S 6 P 233/09 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 6 P 233/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegner werden im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, ab sofort die Veröffentlichung des Transparenzberichts über die Pflegeeinrichtung des Antragstellers ( ...) aufgrund der MDK-Prüfung am 07. Oktober 2009 über die Internetportale der Antragsgegner - oder in sonstiger Weise - zu unterlassen. Der Antragsteller ist vorläufig nicht verpflichtet, eine Zusammenfassung der Qualitätsprüfung vom 07. Oktober 2009 in der Einrichtung auszuhängen. Diese Verpflichtungen gelten zunächst vorläufig bis Ende Juni 2010. Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verlangen kann, die Veröffentlichung eines Transparenzberichts zu beenden.

Der Antragsteller ist Träger einer durch Versorgungsvertrag zugelassenen Pflegeeinrichtung. In dieser Einrichtung führte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe (MDK) am 21. Oktober 2009 eine Qualitätsprüfung nach den §§ 112 ff des Sozialgesetzbuches - Elftes Buch - (SGB XI) durch.

Der auf der Grundlage dieser Prüfung erstellte Transparenzbericht weist als Gesamtergebnis aus 64 Einzelnoten die Note "befriedigend" (2,5) aus. Der Qualitätsbereich "Pflege und Medizinische Versorgung" erhielt die Gesamtnote "ausreichend" (3,6). Als Ergebnis der Befragung der Bewohner, das nicht in das Gesamtergebnis einfließt, wurde die Note "sehr gut" (1,0) angegeben.

Der Transparenzbericht wurde dem Antragsteller elektronisch zugeleitet und nach Abgabe eines Kommentars der Pflegeeinrichtung vor Ablauf der 28-Tage-Frist am 10. Dezember 2009 auf den Internetportalen der Antragsgegner veröffentlicht.

In einem Schreiben an die Antragsgegner vom 04. Dezember 2009 trug der Antragsteller eingehend substantielle Einwendungen gegen den Prüfbericht vom 21. Oktober 2009 vor. Der dem veröffentlichten Transparenzbericht angehängte Kommentar der Pflegeeinrichtung lautet:

"Wir halten die Bewertung unserer Medikamentenversorgung für nicht sachgerecht. Das ungünstige Ergebnis hängt im wesentlichen mit dem Einsatz so genannter Generika zusammen, d. h. der Arzt verordnet ein bestimmtes Medikament, der Apotheker muss oftmals aus Kostengründen ein Medikament mit einem anderen Markennamen, aber gleichem Wirkstoff liefern. Dieser Vorgang entzieht sich unserem Einfluss als Pflegeeinrichtung (Frage 12.3).

Unsere Pflegekräfte wissen sehr wohl, Kompressionsstrümpfe sachgerecht anzulegen. Bei der Qualitätsprüfung wurde festgestellt, dass bei einer Bewohnerin der obere Rand des Kompressionsstrumpfes sich aufgrund eines ausgeprägten "Hallux valgus" im Schuh der Bewohnerin geringfügig nach oben verschoben hat (Frage 12.9).

Natürlich berücksichtigen unsere Pflegekräfte bei der täglichen Körperpflege die Bedürfnisse und Gewohnheiten der Bewohner. So können "traditionelle Langschläfer" bespielsweise morgens ausschlafen und werden erst nach dem Wachwerden grundpflegerisch versorgt. Würden wir nicht so verfahren, hätten wir bei Bewohnern und Angehörigen nicht den hohen Grad an Zustimmung, den wir haben (Frage 17.2).

Selbverständlich berücksichtigen wir auch bei der täglichen Mund und Zahnpflege die Bedürfnisse und Gewohnheiten unserer Bewohner, wobei das professionelle Handlungssprektrum in diesem Bereich eher begrenzt ist. Dass wir der Mund- und Zahnpflege einen hohen Stellenwert beimesssen, kann schon daran abgelesen werden, dass uns die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe im Sept. 2009 ein Zertifikat für unsere erfolgreiche Teilnahme an dem Projekt "Gesunder Mund - gerade im Alter" verliehen hat. (Frage 17.4).

Wir haben unsere Pflege sehr wohl nach dem Konzept der Bezugspflege organisiert. Bei einem erhöhten Krankenstand der Mitarbeiter, der zum Zeitpunkt der Qualitätsprüfung zu verzeichnen war, bleibt es nicht aus, dass sich die Zahl der Mitarbeiter, die sich um einen Bewohner kümmern, erhöht. Hätte man die Dienstpläne eines Quartals in Augenschein genommen und nicht nur eines Monats wäre das Prüfungsteam zu einer gerechteren Bewertung gekommen (Frage 18.4).

Abschließend zitieren wir aus dem MDK-Prüfbericht. Dort heißt es wörtlich:"Es fällt sehr positiv aus, dass sich die Einrichtung im Bereich der Strukturqualität auf einem hohen Qualitätsniveu befindet." Und weiter: "Das während der Qualitätsprüfung erlebte pflegerische Handling der Mitarbeiter mit den Bewohnern wurde als sehr umsichtig empfunden. " Und noch ein letztes Zitat: "Der Pflegezustand aller Bewohner war sehr gut."

Am 28. Dezember 2009 stellte der Antragsteller den hier streitigen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Die Benotungen im Transparenzbericht seien insbesondere im Bereich "Pflege und Medizinische Versorgung" vielfach falsch. Potentielle Heimbewohner und deren Angehörige würden sich wahrscheinlich nicht für eine Einrichtung entscheiden, die im Kernbereich "Pflege und Medizinische Versorgung" nur mit "ausreichend" beurteilt worden sei. Der Transparenzbericht benachteilige den Antragsteller im Wettbewerb. Seine Berufsausübungsfreiheit aus Artikel 12 des Grundgesetzes (GG) werde beeinträchtigt. Entgegen der allgemeinen Praxis der Antragsgegner sei nur in seinem Falle trotz der von ihm erhobenen Einwände ohne erneute Prüfung des MDK die Veröffentlichung veranlasst worden.

Der Antragsteller beantragt, 1.den Antragsgegnern zu untersagen, den aufgrund der Prüfung des MDK vom 21. Oktober 2009 erstellten Transparenzbericht nach den §§ 114 ff SGB XI über die Qualität der stationären Pflegeeinrichtung ( ...) im Internet oder auf anderem Wege zu veröffentlichen. 2.festzustellen, dass der Antragsteller nicht verpflichtet ist, das Ergebnis des Transparenzberichts in der Einrichtung ( ...) auszuhängen.

Die Antragsgegner beantragen, den Antrag zurückzuweisen.

Sie tragen vor, die Veröffentlichung entspreche der gesetzlichen Regelung des § 115 Abs. 1 a SGB XI. Eine Fehlerhaftigkeit des MDK-Prüfberichts sei nicht erkennbar. Eine Rufschädigung der Einrichtung des Antragstellers sei nicht zu befürchten, da die Darstellung des Transparenzberichts durch einen Kommentar der Einrichtung ergänzt werden könne. Im Übrigen seien - so die Antragsgegner - die Grundrechte der Heimbewohner (körperliche Unversehrtheit, freie Entfaltung der Persönlichkeit und Menschenwürde) eindeutig vorrangig gegenüber dem Recht des Antragstellers auf freie Berufsausübung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstande wird auf die Streitakten und die Verwaltungsakten der Antragsgegner Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.

Die Statthaftigkeit des Antrags folgt aus § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Nach dieser Vorschrift kann das Gericht, soweit kein Fall nach § 86 b Abs. 1 SGG vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Einstweiliger Rechtsschutz ist vorliegend nicht durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gemäß § 86 b Abs. 1 SGG zu gewährleisten, weil es sich bei der Veröffentlichung des Transparenzberichts nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Ihr fehlt der Regelungscharakter des § 31 SGB X. Die Veröffentlichung erfolgt ohne Setzung eines eigenen Rechtsaktes unmittelbar auf der Grundlage des Gesetzes als sogenannter Realakt. Geht es - wie hier - um die Beendigung eines Eingriffs durch schlichtes Verwaltungshandeln, ist der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG der statthafte Rechtsbehelf.

Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist sowohl ein Anordungsanspruch (d. h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines materiellen Leistungsanspruchs) als auch ein Anordnungsgrund (d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), die glaubhaft zu machen sind (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 der Zivilprozessordnung - ZPO - ). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebotes, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG), ist von diesem Grundsatz jedoch dann abzuweichen, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare später nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Weiter ist zu berücksichtigen, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern dass eine Wechselbeziehung besteht. Die Anforderungen an den Anordnungsanspruch sind mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (vgl. Keller in Mayer-Ladewig, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86 b Rdnr. 29).

Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind nach Auffassung der Kammer hinreichend glaubhaft gemacht.

Ein Anordnungsgrund ist gegeben, weil dem Antragsteller durch den bereits veröffentlichten Transparenzbericht die Gefahr eines erheblichen fortwährenden Reputationsschadens droht, der durchaus geeignet ist, zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen und wirtschaftlichen Schäden zu führen. Für den Qualitätsbereich "Pflege und Medizinische Versorgung" weist der Transparenzbericht die Note "ausreichend" aus. Allein in diesem Bereich wird bei 13 der 35 Einzelkriterien die Note "mangelhaft" vergeben. Bereits das erste "mangelhaft" für das Kriterium "Entspricht die Medikamentenversorgung den ärztlichen Anordnungen" (Frage Nr. 3) ist bereits für sich geeignet, potentielle Heimbewohner abzuschrecken. Dem Antragsteller steht als Betreiber einer Pflegeeinrichtung das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) zu. Seine hieraus folgenden Rechte könnten bei einer rechtswidrigen Veröffentlichung des Transparenzberichts irreversibel verletzt werden.

Ferner ist auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat nach Auffassung der Kammer einen Anspruch auf Beendigung der Veröffentlichung des Berichts.

Nach der gesetzlichen Regelung (§ 115 Abs. 1 a Satz 1 SGB XI) stellen die Landesverbände der Pflegekassen sicher, dass die von Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität, insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität, für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen verständlich, übersichtlich und vergleichbar sowohl im Internet als auch in anderer geeigneter Form kostenfrei veröffentlicht werden. Die gesetzliche Vorschrift lautet weiter:

"Hierbei sind die Ergebnisse der Qualitätsprüfungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sowie gleichwertige Prüfergebnisse nach § 114 Abs. 3 und 4 zugrunde zu legen; sie können durch in anderen Prüfverfahren gewonnene Informationen, die die von Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität, insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität, darstellen, ergänzt werden. Personenbezogene und personenbeziehbare Daten sind zu anonymisieren. Ergebnisse von Wiederholungsprüfungen sind zeitnah zu berücksichtigen. Das Datum der letzten Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung, eine Einordnung des Prüfergebnisses nach einer Bewertungssystematik sowie eine Zusammenfassung der Prüfergebnisse sind an gut sichtbarer Stelle in jeder Pflegeeinrichtung auszuhängen. Die Kriterien der Veröffentlichung einschließlich der Bewertungssystematik sind durch den Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände bis zum 30. September 2008 unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen zu vereinbaren."

Die nach dieser Bestimmung (§ 115 Abs. 1 a Satz 6 SGB XI) erforderliche Vereinbarung haben die im Gesetz genannten Vertragspartner unter dem 17. Dezember 2008 geschlossen. Auf der Grundlage dieser Vereinbarung und ihrer Anlagen wurde der in Rede stehende Transparenzbericht erstellt.

Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung genügt der Bericht jedoch nicht den gesetzlichen Anforderungen. Seine Veröffentlichung würde den Antragsteller in seinem Grundrecht der Berufsfreiheit verletzen.

Art. 12 Abs. 1 GG gewährt das Recht, den Beruf frei zu wählen und frei auszuüben. Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann die Berufsausübung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Auch wenn dem Gesetzgeber im Bereich der Berufsausübungsregelungen ein erheblicher Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zusteht, muss nach dem BVerfG jede Beeinträchtigung der Berufsfreiheit geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein (vgl. etwa BVerfGE 106, 181 / 191 f). Speziell zum Problem der Verbreitung marktbezogener Informationen des Staates - um das es auch vorliegend geht - hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 26. Juni 2002 (BVerfGE 105, 252 ff) dargelegt, dass die Veröffentlichung solcher Informationen den grundrechtlichen Gewährleistungsanspruch von betroffenen Wettbewerbern aus Art. 12 GG nur dann nicht beeinträchtigt, wenn bei Vorliegen einer staatlichen Aufgabe insbesondere die Anforderungen an die Richtigkeit und Sachlichkeit der Informationen beachtet würden. Blieben - so das BVerfG - selbst nach sorgsamer Aufklärung des Sachverhalts im Rahmen des Möglichen Unsicherheiten in tatsächlicher Hinsicht, könnte eine Verbreitung der - unsicheren - Informationen zulässig sein, wenn sie im öffentlichen Interesse läge und die Marktteilnehmer auf die verbleibenden Unsicherheiten hingewiesen würden (BVerfG aaO, S. 272).

Eine - verfassungskonforme - Auslegung des § 115 Abs. 1 a SGB XI unter Beachtung der aufgezeigten Maßstäbe des BVerfG kann nach Auffassung der Kammer nur zu dem Ergebnis führen, dass die vom Gesetz vorgesehene Veröffentlichung von Berichten über Qualitätsprüfungen grundsätzlich nur auf der Grundlage zutreffender Tatsachenfeststellungen erfolgen darf. Sind - wie im Falle des Antragstellers - aufgrund seines substantiellen Vorbringens gegen die Feststellungen im Prüfbericht erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Prüfergebnisses gerechtfertigt, haben die Antragsgegner die Pflicht, diesen Zweifeln vor der Veröffentlichung etwa durch die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des MDK oder durch eine weitere Qualitätsprüfung nachzugehen. Die gesetzliche Bestimmung des § 115 Abs. 1 a SGB XI erlaubt nicht die Veröffentlichung zweifelhafter Berichte. Zwar erscheint eine zeitnahe, für die Antragsgegner mit keinem bürokratischen Aufwand verbundene Veröffentlichung wünschenswert. Ist aber - um die Anforderung des BVerfG wieder aufzunehmen - der Sachverhalt im Rahmen des Möglichen noch nicht sorgsam aufgeklärt, muss solange die Veröffentlichung unterbleiben. Die Kammer verkennt nicht, dass es von großer Bedeutung für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen ist, über Informationen über die in den Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität verfügen zu können. Diesem Verbraucherinteresse und dem Ziel der Qualitätsentwicklung in der Pflege können aber nur "verlässliche Informationen" dienen (vgl. hierzu die Gesetzesbegründung zum Pflege- Weiterentwicklungsgesetz, BT-Drucks. 16/7439, S. 217).

Die Auswirkungen der Veröffentlichung von Transparenzberichten dürfen auch nicht bagatellisiert werden. Auch wenn der veröffentlichte Transparenzbericht für die "Verbraucher" nicht die einzige Entscheidungsgrundlage für die Auswahl einer Pflegeeinrichtung sein wird, dürften die Marktchancen einer Einrichtung, die - wie hier die des Antragstellers - in wesentlicher Hinsicht, nämlich im Qualitätsbereich "Pflege und Medizinische Versorgung", mit "ausreichend" bewertet worden ist, einen dauerhaften Schaden erleiden.

Abgesehen davon, dass die Veröffentlichung des Transparenzberichts mithin schon deshalb vorläufig zu unterbleiben hat, weil eine hinreichend sichere Tatsachenfeststellung nicht gegeben ist, dürfte nach Auffassung der Kammer der umstrittene Bericht auch noch aus anderen Erwägungen den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen. Denn das Gesetz hebt im § 115 Abs. 1 a Satz 1 SGB XI besonders hervor, dass die von Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität "insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualtität" veröffentlicht werden sollen. Diesem Anspruch dürften die auf der Grundlage der Transparenzvereinbarung vom 17. Dezember 2008 und ihrer Anlage 3 ("Ausfüllanleitungen für die Prüfer") erstellten Transparenzberichte nicht genügen.

Im Unterschied zur Strukturqualität, bei der es um die technischen und personellen Rahmenbedingungen von Pflege geht, und im Unterschied zur Prozessqualität, die den Pflege- und Versorgungsablauf und ihre Dokumentation betrifft, bezieht sich die Ergebnis- und Lebensqualität auf das erreichte Ergebnis der geleisteten Pflege. Auch wenn einzuräumen ist, dass zwischen den genannten Qualitätsebenen eine Wechselwirkung besteht und dass die vom MDK angewandten Prüfkriterien zum Teil auch auf die Erfassung von Ergebnis- und Lebensqualität zielen, so erscheint dennoch die von vielen Einrichtungen in ihren Kommentaren zu den bereits veröffentlichten Transparenzberichten geäußerte Kritik, vom MDK würden primär Dokumentationsdefizite festgestellt, nicht unberechtigt.

Bei einer Durchsicht der einzelnen benoteten Kriterien unter Berücksichtigung der "Ausfüllanleitung" für die MDK-Prüfer, lassen sich zahlreiche Beispiele anführen, die diese Kritik als gerechtfertigt erscheinen lassen.

Bereits die erste - zudem besonders nebulös formulierte - Frage des umfassenden Katalogs ("Ist bei Bedarf eine aktive Kommunikation mit dem Arzt nachvollziehbar?") zielt nicht auf die Feststellung, ob erforderlichenfalls Kontakt mit einem Arzt aufgenommen wird, sondern ob dies aus der Pflegedokumentation erkennbar ist. Die zweite Frage - "Entspricht die Durchführung der behandlungspflegerischen Maßnahmen den ärztlichen Anordnungen?" - ist nach den Ausfüllanleitungen (Rdnr. 2 bb) nur mit "Ja" zu beantworten, wenn die Durchführung solcher Maßnahmen fachgerecht und eindeutig dokumentiert wird. Die dritte Frage ("Entspricht die Medikamentenversorgung den ärztlichen Anordnungen?") kann nach den Ausfüllanleitungen (Rdnr. 2 bb) nur bejaht werden, wenn u. a. die "vollständigen Medikamentennamen" dokumentiert werden. Ob die Medikamentenversorgung in der Sache korrekt erfolgt, ist nicht Gegenstand der Prüfung. Diese Aufzählung ließe sich fortführen. Das "Wohlbefinden von Bewohnern mit Demenz" hat nach den Prüfkritierien z.B. nur Relevanz, wenn es "ermittelt und dokumentiert" (Frage Nr. 39) ist. Die Sterbebegleitung erfordert die "Basis eines Konzepts" (Frage Nr. 53).

Die Kammer verkennt nicht, dass der Dokumentation in der Pflege eine große Bedeutung zukommt. So sind etwa die Fragen nach der Dokumentation bei chronischen Wunden oder Dekubitus sicherlich gerechtfertigt. Das Maß, in dem die Pflegeeinrichtungen diesen Anforderungen entsprechen, betrifft allerdings nicht die Ergebnisqualität, auf die es nach dem Gesetz insbesondere ankommen soll, sondern die Prozessqualität. Eine hohe Ergebnisqualität ist z. B. erreicht, wenn eine Pflegeeinrichtung - etwa durch eine Aktivierung und Bewegung seiner Bewohner - es schafft, die Zahl der Bewohner mit Dekubitus zu minimieren.

Zuzugeben ist, dass die Ergebnis- und Lebensqualität schwer zu bemessen und Mängel in der Dokumentation leicht aufzuzeigen sind. Dies kann jedoch ein Bewertungssystem nicht rechtfertigen, das die Einrichtungen nötigt, auf Kosten ihrer eigentlichen Aufgabe noch mehr in die Dokumentation zu investieren.

Bei ihrer Auffassung, dass die auf dem Boden der aktuellen Prüfkriterien des MDK erstellten Transparenzberichte nicht den gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität genügen, kann sich die Kammer auch auf die Transparenzvereinbarung vom 17. Dezember 2008 stützen. In dem dieser Vereinbarung vorangestellten Vorwort heißt es nämlich, dass die Vertragsparteien die Vereinbarung in dem Wissen geschlossen hätten, dass es "derzeit keine pflegewissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über valide Indikatoren der Ergebnis- und Lebensqualität der pflegerischen Versorgung in Deutschland gibt." Deshalb sei die Vereinbarung als vorläuftig zu betrachten. Es bestehe Einvernehmen, diese Vereinbarung anzupassen, sobald "pflegewissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse über Indikatoren der Ergebnis- und Lebensqualität" vorlägen. Dabei würden die Ergebnisse des vom Bundesministerium für Gesundheit und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend begleiteten "Modellprojekt(s) Messung Ergebnisqualität in der stationären Altenpflege" zu berücksichtigen sein. Mit Ergebnissen sei Ende 2010 zu rechnen.

Solange jedoch "valide Indikatoren der Ergebnis- und Lebensqualität" überhaupt nicht vorliegen, kann es nach Ansicht der Kammer auch keine Prüfberichte geben, die der gesetzlichen Anforderung des § 115 Abs. 1 a Satz 1 SGB XI genügen können, nach der die erbrachten Leistungen der Pflegeeinrichtungen ausdrücklich insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität zu beurteilen sind. Prüfberichte, die diesem Anspruch nicht entsprechen, sind rechtswidrig und verletzen das Grundrecht der Einrichtungsträger aus Art. 12 GG. Die Einrichtungsträger haben deshalb das Recht, die Unterlassung der Veröffentlichung solcher Berichte zu verlangen.

Soweit die Antragsgegner vortragen, die Grundrechte der Heimbewohner auf körperliche Unversehrtheit, freie Entfaltung der Persönlichkeit und Menschenwürde hätten nach ihrer Auffassung eindeutig Vorrang gegenüber dem Recht des Einrichtungsträgers auf freie Berufsausübung, geht diese Argumentation fehl. Nach Auffassung der Kammer besteht für eine Abwägung des wirtschaftlichen Schadens des Antragstellers mit den schutzwürdigen Belangen der Heimbewohner überhaupt kein Anlass (anderer Ansicht Sozialgericht Köln, Beschluss vom 28. Januar 2010, Az.: S 23 P 234/09 ER). Eine das Grundrecht der Berufsfreiheit des Antragstellers verletzende gesetzeswidrige Veröffentlichung eines Transparenzberichts kann kein Mittel sein, grundrechtsrelevante Pflegedefizite zu verhindern. Lägen im Falle des Antragstellers tatsächlich so gravierende Qualitätsmängel vor, wie sie die Noten im Bereich "Pflege und Medizinische Versorgung" suggerieren, könnten diesen Mängeln mit einem Einschreiten der Heimaufsicht, einem Maßnahmebescheid gemäß § 115 Abs. 2 SGB XI oder sogar mit einer Kündigung des Versorgungsvertrages begegnet werden.

Gegen das Vorliegen gravierender Pflegemängel spricht allerdings bereits der Umstand, dass die Pflegeeinrichtung des Antragstellers in den Qualitätsbereichen "Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung" und "Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene" und bei der Befragung der Bewohner als Gesamtnote jeweils die Bestnote "1,0" erhalten hat. Hinzu kommt, dass im Prüfbericht des MDK festgestellt wurde: "Der Pflegezustand der Bewohner war sehr gut".

Nach alledem musste der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz Erfolg haben und die Antragsgegner verpflichtet werden, ab sofort die Veröffentlichung des Transparenzberichts aufgrund der MDK-Prüfung am 07. Oktober 2009 zu unterlassen. Nur zur Klarstellung hat die Kammer auch festgestellt, dass der Antragsteller nicht verpflichtet ist, eine Zusammenfassung der Qualitätsprüfung in der Pflegeeinrichtung auszuhängen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Da der bisherige Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, war unter Berücksichtigung der Verfahrensart des vorläufigen Rechtsschutzes die Hälfte der Auffangwertes anzusetzen.
Rechtskraft
Aus
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