L 9 R 5539/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 2662/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5539/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. September 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Vormerkung der Zeit vom 1.4.2003 bis 15.2.2004 als Anrechnungszeit, hilfsweise als Überbrückungszeit.

Der 1952 geborene Kläger war bis zum 31.3.2003 als Softwareingenieur bei der Firma S. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eines Aufhebungsvertrages.

Im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses suchte der Kläger nach seinen Angaben am 26.11.2002 die Agentur für Arbeit auf. Dort habe man ihm erklärt, er könne vier Monate länger Arbeitslosengeld beziehen, wenn er sich erst nach Vollendung des 52. Lebensjahres arbeitslos melde. Von Seiten der Arbeitsverwaltung würden ihm dadurch keine Nachteile entstehen. Wegen möglicher Auswirkungen auf die Rentenversicherung solle er sich an diese wenden. Er habe daraufhin am nächsten Tag bei der Beratungsstelle der Beklagten in Stuttgart vorgesprochen, wo ihm erklärt worden sei, wenn er für die Zeit, in der nicht beim Arbeitsamt gemeldet sei, freiwillige Beiträge zum Erhalt des Erwerbsminderungsschutzes zahle, entstünden ihm keine Nachteile in der Rentenversicherung.

Entsprechend seinem Antrag vom 24.4.2003 zahlte der Kläger vom 1.4.2003 bis 29.2.2004 freiwillige Beiträge. Zum 16.2.2004 meldete sich der Kläger arbeitslos, woraufhin ihm die Agentur für Arbeit ab 16.2.2004 Arbeitslosengeld für insgesamt 780 Kalendertage (26 Monate) bis 10.4.2006 bewilligte.

Am 11.4.2006 wandte sich der Kläger an die Beklagte und gab an, sein Arbeitslosengeld laufe im April 2006 aus. Danach werde er keine Leistungen mehr erhalten, aber weiterhin bei der Agentur für Arbeit gemeldet bleiben. Für die Zeit vom 1.4.2003 bis 31.1.2004 habe er zur Aufrechterhaltung seines Versicherungsschutzes freiwillige Beiträge gezahlt. Nunmehr habe er bei einem Beratungsgespräch erfahren, dass ab April 2006 eine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit nicht entstehe und er seinen Versicherungsschutz nur über die Zahlung weiterer freiwilliger Beiträge aufrechterhalten könne. Wenn er gewusst hätte, dass ihm die Zahlung freiwilliger Beiträge und die verspätete Arbeitslosmeldung die Anrechnungszeit kaputt mache, hätte er sich bereits ab 1.4.2003 zumindest arbeitssuchend gemeldet. Bei der Beratung in der Beratungsstelle der Beklagten sei er über diese Konsequenzen nicht informiert worden. Er bat um Überprüfung, ob die Zeit vom 1.4.2003 bis 15.2.2004 als Überbrückungstatbestand anzuerkennen sei. Er habe sich in diesen Zeitraum zwar um Arbeit bemüht, aber nichts gefunden. Nachweise über seine Arbeitsbemühungen habe er nicht mehr.

Mit Bescheid vom 23.8.2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Zeit vom 1.4.2003 bis 15.2.2004 könne weder als Überbrückungstatbestand noch als Anrechnungszeit berücksichtigt werden, weil er nicht arbeitslos gemeldet gewesen sei und auch keine Nachweise über seine Arbeitsbemühungen habe. Die Zeit der Arbeitslosmeldung ohne Leistungsbezug ab 11.4.2006 könne nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt werden, da durch diese Zeit keine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit unterbrochen werde. Bei dem Beratungstermin vor dem 1.4.2003 hätte selbst bei umfassender Beratung nicht zwingend verhindert werden können, dass die Problematik bei ihm auftrete. Der Nachweis einer kausalen Falschberatung sei nicht geführt. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen einer gegebenenfalls erfolgten Nichtberatung und der Nichtanrechnung der Zeit der Arbeitslosigkeit ab 11.4.2006. Es habe sich hierbei um keinen naheliegenden Gestaltungshinweis gehandelt, den der/die Berater/in hätte geben müssen.

Hiergegen legte der Kläger am 14.9.2006 Widerspruch ein und machte geltend, er habe genau das getan, was ihm ein Mitarbeiter der Beklagten erklärt habe. Die Frage, ob ihm Nachteile entstünden, wenn er sich nicht sofort arbeitslos meldete, sondern später, sei falsch beantwortet worden. Er bitte deswegen darum, die Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug ab 11.4.2006 als Anrechnungszeit zu berücksichtigen und ihm die freiwilligen Beiträge zurückzuerstatten, da er bei korrekter Beratung keine freiwilligen Beiträge hätte zahlen müssen und trotzdem der Erwerbsminderungsschutz hätte aufrechterhalten werden können. Den Termin der ersten Beratung habe er nicht festgehalten. Die zweite Beratung habe am 24.4.2003 stattgefunden, da er damals den Antrag auf Zahlung freiwilliger Beiträge gestellt habe.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme der Beraterin P. ein. Diese führte unter dem 20.12.2006 aus, nach den Beratungsnotizen sei der Kläger am 24.3.2003 (durch einen Auszubildenden zur Unterweisung) über verschiedene Altersrenten sowie darüber informiert worden, dass eine Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug nur anrechenbar sei, wenn eine versicherungspflichtige Tätigkeit oder eine selbstständige Tätigkeit mit Pflichtversicherung unterbrochen werde. Auch sei ihm erklärt worden, dass für die Aufrechterhaltung des Erwerbsminderungsrentenschutzes die Möglichkeit bestehe, freiwillige Beiträge zu entrichten, bis er sich arbeitslos mit Leistungsbezug melde. Dies habe er gewollt und sei vom Auszubildenden aufgenommen worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.3.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, inwiefern die freiwillige Beitragszahlung zur späteren Anerkennung einer Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug ausreichend sei, sei mit dem Kläger nicht besprochen worden. Eine Pflichtverletzung durch die Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten liege nicht vor. Die Zeit der Arbeitslosigkeit ab 11.4.2006 könne nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt werden.

Hiergegen erhob der Kläger am 3.4.2007 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart, begehrte die Berücksichtigung der Zeit vom 1.4.2003 bis 15.2.2004 als Überbrückungszeit sowie der Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug ab 11.4.2006 als Anrechnungszeit und die Erstattung der ab 1.4.2003 geleisteten freiwilligen Beiträge. Die richtige Beratung wäre gewesen, wenn man ihm gesagt hätte, er solle sich beim Arbeitsamt ohne Leistungsbezug arbeitssuchend melden. Dann wären die Zeiten automatisch Anrechnungszeiten gewesen und er hätte keine freiwilligen Beiträge zahlen müssen und hätte ab 11.4.2006 Anrechnungszeiten gehabt. Von April 2003 bis Februar 2004 habe er die einschlägigen Zeitungen nach Stellenangeboten durchforstet. Auch habe er frühere Kunden hinsichtlich einer Arbeitsstelle angesprochen. Der Kläger legte fünf Bestätigungen vor, wonach er sich nach seinem Ausscheiden aus der Firma S. um eine Stelle als Softwareentwickler beworben habe. Die Klage auf Erstattung seiner freiwilligen Beiträge nahm er zurück und begehrte lediglich noch die Vormerkung der Zeit vom 1.4.2003 bis 15.2.2004 als Anrechnungszeit, hilfsweise als Überbrückungszeit.

Mit Urteil vom 30.9.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Vormerkung der streitigen Zeit als Anrechnungs- oder Überbrückungszeit. Die Vormerkung als Anrechnungszeit scheitere schon daran, dass sich der Kläger in der streitigen Zeit nicht beim Arbeitsamt bzw. der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet habe. Die fehlende Meldung lasse sich auch nicht im Wege eines Herstellungsanspruchs ersetzen. Die streitige Zeit könne auch nicht als Überbrückungszeit berücksichtigt werden. Ob der Kläger möglicherweise wegen einer Pflichtverletzung von Mitarbeitern der Beklagten einen Schadensersatzanspruch im Wege der Amtshaftung geltend machen könne, sei im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen gewesen, da hierfür ausdrücklich nur der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sei. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 25.10.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.11.2008 Berufung eingelegt und vorgetragen, es habe nicht an ihm gelegen, dass er sich in der Zeit vom 1.4.2003 bis 15.2.2004 nicht arbeitslos gemeldet habe, sondern an den Empfehlungen, die er von der Agentur für Arbeit und von der Beratungsstelle der Beklagten erhalten habe. Erstmals im April 2006 habe er gehört, dass seine spätere Arbeitslosmeldung zu Nachteilen führe. Wenn man ihn korrekt informiert hätte, hätte er sich am 1.4.2003 arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldet. Sämtliche nun bestehenden Probleme seien darauf zurückzuführen, dass er von Frau P. falsch beraten worden sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. September 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. April 2003 bis 15. Februar 2004 als Anrechnungszeit, hilfsweise als Überbrückungszeit vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, aus dem Vorbringen des Klägers ergäben sich keine im Wesentlichen neuen Gesichtspunkte.

Mit Verfügung vom 6.11.2009 hat der Senat auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss hingewiesen und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger hat sich hierzu am 22.12.2009 geäußert.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Vormerkung der Zeit vom 1.4.2003 bis 15.2.2004 als Anrechnungszeit bzw. Überbrückungszeit hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 6.11.2009 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich. Gründe, eine weitere mündliche Verhandlung durchzuführen, ergeben sich aus dem Vorbringen des Klägers im Schreiben vom 22.12.2009 nicht.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die Vormerkung von Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit sowie die höchstrichterliche Rechtsprechung zu Überbrückungstatbeständen dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Vormerkung der Zeit vom 1.4.2003 bis 15.2.2004 als Anrechnungszeit bzw. Überbrückungszeit - auch im Wege eines Herstellungsanspruchs - nicht vorliegen. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass die im Klageverfahren vom Kläger vertretene Ansicht, die richtige Beratung wäre gewesen, ihm zu sagen, sich beim Arbeitsamt ohne Leistungsbezug arbeitslos zu melden, nicht dazu geführt hätte, dass die streitige Zeit bei ihm als Anrechnungszeit hätte berücksichtigt werden können. Denn Voraussetzung für die Berücksichtigung der streitigen Zeit als Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI ist die Arbeitslosmeldung bei einer deutschen Agentur für Arbeit und der Bezug einer öffentlich-rechtlichen Leistung. Ein Bezug einer öffentlich-rechtlichen Leistung ist nur dann nicht erforderlich, wenn diese wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht gewährt wurde. An den finanziellen Verhältnissen scheiterte beim Kläger jedoch nicht die Gewährung von Arbeitslosengeld, sondern an der fehlenden Arbeitslosmeldung und dem fehlenden Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld. Aufgrund dessen scheidet eine Anrechnungszeit grundsätzlich aus (BSG, Urteil vom 13.5.1982 - 5/5a RKn 17/80 in JURIS). Den Bezug einer öffentlich-rechtlichen Leistung und einen Antrag hierauf hat das BSG (Urt. v. 4.10.1988 - 4/1 RA 27/87 in JURIS) zwar dann für entbehrlich erachtet, wenn ein Versicherter, der sich arbeitslos gemeldet hat, anlässlich der Auflösung seines Arbeitsverhältnisses neben einer globalen Abfindungssumme monatliche Beträge für entgehendes Arbeitslosengeld zumindest in dessen Höhe vom Arbeitgeber erhalten hat, da sich ein solcher Versicherter sozialadäquat verhält, indem er den Unterstützungsbetrag in der Arbeitslosenversicherung senken hilft. In einem solchen Fall soll der Versicherte keinen Nachteil in der gesetzlichen Rentenversicherung erleiden und nicht seinen Anspruch auf Berücksichtigung einer Ausfallzeit bzw. Anrechnungszeit verlieren. Um einen derartigen Fall handelt es sich vorliegend jedoch schon wegen der fehlenden Arbeitslosmeldung nicht.

Der Senat hält auch die Ansicht des Klägers nicht für zwingend, er sei im November 2002 sowie am 24.3.2003 (bzw. 24.4.2003) von der Beklagten falsch beraten worden. Denn dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Beklagte im November 2002 bzw. im März/April 2003 gewusst hätte bzw. hätte wissen müssen, dass der Kläger ab 11.4.2006 immer noch arbeitslos sein würde und darüber hinaus auch keine Leistungen (Arbeitslosenhilfe bzw. Arbeitslosengeld II) erhalten würde. Hierfür gibt es jedoch keinen Anhalt.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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