L 10 AL 110/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 238/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 110/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Frage der Zulässigkeit der Berufung
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 09.03.2009 wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Gründe:


I.

Streitig ist die Rückforderung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe.

Der Kläger bezog in der Zeit vom 16.07.2000 bis 10.07.2001 von der Beklagten Arbeitslosengeld und daran anschließend Arbeitslosenhilfe bis einschließlich 06.05.2002.

Mit Schreiben vom 03.11.2004 und 08.06.2005 wies die BKK B. die Beklagte darauf hin, dass der Kläger - ausweislich einer am 15.10.2004 durchgeführten Betriebsprüfung bei der Fa. Umzüge S. entgegen den bis dahin bekannten Angaben - in der Zeit vom 01.10.2000 bis 31.12.2001 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei.

Anfragen der Beklagten an den Arbeitgeber, eine Arbeitsbescheinigung auszustellen, blieben unbeantwortet, und auf die Anhörung des Klägers vom 29.06.2005 gab dieser an, den Sachverhalt, der der Überzahlung zugrunde liegen solle, nicht nachvollziehen zu können.

Die Beklagte hob daraufhin mit Bescheid vom 26.07.2005 die Bewilligung des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 01.10.2000 bis 10.07.2001 sowie der Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum vom 11.07.2001 bis 31.12.2001 auf. Der Kläger habe wegen des unrechtmäßigen Leistungsbezuges insgesamt 9.014,35 EUR zu erstatten (Arbeitslosengeld: 5.788,49 EUR; Arbeitslosenhilfe: 3.225,86 EUR).

In der Folgezeit war ein Widerspruch des Klägers gegen diese Entscheidung nicht zu verzeichnen. Anlässlich eines erneuten Leistungsantrages im Jahr 2007 hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 09.11.2007 zu einer beabsichtigten Aufrechnung des Leistungsanspruches an, nachdem die Rückforderung in Höhe von 9.059,70 EUR bislang nicht ausgeglichen gewesen sei.

Aus Anlass einer Zahlungsaufforderung des Forderungseinzuges der Beklagten erhob der Kläger am 18.08.2008 Widerspruch und führte aus, dass die Höhe der Forderung nicht zutreffen könne. Auch habe er sich zur Sache nie geäußert, zumal der Beklagten die Nebentätigkeit bekannt gewesen sei.

Die Beklagte verwarf den Widerspruch als unzulässig mit dem am 27.08.2008 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid. Der Rückforderungsbescheid vom 26.07.2005 gelte nach dessen Aufgabe zur Post am 28.10.2005 als am 31.10.2005 bekannt gegeben. Der Widerspruch vom 18.08.2008 wahre die einmonatige Widerspruchsfrist nicht.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 27.08.2008 hat der Kläger am 06.10.2008 Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Auf die Aufforderung des SG, Nachweise über den Zeitpunkt des Zuganges des Widerspruchsbescheides vorzulegen, hat der Kläger - unter Vorlage einer Bescheinigung des Arbeitgebers - vorgetragen, dass er in der Zeit vom 08.08.2008 bis 01.09.2008 im Auslandeinsatz gewesen sei. Anschließend habe er sich bei seiner Freundin in M. aufgehalten und sei von dort aus wieder nach Algerien geflogen. Die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides sei Anfang Oktober erfolgt.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 09.03.2009 als unzulässig abgewiesen. Der Widerspruchsbescheid gelte am 30.08.2008 als bekannt gegeben, so dass die Klageerhebung am 06.10.2008 verspätet sei. Wiedereinsetzungsgründe lägen nicht vor, denn der Kläger habe die Klagefrist nicht unverschuldet versäumt. Er habe keine Vorkehrungen getroffen, dass eingehende Post ihn auch erreichen könne. Hierfür habe ein mündiger Bürger jedoch Sorge zu tragen. Der Gerichtsbescheid ist ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 10.03.2009 an diesem Tag in dem zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten eingelegt worden, nachdem der Versuch einer persönliche Übergabe erfolglos geblieben war.

Der Kläger hat am 21.04.2009 Berufung gegen die Entscheidung vom "23.03.2009" eingelegt. Auf gerichtlichen Hinweis in Bezug auf die nicht eingehaltene Klagefrist hat der Kläger vorgetragen, dass er beruflich viel unterwegs sei. In der Zeit vom 27.02.2009 bis 11.03.2009 habe er sich in Algerien und in der Zeit vom 15.03.2009 bis 23.03.2009 in Syrien aufgehalten (Bestätigung des Arbeitgebers vom 03.07.2009). Während seines zwischenzeitlichen Aufenthaltes in Deutschland (11.03.2009 bis 15.03.2009) wäre er bei seiner Lebensgefährtin in M. gewesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Bayreuth vom 09.03.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2008 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Bayreuth vom 09.03.2009 - S 10 AL 238/08 - als unzulässig zu verwerfen.

Die Berufung sei wegen des Versäumens der Berufungsfrist unzulässig. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor, insbesondere sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Kläger in der Zeit vom 23.03.2009 bis zum Ende der Berufungsfrist am 14.04.2008 gehindert gewesen sei soll, das Rechtsmittel einzulegen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht fristgerecht eingelegt wurde,
§ 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Hiernach ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft ist oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wurde. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen.

Der Kläger hat - mit der Einlegung der Berufung am 21.04.2009 - die Berufungsfrist von einem Monat versäumt, § 151 Abs 1 SGG. Danach ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten eingelegt wird.

Gemäß § 64 Abs 1 SGG beginnt der Lauf einer Frist grundsätzlich mit dem Tage nach der Zustellung. Nachdem das Urteil - ausweislich der Postzustellungsurkunde - am 10.03.2009 in den Briefkasten des Klägers eingelegt worden ist, wurde die Zustellung an diesem Tag bewirkt (§ 63 Abs 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 178 Abs 1 Nr. 1, § 180 Zivilprozessordnung (ZPO)), so dass die Berufungsfrist am 11.03.2009, 0.00 Uhr, begonnen hat.

In diesem Zusammenhang gibt es auch keine Hinweise, dass die Zustellung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt ist, insbesondere nicht an dem vom Kläger genannten 23.03.2009. Hierbei dürfte es sich allenfalls um das Datum der Kenntnisnahme des Gerichtsbescheides vom 09.03.2009 handeln, was nachvollziehbar erscheint, wenn der Kläger vorträgt, er sei in der Zeit vom 27.02.2009 bis einschließlich 23.03.2009 in Algerien und Syrien gewesen, wobei er sich während seines Deutschlandaufenthaltes vom 11.03.2009 bis 15.03.2009 in M. bei seiner Lebensgefährtin aufgehalten habe. Der Zeitpunkt der Kenntnisnahme ist jedoch ohne Relevanz, denn die Fristenregelungen stellen allein auf den Zustellungszeitpunkt ab.

Weitergehend regelt § 64 Abs 2 SGG, dass eine nach Monaten bestimmte Frist mit Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats endet, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Damit fiele das reguläre Ende der Berufungsfrist zwar auf den 10.04.2009 (Karfreitag), einen gesetzlichen Feiertag, womit die Frist erst mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 64 Abs 3 SGG), dem 14.04.2009 (Dienstag), um 24.00 Uhr endet. Der erst am 21.04.2009 beim SG eingegangen Berufungsschriftsatz ist jedoch auch unter Beachtung dieser Umstände nicht fristwahrend.

Die vom Kläger beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht, denn der Kläger hat die Berufungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, § 67 SGG.

Der Kläger hat das Versäumen der Berufungsfrist jedoch zumindest fahrlässig verschuldet, denn nach eigenen Angaben hat er sich lediglich bis (einschließlich) 23.03.2009 nicht an seinem Wohnort aufgehalten, wodurch er gehindert war, von der Zustellung des Gerichtsbescheides Kenntnis zu nehmen und Rechtsmittel einzulegen. Der Kläger hat jedoch keine Erklärung dazu abgeben, aus welchen Gründen er in der Zeit vom 24.03.2009 bis 14.04.2009 außer Stande war, Berufung gegen die Entscheidung des SG einzulegen, insbesondere gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ihm in diesem Zeitraum der Gerichtsbescheid vom 09.03.2009 unbekannt gewesen wäre. Hiergegen spricht insbesondere der Umstand, dass der Kläger mit seiner Berufungsschrift die Entscheidung des SG als eine solche vom 23.03.2009 bezeichnet hat, was den Schluss nahe legt, dass der Kläger am 23.03.2009 - nach seiner Rückkehr aus Syrien - tatsächlich seine Wohnung aufgesucht und den Gerichtsbescheid vorgefunden hat. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten haben sollte, die Rechtsmittelfrist von einem Monat beziehe sich auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme, hätte er einen derartigen Rechtsirrtum zumindest fahrlässig zu vertreten, denn die Rechtsmittelbelehrung weist ausdrücklich darauf hin, dass die Rechtsmittelfrist an die Zustellung geknüpft ist, wobei das Datum der Zustellung aus dem auf dem Umschlag angebrachten Vermerk zu ersehen war. Darüber hinaus wäre es dem Kläger möglich und zumutbar gewesen, sich innerhalb von drei Wochen (23.03.2009 bis 14.04.2009) rechtskundigen Rat sowohl hinsichtlich der Fristenproblematik als auch in Bezug auf die Sache selbst einzuholen. Die Fristversäumnis beruht daher allein auf einer Nachlässigkeit des Klägers in eigenen Angelegenheiten, für die es aus Sicht des Senates auch keine nachvollziehbare Entschuldigung gibt, insbesondere weil der Kläger sensibilisiert sein musste, nachdem sowohl der Widerspruch als auch die Klage bereits wegen Fristversäumnissen als unzulässig angesehen worden waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und folgt aus dem Unterliegen des Klägers.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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