L 13 R 898/09 B

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 378/07
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 898/09 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen einer Übernahme der Kosten einer Begutachtung auf die Staatskasse.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 15. September 2009 wird zurückgewiesen.



Gründe:

I.
Die Beteiligten stritten vor dem Sozialgericht Augsburg über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit. Die Beklagte hatte den Rentenantrag des Klägers und Beschwerdeführers vom 17. Oktober 1997 mit Bescheid vom 8. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 1998 abgelehnt.
Während des hiergegen gerichteten Klageverfahrens haben umfangreiche medizinische Behandlungen, u.a. auch eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme vom 2. November bis 7. Dezember 1999 stattgefunden. Das Sozialgericht hat Befundberichte und ärztliche Unterlagen der behandelnden Ärzte eingeholt und Prof.
Dr. H. M. (Leiter der Medizinischen Klinik - Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie, Rheumatologie - des Klinikums A.) mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12. Januar 2008 nach Bewertung der Untersuchungsbefunde keinen eindeutigen Hinweis für eine organische Erkrankung des Klägers festgestellt. Eine Polyneuropathie und beginnende Myopathie könnten nicht bestätigt werden. Es sei insgesamt von einer Ausheilung einer Borrelieninfektion auszugehen. Es habe sich somit kein ausreichender Hinweis für eine Infektion bzw. eine Borreliose, insbesondere eine Neuroborreliose ergeben. Für den Zeitraum bis 1999 habe eine komplexe psychosomatische Störung mit funktionellen Organbeschwerden vorgelegen. Im Zeitraum von 1995 bis 1999 sei sowohl in dem erlernten Beruf als Energiegeräteelektroniker und Elektrogerätemechaniker als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ein vollschichtiges Leistungsvermögen gegeben gewesen. Hinsichtlich der nervenärztlichen Beeinträchtigungen hat der Gutachter auf ein von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholtes nervenärztliches Gutachten des Dr. K. für den Zeitraum von 1995 bis 1998 verwiesen, der eine komplexe psychosomatische Störung diagnostiziert hatte.
Der auf klägerischen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Dermatologe, Venerologe und Umweltmediziner Dr. K. E. M. hat in einem Gutachten nach Aktenlage vom 28. März 2009 eine Multisystem-Erkrankung diagnostiziert, die gegenwärtig hauptsächlich durch ein chronisches Erschöpfungssyndrom geprägt sei. Ursache hierfür seien zahlreiche Infekte mit intrazellulären Erregern, die jeweils nach aktueller Immunleistung kompensiert bzw. aktiviert würden, sowie ein Mitochondrienschaden. Ein nachgewiesener Testosteronmangel sowie eine Nahrungsmittelintoleranz wirkten dabei verstärkend. Eine psychische bzw. psychosomatische Zuordnung sei unzutreffend. Die Beeinträchtigung des psychischen Befindens sei nicht Ursache, sondern Folge der organischen Erkrankungen. Die dauerhafte Persistenz der Infekte habe beendet werden können. Derzeit könne der Kläger drei Arbeitsstunden täglich verrichten. Ergänzend hat der Sachverständige am 15. Mai 2009 ausgeführt, dass das Leistungsbild seit 17. Mai 1996 bestehe, d.h. es habe sowohl im erlernten Beruf wie auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch ein Leistungsvermögen von weniger als drei Stunden täglich bestanden.
Der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten hat sich in einer Stellungnahme vom 18. Juni 2009 dieser Einschätzung nicht angeschlossen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. Juli 2009 abgewiesen. Unstreitig sei, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmalig zum 31. Mai 1997 erfüllt gewesen seien. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger unter einer komplexen psychosomatischen Störung mit funktionellen Organbeschwerden gelitten. Er sei aber nicht gehindert gewesen, den erlernten Beruf des Energiegeräteelektronikers vollschichtig auszuüben. Das Sozialgericht hat sich insoweit auf das Gutachten des Prof. Dr. M. gestützt. Für die von Dr. M. feststellte "Multisystem Erkrankung" lägen nach dem Gutachten des Prof. Dr. M. keine belastbaren Laborwerte vor. Für das Vorliegen einer psychosomatischen Störung spreche auch das zeitnah erstellte Gutachten des Dr. K ... Dr. M. bezeichne die psychische bzw. psychosomatische Zuordnung als unzutreffend, obwohl er in der Beurteilung der Persönlichkeit und des Phänotyps des Klägers nicht wesentlich von der Einschätzung des Dr. K. abweiche. Da somit keine Berufsunfähigkeit vorliege, seien erst recht die Voraussetzungen einer Erwerbsunfähigkeit im Sinne von § 44 Abs. 2 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung zu verneinen.
Den Antrag, die Kosten der Begutachtung durch Dr. M. auf die Staatskasse zu übernehmen, hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 15. September 2009 abgelehnt. Dieses Gutachten sei nicht überzeugend und habe die Sachaufklärung nicht objektiv gefördert. Die bloße Einführung einer abweichenden Sachverständigeneinschätzung in das gerichtliche Verfahren begründe nicht die Möglichkeit, der Staatskasse die Kosten aufzuerlegen.
Zur Begründung der gegen diesen Beschluss erhobenen Beschwerde hat der Beschwerdeführer vorgebracht, Dr. M. habe in dem Gutachten zahlreiche organische Erkrankungen aufgezeigt, durch die das Leistungsvermögen erheblich gemindert würde. Diese seien vom Gericht im Urteil nicht berücksichtigt worden.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Kosten einer Begutachtung nach § 109 SGG von dem Antragsteller zu tragen sind, steht im Ermessen des Gerichts. Die Ermessensentscheidung ist im Beschwerdeverfahren beschränkt darauf nachprüfbar, ob die Voraussetzungen und die Grenzen des Ermessens richtig bestimmt und eingehalten sind.

Die Übernahme der für ein Gutachten nach § 109 Abs. 1 SGG verauslagten Kosten auf die Staatskasse im Wege einer "anderen Entscheidung" ist gerechtfertigt, wenn das Gutachten die Aufklärung objektiv gefördert hat und somit Bedeutung für die gerichtliche Entscheidung gewonnen hat bzw. hätte. Dabei spielt der Ausgang des Verfahrens keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr, ob durch das Gutachten beispielsweise neue beweiserhebliche Gesichtspunkte zu Tage getreten sind oder die Leistungsbeurteilung auf eine wesentlich breitere und für das Gericht und die Prozessbeteiligten überzeugendere Grundlage gestellt wurde.

Diese Voraussetzungen liegen bei dem Gutachten des Dr. M. vom 28. März 2009 einschließlich der ergänzenden Stellungnahme vom 15. Mai 2009 nicht vor. Zwar weicht dieses Gutachten sowohl in der Diagnose als auch in der Leistungsbewertung wesentlich von dem Gutachten des Prof. Dr. M. ab. Es ist jedoch nicht zu beanstanden, dass dieses Gutachten für das Sozialgericht keine Bedeutung bei der Entscheidung gespielt hat. Dr. M. vermag nämlich seine Auffassung, dass eine psychische bzw. psychosomatische Zuordnung ein wesentlicher Grund für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers war, nicht bzw. nicht überzeugend zu begründen. Auch der Vorgutachter ging dabei von funktionellen Organbeschwerden bis 1999 aus. Nach Auswertung der vorliegenden Untersuchungsbefunde konnte eine organische Erkrankung aber nicht nachgewiesen werden. Es gibt keine objektivierbaren Untersuchungen, die für eine tatsächliche Polyneuropathie oder Myopathie sprechen. Dabei berücksichtigte der Sachverständige Prof. Dr. M. auch die von Dr. M., der den Kläger auch als Arzt behandelte, erhobenen Befunde wie Immunkomplexe, unspezifische Antikörper und erhöhtes Quecksilber im Stuhl. Eine organische Erkrankung lässt sich aber auch hieraus nicht ableiten mit Ausnahme einer Ausheilung einer Borrelieninfektion.

Zutreffend führte das Sozialgericht ferner aus, dass in dem maßgeblichen Zeitraum der Schwerpunkt der Erkrankung in Form einer psychosomatischen Störung auf nervenärztlichem Fachgebiet gelegen hat. Hierfür sprechen nicht nur das Gutachten des Prof. Dr. M., sondern auch das des Dr. K. sowie die persönliche und berufliche Anamnese des Klägers, wie sie sich auch in dem Gutachten des Dr. M. findet.

Darüber hinaus weist der Senat darauf hin, dass im Rahmen der Beurteilung der medizinischen Voraussetzungen einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nicht die Diagnose, sondern die Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das Leistungsvermögen des Versicherten maßgebend sind. Auch die von Dr. M. aufgezeigten Diagnosen einer organischen Erkrankung führen nicht zwangsläufig zu einer relevanten quantitativen Leistungseinschränkung. Der Kläger war vor allem durch Erschöpfungszustände beeinträchtigt. Dr. M. erläutert auch in der ergänzenden Stellungnahme nicht näher, aus welchen Gründen er die Einschätzung der Verminderung des quantitativen Leistungsvermögens abweichend von den Vorgutachtern beurteilt.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar und ergeht kostenfrei (§ 183 SGG).
Rechtskraft
Aus
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