S 12 KA 546/09

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 546/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Widerspruch ist nur dann erfolgreich i. S. des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne besteht (vgl. BSG v. 21.07.1992 - 4 RA 20/91 - SozR 3-1300 § 63 Nr. 3, juris Rdnr. 18; BSG v. 29.01.1998 - B 12 KR 18/97 R - SozR 3-1500 § 144 Nr. 13, juris Rdnr. 23; anders LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 27.05.2009 – L 3 KA 85/06 – juris Rdnr. 24, Revision anhängig: B 6 KA 29/09 R).
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Rechtsanwaltskosten in einem Widerspruchsverfahren gegen die Absenkung der Abschlagszahlungen.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 04.04.2007 mit, dass sie die monatlichen Abschlagszahlungen ab April 2007 von 24.000 EUR auf 20.500 EUR absenken werde.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben mit Schreiben vom 15.04.2007 Widerspruch ein.

Die Beklagte teilte dem Kläger unter Datum vom 10.05.2007 mit, mittlerweile läge die Positiventscheidung des Vorstandes bezüglich des Widerspruchs der Klägerin gegen die vorgenommene Kürzung im Rahmen der Ausgleichsregelung gemäß Ziffer 7.5 HVV vor sowie der Honoraranspruch aus den Quartalen III und IV/06. Unter Berücksichtigung dieser beiden Faktoren habe sie eine Neuberechnung der monatlichen Abschlagszahlungen vorgenommen. Die Neuberechnung habe ergeben, dass sie ab Mai 2007 eine monatliche Abschlagszahlung von 24.700 EUR zahlen werde.

Daraufhin erklärten die Beteiligten das mit Schriftsatz vom 05.05.2007 bei der Kammer beantragte einstweilige Anordnungsverfahren zum Aktenzeichen S 12 KA 103/07 ER übereinstimmend für erledigt.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 14.05.2007 die Erstattung der Kosten für das Widerspruchsverfahren gemäß § 63 SGB X.

Die Beklagte bat unter Datum vom 26.06.2007 den Kläger um Stellungnahme, ob das Widerspruchsverfahren – nachdem die Abschlagszahlung ab Mai 2007 i. H. v. 24.700 EUR geleistet werde – abgeschlossen werden könne. Die angekündigte Kostenrechnung solle eingereicht werden.

Daraufhin reichte der Kläger unter Datum vom 06.07.2007 eine Kostenrechnung, ausgehend von einem Gegenstandswert i. H. v. 151.200 EUR (36 x 4.200 EUR), i. H. v. insgesamt 2.475,80 EUR ein.

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21.08.2007 mit, dass ein erfolgreicher Widerspruch nicht vorliege, da letztlich die Anpassung der monatlichen Abschlagszahlung auf an die Klägerin geleisteten Zahlungen beruhten, deren Grundlage die Aussetzung der Ausgleichsregelung gewesen sei. Der Kläger teilte unter Datum vom 30.08.2007 mit, erst aufgrund des Widerspruchs in Verbindung mit der Beantragung der Einstweiligen Anordnung habe die Beklagte dem Widerspruch abgeholfen. Es liege deshalb ein erfolgreicher Widerspruch vor.

Die Klägerin legte ferner unter Datum vom 16.11.2007 gegen den Bescheid vom 21.08.2007 Widerspruch ein. Sie wies nochmals auf ihren erfolgreichen Widerspruch hin.

Die Klägerin erhob am 21.02.2008 vor der Kammer zum Aktenzeichen S 12 KA 56/08 Untätigkeitsklage.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.2008 den Widerspruch der Klägerin gegen die Anpassung der monatlichen Abschlagszahlungen ab April 2007 zurück.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2009 den Widerspruch bezüglich der Kosten für das Widerspruchsverfahren als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren wegen der Absenkung der Abschlagszahlungen. Eine Kostenerstattung erfolge nur dann, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne bestehe. Auch im Falle einer Erledigung aus anderen Gründen könne dies der Fall sein, wenn die Erledigung unmittelbar Ausdruck der Durchsetzung einer im Widerspruchsverfahren streitigen Rechtsposition sei (vgl. LSG Hessen, Urteil vom 26.09.2007 – L 4 KA 15/07). Grundlage für die Erhöhung der monatlichen Abschlagszahlungen sei aber hier einzig die erkennbare Honorarentwicklung aufgrund der zwischenzeitlich vorliegenden Honorardaten für die Quartale III und IV/06 gewesen und die Nachvergütung für die Quartale I und II/06 i. H. v. insgesamt 48.533,30 EUR. Unabhängig davon sei die vorherige Absenkung der Abschlagszahlung nicht zu beanstanden. Maßgebend für die Abschlagszahlung sei das festgesetzte Honorar, unabhängig davon, ob noch Rechtsmittelverfahren anhängig seien. Das Schreiben vom 26.06.2007, in dem um Einreichung einer anwaltlichen Kostenrechnung gebeten worden sei, sei kein Anerkenntnis für die Tragung der Kostenlast dem Grunde nach. Die Beteiligten seien zum damaligen Zeitpunkt davon ausgegangen, dass mit der Erhöhung der Abschlagszahlung das Widerspruchsverfahren erledigt sei. Aufgrund der Forderung der Klägerin sei eine Entscheidung über die Kosten auszusprechen gewesen. Die Anforderung der Kostenrechnung habe lediglich der Vorbereitung und der Vervollständigung der Unterlagen gedient, um überhaupt eine Kostenentscheidung treffen zu können. Aufgrund des damaligen Sach- und Streitstandes in dem seinerzeit parallel verlaufenden Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung vor dem Sozialgericht Marburg habe auch keinerlei Veranlassung bestanden, ein Anerkenntnis zu erklären.

Hiergegen hat die Klägerin am 11.08.2009 die Klage erhoben. Sie ist weiterhin der Auffassung, der Widerspruch sei erfolgreich gewesen. Die Erhöhung der Klageforderung ergebe sich aus einer 0,3 Erhöhungsgebühr für einen weiteren Auftraggeber. Die Beklagte habe die Kosten dem Grunde nach bereits anerkannt gehabt.

Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 21.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 08.07.2009 die Beklagte zu verpflichten, ihre außergerichtlichen Kosten im Widerspruchsverfahren i. H. v. 3.041,64 EUR nebst 5 % Zinspunkten über dem Basiszinssatz seit 20.07.2009 festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung, der Widerspruch vom 16.04.2007 sei nicht alleine deshalb als erfolgreich zu werten, weil die Abschlagszahlung angehoben worden sei. Es fehle vielmehr an dem erforderlichen kausalen Zusammenhang zwischen Widerspruch und der angestrebten Erhöhung der Abschlagszahlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der Beratungen gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Sie konnte dies ohne mündliche Verhandlung tun, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 08.07.2009 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, ihre außergerichtlichen Kosten im Widerspruchsverfahren i. H. v. 3.041,64 EUR nebst 5 % Zinspunkten über dem Basiszinssatz seit 20.07.2009 festzusetzen. Die Klage war abzuweisen.

Rechtsgrundlage der Erstattungsforderung der Klägerin ist § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach ihr hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren sind erstattungsfähig, wenn die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war (§ 63 Abs. 2 SGB X).

Ein Widerspruch hat dann Erfolg i. S. des Gesetzes, wenn die Behörde ihm stattgibt. Es kommt nicht darauf an, was der Widersprechende zur Begründung seines Rechtsbehelfs vorgebracht hat und welche Gründe zum Stattgeben des Widerspruchs geführt haben. Der Widerspruch ist jedoch nur dann erfolgreich i. S. des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne besteht (vgl. BSG v. 21.07.1992 - 4 RA 20/91 - SozR 3-1300 § 63 Nr. 3, juris Rdnr. 18; BSG v. 29.01.1998 - B 12 KR 18/97 R - SozR 3-1500 § 144 Nr. 13, juris Rdnr. 23). Soweit LSG Niedersachsen-Bremen (Urt. v. 27.05.2009 – L 3 KA 85/06 – juris Rdnr. 24, Revision anhängig: B 6 KA 29/09 R) der Auffassung ist, für die Beantwortung der Frage, ob der Widerspruch erfolgreich im Sinne des § 63 SGB X war, komme es nicht auf eine kausale Verknüpfung zwischen Widerspruch und Abhilfeentscheidung an, weshalb eine Kostenerstattung auch zu erfolgen habe, wenn die Abhilfe auf einer zwischenzeitlich eingetretenen Änderung der Sach- oder der Rechtslage zu Gunsten des Widerspruchsführers beruht, so ist dem in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen. Bereits aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift folgt, dass zwischen der Widerspruchseinlegung und dem Erfolg ein Zusammenhang bestehen muss.

Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass keinerlei ansatzweise Ursächlichkeit der Widerspruchseinlegung und der bereits ab Mai 2007 erfolgten höheren Abschlagszahlung besteht. Zum einen hat die Beklagte bereits nicht dem Widerspruch für die Vergangenheit abgeholfen. Zum anderen weist die Beklagte zutreffend daraufhin, dass die Höhe der Abschlagszahlung sich allein nach der zu erwartenden Vergütung bemisst. Insofern war von der Beklagten noch Ziffer 8.3 des ab Quartal II/05 geltenden Honorarverteilungsantrages anzuwenden, da der Honorarverteilungsvertrag in der Fassung der Entscheidung des Landesschiedsamt für die vertragsärztliche Versorgung in Hessen vom 01.11.2007 für die Zeit vom 01.04. bis 31.12.2007 noch nicht vorlag. Im Übrigen beschränkt sich letzterer weitgehend auf materielle Honorarverteilungsregelungen und statuiert jedenfalls keine weitergehende Anspruchsgrundlage. Nach Ziffer 8.3 HVV werden auf die Honorarforderungen des zugelassenen Arztes bzw. Psychotherapeuten monatliche Abschlagszahlungen geleistet, deren Höhe sich an der zu erwartenden Honorargutschrift orientieren. Die Restzahlung erfolgt unmittelbar nach Fertigstellung der Arbeiten an der jeweiligen Quartalsabrechnung. Einzelheiten zur Ermittlung der Höhe der Abschlagszahlungen sowie zu den Zulassungsmodalitäten regelt der Vorstand der KV Hessen.

Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass maßgeblich für die Berechnung der Abschlagszahlungen zunächst der festgesetzte Honoraranspruch im jeweiligen Honorarbescheid ist. Das LSG Hessen hat bereits in seinem Beschluss vom 31.08.2007 – L 4 B 230/07 KA – darauf hingewiesen, dass die Beklagte die Abschlagszahlung zutreffend berechnet hat, wobei der Klägerin ohnehin kein Anspruch auf Abschlagszahlung in einer ganz bestimmten Höhe zustehe. Die Abschlagszahlungen seien lediglich an der zu erwartenden Honorargutschrift zu orientieren. Dem sei die Beklagte nachgekommen. Erst aufgrund einer später erkennbar gewordenen Honorarentwicklung sowie eines Vorstandsbeschlusses zur Vermeidung von Honorarverwerfungen gemäß Ziffer 7.5 des Honorarverteilungsvertrages sei die Erhöhung der monatlichen Abschlagszahlungen durch die Beklagte möglich geworden.

Die Beklagte weist ferner zutreffend darauf hin, dass in ihrem Schreiben vom 26.06.2007 kein Kostenanerkenntnis dem Grunde nach abgegeben worden ist. Insofern handelt es sich lediglich um eine Anforderung der Kostenrechnung, da über die Kosten noch nicht entschieden worden war.

Im Übrigen bestehen auch Bedenken hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Kosten. Vertritt ein Rechtsanwalt eine vertragsärztliche Gemeinschaftspraxis in vertragsarztrechtlichen Streitigkeiten gegenüber Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung, so war auch vor der Anerkennung der Rechtsfähigkeit von BGB-Gesellschaften der gebührenrechtliche Erhöhungstatbestand der Tätigkeit für mehrere Auftraggeber nicht erfüllt (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.2004 – B 6 KA 15/04 R - SozR 4-1930 § 6 Nr. 1 = ZMGR 2005, 107 = GesR 2005, 229 = USK 2004-142). Dies gilt erst recht für die Zeit nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit von BGB-Gesellschaften. Im Hinblick auf die letztlich quartalsweise festzusetzende Höhe der Abschlagszahlung kann auch nicht von einem dreifachen Jahreswert ausgegangen werden. Die Höhe des Streitwerts kann aber letztlich dahinstehen, da bereits dem Grunde nach kein Anspruch auf Kostenerstattung besteht.

Nach allem war die die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung in § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Rechtskraft
Aus
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