.). Auch gegenüber Kindern und Jugendlichen wird der Kläger als Erwachsener nicht rechtswidrig diskriminiert (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG). Es trifft zwar zu, dass das BSG in seiner Rechtsprechung zur Erschließung des körperlichen Freiraums durch Fahrradfahren mit speziellen Hilfsmitteln entschieden hat, dass bei Kindern und Jugendlichen in der Entwicklungsphase auch ein Grundbedürfnis zur möglichst weitgehenden Eingliederung in den Kreis Gleichaltriger anzuerkennen ist. Ein Anspruch auf Versorgung mit Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens besteht allerdings auch bei Kindern und Jugendlichen nicht (Urteil des BSG vom 23-07.02, Az.: B 3 KR 3/02 R, SozR 3 2500 § 33 Nr. 6).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Versorgung des Klägers mit einem Liegedreirad.
Der 1956 geborene Kläger ist nach einem schweren Motorradunfall im Jahr 1997 berentet; es besteht ein GdB von 100. Bedingt durch den Unfall bestehen erhebliche Gesundheitsschäden an beiden Beinen, eine zunehmende Coxarthrose, Durchblutungsstörungen mit Erschöpfung sowie Arthrose an Ellenbogen und Handgelenken; insbesondere in seiner Gehfähigkeit ist der Kläger dadurch massiv eingeschränkt. Weiter leidet der Kläger an starken chronischen Schmerzen mit Depressionen und Suizidgedanken.
Am 01.05.2007 beantragte er bei der Beklagten die Versorgung mit einem Liegedreirad zuzüglich Tretkurbel (Marke Acura 20"/24") zum Preis von insgesamt 3.508,12 Euro. Später legte der Kläger auch eine vertragsärztliche Verordnung des behandelnden Arztes Dr. L. vor. Nach Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.09.2007 den Antrag ab, da der MDK festgestellt hatte, dass die Versorgung von Dreirädern als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung bei Erwachsenen nicht möglich sei.
Nach ausführlichem Widerspruch des Klägers und nochmaliger Befassung des MDK wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2008 den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass ein Hilfsmittel zur Gewährleistung der Mobilität derzeit nicht erforderlich sei. Innerhalb der Wohnung und dem unmittelbaren Nahbereich könne sich der Kläger noch ausreichend selbst zu Fuß fortbewegen. Zur Überwindung längerer Strecken stehe ein Pkw zur Verfügung. Sofern erforderlich, könne zukünftig ein Greifreifenrollstuhl zweckmäßig sein. Gegenwärtig stehe für den Kläger die Bewegungstherapie und das Muskeltraining im Vordergrund, für das von Seiten des MDK Maßnahmen der physikalischen Therapie oder Ergotherapie, Ernährungsberatung und ein Übungsprogramm in Eigenregie empfohlen würden. Unter Umständen könne ein Bewegungstrainer in Betracht kommen.
Am 12.08.2008 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg. Er gab an, dass es kein mechanisches Hilfsmittel gebe, dass es ihm schmerzfrei ermögliche, sich mehr als 500 Meter alleine fortzubewegen. Alleine das beantragte Liegedreirad könne seine Krankheitsbeschwerden lindern, eine Verschlimmerung verhüten und die Behinderung soweit wie möglich ausgleichen. Es sei kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, da die Spezialtretkurbel bereits im Bruttoverkaufspreis enthalten sei und das Rad weder als Sportrad noch für beingesunde Menschen konzipiert sei. Herr Dr. L. bescheinigte später gegenüber dem Gericht, dass der Kläger einen Heimtrainer wegen unzureichender Beugemöglichkeit der Knie nicht nutzen könne. Die Verordnung von Krankengymnastik und Ergotherapie sei langfristig sicher erheblich aufwändiger als die Genehmigung eines Liegedreirades, da der Kläger zur Krankengymnastik transportiert werden müsste.
Mit Urteil vom 12.11.2008 wies das Sozialgericht die Klage ab. In seiner Begründung führte das Gericht aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein Liegedreirad kein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung darstelle, sondern einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Allenfalls könne eine behindertengerechte Zusatzausrüstung Gegenstand der Leistungspflicht einer Krankenkasse sein.
Mit seiner Berufung vom 17.12.2008 führt der Kläger sein Klagebegehren fort und trägt vor, dass für ihn die Eigenrehabilitation im Mittelpunkt stehe. Er wolle alles tun, um einer weiteren Verschlechterung seines Gesundheitszustandes entgegenzuwirken. Im Übrigen werde er als Erwachsener gegenüber Kinder diskriminiert, denen man ein Dreirad zum Spielen zubillige.
Nach intensiven telefonischen Verhandlungen des Vorsitzenden mit der Beklagten über eine Kostenbeteiligung beantragt der Kläger in der mündlichen Verhandlung,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 02.11.2008 und den zugrunde liegen- den Bescheid der Beklagten vom 11.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbe-
scheids vom 14.07.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit ei-
nem behindertengerecht angepassten Liegedreirad zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren bisherigen Vortrag sowie das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten sowie der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG - form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet.
Das Urteil des SG Nürnberg vom 12.11.2008 entspricht der Sach- und Rechtslage, da die zugrunde liegenden Bescheide der Beklagten vom 11.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.07.2008 nicht zu beanstanden sind. Der Senat sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren ausführlichen Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich ein Sachleistungsanspruch des Klägers auch nicht aus § 31 SGB IX ergibt. Die Vorschriften des SGB IX zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen gewähren den Versicherten im Bereich der Hilfsmittelversorgung keinen über die Leistungspflichten des § 33 SGB V hinausreichenden Leistungsanspruch (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- , vgl. Urteil vom 26.03.2003, Az.: B 3 KR 23/02 R, SozR 4-2500 § 33 Nr. 3). Hinsichtlich der Zuständigkeit und der Voraussetzungen für eine Leistung zur Teilhabe wird nämlich auf die für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetze verwiesen (§ 7 SGB IX).
Auch eine rechtswidrige Diskriminierung des Klägers als Behinderter ist nicht ersichtlich. Zum einen folgt aus dem verfassungsrechtlichen Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) kein weitergehender Leistungsanspruch bei der Hilfsmittelversorgung. Der hieraus ergebende Handlungsauftrag an den Staat auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen hinzuwirken, begründet keine konkreten Leistungsansprüche (Urteil des BSG vom 26.03.2003, a.a.O.). Auch gegenüber Kindern und Jugendlichen wird der Kläger als Erwachsener nicht rechtswidrig diskriminiert (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG). Es trifft zwar zu, dass das BSG in seiner Rechtsprechung zur Erschließung des körperlichen Freiraums durch Fahrradfahren mit speziellen Hilfsmitteln entschieden hat, dass bei Kindern und Jugendlichen in der Entwicklungsphase auch ein Grundbedürfnis zur möglichst weitgehenden Eingliederung in den Kreis Gleichaltriger anzuerkennen ist. Ein Anspruch auf Versorgung mit Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens besteht allerdings auch bei Kindern und Jugendlichen nicht (Urteil des BSG vom 23-07.02, Az.: B 3 KR 3/02 R, SozR 3 2500 § 33 Nr. 6).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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