Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KN 225/08 U
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 KN 212/09 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 07.08.2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des Berufungsverfahrens bleibt dem Sozialgericht vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Entschädigung wegen Folgen eines Arbeitsunfalls am 26.09.2006.
Der am 00.00.1961 geborene Kläger erlitt am 26.09.2006 als Hauer unter Tage einen Arbeitsunfall, als er beim Tragen von Klemmbockbühnenteilen auf einen Gesteinsbrocken trat, umknickte und sich das linke Knie verdrehte. Mit Bescheid vom 24.07.2007 erkannte die Beklagte als Folge des Arbeitsunfalls eine Muskelminderung im linken Oberschenkel, Schwellneigung über dem linken Kniegelenk sowie Beschwerden an. Unfallunabhängig bestünden degenerative Veränderungen im linken Kniegelenk. Anspruch auf Rente wegen der Folgen des Unfalls bestehe nicht. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) messbaren Grades wegen der Folgen des Unfalls ergebe sich nicht. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2008 zurückgewiesen.
Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger behauptet, die Folgen des Arbeitsunfalls am 26.09.2006 hätten sich zwischenzeitlich verschlechtert. Bei geringsten Belastungen schwelle das linke Knie regelmäßig an. Die erhebliche Muskelminderung im linken Oberschenkel bestehe fort.
Die Beklagte hat die angefochtenen Entscheidungen verteidigt.
Mit einfachem Brief hat das SG den Kläger am 01.12.2008 darauf hingewiesen, keine weitere medizinische Sachaufklärung von Amts wegen durch Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten zu betreiben. Unter Hinweis auf die Regelungen des § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) werde der Kläger gebeten, bis 02.01.2009 einen bestimmten Antrag zu stellen. Mit am 23.12.2008 bei dem SG eingegangenem Schreiben beantragte der Kläger die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG von Dr. C aus S. Am 29.12.2008 gab das SG dem Kläger auf, bis spätestens 30.01.2009 einen Vorschuss auf die Kosten nach § 109 SGG in Höhe von EUR 1.500,00 zu entrichten. Mit Schreiben vom 03.02.2009 änderte der Kläger seinen Antrag und beantragte nunmehr Prof. Dr. H aus I gemäß § 109 SGG als Sachverständigen zu hören. Am 06.02.2009 wurde der Vorschuss auf die Kosten in Höhe von EUR 1.500,00 bei der Oberjustizkasse Hamm eingezahlt. (Die Zahlungsanzeige ging am 16.02.2009 bei dem SG ein.) Mit einfachem Brief vom 09.02.2009 teilte das SG dem Kläger mit, der aufgegebene Vorschuss auf die Kosten sei bei der Staatskasse nicht fristgerecht eingegangen. Die Sache sei "zur Sitzung" geschrieben. Mit Schreiben vom 12.02.2009 forderte der Kläger das Gericht unter Bezugnahme auf die zwischenzeitlich erfolgte Einzahlung des Vorschusses auf, nunmehr das Gutachten von Prof. Dr. H einzuholen. Mit Schreiben vom 17.02.2009 teilte das SG dem Kläger mit, wegen der nicht fristgerechten Einzahlung des Vorschusses werde das Gutachten gemäß § 109 SGG nicht eingeholt. Mit Schreiben vom 21.02.2009 wies der Kläger darauf hin, dass das Fristversäumnis bezüglich der Einzahlung des Kostenvorschusses nicht zu einer Verfahrensverzögerung geführt habe und nach wie vor die Möglichkeit bestünde, das Gutachten einzuholen.
Am 04.03.2009 hat das SG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 07.08.2009 bestimmt. Mit weiterem Schreiben vom 14.05.2009 forderte der Kläger erneut das SG dazu auf, das Gutachten nach § 109 SGG einzuholen. Daraufhin teil das SG dem Kläger unter dem 15.05.2009 mit, über die Einholung des Gutachtens gemäß § 109 SGG werde die Kammer in der mündlichen Verhandlung entscheiden. In der Niederschrift der öffentlichen Sitzung des SG am 07.08.2009 ist eine wiederholte Antragstellung nach § 109 SGG nicht protokolliert.
Mit Urteil vom 07.08.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich auf die Feststellungen in den angefochtenen Entscheidungen der Beklagten gestützt. Zur Frage der Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG schweigt das Urteil.
Zur Begründung der dagegen eingelegten Berufung wiederholt der Kläger sein Vorbringen. Das SG habe seinem Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG entsprechen müssen. Das SG habe die geringfügige Überschreitung der Frist zur Einzahlung des Kostenvorschusses zum Anlass genommen, das Gutachten nach § 109 SGG nicht einzuholen, dies sei schlichtweg unverständlich. Obwohl der Vorschuss auf die Kosten nach § 109 SGG am 06.02.2009 bei der Oberjustizkasse Hamm eingezahlt worden sei, habe das SG erst in der mündlichen Verhandlung am 07.08.2009 über das Klagebegehren entschieden. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte das beantragte Gutachten des Prof. Dr. H bereits vorliegen und Gegenstand der Sachentscheidung sein können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 07.08.2009 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 24.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2008 zu verurteilen, dem Kläger aus Anlass des Arbeitsunfalles vom 26.09.2006 eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren,
hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Für die Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten für den Kläger Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist im Sinne des Hilfsantrags begründet. Die bisherigen Tatsachenfeststellungen reichen für eine Sachentscheidung nicht aus, da das erstinstanzliche Verfahren an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG).
Das erstinstanzliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel, wenn das SG auf dem Weg zu einer abschließenden Entscheidung eine das Klageverfahren regelnde Verfahrensvorschrift verletzt hat. Wesentlich ist dieser Mangel, wenn die Entscheidung des SG auf der Verletzung der Verfahrensvorschrift beruhen kann (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 159 Rdnr. 3 a mwN). So liegt der Fall hier.
Im sozialgerichtlichen Verfahren ist gem. § 109 Abs. 1 SGG auf Antrag des Versicherten, ein bestimmter Arzt gutachtlich zu hören. Die Anhörung kann von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden (§ 109 Abs. 1 S. 2 SGG). Die Anhörung kann nur unter den Voraussetzungen des 109 Abs. 2 SGG abgelehnt werden, wenn der Antrag entweder (lediglich) in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Bei einer Zulassung des Beweisantrags müsste es zudem zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits kommen. Diese Voraussetzungen für die Ablehnung des Antrags liegen nicht vor.
Der Kläger hat innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist beantragt, Dr. C als Sachverständigen zu hören, insoweit besteht keine Veranlassung, die Einholung des Gutachtens abzulehnen.
Der Antrag gem. § 109 SGG hätte jedoch auch nicht wegen der erst am 06.02.2009 erfolgten Zahlung des angeforderten Kostenvorschusses abgelehnt werden dürfen. Grundsätzlich gilt, dass § 109 Abs.2 SGG entsprechend anzuwenden ist, wenn der Vorschuss erst nach Fristablauf gezahlt wird (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 109 Rdnr. 14c). Dabei kann dahin stehen, ob mit Verfügung vom 29.12.2008 wirksam eine richterliche Frist (vgl. § 65 SGG) gesetzt worden ist, deren Überschreitung zur Zurückweisung eines Antrags nach § 109 SGG berechtigte, obwohl diese Verfügung nicht zugestellt worden ist (§ 63 Abs.1 SGG, vgl. im Übrigen: Keller in Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 63 Rdnr. 3, § 109 Rdnr. 11; LSG NRW, Beschluss vom 09.05.2006, L 1 B 6/06 AL). Die vom Sozialgericht gesetzte Frist ist bereits nicht angemessen. Angemessen ist eine Frist, wenn innerhalb der Zeitspanne vom Zugang der Verfügung bis zum Fristablauf üblicherweise erwartet werden kann, dass die verfügte Auflage erfüllt wird. Ob zur Abwicklung der Einzahlung eines Kostenvorschusses die Frist von einem Monat ausreicht (vgl. (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 109 Rdnr. 11 mwN) kann dahin stehen, da die vorliegend gesetzte Frist dem Kläger weniger als einen Monat Zeit ließ, um den Kostenvorschuss einzuzahlen. Das Sozialgericht musste damit rechnen, dass die erst am 30.12.2008 abgesandte Verfügung - angesichts des Jahreswechsels -, dem Klägerbevollmächtigten nicht vor dem 02.01.2009 zugeht, so dass bis zum 30.01.2009 lediglich 4 Wochen blieben, um den Kostenvorschuss einzuzahlen. Der Senat geht im Übrigen davon aus, dass grundsätzlich eine Frist von 6 Wochen noch als angemessen angesehen werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Kläger für die Zahlung des Kostenvorschusses eines Dritten (Rechtsschutzversicherung) bedient (vgl. Urteil des Senats vom 27.11.2008, L 2 KN 103/08). Der am 06.02.2009 eingegangene Kostenvorschuss kann jedenfalls nicht als verspätet eingezahlt angesehen werden.
Selbst wenn man von einem (aus großer Nachlässigkeit) verspätet gezahlten Kostenvorschuss ausginge, hätte der Antrag gem. § 109 SGG nicht wegen Verzögerung des Rechtsstreits ablehnt werden können. Grundsätzlich wird von einer Verzögerung des Rechtsstreits im Sinne des § 109 Abs. 2 SGG lediglich dann auszugehen sein, wenn sich durch die vom Kläger beantragte Beweisaufnahme, der durch Terminierung bereits ins Auge gefasste Zeitpunkt der Beendigung der Streitsache tatsächlich verschiebt. Vorliegend erfolgte - nach Eingang des Kostenvorschusses bei der Oberjustizkasse Hamm am 06.02.2009 - die Ladung am 04.03.2009 zum 07.08.2009. Ob im Zeitpunkt des Eingangs des Kostenvorschusses (am 06.02.2009) die Erledigung des Rechtsstreits durch die Einholung des Gutachtens verzögert worden wäre, bleibt nach Lage der Akten offen. Tatsachen, die diese Annahme rechtfertigen, finden sich darin nicht. Eine Anfrage des SG an den benannten Sachverständigen, wie lange er für die Erstellung des Gutachtens benötige, fehlt. Es erscheint gut denkbar, dass das Gutachten den Beteiligten so rechtzeitig vor dem Termin am 07.08.2009 vorgelegen hätte, dass diese dazu noch vor oder spätestens im Termin sachgerecht hätten Stellung nehmen können. Darüber hinaus ergeben sich aus dem Ablauf des Klageverfahrens keinerlei Hinweise für eine Absicht des Klägers, das Verfahren zu verschleppen.
Der Antrag des Klägers nach § 109 SGG durfte auch nicht deshalb übergangen werden, weil er in der mündlichen Verhandlung (ausweislich der Sitzungsniederschrift) nicht mehr gestellt wurde. Grundsätzlich gilt, dass ein Beweisantrag, der in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt wurde, dann nicht übergangen worden ist, wenn aus den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er in der maßgebenden mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten wurde. Dies ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten regelmäßig dann an anzunehmen, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung nur noch ein Sachantrag gestellt und der Beweisantrag nicht wenigsten hilfsweise wiederholt wird (BSG Beschluss vom 03.03.1999, B 9 VJ 1/98 B, SGb 2000, 269).
Aus den näheren Umständen des Einzelfalles ist vorliegend jedoch zu schließen, dass der Kläger seinen Antrag nach § 109 SGG auch im Termin vom 07.08.2009 aufrechterhalten wollte. Der Kläger hatte bereits mit Schriftsätzen von 21.02.2009 und 14.05.2009 das Gericht aufgefordert, das Gutachten von Prof. Dr. H einzuholen. In Beantwortung des letztgenannten Schriftsatzes hat das SG dem Kläger unter dem 15.05.2009 mitgeteilt, dass über die Einholung des Gutachtens die Kammer in der mündlichen Verhandlung entscheiden werde. Der Kläger durfte daher - auch ohne Wiederholung seines Antrages in der mündlichen Verhandlung am 07.08.2009 - darauf vertrauen, dass die Kammer, also der Berufsrichter und die ehrenamtlichen Richter - vor einer Entscheidung in der Sache, zunächst über seinen Antrag nach § 109 SGG entscheiden. Es erscheint vor dem Hintergrund des Schreibens des Sozialgerichts vom 15.05.2009 bereits zweifelhaft, ob der Kläger davon ausgehen konnte, dass es sich bei der mündlichen Verhandlung am 07.08.2009 um die "maßgebende", letzte mündliche Verhandlung handelt.
Unabhängig davon hat das SG den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig a.a.O. vor § 60 Rdn.1b mwN.). Danach ist es unzulässig, durch übermäßig strenge Handhabung verfahrensrechtlicher Schranken den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar zu verkürzen. Formale Strenge darf im Prozess nicht ohne erkennbar schutzwürdigen Zweck praktiziert werden (BSG Urteil vom 28.11.1996, 7 RAr 118/95, SozR 3-1500 § 158 Nr 2). Hiergegen hat das SG verstoßen, indem es ohne wesentliche (von ihm unterstellter) Fristversäumnis, die weitere Sachverhaltsaufklärung abgelehnt und zugleich angenommen hat, das Verfahren würde sich verzögern, obwohl das Gericht selbst die mündliche Verhandlung erst ca. ein halbes Jahr später terminiert hat. Die Verfahrensgestaltung steht damit nicht in angemessenem Verhältnis zu dem auf Sachverhaltsklärung und Verwirklichung des materiellen Rechts gerichteten Verfahrensziel (vgl. dazu BVerfG Beschluss vom 02.03.1993, 1 BvR 249/92, BVerfGE 88, 118, 124, 126) und lässt in der konkreten Situation eine Rücksichtnahme auf Rechte des Klägers vermissen (vgl. dazu BVerfG Beschluss vom 26.04.1988, 1 BvR 669/87, 1 BvR 686/87, 1 BvR 687/87, BVerfGE 78, 123, 126). Dies gilt vor allem deshalb, weil die zügige Entscheidung des Rechtsstreits kein Selbstzweck ist, sondern in erster Linie dem Interesse des Versicherten an einer alsbaldigen Feststellung seiner Ansprüche dient. Dieses Interesse tritt jedoch im Rahmen des § 109 SGG erkennbar in den Hintergrund, weil der Versicherte selbst durch das ihm eingeräumte Antragsrecht auf eine unmittelbar und kurzfristig - nach dem bisherigen Stand der Sachverhaltsaufklärung - mögliche Sachentscheidung verzichtet.
Darüber hinaus ist der Grundsatz des fairen Verfahrens dadurch verletzt, das sich das SG widersprüchlich verhalten hat, indem es den Kläger zunächst in Aussicht stellte, dass die Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung über den Antrag entscheiden werde. Es hat sich jedoch dann weder in der mündlichen Verhandlung noch in den Urteilsgründen weiter mit dem Antrag befasst.
Bekräftigt wird der Senat in seiner Auffassung, dass das SG den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt hat, weiter durch den Verfahrensablauf. Denn bereits unter dem 09.02.2009 hat das SG dem Kläger mitgeteilt, dass der fristgerechte Eingang des Kostenvorschusses nicht festgestellt werden könne. Entsprechende Erkenntnisse lagen dem Gericht jedoch erst mit Eingang der Anzeige über den Zahlungseingang am 16.02.2009 vor. Offensichtlich hat das Sozialgericht am 09.02.2009 jedoch gar nicht ermittelt, ob der Kostenvorschuss rechtzeitig eingegangen ist, sondern hat allein daraus, dass die Zahlungsanzeige der Oberjustizkasse noch nicht zu den Akten gelangt war, auf die nicht fristgerechte Einzahlung geschlossen. Allein auf den Eingang des Kostenvorschusses bei der Oberjustizkasse ist jedoch abzustellen, weil der Kläger regelmäßig aufgefordert wird, den Betrag an die Oberjustizkasse zu überweisen. Wie der vorliegende Fall zeigt, können jedoch zwischen Eingang des Kostenvorschusses bei der Oberjustizkasse und dem Eingang der Zahlungsanzeige beim SG bis zu 10 Tagen liegen. Von daher konnte am 09.02.2009 grundsätzlich noch gar nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Kostenvorschuss nicht fristgerecht eingezahlt wurde. Auch dies verdeutlich, dass es dem SG in erster Linie nicht um die Verwirklichung des materiellen Rechts ging, sondern allein um eine schnelle, formale Beendigung des Rechtsstreits ohne weitere Sachverhaltsaufklärung.
Der Senat hält es im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens für sachgerecht und zweckmäßig, die Streitsache an das SG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Dabei wird das SG das von dem Kläger beantragte Gutachten gemäß § 109 SGG von Prof. Dr. H einzuholen haben (vgl. § 159 Abs. 2 SGG). Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Rechtsstreit nach weiterer Beweisaufnahme zu einem anderen Ergebnis führt. Auch unter Berücksichtigung des Gedankens der Prozessökonomie und des Interesses des Klägers an einer zeitnahen Sachentscheidung überwiegt sein Interesse, die erforderliche Sachaufklärung durch das SG in einem fairen Klageverfahren vornehmen zu lassen. Der Kläger hat durch seinen Hilfsantrag klargestellt, dass dies in seinem Interesse liegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Streitig ist die Entschädigung wegen Folgen eines Arbeitsunfalls am 26.09.2006.
Der am 00.00.1961 geborene Kläger erlitt am 26.09.2006 als Hauer unter Tage einen Arbeitsunfall, als er beim Tragen von Klemmbockbühnenteilen auf einen Gesteinsbrocken trat, umknickte und sich das linke Knie verdrehte. Mit Bescheid vom 24.07.2007 erkannte die Beklagte als Folge des Arbeitsunfalls eine Muskelminderung im linken Oberschenkel, Schwellneigung über dem linken Kniegelenk sowie Beschwerden an. Unfallunabhängig bestünden degenerative Veränderungen im linken Kniegelenk. Anspruch auf Rente wegen der Folgen des Unfalls bestehe nicht. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) messbaren Grades wegen der Folgen des Unfalls ergebe sich nicht. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2008 zurückgewiesen.
Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger behauptet, die Folgen des Arbeitsunfalls am 26.09.2006 hätten sich zwischenzeitlich verschlechtert. Bei geringsten Belastungen schwelle das linke Knie regelmäßig an. Die erhebliche Muskelminderung im linken Oberschenkel bestehe fort.
Die Beklagte hat die angefochtenen Entscheidungen verteidigt.
Mit einfachem Brief hat das SG den Kläger am 01.12.2008 darauf hingewiesen, keine weitere medizinische Sachaufklärung von Amts wegen durch Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten zu betreiben. Unter Hinweis auf die Regelungen des § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) werde der Kläger gebeten, bis 02.01.2009 einen bestimmten Antrag zu stellen. Mit am 23.12.2008 bei dem SG eingegangenem Schreiben beantragte der Kläger die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG von Dr. C aus S. Am 29.12.2008 gab das SG dem Kläger auf, bis spätestens 30.01.2009 einen Vorschuss auf die Kosten nach § 109 SGG in Höhe von EUR 1.500,00 zu entrichten. Mit Schreiben vom 03.02.2009 änderte der Kläger seinen Antrag und beantragte nunmehr Prof. Dr. H aus I gemäß § 109 SGG als Sachverständigen zu hören. Am 06.02.2009 wurde der Vorschuss auf die Kosten in Höhe von EUR 1.500,00 bei der Oberjustizkasse Hamm eingezahlt. (Die Zahlungsanzeige ging am 16.02.2009 bei dem SG ein.) Mit einfachem Brief vom 09.02.2009 teilte das SG dem Kläger mit, der aufgegebene Vorschuss auf die Kosten sei bei der Staatskasse nicht fristgerecht eingegangen. Die Sache sei "zur Sitzung" geschrieben. Mit Schreiben vom 12.02.2009 forderte der Kläger das Gericht unter Bezugnahme auf die zwischenzeitlich erfolgte Einzahlung des Vorschusses auf, nunmehr das Gutachten von Prof. Dr. H einzuholen. Mit Schreiben vom 17.02.2009 teilte das SG dem Kläger mit, wegen der nicht fristgerechten Einzahlung des Vorschusses werde das Gutachten gemäß § 109 SGG nicht eingeholt. Mit Schreiben vom 21.02.2009 wies der Kläger darauf hin, dass das Fristversäumnis bezüglich der Einzahlung des Kostenvorschusses nicht zu einer Verfahrensverzögerung geführt habe und nach wie vor die Möglichkeit bestünde, das Gutachten einzuholen.
Am 04.03.2009 hat das SG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 07.08.2009 bestimmt. Mit weiterem Schreiben vom 14.05.2009 forderte der Kläger erneut das SG dazu auf, das Gutachten nach § 109 SGG einzuholen. Daraufhin teil das SG dem Kläger unter dem 15.05.2009 mit, über die Einholung des Gutachtens gemäß § 109 SGG werde die Kammer in der mündlichen Verhandlung entscheiden. In der Niederschrift der öffentlichen Sitzung des SG am 07.08.2009 ist eine wiederholte Antragstellung nach § 109 SGG nicht protokolliert.
Mit Urteil vom 07.08.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich auf die Feststellungen in den angefochtenen Entscheidungen der Beklagten gestützt. Zur Frage der Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG schweigt das Urteil.
Zur Begründung der dagegen eingelegten Berufung wiederholt der Kläger sein Vorbringen. Das SG habe seinem Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG entsprechen müssen. Das SG habe die geringfügige Überschreitung der Frist zur Einzahlung des Kostenvorschusses zum Anlass genommen, das Gutachten nach § 109 SGG nicht einzuholen, dies sei schlichtweg unverständlich. Obwohl der Vorschuss auf die Kosten nach § 109 SGG am 06.02.2009 bei der Oberjustizkasse Hamm eingezahlt worden sei, habe das SG erst in der mündlichen Verhandlung am 07.08.2009 über das Klagebegehren entschieden. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte das beantragte Gutachten des Prof. Dr. H bereits vorliegen und Gegenstand der Sachentscheidung sein können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 07.08.2009 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 24.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2008 zu verurteilen, dem Kläger aus Anlass des Arbeitsunfalles vom 26.09.2006 eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren,
hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Für die Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten für den Kläger Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist im Sinne des Hilfsantrags begründet. Die bisherigen Tatsachenfeststellungen reichen für eine Sachentscheidung nicht aus, da das erstinstanzliche Verfahren an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG).
Das erstinstanzliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel, wenn das SG auf dem Weg zu einer abschließenden Entscheidung eine das Klageverfahren regelnde Verfahrensvorschrift verletzt hat. Wesentlich ist dieser Mangel, wenn die Entscheidung des SG auf der Verletzung der Verfahrensvorschrift beruhen kann (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 159 Rdnr. 3 a mwN). So liegt der Fall hier.
Im sozialgerichtlichen Verfahren ist gem. § 109 Abs. 1 SGG auf Antrag des Versicherten, ein bestimmter Arzt gutachtlich zu hören. Die Anhörung kann von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden (§ 109 Abs. 1 S. 2 SGG). Die Anhörung kann nur unter den Voraussetzungen des 109 Abs. 2 SGG abgelehnt werden, wenn der Antrag entweder (lediglich) in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Bei einer Zulassung des Beweisantrags müsste es zudem zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits kommen. Diese Voraussetzungen für die Ablehnung des Antrags liegen nicht vor.
Der Kläger hat innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist beantragt, Dr. C als Sachverständigen zu hören, insoweit besteht keine Veranlassung, die Einholung des Gutachtens abzulehnen.
Der Antrag gem. § 109 SGG hätte jedoch auch nicht wegen der erst am 06.02.2009 erfolgten Zahlung des angeforderten Kostenvorschusses abgelehnt werden dürfen. Grundsätzlich gilt, dass § 109 Abs.2 SGG entsprechend anzuwenden ist, wenn der Vorschuss erst nach Fristablauf gezahlt wird (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 109 Rdnr. 14c). Dabei kann dahin stehen, ob mit Verfügung vom 29.12.2008 wirksam eine richterliche Frist (vgl. § 65 SGG) gesetzt worden ist, deren Überschreitung zur Zurückweisung eines Antrags nach § 109 SGG berechtigte, obwohl diese Verfügung nicht zugestellt worden ist (§ 63 Abs.1 SGG, vgl. im Übrigen: Keller in Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 63 Rdnr. 3, § 109 Rdnr. 11; LSG NRW, Beschluss vom 09.05.2006, L 1 B 6/06 AL). Die vom Sozialgericht gesetzte Frist ist bereits nicht angemessen. Angemessen ist eine Frist, wenn innerhalb der Zeitspanne vom Zugang der Verfügung bis zum Fristablauf üblicherweise erwartet werden kann, dass die verfügte Auflage erfüllt wird. Ob zur Abwicklung der Einzahlung eines Kostenvorschusses die Frist von einem Monat ausreicht (vgl. (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 109 Rdnr. 11 mwN) kann dahin stehen, da die vorliegend gesetzte Frist dem Kläger weniger als einen Monat Zeit ließ, um den Kostenvorschuss einzuzahlen. Das Sozialgericht musste damit rechnen, dass die erst am 30.12.2008 abgesandte Verfügung - angesichts des Jahreswechsels -, dem Klägerbevollmächtigten nicht vor dem 02.01.2009 zugeht, so dass bis zum 30.01.2009 lediglich 4 Wochen blieben, um den Kostenvorschuss einzuzahlen. Der Senat geht im Übrigen davon aus, dass grundsätzlich eine Frist von 6 Wochen noch als angemessen angesehen werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Kläger für die Zahlung des Kostenvorschusses eines Dritten (Rechtsschutzversicherung) bedient (vgl. Urteil des Senats vom 27.11.2008, L 2 KN 103/08). Der am 06.02.2009 eingegangene Kostenvorschuss kann jedenfalls nicht als verspätet eingezahlt angesehen werden.
Selbst wenn man von einem (aus großer Nachlässigkeit) verspätet gezahlten Kostenvorschuss ausginge, hätte der Antrag gem. § 109 SGG nicht wegen Verzögerung des Rechtsstreits ablehnt werden können. Grundsätzlich wird von einer Verzögerung des Rechtsstreits im Sinne des § 109 Abs. 2 SGG lediglich dann auszugehen sein, wenn sich durch die vom Kläger beantragte Beweisaufnahme, der durch Terminierung bereits ins Auge gefasste Zeitpunkt der Beendigung der Streitsache tatsächlich verschiebt. Vorliegend erfolgte - nach Eingang des Kostenvorschusses bei der Oberjustizkasse Hamm am 06.02.2009 - die Ladung am 04.03.2009 zum 07.08.2009. Ob im Zeitpunkt des Eingangs des Kostenvorschusses (am 06.02.2009) die Erledigung des Rechtsstreits durch die Einholung des Gutachtens verzögert worden wäre, bleibt nach Lage der Akten offen. Tatsachen, die diese Annahme rechtfertigen, finden sich darin nicht. Eine Anfrage des SG an den benannten Sachverständigen, wie lange er für die Erstellung des Gutachtens benötige, fehlt. Es erscheint gut denkbar, dass das Gutachten den Beteiligten so rechtzeitig vor dem Termin am 07.08.2009 vorgelegen hätte, dass diese dazu noch vor oder spätestens im Termin sachgerecht hätten Stellung nehmen können. Darüber hinaus ergeben sich aus dem Ablauf des Klageverfahrens keinerlei Hinweise für eine Absicht des Klägers, das Verfahren zu verschleppen.
Der Antrag des Klägers nach § 109 SGG durfte auch nicht deshalb übergangen werden, weil er in der mündlichen Verhandlung (ausweislich der Sitzungsniederschrift) nicht mehr gestellt wurde. Grundsätzlich gilt, dass ein Beweisantrag, der in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt wurde, dann nicht übergangen worden ist, wenn aus den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er in der maßgebenden mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten wurde. Dies ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten regelmäßig dann an anzunehmen, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung nur noch ein Sachantrag gestellt und der Beweisantrag nicht wenigsten hilfsweise wiederholt wird (BSG Beschluss vom 03.03.1999, B 9 VJ 1/98 B, SGb 2000, 269).
Aus den näheren Umständen des Einzelfalles ist vorliegend jedoch zu schließen, dass der Kläger seinen Antrag nach § 109 SGG auch im Termin vom 07.08.2009 aufrechterhalten wollte. Der Kläger hatte bereits mit Schriftsätzen von 21.02.2009 und 14.05.2009 das Gericht aufgefordert, das Gutachten von Prof. Dr. H einzuholen. In Beantwortung des letztgenannten Schriftsatzes hat das SG dem Kläger unter dem 15.05.2009 mitgeteilt, dass über die Einholung des Gutachtens die Kammer in der mündlichen Verhandlung entscheiden werde. Der Kläger durfte daher - auch ohne Wiederholung seines Antrages in der mündlichen Verhandlung am 07.08.2009 - darauf vertrauen, dass die Kammer, also der Berufsrichter und die ehrenamtlichen Richter - vor einer Entscheidung in der Sache, zunächst über seinen Antrag nach § 109 SGG entscheiden. Es erscheint vor dem Hintergrund des Schreibens des Sozialgerichts vom 15.05.2009 bereits zweifelhaft, ob der Kläger davon ausgehen konnte, dass es sich bei der mündlichen Verhandlung am 07.08.2009 um die "maßgebende", letzte mündliche Verhandlung handelt.
Unabhängig davon hat das SG den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig a.a.O. vor § 60 Rdn.1b mwN.). Danach ist es unzulässig, durch übermäßig strenge Handhabung verfahrensrechtlicher Schranken den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar zu verkürzen. Formale Strenge darf im Prozess nicht ohne erkennbar schutzwürdigen Zweck praktiziert werden (BSG Urteil vom 28.11.1996, 7 RAr 118/95, SozR 3-1500 § 158 Nr 2). Hiergegen hat das SG verstoßen, indem es ohne wesentliche (von ihm unterstellter) Fristversäumnis, die weitere Sachverhaltsaufklärung abgelehnt und zugleich angenommen hat, das Verfahren würde sich verzögern, obwohl das Gericht selbst die mündliche Verhandlung erst ca. ein halbes Jahr später terminiert hat. Die Verfahrensgestaltung steht damit nicht in angemessenem Verhältnis zu dem auf Sachverhaltsklärung und Verwirklichung des materiellen Rechts gerichteten Verfahrensziel (vgl. dazu BVerfG Beschluss vom 02.03.1993, 1 BvR 249/92, BVerfGE 88, 118, 124, 126) und lässt in der konkreten Situation eine Rücksichtnahme auf Rechte des Klägers vermissen (vgl. dazu BVerfG Beschluss vom 26.04.1988, 1 BvR 669/87, 1 BvR 686/87, 1 BvR 687/87, BVerfGE 78, 123, 126). Dies gilt vor allem deshalb, weil die zügige Entscheidung des Rechtsstreits kein Selbstzweck ist, sondern in erster Linie dem Interesse des Versicherten an einer alsbaldigen Feststellung seiner Ansprüche dient. Dieses Interesse tritt jedoch im Rahmen des § 109 SGG erkennbar in den Hintergrund, weil der Versicherte selbst durch das ihm eingeräumte Antragsrecht auf eine unmittelbar und kurzfristig - nach dem bisherigen Stand der Sachverhaltsaufklärung - mögliche Sachentscheidung verzichtet.
Darüber hinaus ist der Grundsatz des fairen Verfahrens dadurch verletzt, das sich das SG widersprüchlich verhalten hat, indem es den Kläger zunächst in Aussicht stellte, dass die Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung über den Antrag entscheiden werde. Es hat sich jedoch dann weder in der mündlichen Verhandlung noch in den Urteilsgründen weiter mit dem Antrag befasst.
Bekräftigt wird der Senat in seiner Auffassung, dass das SG den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt hat, weiter durch den Verfahrensablauf. Denn bereits unter dem 09.02.2009 hat das SG dem Kläger mitgeteilt, dass der fristgerechte Eingang des Kostenvorschusses nicht festgestellt werden könne. Entsprechende Erkenntnisse lagen dem Gericht jedoch erst mit Eingang der Anzeige über den Zahlungseingang am 16.02.2009 vor. Offensichtlich hat das Sozialgericht am 09.02.2009 jedoch gar nicht ermittelt, ob der Kostenvorschuss rechtzeitig eingegangen ist, sondern hat allein daraus, dass die Zahlungsanzeige der Oberjustizkasse noch nicht zu den Akten gelangt war, auf die nicht fristgerechte Einzahlung geschlossen. Allein auf den Eingang des Kostenvorschusses bei der Oberjustizkasse ist jedoch abzustellen, weil der Kläger regelmäßig aufgefordert wird, den Betrag an die Oberjustizkasse zu überweisen. Wie der vorliegende Fall zeigt, können jedoch zwischen Eingang des Kostenvorschusses bei der Oberjustizkasse und dem Eingang der Zahlungsanzeige beim SG bis zu 10 Tagen liegen. Von daher konnte am 09.02.2009 grundsätzlich noch gar nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Kostenvorschuss nicht fristgerecht eingezahlt wurde. Auch dies verdeutlich, dass es dem SG in erster Linie nicht um die Verwirklichung des materiellen Rechts ging, sondern allein um eine schnelle, formale Beendigung des Rechtsstreits ohne weitere Sachverhaltsaufklärung.
Der Senat hält es im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens für sachgerecht und zweckmäßig, die Streitsache an das SG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Dabei wird das SG das von dem Kläger beantragte Gutachten gemäß § 109 SGG von Prof. Dr. H einzuholen haben (vgl. § 159 Abs. 2 SGG). Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Rechtsstreit nach weiterer Beweisaufnahme zu einem anderen Ergebnis führt. Auch unter Berücksichtigung des Gedankens der Prozessökonomie und des Interesses des Klägers an einer zeitnahen Sachentscheidung überwiegt sein Interesse, die erforderliche Sachaufklärung durch das SG in einem fairen Klageverfahren vornehmen zu lassen. Der Kläger hat durch seinen Hilfsantrag klargestellt, dass dies in seinem Interesse liegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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